Pat Brave

Sponk - Zeitreisen mit Gedanken

Jonas Anonymus. Zukunft trifft Vergangenheit






Texte: Pat Brave
Bildmaterialien: Pat Brave

© 2015 Pat Brave. Alle Rechte vorbehalten.



Verlag tredition GmbH Hamburg

Dankeschön

Dank an Oma Else, Edith und Khalil Gibran, für die wertvollen Lebensweisheiten.

Ich danke auch meiner Tochter Nina, der Autorin Zehra Anders und meiner Schwester Birgit für die Unterstützung, beim Lektorat und dem eifrigen Feedback.

Dank ebenso an Thomas Ansell, für die jahrelange Forschung, warum Alois Hingerl, Dienstmann Nummer 172, die Post nicht abgeliefert hat?

Was ist ein Buch wert, das nicht gelesen wird?

Prolog - Vorwort

Jonas, ein mutiger 15-jähriger Junge, erlebt durch eine mysteriöse Tonfigur und die Kraft seiner Gedanken aufregende Zeitreisen.

Gott erschuf einen Menschen aus Ton. Jonas erschuf seinen Sponk. Fantasie oder Wirklichkeit?

In seiner Gegenwart ist Jonas Autist. Auf seinen Reisen in seine Parallelwelten, in seine Vergangenheit und in seine Zukunft, ist er das nicht. Er verändert sich, durch seine Zeitreisen.

Er hebt die Vergänglichkeit auf und gestaltet seine und unsere Zukunft. Unser Leben sieht Jonas mit ganz anderen Augen, aus einem anderen Licht. Er will es schützen.

Dies ist ein Buch, das man beim Lesen spürt. Haben Sie schon einmal ein Buch gespürt?

Gespickt mit Allgemeinbildung. Komprimiertes Wissen aus: Philosophie, Religion, Astronomie, Wissenschaft und Weltgeschichte, um unsere Wurzeln zu verstehen. Reichhaltig und spannend, wie das ganze menschliche Leben.

Dieses Buch ist keiner Gruppe, keiner Schublade gewidmet. Nein, es ist uns, den Menschen gewidmet.

Hat die Generation-Klick, haben Menschen Zukunft?

Und unsere Zeit tickt, unaufhörlich und gnadenlos.

Inhaltsübersicht

 

Dankeschön

Prolog - Vorwort

Jonas gibt es es mehrfach

Die Entdeckung

Mutters Apfelkuchen

Besuch aus der Zukunft

Gut oder Böse?

Thessas Rettung

Haben oder Sein? Thessas Party

Das Ei des Kolumbus

Tempel der Hallen. Jonas Anonymus

Haben Menschen Zukunft?

Odyssee 2116 - Leos Tools

Odyssee 2116 - Die Vorbereitung

Odyssee 2116 - Der Beginn

Des Pudels Kern

Epilog - Nachwort

Jonas gibt es mehrfach

 Keywords-Handlung:

Edith googelt Zeitreisen, Multiversum, Dimension,

Parallelwelten, Stringtheorie, Zwischenzeiten.

Edith -Jonas Mutter- hat ein Problem.

 

Die halbe Nacht googelte Jonas Mutter im Internet herum. Sie suchte nach logischen Erklärungen, für die Fähigkeit ihres Sohnes, die sie so sehr beängstigte.

Alles, was sie zum Thema Zeitreisen fand, sog sie förmlich in sich auf. Edith suchte und suchte und wurde tatsächlich fündig!

Die Erklärung, dass Jonas durch Raum und Zeit reisen konnte, musste die Existenz von Paralleluniversen sein.

Jonas existierte also mindestens zweimal. Einmal in seiner Gegenwart 2015 und das zweite Mal in seiner Vergangenheit 2007 erklärte sie sich das, voller Stolz.

Das leuchtete ihr ein. Die Befürchtung, dass etwas Schreckliches bei der Veränderungen der Vergangenheit passieren könnte, war jetzt aus Ediths Kopf verschwunden. Sie hatte sich eine scheinbar beruhigende Erklärung gegeben.

Es existierten ja zwei oder unendlich viele Universen, gleichzeitig nebeneinander. Eine Änderung in dem einen hat keine Auswirkung in einem anderen, dachte sie. Ein wenig getröstet, konnte sie ihren Jonas jetzt reisen lassen.

Wenn sie sich damit nicht irrt!

Unser Universum ist unendlich riesig, so unvorstellbar endlos, dass wir jede Menge an interessanten und gefährlichen Sachen übersehen.

Zum Beispiel den kleinen Blauen Planeten, der ebenfalls eine Sonne umkreist. Auf dem ein Blogger, in einem Blog namens Astrodicticum Simplex, gerade einen Artikel über Parallelwelten schreibt.

Nein, ich spreche nicht über die Erde! Sondern von einem Himmelskörper, weit entfernt im All, auf dem fast das Gleiche geschieht wie bei uns.

Mit kleinen Veränderungen:

Unsere Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft gibt es eben nicht nur einmal. Sie findet gleichzeitig, nebeneinander, in zig parallelen Raumzeiten, im Multiversum statt.

Edith war nicht auf den Kopf gefallen. Die Botschaft, die Jonas ihr aus der Zukunft mitbrachte, war echt. Das wusste sie, da gab es keinen Zweifel. Edith guckte auf den Kalender. Das Datum zeigte den 06.04.2007.

In 8 Jahren werde ich meinem Sohn eine Tonerde zum Geburtstag schenken, überlegte sie angestrengt, daraus bastelt er eine Tonfigur, seinen Sponk. Durch seine Gedankenkraft und seinen Sponk besucht er mich dann. Das war Gestern. Aber, wie zum Teufel, ist das möglich?

Jonas direkt fragen wollte sie nicht. Er schlief bereits. Sie fing an im Internet zu suchen. Alle Begriffe zum Thema Zeitreisen, verschlang sie förmlich.

Edith stopfte sich voll, mit dem Wissen das sie fand. Ihr erster Suchbegriff war Parallelwelten. Angestrengt fing sie an zu lesen:

Die Branenkosmologie beschreibt parallele Welten als Vorhänge, die nebeneinander, für uns jedoch unsichtbar, existieren. Außer den vier uns bekannten Dimensionen: Höhe, Breite, Länge und Zeit, gibt es viele Extradimensionen.

Gewöhnlich ist die Materie in der Bran, im Vorhang gefangen. Sie kann nicht entweichen, deshalb nehmen wir sie nicht mehrfach war.

Nur Energiefäden, sogenannte Strings, mit bestimmten Schwingungen, scheinen diese Dimensionen durchqueren zu können. Ja können sogar, an verschiedenen Orten, in der Raumzeit, gleichzeitig anwesend sein.

Ah ja..., entschied Edith, noch sehr naiv, ...Jonas muss diese Strings in sich haben. Sie gab weitere Begriffe ein: Zeit, Strings, Zukunft und lass weiter. Je nachdem, wie plausibel ihr eine Antwort erschien, lass sie intensiver. Ihr Wissensspeicher zur Astronomie, füllte sich langsam, sie googelte weiter:

Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft sind wie Punkte auf einem Kreis. Sie existieren gleichzeitig. Gleichwohl gibt es sehr viele solcher Kreise. Sie sind, als verschiedene Ringe, zu einer Membran übereinandergestapelt.

Je nach Dimension, je nachdem auf welchem Kreis, unsere Zeit gerade abläuft, erleben wir die Vergangenheit und Gegenwart als Fixpunkte. Das sind sie aber nicht! Sie sind veränderbar. Zeit selbst kann sich nicht bewegen, sondern nur wir auf ihr.

Vergangenheit und Gegenwart sind für uns nur Momentaufnahmen, weil wir den weit entfernten Punkt im Raum, in unserer Zeit, in der Raumzeit unseres Kreises, nicht erreichen können.

Edith kam sich vor wie ein Professor, der zu viel gelesen hatte. Ihre Augen wurden langsam müde. Sie las trotzdem weiter, das Schicksal ihres Sohnes war wichtiger:

Die Raumzeit ist eine Hyperebene (die Bran), die in eine multidimensionale Mannigfaltigkeit (den Bulk) eingebettet ist. Die Raumzeit kann von Materiefeldern nicht verlassen werden.

Doch, Jonas kann das, widersprach sie empört, dem soeben Gelesenen.

Die außergewöhnliche Fähigkeit, die Raumzeit verlassen zu können, hatte Jonas der Energie seiner Gedanken und einer seltsamen Tonfigur, seinen Sponk, zu verdanken, da war Edith sich sicher.

Die Tonerde war in der Tat etwas sehr Besonderes. Sie bestand zu einem Teil aus einem Stein-Eisen Meteorit, den sogenannten Chondrit und Kalksandstein. Chondrite bildeten die große Staub- und Gasscheibe, aus der, vor 4,6 Milliarden Jahren, die Sonne, die Planeten und Kometen entstanden sind. Doch davon wusste Jonas und Edith noch nichts.

Edith gab weitere Suchbegriffe ein: Dimensionen, Universum, Zeitreisen. Dabei verband sie unbewusst, das Gelesene mit ihren Gedanken an ihren Sohn:

Die Dimensionen, die Jonas auf seinen Zeitreisen erlebt, können raum- oder zeitartig, oder beides zugleich sein. Das hat Einfluss auf das Expansionsverhalten jedes Universums und kann somit als dunkle Energie wirken.

Diese dunkle Materie reflektiert nichts. Wir können sie nicht sehen, nur deren Auswirkungen beobachten.

Das stellt Jonas noch vor schwierige Aufgaben, vielleicht sogar sein Schicksal bestimmen, grübelte Edith besorgt.

Das ganze Ausmaß, von Jonas Zeitreisen, konnte sie nicht mal erahnen. Sie wusste nicht genug über Parallelwelten, Zwischenzeiten, Fehler in der einsteinschen Relativitätstheorie, über Information als 5. Dimension.

Sie wusste auch noch nichts über das Higgs-Boson und schwarze Löcher, und erst recht nichts über über die mysteriöse M-String Theorie oder über das Raum-Zeit-Kontinuum.

Sie hatte auch noch nichts gelesen oder gehört, über die Verhinderung von Zwillings- und Zeitparadoxa, Zeitschleifen, über Schwerkraftmonster und Wurmlöcher, über Schwingungen als Schöpfungsprinzip und vieles, vieles mehr, war ihr auch noch nicht bekannt.

Hauptsache war, dass Edith sich selbst eine kleine, beruhigende Erklärung geben konnte, was mit ihrem Sohn passiert und sich weniger Sorgen machen musste. Sie war mittlerweile zu müde, um weiter zu lesen, um weiter zu forschen, was da eigentlich geschehen ist, mit ihrem Jonas.

Vielleicht habe ich das doch nur geträumt, wünschte sie sich, bevor sie schlafen ging.

Was wir heute lernen, ist übermorgen nicht mehr richtig. Mit dieser Erkenntnis wird Edith noch oft konfrontiert werden.

Bereits der Naturphilosoph Demokrit war 500 v. Chr. der Auffassung, dass Materie aus kleinsten Teilchen zusammengesetzt ist, die ihre vielfältigen Erscheinungsformen erklären. Er ahnte gewissermaßen, dass es so etwas wie Atome geben müsste.

Während die westliche Welt, noch viele Jahrhunderte lang, an die vier Urstoffe: Erde, Wasser, Feuer und Luft glaubte, wurde die Idee des Atoms im frühen 18. Jahrhundert, mit Daltons Gesetz, der konstanten Proportionen, wieder aufgegriffen.

In den ersten zehn Jahren des 19. Jahrhunderts gelang, mit den Rutherfordschen Streuexperimenten, ein erster Blick ins Atominnere, indem ein Atomkern und eine Elektronenhülle ausgemacht werden konnten.

In den 1930er Jahren wurden Protonen und Neutronen als Bausteine des Atomkerns identifiziert. Im Jahre 1964 folgte die Hypothese des Murray Gell-Mann, einen Physiker, der sich mit der allgemeinen Entstehung von komplexen Phänomenen aus einfachen Gesetzen beschäftigte.

Er erhielt den Nobelpreis für Physik mit seiner Erkenntnis, jedes Nukleon sei aus drei Elementarteilchen, den Quarks, aufgebaut.

Heute sind es wesentlich kleinere Teile, sog. Energiefäden - die Strings -, die die Physiker suchen und Edith, und natürlich Jonas, noch beschäftigen werden.

Ganz nach Friedrich Dürrenmatt: Die Physiker, einem Theaterstück, wo drei Physiker als Patienten in einer privaten psychiatrischen Klinik leben. Einer von ihnen hat eine Entdeckung gemacht, die die Gefahr der Vernichtung der Welt in sich birgt und damit zur Grundfrage nach der Verantwortung der Wissenschaft und der Menschen führt.

Für den zeitreisenden Jonas bedeutete das, auf jeden Fall, eine Menge an Problemen und Abenteuern, eine Fülle an Erlebnissen und Erkenntnissen, über die er noch gar nichts wissen konnte.

Wohin werden ihn seine Zeitreisen bringen? Was wird ihm geschehen? Was wird Edith geschehen? Was wird uns geschehen?

Aber erst mal vorwärts, in die Zeit, an den Ort, auf den Planeten Erde, wo alles begann.

Und die Zeit der Menschen tickt, schicksalhaft.

Die Entdeckung

 Keywords-Handlung:

Jonas der Autist, literales Denken, erste Zeitreise,

Anfertigung des Sponk. Wer ist Jonas?

Mutter Edith und Vater Joe.

 

Jonas schaute aus dem Fenster und beobachtete die Schneeflocken. Sie fielen so schön gleichmäßig. Manche aber nicht, die bewegten sich kreuz und quer oder segelten nach oben. Ostern und Schnee, das ist schon etwas Besonderes, redete er in Gedanken, mit sich selbst.

Jonas Augen und Ohren funktionieren etwas anders, als gewöhnlich. Er empfängt das Licht, die elektromagnetischen Wellen, das für uns Sichtbare, in einem größeren Spektrum. Er kann infrarotes und ultraviolettes Licht sehen. Er hört auch mehr Töne, als die Menschen sonst wahrnehmen. Wie die Delphine und Fledermäuse, die die Geräusche aus dem Ultraschallbereich, sogar zur Orientierung benutzen.

Geräusch und Klang haben sich in der modernen Welt digitalisiert und sind zu einem modellierbaren, veränderlichen Material geworden. Klänge täuschen und verführen uns, sie warnen uns ebenso vor Gefahren oder befördern uns an ferne Orte.

Es liegt an uns, ob wir eine der vielfältigen Perspektiven des Hörens und Sehens, zwischen Subjektivität und Objektivität, einnehmen oder nicht.

Jonas Gedankenwelt, sein Wahrnehmungsspektrum, war dadurch sehr stark ausgeprägt. Für ihn haben Töne und Licht, spürbare Schwingungen, die sein Leben bestimmen.

Das Schneien hörte auf. Das Wetter im April ist immer so wechselhaft. Das machte Jonas unruhig, wie alle schnellen Wechsel von Veränderungen, in seiner Wahrnehmung. Das Gewohnte war ihm lieber.

Edith kam in sein Zimmer. Sie hielt eine Karte in der Hand. Auf der Karte stand: Frühstück.

»Jonas, Frühstück«, gab sie als akustische Information hinzu.

Jonas wusste, was zu tun war: In die Küche gehen.

Jonas ist Autist. Mit seinen 15 Jahren geht er nicht wie andere Jugendliche in eine gewöhnliche Schule. Er besuchte die Lehranstalt Hinsbleek, für spezielle Menschen mit besonderer Begabungen. Auf Hinsbleek gingen die meisten Lehrer auf die ungewöhnlichen Eigenarten ihrer Schüler ein. Die Klassengröße war auf maximal 20 Schüler begrenzt. Das erleichterte ihnen das Lernen.

Ansonsten war es eine ganz gewöhnliche Schule mit ganz gewöhnlichen Problemen: Cliquenbildung, Boshaftigkeiten, Nettigkeiten, Freundschaften, Feindschaften, sympathischen Lehrern, Nervies und, wohl oder übel, das notwendige Lernen.

Jonas lebt in einer anderen Welt. In seiner besonderen, eigenen Welt. Jonas nimmt seine Umgebung anders wahr. Das Denken und Fühlen anderer Menschen ist ihm oft verborgen.

Autismus ist keine Krankheit, sondern eine Art zu sein. Autisten sind Teil der Vielfalt der Menschen und Vielfalt stellt etwas Positives dar. Nicht alle Autisten sind gleich.

Jonas ist Widder. Mutig, belastbar, ein starker junger Mann und ziemlich groß für sein Alter. Der Widder ist das erste Zeichen im Tierkreis, ein Zeichen der Erneuerung und des Aufbruchs. Ihr Mut und ihre Risikobereitschaft machen sie zu besonders kämpferischen Menschen.

Jonas hat dieses Stürmische an sich. Die Unschuld und seine Naivität machten ihn furchtlos und risikofreudig. Er konnte schon an der Stimme erkennen, ob er es mit einem guten oder eher boshaften Menschen zu tun hatte. Er hat die Seele eines Indianers. Sein Vorleben hatte, schon recht früh, an die Tür seiner Seele geklopft.

Über ein Leben, als Indianer, hatte er schon so oft geträumt. Er sah auch ein bisschen wild aus. Seine schlaksige Figur und seine blonden, langen Haare, trugen dazu bei.

Jonas Charakter spiegelte sich in seinem Gesicht. Er hatte markante, aber zierliche Gesichtszüge. Seine lange, glatte Nase zeigte sofort: Er ist geradlinig und edel. Mit seinen eisblauen Augen, machte er insgesamt einen sehr wachsamen Eindruck.

Er denkt mehr mit dem Herzen, weniger mit kalten Verstand. Er war eben auch ein Norddeutscher. Da wird nicht gleich geschunkelt, wie beim Karneval. Sein Karneval findet im Inneren statt, nicht mit der Masse, nur äußerlich.

 In seinem Traum sah er sich immer unter einer riesigen Trauerweide sitzend, es ging ihm sehr schlecht. Er konnte nachts nicht mehr richtig schlafen, er war sehr traurig. Seine kleine Tochter war sehr krank, obwohl er sie immer gut mit Aufmerksamkeit und Essen versorgt hatte.

In diesem Traum, bat er eine weise, alte Spinnenfrau um Rat. Die konnte zwar nicht, wie im Märchen Rumpelstilzchen, Stroh zu Gold spinnen, aber die Spinnenfrau wusste was zu unternehmen war und sagte zu ihm:

»Nimm einen Zweig der Weide unter der du sitzt und biege ihn zu einem heiligen Kreis. Benutze dazu eine Schnur, die auf heiligen Kräutern getrocknet wurde. Während du die Knoten in den Kreis knüpfst, sprich heilige Worte und webe nur schöne und liebevolle Gedanken in das Netz. Lasse aber eine Öffnung in der Mitte des Netzes, damit nur gute Dinge hindurch gelangen können. Hänge zusätzlich heilige Federn an den Weidenring, damit nur die Träume der guten Geister den Weg durch die Öffnung in der Mitte finden. Die bösen Geister bleiben im Netz hängen und werden im Morgenlicht verenden.«

Jonas seelische Vergangenheit tat das und bastelte diesen Dreamcatcher, den Traumfänger, aus den Zweigen der Weide, um seine Tochter zu retten.

Aus seinem seelischen Vorleben hatte er, nicht nur seine Erinnerungen, sondern auch den Respekt vor der Natur und anderen Menschen, mitgenommen.

Jonas schießt manchmal über das Ziel hinaus und holt sich Narben. Die nimmt er gerne in Kauf, als Herausforderung zu neuen Taten.

Autismus wird von verschiedenen, biochemische Prozessen verursacht, die die Art, wie sich das Gehirn entwickelt, beeinflussen.

 Das Gehirn von Autisten ist anders aufgebaut, als bei nicht autistischen Menschen. Nervenimpulse gehen eher nach oben und unten - literales Denken - und weniger seitwärts, wie laterales Denken.

Computern, die wie neuronale Netze aufgebaut sind, haben gezeigt, dass diese oben-unten-Bewegung sehr gut zur Speicherung von Detailinformationen geeignet ist, aber weniger dazu taugen Unterschiede zu erkennen.

Für Jonas sind alle Menschen gleichberechtigt, wenn auch mit verschiedenen Funktionen, um das Leben auf der Erde zu bewältigen.

Mit dem Begriff Eigentum konnte er wenig anfangen. Er hatte es nie verstanden, warum seine Eltern einen Zaun, um ihren Garten, gebaut hatten. Darüber hatte er sich schon als kleiner Junge gewundert. Er hatte viel von den Vorlesungen seiner Mutter gelernt. Besonders die freche, neugierige Pippi Langstrumpf und ihr Pferd - Kleiner Onkel -, in der Villa Kunterbunt, hatte es ihm angetan.

Jonas sagte, schon als kleiner Junge, zu seiner Mutter:

Unser Haus, ist wie ein erweiterter irdische Leib. Vor wem oder was soll uns denn der Zaun beschützen? Als Menschen sind wir eh nur Zaungäste, beim Beobachten unserer Zeit.

Edith hatte darauf keine überzeugenden Antworten, die ihn hätten umstimmen können.

Sowieso, hatte Edith sich an seine Wortspiele gewöhnt. Das mochte er zu gerne. Die scheinbar gegensätzlichen, widersprüchlichen Dinge, mit Worten zusammenfügen, auf den Punkt zu bringen.

 Nichtautisten erkennen eher den Zusammenhang, während Autisten auf Details achten. Autisten sind besser, wenn es um logische, weniger gut, wenn es um intuitive Probleme geht.

Aber nun zurück, zu Jonas, zu seinem Leben in der Gegenwart.

Ostern war etwas Schönes. Das erinnerte er. Ostern hatte er Geburtstag. Dass Ostern war, sah Jonas an seinem bebilderten Kalender, seinem Zeitmesser.

Seine Mutter markierte immer den jeweiligen Tag. An jenem Tag sah er die vielen bunten Eier auf dem Kalender und ein Wort stand da: April. Der rote Rahmen umschloss eine kleine Zahl: 4. Und eine große Zahl stand unten: 2015.

Wenn im April die kleine Zahl 5 vom roten Rahmen umschlossen ist, dann hatte er Geburtstag. Das wusste er. Dann gab es leckeren Apfelkuchen.

Jonas ging in die Küche. Auf dem Küchentisch fand er frisches Obst, warmen Kakao und Vollkornbrötchen, wie fast jeden Tag, das mochte er - das Regelmäßige - und genoss sichtlich sein Frühstück. Autisten mögen meistens keine Veränderungen. Das Gewohnte ist nicht so voller, neuer Eindrücke, die sie in Ihren Gedanken belasten.

Edith beschrieb ihm immer seinen Tagesablauf. Sie wollte ihm Impulse geben .

»Jonas, du kannst heute ja etwas schreiben. Ich lese deine Geschichten sehr gerne. Spiel mit deinen Worten, das machst du doch so gerne«, lobte ihn Edith.

Jonas schrieb sehr oft, weil er sich sonst nicht so gut unterhalten konnte. Nur wenn es ihm schlecht ging, konnte er sich besser mitteilen. Schon in seiner Kindheit benutze er immer gerne eine Buchstabentafel. Das bunte Alphabet war so schön symbolisch. Eine klare Struktur. Das erleichterte ihm seine Gedanken auszudrücken.

Er besaß aber auch moderne Kommunikationsmittel. Er gehörte eben zur Generation-Klick: Bloggen, Posten, Googeln, Facebook, Whatsapp, Snapchat, Instagram, Tumblr, Youtube und twittern gehörten zu seinem Alltag.

Sein Laptop, zum Beispiel, durfte er mit in die Schule mitnehmen. Das machte das Lernen leichter, dort. Das iPhone hatte er sowieso immer bei sich.

Er las auch viel in den uralten Büchern, die ihn sein Lieblings-Onkel Paul geschenkt hatte. Paul war Antiquitätenhändler. Jonas sah ihn nur selten. Sein Onkel war ständig in der Welt unterwegs, um außergewöhnliche Objekte, auf internationalen Versteigerungen zu erwerben.

Jonas kannte die alte Bibel und den Koran schon fast auswendig. Die arabischen Schriftzeichen ordnete er perfekt dem bekannten, altgriechischen Alphabet zu.

Beim Lesen der Geschichten darin, konnte er fast alles um sich herum vergessen. Sie lieferten ihm auch jede Menge an Ideen, für seine eigenen Wortkreationen, das gefiel ihm. In die Kirche ging er allerdings nicht. Die vielen fremden Menschen dort. Zu anstrengend!

Überhaupt mochte Jonas Sprüche, mit bildhaften Weisheiten. Er kannte unheimlich viele. Es erinnerte ihn an seine, früh verstorbene, Oma Else. Mit ihr machte er oft lange Spaziergänge, im Wald beim Kupferteich.

Er hatte ein besonderes Faible, eine ausgesprochene Vorliebe, für Wortspiele entwickelt. Besonders Gegensätze und Widersprüche zogen ihn magisch an. Seine Lieblingskreation war: Judas Christus.

Als seine Oma ihn mal zu seinem, manchmal eigentümlichen, Verhalten befragte, antwortete er:

Lieber eine eckige Kante, als ein rundes Nichts.

Diese Ausflüge waren immer ziemlich aufregend. Einen geheimnisvollen, alten Mann trafen sie dort oft. Der sprach immer über wundersame Dinge mit Jonas Oma. Else war danach immer richtig aufgelöst, als wenn sie schon gar nicht mehr da wäre. Ihre Weisheiten hinterließ sie in Jonas Erinnerungen.

Der alte Mann wird bei Jonas Schicksal noch eine große Rolle spielen, davon wusste er damals noch nichts.

»Zimmer«, kam es Jonas über die Lippen, satt und sichtlich zufrieden. Jonas Mutter verstand was er meinte. Jonas wird in sein Zimmer gehen.

»Na, dann mal los«, erwiderte Edith. Mit ganzen gesprochenen Sätzen tat sich Jonas, als Autist, oft sehr schwer. Sein Umgang mit Worten war lieber kurz und knapp.

In seinem Zimmer, am Tisch sitzend, sah er lange aus dem Fenster. In Gedanken versunken, kamen Jonas immer die besten Ideen. Jonas fing an zu schreiben:

Gedanken sind wie die Schneeflocken, schrieb er, …sie fallen einfach aus dem Himmel und legen sich dann übereinander hin. Viele Gedanken werden zu Schnee und wenn die Sonne kommt, schmelzen sie einfach wieder weg.

Jonas machte sich häufig Gedanken, die sehr weit gingen. Über die Vergänglichkeit und Herkunft der Menschen zum Beispiel. Besonders abends, wenn er durch sein Teleskop, den Sternenhimmel beobachtete. Das tat er regelmäßig. Seine besondere Sehfähigkeit, das Wahrnehmen des ultravioletten und infraroten Lichts, ließ den Sternenhimmel besonders deutlich strahlen.

Mal einen Schritt nach hinten machen, durch den Dunst und Nebel gucken. Hindurch, durch das eigene, angenehm gewöhnliche, einfache Betrachten der Dinge. Eben, die ganze, oft verborgene, Vielfalt beobachten. Mal von oben alles angucken, oder von ganz unten. Die Vielfalt der Ansichten, schärft die Sinne und die Wahrnehmung. Der Vorhof zum Himmel, kann die Hölle sein.

So wie Nikolaus Kopernikus und Galileo Galilei es, bereits im Mittelalter, getan hatten. Sie waren die ersten Astronomen, die unser Weltbild über unseren Kosmos, unserem Sein auf der Erde, infolge aufmerksamer Beobachtung nachhaltig veränderten. Mal einen Blick aufs Kleine oder ganz Große werfen, etwas wagen, was noch keiner gewagt hatte, das hatten sie getan.

Das müssen sehr mutige Männer gewesen sein, dachte sich Jonas. Im Mittelalter zu behaupten, dass nicht die Erde, sondern die Sonne, der Mittelpunkt der damaligen Welt ist, grenzte an Gotteslästerung.

Für solche Behauptungen und noch geringere Vergehen, wurden Menschen, als Ketzer und Hexen, von der Inquisition verfolgt und auf dem Scheiterhaufen, als Teufelswerk, verbrannt.

Es entsprach nicht den damaligen Vorstellungen, den Interpretationen der Worte aus der heiligen Schrift, der Bibel. Die Kirche hatte einen gewaltigen Einfluss auf das tägliche Leben. Niemand durfte diese Macht in Frage stellen. Selbst der Reformator Martin Luther, der das neue Testament, aus dem griechischen und hebräischen, in seine Landessprache, ins Hochdeutsche übersetzte, sah sein Lebenswerk gefährdet. Er zog über Kopernikus her und zitierte dazu unbedacht, allzu wörtlich aus der Bibel.

Die Argumentation war immer die gleiche. Es darf nicht sein, was noch nicht gewusst wurde, was nicht sein darf. Das würde die Weltordnung durcheinander bringen, die bestehenden Machtverhältnisse auf den Prüfstand stellen. Das ging soweit, dass die schriftlichen Werke des Galileo Galilei verboten wurden und er selbst, auf den Knien vor der Kirche, den Beobachtungen der tatsächlichen Gesetze des Universum, abschwören musste. Er wurde gezwungen, die Wahrheit zu leugnen.

Wissen ist Macht und damit gefährlich. Die Erde ist eben doch der Mittelpunkt im Multiversum, notfalls mit Gewalt, gegen die Wahrheit. Es ist einfach angenehmer, als privilegierte Machtinstitution im Mittelpunkt zu stehen und das Volk zu beherrschen.

Diese Ansicht, finden wir heute noch, ständig in unserem Alltagsleben, in Politik und Wirtschaft. Die Wahrheit liegt an der Oberfläche, leider trotzdem, tief vergraben.

Wie können wir das ändern? Das ist die zentrale Frage, um des Pudels Kern. Doch dazu später mehr.

Es ist viel passiert, seit dem Mittelalter. Vergleichen wir jedoch gegenwärtig die Weltraumforschung mit der Erforschung unserer Ozeane, so haben wir nicht mal einen Wassertropfen untersucht.

Es gibt mehr als 300 Milliarden Sterne mit umkreisenden Planeten in unserer Galaxie, die wir die Milchstraße nennen. Im gesamten Universum gibt es mehr als 100 Milliarden Galaxien.

Woher wissen wir das? Die Leuchtkraft der Galaxien lässt sich messen, bei Sternen, Planeten und noch viel größeren kosmischen Objekten. Licht wird durch Masse gekrümmt. Diese Krümmung lässt sich hochrechnen. Je mehr Masse, d.h. je mehr Sterne, Planeten und Galaxien sich am Messpunkt befinden, desto größer ist die Krümmung des Lichts, das von diesen Objekten ausgeht.

Die Mathematik, die nur die Wenigsten unter uns je richtig verstanden haben, geschweige denn, sie anwenden werden, ist eine kosmische Wahrheit. Wir können sie nicht erfinden, sie ist bereits da - war immer da gewesen -, und, wir können sie nur entdecken.

Und wie viele Universen gibt es? Neueste Forschungen gehen von einem Multiversum aus, unendlich vielen Universen, die gleichzeitig und nebeneinander existieren.

Die Existenz intelligenten Lebens, außerhalb unserer Erde, ist daher sehr wahrscheinlich. Das beschäftigte Jonas sehr.

Er guckte wieder lange aus seinem Fenster. Dabei wünschte er sich, dass der Tag schnell vergeht.

Morgen, wenn der rote Rahmen die 5 umschließt, gibt es ja den leckeren Apfelkuchen, freute sich Jonas, erwartungsvoll. Er dachte sehr intensiv an den nächsten Tag.

»Jonas, es ist Zeit zum Schlafen.«

Jonas Mutter zeigte eine Karte, die er genau kannte. Die Karte sah er jeden Tag, wenn das Licht abnahm und es dunkel wurde. Das hieß: Augen schließen und schlafen. Und tatsächlich, es war bereits dunkel draußen.

Die Zeit muss heute wohl sehr schnell vergangen sein, oder bin ich in der Zeit gehüpft, wunderte er sich.

Jonas zog sich seinen weißen Pyjama an und legte sich ins Bett. Eingekuschelt in seine Decke, machte er sich immer ganz steif und dann wieder locker, um sich noch mal zu spüren. Schlafes Bruder, ist der Tod. Er schlief dadurch immer schnell ein.

»Jonas, aufstehen«, hörte er seine Mutter am nächsten Morgen rufen.

Edith hielt Ihm eine seltene Karte hin. Auf der war diesmal ein Geschenksymbol abgebildet. Für Jonas war klar: Er kriegt etwas Neues. Für ihn war so etwas immer anstrengend, da Unbekanntes in sein Leben kam. Andererseits waren die Geschenke seiner Mutter meistens interessant. Jonas ging in die Küche und setzte sich auf seinen gewohnten Platz.

»Hier Jonas, dein Geschenk. Heute ist Ostersonntag. Du hast heute Geburtstag. Du bist heute 15 Jahre alt geworden. Pack es aus und guck es an. Mal sehen, ob es Dir gefällt.«

Jonas fing an, den sperrigen Karton von dem bunten Geschenkpapier zu befreien. Er öffnete den Karton und fand darin eine Plastiktüte voller Tonerde.

»Du kannst es anfassen und mit deinen Händen, Figuren oder andere Sachen kneten. Ich zeig' es dir.«

Edith nahm etwas Ton in die Hand und rollte ein Kügelchen. Dann noch eins und noch eins. Die Kügelchen drückte sie dann zu einem Turm aufeinander.

»Siehst du Jonas, es ist ganz einfach und macht Spaß.« Jonas sah aufmerksam zu.

Jonas Mutter hatte diesen Ton zufällig, beim Spazierengehen, von einem fremden Mann bekommen. Der wohnte in der Nähe, im Wald beim Kupferteich. Dieser Fremde war der geheimnisvolle Kauz, der auch mit Oma Else, der Mutter von Jonas verstorbenem Vater, oft gesprochen hatte.

Der Kauz sagte ihr, dass ein Meteoriteneinschlag, vor sehr langer Zeit, die Tonerde-Mischung zustande gebracht hätte. Vielleicht war der Ton etwas Besonderes, auf jeden Fall, war er es nun für Jonas.

»Zimmer« sagte er. Das bedeutete, dass Jonas interessiert war und den Beutel mit Tonerde in seinem Zimmer haben wollte.

»Schön Jonas, ich verstehe. Du magst das Geschenk. Das freut mich sehr.«

Edith platzierte die Tonerde auf Jonas Basteltisch, in seinem Zimmer. Der stand direkt an seinem Fenster, aus dem er so gerne das Wetter und die Sterne beobachtete. Jonas setzte sich dorthin und begann mit seinen Händen in den Ton zu greifen. Je mehr er seine Finger in den Ton steckte und drückte, desto weicher wurde der Ton. Der Ton veränderte sich, bei jeder seiner Berührung, das gefiel ihm.

Er betrachtete seine große Atlanta Wanduhr, die hatte für jede Stunde eine andere Farbe. Die Beobachtung der Zeit faszinierte ihn. Manchmal verging die Zeit ganz schnell, dann plötzlich wieder langsam. Je nachdem wie viel Spaß ihm etwas machte.

Nach kurzer Zeit hatte Jonas einige Kugeln in verschiedener Größe vor sich aufgebaut, er dachte dabei an seinen Vater, Joe. Mit ihm hatte Jonas auch oft tolle Sachen gemacht.

Für Joe war die Arbeit das Salz des Lebens, aber für seinen Sohn hatte er immer Zeit gefunden.

Joe war 2007 bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Jonas und seine Mutter hatten den schrecklichen Unfall, wie durch ein Wunder, überlebt. Damals war Jonas 7 Jahre alt gewesen.

Jonas begann aus den vielen Kugeln und Kügelchen eine Figur zu gestalten. Er modulierte noch einen Körper, eine Nase und Ohren dazu, als wenn der Ton ihn dazu beauftragt hätte. Die Anordnung der Kügelchen kam wie vorbestimmt zustande, als wenn sein Schicksal es genauso gewollt hätte.

»Sponk.« kam es Jonas über die Lippen. Seine Figur hatte jetzt einen Namen. Jonas betrachtete seine Tonfigur und musste niesen. Die trockene Tonerde war in seine Nase gedrungen. Er hatte den Ton jetzt nicht nur an seinen Händen. Der Ton war nun Teil seiner selbst geworden, in ihm drin.

Er wiederholte immer wieder:

»Sponk, Sponk, Sponk«, als wollte er mit der Figur sprechen, sie zum Leben erwecken. Jonas starrte seinen Sponk minutenlang an. Er war mit seinen Gedanken und Gefühlen immer noch bei seinem Vater. Erinnerungen, aus seinem Gedächtnis, wurden in seinem Kopf lebendig.

Jonas starrte weiter auf seinen Sponk. In seinen Gedanken formten sich Bilder aus seiner Kindheit. Wie er z. B. mit seinem Vater am nah gelegenen Kupferteich zum Angeln war. Das konnte er gut. Besonders das Beobachten der Angelpose. Wenn die Pose sich bewegte, bedeutete das, ein Fisch beißt an. Dann gab er seinem Vater Signale mit seinen Fingern.

Jonas wünschte sich nun dort zu sein, sehr intensiv. Er umfasste seinen Sponk mit beiden Händen und durchbohrte ihn mit seinen wünschenden Augen. Nach ein paar Minuten verschwand die Tonfigur aus seinem Blickfeld. Er sah nun einen hellen Lichtkegel, der langsam auf ihn zukam.

Jonas hatte nun das Gefühl ganz leicht zu sein, fast schwerelos. Das Licht kam immer näher, bis es ihn vollständig umhüllte. Es war ein seltsames Licht. Jenseits von Violett, fast grau, kaum sichtbar. Es fluoreszierte vor seinen Augen, als wenn es lebendig wäre. Auch sehr hohe Töne hörte er, aber die klangen nicht unangenehm. Im Gegenteil, sie hörten sich einladend an. Er schloss seine Augen und spürte eine wohlige Wärme am ganzen Körper, sein Bewusstsein ging langsam verloren.

 »Was hast du denn da Jonas?« fragte sein Vater, verwundert über die kleine, merkwürdige Tonfigur in Jonas Händen. Jonas öffnete seine Augen und sah seinen Vater neben sich stehen. Das Licht und die Töne waren nicht mehr da. Er saß mit seinem Vater am Kupferteich beim Angeln!

Wie war das möglich? Träume ich das? Jonas war nun hellwach. Und noch etwas war ganz anders. Er konnte seinen Vater in die Augen sehen. Sonst war es ihm eher unangenehm einen Blickkontakt zu halten. Dann sah er sich von unten bis oben an. Er berührte seine Beine, kniff sich in die Unterarme.

Nein, das ist kein Traum! Ich sitze hier am Kupferteich mit meinem verstorbenen Vater, bin noch sehr jung und habe keine autistischen Empfindungen, stellte Jonas fest.

»Hey, was hast du da?«, wollte sein Vater abermals wissen. Jonas überlegte kurz, was er antworten sollte.

Vielleicht: Ich komme aus der Zukunft? Ich bin nicht mehr autistisch? Jonas entschied, die Dinge erst einmal langsam anzugehen.

»Sponk« kam es ihm über die Lippen. Zufrieden über die gewohnt kurze, scheinbar seltsame Antwort seines Sohnes, wendete sich Joe wieder der Angelei zu.

Jonas überlegte, wie er hierher gekommen war: Ist doch nur ein Traum, oder? Er starrte auf die Pose, die senkrecht auf dem Wasser stand. Was war geschehen? Jonas erinnerte sich: Ich saß in meinem Zimmer und fertigte diese Tonfigur an.

Er sah seinen Sponk vorwurfsvoll an und kramte weiter in seinen Erinnerungen:

Ich war in Gedanken versunken, ich hatte genau die jetzige Situation vor meinem inneren Auge, hielt meine Tonfigur fest in meinen Händen und meine Erinnerungen wurde plötzlich Wirklichkeit!

Jonas war verwirrt. Wie aus dem Nichts, stand auf einmal ein Mann, mit einem seltsamen Filzhut auf dem Kopf, neben Joe. Jonas kam diese Erscheinung vor, wie ein veganer, weißer Löwe. Majestätisch aber ungefährlich. Er hatte sofort das Gefühl, diesen Mann schon einmal begegnet zu sein.

»Petrie Heil« raunte der Alte mit einem Anglergruß und starrte die ganze Zeit auf die Tonfigur.

»Petrie Dank«, erwiderte Joe.

Jonas nahm eine Bewegung der Pose wahr, das lenkte ihn ab. Sie bewegte sich nach links und dann leicht nach rechts.

Ein Biss!, dachte er. Jonas rief seinem Vater zu:

»Papa, die Pose bewegt sich.«

Oh je, sonst habe ich immer Signale gegeben indem ich meinen Finger auf und ab bewegte. Jetzt sprach ich mit klaren Worten zu meinem Vater, erschrak er.

Jonas Vater reagierte sofort, er war sehr konzentriert. Joes Sternzeichen ist Jungfrau, die gehen immer sehr organisiert und strukturiert vor. Chaos und Improvisation sind ihnen ein Gräuel. Sie wollen sinnvolles tun. Gabelt sich jedoch der Weg ihres Lebens, fällt ihnen eine Entscheidung schwer. Oft ist bei Ihnen der Umweg das Ziel.

Er nahm die Angel in die Hände und blickte gespannt auf die Pose. Über Jonas klare Worte, machte er sich offensichtlich keine Gedanken. Er bemerkte nichts, war abgelenkt mit seiner eigenen Beschäftigung.

Die Pose bewegte sich jetzt sehr schnell hin und her und ging dann ganz unter. Der Moment! Jonas Vater hob die Angel ruckartig nach oben, die Angel bog sich und er spulte die Leine nach jedem heranziehen der Angel an seinen Oberkörper. Mit jeder dieser Bewegung kam der Fisch ein bisschen näher an ihn heran.

Jonas sah dem Geschehen aufmerksam zu, rätselte dabei immer noch, die ganze Zeit, über seine merkwürdige Situation.

Was ist da geschehen? Wie bin ich hier hin gekommen? Warum bin ich so jung? Die Freude, bei seinem Vater zu sein, wurde von seinen Fragen überschattet.

Das Wissen, aus seiner ursprünglichen Gegenwart, hatte er mit in die Vergangenheit genommen. Sein Bewusstsein fühlte sich anders an. Jonas tanzte auf der inneren Bühne eines 15-Jährigen. Dabei war sein Körper nun lediglich 6 Jahre alt.

»Jonas der Kescher«, rief ihm sein Vater aufgeregt zu. Jonas riss es aus seiner Grübelei. Er nahm den Kescher und sah den Fisch schon im flachen Uferwasser.

Ein Karpfen! Ich bin wieder 6 Jahre alt!, wunderte sich Jonas.

Er kramte tief in seinen Erinnerungen. Damals hatte er genau so einen Karpfen mit seinem Vater geangelt. Es war exakt die gleiche Situation in der er sich nun wieder befand. Nur ein Déjà-vu Erlebnis?

Jonas führte den Kescher elegant unter den Fisch und hob ihn dann hoch, dabei fiel sein Sponk aus seiner Jackentasche und plumpste ins Wasser.

Oh je, mein Sponk! Den werde ich wohl noch brauchen, wenn das mit meiner Situation zu tun hat, erschrak er.

Der komische Mann war nicht mehr da. Er verschwand so rasch, wie er aufgetaucht war. Sein Vater nahm den Kescher aus Jonas Händen und war mit dem Karpfen beschäftigt.

Jonas ging ein paar Schritte näher zum Ufer. Er sah seinen Sponk, mit dem Ton Gesicht nach oben liegend, auf dem Grund. Das Wasser war sehr klar und die Tonfigur starrte ihn an, als wenn sie ihm etwas sagen wollte. Jonas starrte zurück und griff nach der Tonfigur und hob sie langsam aus dem Wasser.

Seine Gedanken waren dabei, wieder sehr intensiv, in seinem Zimmer. Dort, wo alles begann, mit dieser merkwürdigen Situation, an seinem 15ten Geburtstag. Die Entdeckung, dass er durch die Zeit gereist war, beschäftigte ihn nun permanent.

 Er wollte zurück, auch wenn er seinen Vater dafür alleine lassen musste. Das waren zu viele Unregelmäßigkeiten für ihn. Ordnung und Gewohntes schaffen, war nun sein sehnlichster Wunsch. Seine Augen durchbohrten die Tonfigur in seinen Händen.

Jonas sah wieder einen hellen Lichtkegel, der auf ihn zukam. Wie beim ersten Mal, als er den Sponk aus Ton erstellt hatte und an seinen Vater dachte. Er fühlte sich sehr leicht und das helle Licht umhüllte ihn auch wieder vollständig.

Er schloss die Augen und spürte wieder diese wohlige Wärme am ganzen Körper.

»Jonas«, rief Edith mehrmals und kniff ihm dabei in seinen Oberarm. Jonas sah auf zu seiner Mutter und erwiderte ein kurzes:

»Sponk.«

Jonas befand sich in seinem Zimmer, mit der wundersamen Gestalt aus Tonerde, die er immer noch ganz fest hielt.

Merkwürdig war dabei, dass der Sponk ganz nass war. Merkwürdig war ebenfalls, dass seine Atlanta Wanduhr sich nur sehr wenig bewegt hatte, obwohl er mit seinem Vater beim Angeln gewesen war! Oder war es so, wie die Geschichten, die er manchmal im Schlaf erlebte?

Die Farbe der Stunde war die gleiche und der größere, schnellere Zeiger, hatte sich kaum bewegt.

Aber das Angeln war schön, wie Blume in Sonne, sagte Jonas zu sich, um seine angenehmen Gefühle zu beschreiben. Er sah dabei seine Tonfigur sehnsüchtig an.

Seiner Zeitreise war Jonas sich, nicht mehr wirklich, bewusst. In seiner tatsächlichen Gegenwart war er immer noch, oder besser wieder, Autist. In seinem Unterbewusstsein hatte sich seine Entdeckung jedoch, dass er durch die Zeit reisen kann, fest eingegraben.

»Hey Jonas, du warst völlig weggetreten. Ich habe mir schon große Sorgen gemacht. Bist du Ok?«

Jonas fühlte sich, wie in seinen Träumen, in einer anderen Welt. Er nickte trotzdem zustimmend, um seine Mutter zu beruhigen.

Und die Zeit der Menschheit tickt, mit vielen Fragezeichen.