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Sadie Chesterfield

My Little Pony - Sturm auf Canterlot - das Prequel zum Film

Übersetzung Bettina Seifried

Saga

Prolog

Tempest Shadow stand auf der Tragfläche des Luftschiffs und sah hinunter auf Canterlot. Das Schloss der Prinzessinnen lag im Zentrum der Stadt. Sie selbst wurde von den Wolken am Himmel verdeckt. Kein Pony konnte sie sehen. Kein Pony wusste, dass es sie überhaupt gab. „Sehr beeindruckend alles“, sagte sie zu Mampfer. „Nutzen wir die Gunst der Stunde. Das Freundschaftsfest steht bevor.“

„Du meinst also, das sei der richtige Zeitpunkt, um den Prinzessinnen ihre Magie zu stehlen?“, fragte Mampfer, der neben ihr auf der Tragfläche saß und an einem Muffin mümmelte.

„Genau der richtige Zeitpunkt, um ganz in Ruhe das Luftschiff zu verlassen und zu den Ponys hinabzusteigen“, sagte Tempest. „Alle sind schon ganz aufgeregt wegen des Freundschaftsfests in Canterlot, alle wollen sich nur amüsieren. Wir werden sie überrumpeln.“

„Genialer Plan“, mümmelte Mampfer.

„Schauen wir uns das Ganze noch mal genau an, damit wir wissen, wo sich der Eingang zum Schloss befindet und wie die Prinzessinnen aussehen. Je mehr wir noch vor dem Freundschaftsfest über Canterlot in Erfahrung bringen, desto besser.“

„Wär’s nicht besser, wir würden uns dazu ein wenig verhüllen?“, fragte Mampfer.

Tempest Shadow konnte sich kaum mehr an die Zeit erinnern, als sie Mampfer noch nicht kannte. Die kleine, runde Gestalt war nur halb so groß wie sie und hatte eisig blaue Augen und einen dichten weißen Schopf. Ein Wesen wie ihn hatte sie nie zuvor gesehen, weder in Equestria noch anderswo.

Sie schnappte sich zwei dunkle Umhänge aus der Kabine des Luftschiffs, warf sich selbst einen über, der andere war für Mampfer. Dann befahl sie den Anflug auf Canterlot. Sie landeten etwas außerhalb der Stadt und machten sich dann zu Fuß auf den Weg ins Zentrum. Was würde sie dort erwarten?

Kapitel 1

Das junge Einhorn trabte mit ihren besten Freundinnen durch den Wald. Auch Glitter Drops und Spring Rain waren Einhörner, und das Trio probierte gern gemeinsam seine magischen Kräfte aus. Jeden Morgen gingen die drei dazu in die nahegelegenen Berge oder den Wald am Stadtrand, und manchmal spielten sie dann zur Entspannung noch Ball.

„Da oben liegt es“, sagte das junge Einhorn, als sie auf die Lichtung traten. Es blinzelte gen Himmel.

Canterlot thronte majestätisch über ihnen. Die Hauptstadt Equestrias lag im Gebirge und konnte so schon von Weitem gesehen werden. Die drei Freundinnen waren noch nie dort gewesen, hatten aber unendlich viele Geschichten über Canterlot gehört. Dass die Stadt voller Elfenbeintürme war, mit Wasserfällen und glänzenden Kuppeln überall und traumhaften Ausblicken aufs ganze Land. Vor allem war es der Wohnsitz von zwei oder drei Prinzessinnen, die sich dort regelmäßig in einem Schloss trafen.

Die drei waren zu Alihörnern geworden – Einhörnern mit prächtigen Schwingen. Prinzessin Celestia lenkte die Sonne und Prinzessin Luna den Mond. Prinzessin Cadance war die Regentin des Kristall-Königreichs. In ihrer Jugend war sie bei Prinzessin Celestia in die Schule gegangen.

„Meinst du, wir werden es je dahin schaffen?“, fragte Spring Rain.

„Aber sicher“, sagte das junge Einhorn. „Und wer weiß …“

Glitter Drops lächelte: „… vielleicht wird ja eine von uns auch mal Prinzessin.“

„Aber zuerst müssen wir in Celestias Schule für hochbegabte Einhörner aufgenommen werden“, sagte das junge Einhorn. „Dort lernen nur die Talentiertesten, ihre Zauberkräfte zu bündeln und auf das Wesentliche zu konzentrieren. Eines Tages werden wir dort aufgenommen. Das weiß ich.“

Das junge Einhorn gab es nicht einmal seinen besten Freundinnen gegenüber zu, dass es eigentlich ständig an Prinzessin Celestias Schule dachte. Es träumte davon, in Canterlot zur Schule zu gehen und zu lernen, wie es seine Magie entwickeln und zum Funkeln und Sprühen bringen konnte. Es würde Prinzessin Celestias emsigste Schülerin werden und alles tun, damit Celestia stolz auf es sein konnte. Manchmal stellte es sich sogar vor, ein Alihorn zu werden. Würden ihm dann auch prachtvolle Schwingen wachsen? Würde es je so mächtig werden?

Jedes Frühjahr fanden Aufnahmeprüfungen statt. Das junge Einhorn hoffte, es würde die Prüfungen bestehen, wenn die Zeit reif war. Es wollte so bald wie möglich auf diese Schule wechseln. Es war so schwer abzuwarten, wenn ein Wunsch sich so tief im Herzen eingenistet hatte.

„Wollen wir mit dem Üben anfangen?”, sagte es zu Glitter Drops und Spring Rain. „Wir lassen zuerst den Ball schweben.“

Glitter Drops’ Horn sprühte nun Funken und glühte. Sie holte den Ball aus der Satteltasche und ließ ihn mit ihrer Magie in den Wald hineinschweben. Das Einhorn rannte dem Ball im Zickzack zwischen den Bäumen hinterher. Es sah ihn vor sich in der Luft leuchten. Wie ein Flummi, den andere Ponys zum Spielen benutzten, nur dass er besondere Eigenschaften hatte. Wenn es nämlich seine Zauberkräfte bündelte, konnte es ihn mit einer wundervoll weiß schimmernden Aura zum Schweben und Leuchten bringen. Dann sah er aus wie der Mond.

„Ich krieg ihn einfach nicht!“, rief Glitter Drops. Sie rannte zwar, so schnell sie konnte, doch der Ball war immer einen Tick schneller. Lachend lief sie hinterher und genoss den Wind, der dabei durch ihre Mähne wehte.

Spring Rain überholte das junge Einhorn pfeilschnell, raste dem Ball durchs Dickicht nach, doch dann stolperte sie und fiel hin. Sie war ein bisschen unkonzentriert gewesen, aber das war nicht die Ursache. Es war einfach total schwer, sich gleichzeitig auf ihre Zauberkräfte und den Ball zu konzentrieren und dabei auch noch schnell wie der Wind zu sein.

Nun galoppierte das dritte Einhorn an den beiden Freundinnen vorbei. Vor ihm schwebte der Ball. Es hatte ihn schon fast. Noch ein bisschen Tempo und …

„Wo ist er denn plötzlich?!“, rief Spring Rain hinter ihm. „Er ist verschwunden!“

Das junge Einhorn bremste scharf vor dem Eingang einer Höhle. Der Ball war dort hineingeschwebt. Es konnte ihn in der Dunkelheit noch leuchten sehen, allerdings wurde es schwächer. Irgendwo in den Tiefen der Gebirgshöhle war er.

„Oje …“ sagte Glitter Drops, die nun hinter ihm zum Stehen gekommen war. Sie spähte in die Dunkelheit. Aber alles war schwarz, sie konnte nichts erkennen. „Und wer holt ihn da jetzt raus?“

Glitter Drops und Spring Rain blickten ihre Freundin an. Das violette Einhorn war zwar die Jüngste, aber auch die Mutigste von ihnen. Sie war es, die sich im Verlassenen Froschsumpf der Hydra gestellt hatte, und sie war es, die den Weg aus dem Everfree Forest ganz allein zurückgefunden hatte. Immer wenn etwas gruselig war, schoben die Freundinnen das junge Einhorn vor. Auch jetzt blickten sie es erwartungsvoll an.

„Also gut. Ich mach’s. Bin gleich wieder da“, sagte das junge Einhorn. Dann wagte es sich in die Höhle, um der immer schwächer werdenden Leuchtspur des Balls zu folgen.

Im Inneren konnte es kaum etwas erkennen. Der Ball schwebte etwas entfernt von ihm in der Luft und verschwand hinter einer Biegung. Auch der Untergrund, auf dem es lief, war schwer erkennbar. Es stolperte über einen Stein und schlug hart auf dem Boden auf. Nachdem es sich wieder aufgerappelt hatte, rieb es sich die schmerzende Schulter.

„Doch nicht ganz so einfach …“, murmelte es vor sich hin. Es bewegte sich nun vorsichtiger voran. „Noch ein bisschen weiter…”

Es kam dem schwebenden Ball wieder näher. Und als es schließlich um eine Ecke bog, war die Höhle plötzlich hell erleuchtet. Alles war deutlich zu erkennen.

Es schien, als hätte hier ein Wesen gehaust. Essensreste lagen herum und ein gemütliches Bett stand in einer Nische. Das Einhorn griff nach dem Ball und klemmte ihn unter seine Vorderachsel. Als es sich zum Gehen wandte, bäumte sich ein Kleiner Bär vor ihm auf.

Neiiiiin!

„Wie furchtbar, es tut mir so leid für dich“, sagte Glitter Drops und nahm es in den Arm.

„Das wird schon wieder“, sagte Spring Rain und legte ebenfalls ein Vorderbein um die Freundin, der die Tränen über die Wangen kullerten.

Sie hatte ihr Horn verloren. Ihr einziges. Ihre ganze Magie war dahin. Wie sollte das je wieder ‚werden’?!!