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Ingo Recker
Petra von der Weien
(Hrsg.)

Mediation,
Moderation
und Coaching

Ingo Recker, Petra von der Weien (Hrsg.)

Mediation,
Moderation
und Coaching

Erfolgreiche Methoden und Strategien
aus der Praxis für die Praxis

Tectum Verlag

Ingo Recker, Petra von der Weien (Hrsg.)

Mediation, Moderation und Coaching

Erfolgreiche Methoden und Strategien aus der Praxis für die Praxis

© Tectum – ein Verlag in der Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden 2019

ePub: 978-3-8288-7321-6

(Dieser Titel ist zugleich als gedrucktes Werk unter der ISBN 978-3-8288-4363-9 im Tectum Verlag erschienen.)

 

 

Umschlagabbildung: shutterstock.com © maradon 333

Alle Rechte vorbehalten

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www.tectum-verlag.de

 

Bibliografische Informationen der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der

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at http://dnb.ddb.de.

Inhaltsverzeichnis

0 Allgemeine Einleitung

A Die Gruppe im Blick – Mediation

A1 Mediationsgesetz, Mediationsvereinbarung und rechtliche Vorgaben (Cornelia Prestin)

A2 Unternehmensinterne Mediation: Promotoren und Besonderheiten (Ingo Recker)

A3 Zukunft im Jetzt – Mit wenigen Beteiligten von der Konfliktebene auf die Lösungsebene (Tanja le Forestier)

A4 Mediation im öffentlichen Bereich und Umweltmediation – Besonderheiten und Vorteile der alternativen Streitbeilegung (Hendrik Hilmer)

A5 Mediation und Verkauf – Hinweise und Erfahrungen zum Verkaufen für Mediatoren, Berater und Dienstleister (Thomas Reich)

A6 Versuch über Adrian Schweizers „Paternoster der Mediation“ (Ingo Recker)

B Die Gruppe im Blick – Moderation

B1 Rahmenbedingungen und Vorbereitungen einer Moderation – Werkzeugkasten der Moderation (Daniela Stricker)

B2 Moderation von Großgruppen (Birgit Müller)

B3 Moderation im Rahmen von Change-Projekten (Heike Claussen)

B4 Vom Führen und Arbeiten in interkulturellen Teams (Thomas Müller/Matthias Möller)

C Die Einzelperson im Blick – Methoden

C1 Coaching einer Führungskraft im Rahmen von Change-Projekten (Petra von der Weien)

C2 Bewusste und positive Lebensgestaltung als Konfliktprophylaxe (Ulrike Braun-Lück)

C3 Coaching eines Mitarbeiters im Rahmen von Change-Projekten (Petra von der Weien)

C4 Coaching – Verhaltensänderung (Heike Claussen)

C5 Supervision – Was ich in meinem „Koffer“ für eine Beratungsreise mitnehme (Sabine Piemeisl)

C6 Datenschutz (Ingo Recker)

Autorenprofile

0 Allgemeine Einleitung

Wenn tatsächlich – frei nach Hermann Hesse – jedem Buchprojektanfang ein Zauber innewohnt, dann hat dieser Zauber für uns immerhin mehr als zwei Jahre vorgehalten. So lange hat es nämlich gebraucht, bis aus einer ersten Buchidee eine fertige Druckvorlage geworden ist. In Teilen hatten diese zwei Jahre gelegentlich etwas von „Loriot’s dramatischen Werken“ – mal komisch, mal traurig, oft etwas irgendwo dazwischen. Immer aber hatten diese zwei Jahre etwas mit Menschen zu tun, und genau darum soll es schließlich auch in unserem Buch gehen.

Wir hatten uns nämlich das Ziel gesetzt, die Themenbereiche von Mediation, Moderation und Coaching einmal nebeneinander zu stellen und gemeinsame Schnittstellen herauszuarbeiten. Nicht zufällig heißt es beispielsweise immer wieder, dass der Mediator den Mediationsprozess moderiert. Wer aber sagt, dass man nur Konflikte moderieren kann? Und während sich diese ersten beiden Bereiche primär auf Gruppen bzw. Gruppenprozesse beziehen, fokussiert Coaching dagegen auf individuelle Themen und Fragestellungen. Da aber eine Gruppe stets aus Individuen besteht, ist auch der Blick auf die Einzelperson und ihre Rolle in der Gruppe oder innerhalb eines Konflikts von Belang. Freilich ist damit nicht gemeint, dass die Begriffe Moderation, Mediation und Coaching beliebig austauschbar wären. Ganz im Gegenteil!

Bei allen Unterschieden gibt es aber eben immer wieder auch Gemeinsamkeiten, mindestens aber Ähnlichkeiten. Für uns bedeutet dies, dass wir es immer wieder mit verschiedenen Ausprägungen der gleichen Medaille zu tun haben. Sei es allein, als Einzelperson, als Teil einer Gruppe oder eines Konflikts oder eines Gruppenprozesses, als Teil der Umwelt, mittendrin oder am Rande, von außen oder innen betrachtet. Eine Medaille, verschiedene Blickwinkel.

Also haben wir uns spezielle Menschen für dieses Buch gesucht. Genauer: Autorinnen und Autoren, allesamt Fachleute auf ihrem jeweiligen Gebiet. Eben Mediatorinnen und Mediatoren, Moderatorinnen und Moderatoren sowie Coaches. Wir haben sie gebeten, ihre Sichtweise, ihren Ansatz und ihre Erfahrungen zu Papier zu bringen. Herausgekommen ist ein bunter Strauß an Beiträgen, Meinungen und Ansätzen, der diese drei Themengebiete aus teils sehr unterschiedlichen Blickwinkeln betrachtet. So bunt und unterschiedlich, wie man sich das eben nur vorstellen und wünschen kann. Wir denken und hoffen, dass wir mit dieser Sammlung interessante Denkanstöße und Ideen liefern können.

Vielleicht, und das ist unsere große Hoffnung, ermöglichen wir unseren Leserinnen und Lesern so den berühmten Blick über den eigenen Tellerrand und sorgen damit für zusätzliche Impulse und Ideen für die eigene Arbeit! Aus jenen verschiedenen Blickwinkeln sollen die drei Bereiche betrachtet, an der einen oder anderen Stelle dabei ein thematischer Anker geworfen und so ein Denk- und Überdenkprozess initiiert werden. Wir hoffen, dass uns dieser Spagat gelungen ist und der Spaß am Lesen unseres Buches von der ersten bis zur letzten Seite anhält.

Petra von der Weien & Ingo Recker

A

Die Gruppe im Blick –
Mediation

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A1 Mediationsgesetz, Mediationsvereinbarung und rechtliche Vorgaben (Cornelia Prestin)

Die einvernehmliche Streitlösung vor Gericht wird im ersten Teil des Kapitels erörtert. Der zweite Teil des Kapitels ist der Bedeutung des Mediationsgesetzes über die gerichtliche Mediation hinaus gewidmet; das Mediationsgesetz und europäische Rechtsvorgaben zur außergerichtlichen und gerichtlichen Mediation werden erörtert, die heute verbindliche Zertifizierung wird diskutiert. Die grundsätzlichen Fragen der Gestaltung eines Mediationsvertrages werden im dritten und letzten Teil des Kapitels behandelt.

Einvernehmliche Streitlösung vor Gericht

Rechtsphilosophisch und zugleich sehr einfach gesehen, könnte man sagen: Streit gab es schon immer, und es gab auch schon immer verschiedene Methoden der Streitlösung. Vermutlich hat schon sehr früh ein männlicher oder weiblicher Häuptling deshalb diese herausragende Aufgabe innerhalb einer Menschengruppe eingenommen, weil er gleichermaßen Stärke nach außen mit streitschlichtenden Eigenschaften nach innen als Fähigkeiten verkörperte. Es wird berichtet, dass bereits im 13. Jahrhundert in Östringen – gelegen im Ostfriesischen nahe Jever – Richter für ein Jahr von der freien Gemeinschaft einer Gemeinde gewählt wurden, um Streit zu schlichten. [1] Menschengruppen, Gesellschaften, Individuen brauchen Streitschlichtung, will man sich nicht wegen jeder konfliktbeladenen Angelegenheit die Köpfe einschlagen. Weise Richter, die komplexe und streitlösende Funktionen wahrnahmen, sind uns von alters her aus der Bibel und in neuerer Zeit aus der Literatur bekannt (König Salomon, Dorfrichter Azdak) [2].

Konsensuale Streitschlichtung im engeren Sinne ist klassisch im Zivilrecht angesiedelt. Seit mehr als 100 Jahren gibt es, im BGB – Bürgerlichen Gesetzbuch – verankert, den Vergleich. Der Vergleich ist immer eine Einigung zweier Parteien auf der Basis eines gegenseitigen Nachgebens, § 779 BGB. Streiten sich Personen um eine zivilrechtliche Angelegenheit und können sie den Streit nicht selbst einvernehmlich auf der Basis gegenseitigen Nachgebens durch Vergleich lösen, werden Rechtsbeistände bemüht und/oder die Gerichte angerufen.

Wer vor dem Zivilgericht klagt, hat in der Regel schon außergerichtlich versucht, seine Vorstellung von gerechter Streitlösung dem „Gegner“/der „Gegnerin“ gegenüber darzulegen und ist offensichtlich nicht damit durchgedrungen. Eine Situation, die man als verfahren bezeichnen könnte. Ein Gericht wird als neutrale Instanz angerufen, um der eigenen Vorstellung von gerechter Streitlösung zum Siege zu verhelfen. Deshalb verklagt man den Gegner/die Gegnerin, und siegt – Rechtsbeistände sprechen von „obsiegen“ – oder verliert. Das angerufene und zuständige Gericht ist selbstverständlich zur Neutralität verpflichtet. Eine Entscheidung per Urteil wird daher im Modell immer die gerechte Entscheidung sein, von einer neutralen gerichtlichen Instanz verkündet und den Regeln des materiellen wie des prozessualen Rechts folgend. Und dennoch: sie wird oft nicht befriedigen, und zumeist ist die eine Partei, die verliert, unzufrieden.

Nach einem Urteil tritt mit dem Rechtsfrieden im Namen des Volkes oft kein Frieden zwischen den Parteien ein. Der Rechtslaie vor Gericht kennt die komplexen Spielregeln des Zivilprozesses nicht und auch Volljuristen/Volljuristinnen können in der Wahrnehmung der Rechte ihrer Parteien irren oder – auch das ist möglich – sie streiten für ihre Mandantschaft wider eigenen besseren Wissens, weil es so gewünscht wird. Öfter geht es weniger um eine gerechte Lösung eines Konflikts, als im Alltag vor Gericht um die Beweisbarkeit eines vorgebrachten Sachverhalts. Die Notwendigkeit, auch vor Gericht eine streitschlichtende und beide Seiten befriedigende Mediation anzubieten, liegt daher auf der Hand. Der deutsche Gesetzgeber hat für die Präferenz einer einvernehmlichen Streitlösung zwei Wege beschritten.

Der erste vom Gesetz vorgesehene Weg einer einvernehmlichen Streitlösung ist der Gütetermin. Er hat zu Beginn einer mündlichen Verhandlung in erster Instanz stattzufinden. Im Rahmen des Gütetermins wird das Gericht versuchen, die Parteien einer einvernehmlichen Lösung nahezubringen. Der Gütetermin ist in § 278 der Zivilprozessordnung – im Folgenden: ZPO – geregelt. Zunächst erörtert das Gericht den Sach- und Streitstand mit den Parteien; diese werden angehört, ihr persönliches Erscheinen ist regelmäßig vom Gericht angeordnet worden. Das Gericht stellt dann die alternativen Entwicklungen dar, die der Prozess nehmen könnte. Ein Vorschlag für eine Einigung vor der streitigen Verhandlung wird von den Gerichten dann häufig in zivilrechtlichen Streitigkeiten auf der Basis eines 50 %igen Obsiegens der klägerischen Seite unterbreitet. Im Kündigungsschutzprozess vor dem Arbeitsgericht beginnt bereits in dieser frühen Phase ein Feilschen um eine „gerechte Abfindung“. Gelingt die Einigung, wird der Vergleich vom Gericht protokolliert. Alle erstinstanzlichen Gerichte in Zivil- und Arbeitsgerichtsverfahren sind verpflichtet, den Gütetermin durchzuführen, es sei denn, es hatte bereits im Vorfeld des Prozesses einen Einigungsversuch gegeben.

Den zweiten Weg, mehr Zufriedenheit mit gerichtlichen Entscheidungen – und damit Frieden zwischen den Parteien – herbeizuführen, beschritt der Gesetzgeber im Jahre 2012 mit dem Mediationsgesetz.[3] Das Mediationsgesetz ist die Rechtsgrundlage für ein formelles Streitschlichtungsverfahren, welches heute Güterichterverhandlung [4] genannt wird, geregelt im Absatz 5 des § 278 ZPO. Dabei gelten folgende Prämissen.

Strikte Trennung vom streitigen Verfahren, keine Öffentlichkeit

Selbstverständlich ist das streitige Verfahren anzuhalten, um der einvernehmlichen Konfliktlösung überhaupt einen Raum zu geben. Das streitige Verfahren wird also ausgesetzt, und ein von dem befassten Spruchkörper unabhängiger, neutraler, bisher nicht involvierter Richter/eine nicht involvierte Richterin wird als Güterichter/Güterichterin versuchen, den Konflikt für beide Seiten annehmbar zu lösen. Während eine Gerichtsverhandlung grundsätzlich der Öffentlichkeit zugänglich ist, als ein wesentliches Element der Kontrolle der dritten Gewalt, ist das Güterichterverfahren vertraulich; die Inhalte sollen nicht allgemein bekannt werden. Gerade auch die an Wirtschaftskonflikten Beteiligten können so Lösungen ihrer Konflikte ohne Beteiligung der Öffentlichkeit erarbeiten und dadurch auch vertrauliche Inhalte schützen.

Qualifikation des Güterichters/der Güterichterin

Die Güterichterin/der Güterichter muss neutral sein und darf nicht in den bisherigen Verlauf des Streits vor Gericht mit einbezogen gewesen sein. Sie/Er müsste im gegebenen Fall die Umstände offenlegen, die Zweifel an Neutralität wecken könnten. Die Güterichterin/der Güterichter muss sich durch einen bzw. mehrere Lehrgänge qualifizieren. Er/Sie gilt dann im Sinne des § 5 des Mediationsgesetzes als zertifiziert. (siehe dazu mehr in diesem Kapitel weiter unten).

Freie Wahl der Themen der Güteverhandlung

Der Güterichter/die Güterichterin ist in der Wahl der Themen frei, ist also nicht, im Gegensatz zum gesetzlichen Gericht des Zivilprozesses, an den Sachvortrag der Parteien gebunden. Damit ist die Chance gegeben zu ergründen, ob der eigentliche Konflikt der Parteien womöglich einen anderen Hintergrund hat. Der Güterichter/die Güterichterin ist in der Vorgehensweise und auch in der Ausgestaltung von Lösungsvorschlägen frei. Es heißt im Gesetz: „Der Güterichter kann alle Methoden der Konfliktbeilegung einschließlich der Mediation einsetzen.“ Die Güterichterin/der Güterichter vergewissert sich, dass die Parteien die Grundsätze und den Ablauf einer Mediation verstanden haben und freiwillig teilnehmen. Er/Sie ist allen Parteien gleichermaßen verpflichtet, fördert die Kommunikation zwischen ihnen und vergewissert sich, dass die Parteien in angemessener und fairer Weise in die Mediation eingebunden sind. Er/sie wirkt auf eine Vereinbarung hin, welche die Parteien in Kenntnis der Sachlage treffen.

Freiwillige, einvernehmliche und eigenverantwortliche Beilegung des Konflikts

Es steht nach dem Gesetz sowohl den Konfliktparteien als auch dem Güterichter/der Güterichterin jederzeit frei, das Güterichterverfahren zu beenden. Ein mächtiger Anreiz, die Konfliktlösung in diesem Verfahren zu versuchen. Es gibt kaum Risiken – wenn man von dem Zeitaufwand absieht – dafür aber wesentliche Chancen zu einer oft schnelleren, eigenverantwortlichen und einvernehmlichen Konfliktlösung. Trotz der beruflichen Erfahrung jedes Güterichters/jeder Güterichterin geht es im Schwerpunkt nicht um Rechtsfragen, sondern darum, eine für alle Beteiligten sinnvolle Lösung des Konflikts zu finden. Für beide Seiten tragbare Lösungen werden mit hoher Wahrscheinlichkeit auch nach Abschluss des Verfahrens respektiert; dieses erhöht auch die Wahrscheinlichkeit für eine Durchsetzung des erzielten Ergebnisses ohne die Einleitung eines Zwangsvollstreckungsverfahrens. Der Güterichter/Die Güterichterin kann zum Abschluss einen sogenannten gerichtlichen Vergleich protokollieren, § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO. Damit ist der Rechtsstreit beendet. Die Güterichterin/der Güterichter ist aber in keinem Fall entscheidungsbefugt. Kommt es nicht zu einer Einigung, wird das streitige Gerichtsverfahren vor dem dann wieder zuständigen „gesetzlichen Richter“ bzw. der zuständigen Kammer fortgesetzt.

Statistik der Güterichterverhandlung in Bremen

Das Landgericht Bremen stellt auf seiner Homepage [5] die gerichtliche Mediation vor und beschreibt die Rahmenbedingungen. Als Güterichter/Güterichterinnen werden nur in der Methodik der Mediation ausgebildete Richterinnen und Richter eingesetzt. Die Güterichterhandlung wird in einem besonderen Raum des Gerichts möglichst zeitnah und im Sinne der Parteien an einer flexiblen und interessengerechten Lösung durchgeführt.

Mediationen in diesen Verfahren seien in allen Teilbereichen des Zivilrechts nachgefragt, nicht nur in erb-, familien-, oder nachbarschaftlichen Streitigkeiten. Die praktizierten Mediationen seien Hilfen für die Streitparteien, ihre rechtshängigen Rechtsstreitigkeiten zeitnah, kostengünstig und in Form eines größtmöglichen Interessenausgleichs zu lösen. Es heißt dort weiter: „Nicht selten konnten komplexe Übereinkünfte der Parteien auch unter Beteiligung von außen stehenden Dritten erzielt werden, tiefer gehende Konflikte gelöst und dauerhafte Beziehungen der Parteien auf eine neue einvernehmliche Grundlage gestellt werden.“ Die Erfolgsquote bestätigt den richtigen Ansatz und den richtigen Weg. Der Prozentsatz der erfolgreichen Güterichterverhandlungen lag in jedem Jahr der Statistik bei bzw. über 73 %. Die absoluten Zahlen der Verfahren von 2013 bis 2016 bewegten sich allerdings im Bereich zwischen 116 bis 183 pro Jahr.

Damit gilt für diesen Gerichtsbezirk wie auch für alle anderen, dass angesichts des ambitionierten Ziels, über das Instrumentarium der Güterichterverhandlung mit einvernehmlichen Streitlösungen mehr Akzeptanz und damit Frieden zwischen den Parteien herbeizuführen, die gerichtliche Mediation weiterhin ein Schattendasein führt. Jedoch gewinnt sie an Bedeutung. Es gilt, diese Tendenz nachhaltig zu stützen und zu fördern.

Die Bedeutung des Mediationsgesetzes

Das Mediationsgesetz aus dem Jahre 2012 war Kernstück eines großen gesetzgeberischen Vorhabens, die Mediation und andere Verfahren außergerichtlicher Konfliktbeilegung zu fördern, auch, um eine europäische Richtlinie umzusetzen. [6] Die im Folgenden zitierten Paragraphen sind solche des Mediationsgesetzes.

Der europarechtliche Impuls entstand primär aus der Notwendigkeit, die grenzübergreifende Rechtsdurchsetzung zu erleichtern, nachdem sich Gerichtsverfahren als langwierig und teuer und damit auch ineffektiv erwiesen hatten. Die Europäische Kommission erließ 2002 ein sogenanntes Grünbuch mit dem Schwerpunkt der Förderung von Formen alternativer Streitbeilegung. [7] Ausgeklammert wurden allerdings sogenannte Schiedsgerichtsverfahren und Schlichtungen. [8] Von Anfang an wurde neben dem so prognostizierten verbesserten Zugang zum Recht auch hervorgehoben, dass die alternative Streitbeilegung sich wegen ihres konsensualen Charakters in besonderer Weise als Instrument zur Friedenssicherung eigne.

Es soll die außergerichtliche Streitbeilegung gefördert, die Eigenverantwortung bei einer Konfliktlösung bestärkt werden. § 1 Abs. 1 lautet: „Mediation ist ein vertrauliches und strukturiertes Verfahren, bei dem Parteien mithilfe eines oder mehrerer Mediatoren freiwillig und eigenverantwortlich eine einvernehmliche Beilegung ihres Konflikts anstreben.“ Die Mediation steht gleichberechtigt neben der ordentlichen Gerichtsbarkeit mit dem Güterichterverfahren (siehe oben), neben den Schiedsgerichtsverfahren und der Schlichtung (siehe dazu Fußnote 8). Ihr kommt damit in der Praxis eine erhebliche Bedeutung zu. Im Zentrum der Mediation steht der Mediator/die Mediatorin. Diese Berufsbezeichnung gilt es, näher zu beleuchten.

Die Berufsbezeichnung Mediator/Mediatorin

In Deutschland wird unterschieden zwischen geschützten und nicht geschützten Berufsbezeichnungen. Geschützt sind solche Berufsbezeichnungen, welche in § 132a Strafgesetzbuch – StGB – aufgeführt und damit bei Missbrauch strafbewehrt sind: z. B. Apotheker, Arzt, Rechtsanwalt, Wirtschaftsprüfer und zum Beispiel die staatlichen Abschlussbezeichnungen, wie z. B. Staatlich geprüfter Betriebswirt oder Abschlüsse auf der Ebene von Berufsfachschulen. Hinzu kommen geschützte Berufsbezeichnungen, deren Missbrauch als Ordnungswidrigkeit geahndet werden kann: z. B. Rettungsassistent, Altenpfleger, Hebamme.

Und dann gibt es schließlich die Berufsbezeichnungen, deren Missbrauch nicht strafbewehrt ist und auch keine Ordnungswidrigkeit darstellt, die aber dennoch gesetzlich geregelt sind, z. B. der zertifizierte Mediator, § 5. Solche Berufe, deren Berufsbezeichnungen nicht geschützt sind, wie z. B. Lehrbeauftragter, Jurist, Coach, Designer oder Mediator (ohne Zertifizierung!) können von jeder Person aufgrund nicht vorhandener gesetzlicher Bestimmungen legal geführt werden. Werden sie allerdings im Berufsleben verwendet, also z. B. bei Vertragsabschlüssen, kann dieses eine irreführende Werbung darstellen – dazu gleich mehr.

Der zertifizierte Mediator/die zertifizierte Mediatorin

Das Mediationsgesetz schreibt in § 5 vor: Der Mediator muss über eine geeignete Ausbildung verfügen und sich regelmäßig fortbilden. Im Rahmen der Zertifizierte-Mediatoren-Ausbildungsverordnung – kurz: ZMediatAusbV – [9] des Bundesministeriums für Justiz und Verbraucherschutz wurde mit Wirkung ab 1.09.2017 präzisiert, was eine Zertifizierung, § 6, im Einzelnen voraussetzt, welche inhaltlichen und zeitlichen Anforderungen an die Aus- und Fortbildung eines Mediators zu stellen sind.

Eine solide Ausbildung zum Mediator steht auf drei Säulen: Wissen, Methodik und Haltung, „… wobei eine von Empathie und Verfahrenskompetenz geprägte mediative Grundhaltung ebenso zum Rüstzeug des guten Mediators gehört, wie seine persönlich-sozialen Kompetenzen und die Fähigkeit zur kritischen und professionellen Selbstreflexion“. [10] Gesetz und Verordnung betonen die Eigenverantwortung des Mediators, sich in geeigneter Form aus- und fortzubilden. Es gibt weder eine Zulassung zum Beruf des Mediators (so wie z. B. bei Rechtsanwälten über eine Kammer), noch gibt es eine gesetzlich geschützte Berufsbezeichnung, siehe oben. Jeder kann sich also auch nach der Einführung der Rechtsverordnung „Mediator“ nennen. Allerdings, so betonen die Juristen, hat auch der nicht zertifizierte Mediator die Pflicht, gemäß § 5 Abs. 1 eine geeignete Aus- und Fortbildung sicherzustellen. Es geht also nicht um das „Ob“, sondern um das „Wie“ einer Ausbildung bzw. Fortbildung. Die Wahl wird in die Eigenverantwortung des Mediators gestellt. Damit wird auch in Deutschland der europarechtliche Ansatz gewählt, die Sicherung der Qualität einer Dienstleistung nicht restriktiv, durch strikte Vorgaben des Staates und eine strikte Kontrolle der Berufszulassung, gewährleisten zu wollen. Wird der Mediator den Anforderungen nicht gerecht, so könnte der Vorwurf der Schlechterfüllung des Mediationsvertrages erhoben werden; auch hat der Mediator gemäß § 3 Abs. 5 die Pflicht: „…die Parteien [der Mediation, Anm. der Verfasserin] auf deren Verlangen über seinen fachlichen Hintergrund, seine Ausbildung und seine Erfahrung auf dem Gebiet der Mediation zu informieren.“

Nicht jeder Mediator darf sich allerdings „zertifizierter Mediator“ nennen. Bei Verstößen im Umgang mit der Bezeichnung „zertifizierter Mediator“ drohen also seit September 2017 neben haftungsrechtlichen Ansprüchen auch Unterlassungsansprüche und sonstige Folgen nach den Bestimmungen des Gesetzes gegen den Unlauteren Wettbewerb (UWG), welches Mitbewerber/-innen, Verbraucher/-innen und die Allgemeinheit vor unfairer Verzerrung des Wettbewerbs schützen soll. In Frage kommt hier z. B. eine Abmahnung gemäß § 8 Abs. 1 UWG mit der Aufforderung, eine unfaire und daher wettbewerbswidrige Handlung, z. B. eine Darstellung auf einer Homepage, zu unterlassen. Weiterhin könnten, bei Nachweis eines schuldhaften Verstoßes zur Verschaffung von Wettbewerbsvorteilen, Schadensansprüche gemäß § 9 UWG geltend gemacht werden.

Der „Markt“ der Mediation, Angebot und Nachfrage sowie die Qualitätssicherung über diejenigen Anbieter, die ein Zertifikat anbieten, bestimmen also in erster Linie darüber, wer sich in diesem Beruf durchsetzt.

Ausbildungsinhalte

Die in der Anlage zur Verordnung im Einzelnen aufgeführten Ausbildungsinhalte sind zu absolvieren, praktische Übungen und Rollenspiele sind deren Bestandteil; der Umfang ist auf mindestens 120 Stunden Präsenz festgelegt. Ein Zertifikat setzt weiterhin mindestens eine Mediation und eine Supervision voraus.

Im Einzelnen wird die folgende prozentuale Verteilung auf die Stunden der Ausbildung vorgegeben:

Einführung und Grundlagen der Mediation (15 %);

Ablauf und Rahmenbedingungen der Mediation (25 %);

Verhandlungstechniken und -kompetenz (15 %);

Gesprächsführung, Kommunikationstechniken (15 %);

Konfliktkompetenz (10 %);

Recht der Mediation (5 %);

Recht in der Mediation (10 %);

Persönliche Kompetenz, Haltung und Rollenverständnis (10 %).

Leider wurde der Grundgedanke der Eigenverantwortung des Mediators/der Mediatorin ein wenig aufgegeben, in dem dieses starre Gerüst vorgesehen ist. Dabei gilt gerade für Mediatoren und Mediatorinnen, dass sie ganz verschiedene Herkunftsberufe haben, wie z. B. aus dem psychosozialen Bereich einerseits und dem juristischen Bereich andererseits.

Fortbildungsinhalte

Entsprechende Fortbildungen sind regelmäßig, in einem Zeitraum von vier Jahren mit jeweils 40 Zeitstunden, zu absolvieren. Weiterhin hat der ausgebildete Mediator in einem Zeitraum von zwei Jahren nach seiner Zertifizierung mindestens vier Mediationen mit anschließender Einzelsupervision nachzuweisen. Schließlich gibt es für zertifizierte Mediatoren, die ihren Abschluss vor dem In-Kraft-Treten dieser Verordnung absolviert hatten, Übergangsbestimmungen, § 7 ZMediatAusbV.

Das Mediationsverfahren

Für das Verfahren, geregelt in § 2, gelten die gleichen Grundsätze wie in diesem Kapitel im ersten Teil zum Güterichterverfahren ausgeführt und wie auch ausführlicher an anderer Stelle dieses Buches dargestellt, so dass an dieser Stelle auf eine Darstellung verzichtet werden kann.

Evaluation nach fünf Jahren Mediationsgesetz

Der Gesetzgeber hatte von vornherein vorgesehen, dass gemäß § 8 MediationsG nach fünf Jahren durch die Bundesregierung über die Auswirkungen des Gesetzes auf die Entwicklung der Mediation zu berichten sei.

Der Evaluationsbericht von 2017 der Bundesregierung [12] macht auf 219 Seiten deutlich, dass die Zahl der in Deutschland durch organisierte Mediatorinnen und Mediatoren durchgeführten Mediationen mit ca. 7500 bis 8500 pro Jahr sich nach Einführung des Gesetzes nicht deutlich erhöht habe und sich damit „auf einem gleichbleibend niedrigen Niveau“ befand. Die Zertifizierung von Mediatoren habe für die Nutzer wenig Relevanz. Inwieweit ein öffentlich-rechtliches Zertifizierungssystem dies zu ändern vermöge, sei empirisch nicht belegbar. Diese Ergebnisse sind ernüchternd.

Der Mediations-Rahmenvertrag

In Deutschland herrscht generell Vertragsgestaltungsfreiheit, und auch die Vertragstypen, welche im Bürgerlichen Gesetzbuch – im Folgenden: BGB – beschrieben sind, sind weder abschließend normiert noch abschließend typisiert. Dem Charakter einer Mediation als einer Unterstützung einer ergebnisoffenen Konfliktschlichtung entspricht in vielen Fällen am ehesten der Dienstvertrag des BGB, siehe § 611 BGB.

Der Mediator/Die Mediatorin ist bei der Ausübung seiner/ihrer Dienste nicht an Weisungen gebunden. Er/Sie wird zwar mit den Konfliktparteien festlegen wollen, in welchem zeitlichen, örtlichen und organisatorischen Rahmen er/sie sich bewegt. Der Mediator/die Mediatorin wird innerhalb der Mediationsarbeit keine Weisungen annehmen, sondern autark handeln und souverän selbst entscheiden wollen, wie durch aktive Einbeziehung der Konfliktparteien eine freiwillige und selbstverantwortliche Entscheidung der Beteiligten, welche sich in der Zukunft als nachhaltig und tragfähig erweisen soll, herbeigeführt werden könnte.

Im Internet existieren Musterverträge. Hier sollen deshalb nur die Eckpunkte eines schriftlichen, d. h. von den Konfliktparteien und von der Mediatorin/dem Mediator unterschriebenen, Mediations-Rahmenvertrages erörtert werden.

Im Mediations-Rahmenvertrag werden zunächst wesentliche verbindliche Verabredungen festgehalten wie: Klageverzicht für die Dauer des laufenden Mediationsverfahrens oder die allseitige Beantragung des Ruhens eines laufenden Verfahrens; Absprachen zur Verjährung, Vertraulichkeitsabreden, Regelungen zur Kostentragung. Geht es um Rechtsfragen, sollte immer auch der Hinweis aufgenommen werden, dass nach den deutschen Bestimmungen des Rechtsdienstleistungsgesetzes nur bestimmte Personengruppen einen Rechtsrat erteilen dürfen. Ggf. wird vereinbart, dass eine Anwältin/ein Anwalt beratend hinzugezogen wird.

Als äußerer Rahmen der Mediation sollten Ressourcen, wie Ort, Zeitrahmen (Regelungen zur Terminabsprache) und sonstige äußere Bedingungen festgeschrieben werden.

Sodann wird der Verfahrensgegenstand der Mediation beschrieben. Hierbei ist sorgfältig auf die Ergebnisoffenheit zu achten. Je nachdem kann hier die Historie und der Gegenstand eines Konflikts geschildert werden oder aber eine angestrebte Lösung in den Vordergrund gestellt werden.

Weiterhin sollten Pflichten der Medianden untereinander fixiert werden: Mitwirkungspflichten, wie z. B. die Verpflichtung zum respektvollen Umgang miteinander – unter Beachtung der Freiwilligkeit der Teilnahme, aber nicht der Freiwilligkeit der Teilnahme an einmal vereinbarten Terminen. Eventuell ist es wichtig, die Vertraulichkeit durch ergänzende Festschreibungen zu manifestieren, so z. B., dass Unterlagen, welche im Mediationsverfahren überreicht wurden, nur dann verwendet werden dürfen, wenn sich nicht alle Medianden damit einverstanden erklären.

Weiterhin ist die Hauptleistungspflicht des Mediators/der Mediatorin zu umschreiben: die Durchführung eines Mediationsverfahrens. Die Ausgestaltung der Mediation als solcher ist das „Spielfeld“ eines Mediators/einer Mediatorin. Hier werden idealerweise ein Phasenmodell und ein Verhaltenskodex festgeschrieben. Das Phasenmodell dient der Aufklärung darüber, dass eine Konfliktlösung verschiedene Etappen durchlaufen kann. Der Verhaltenskodex soll sicherstellen, dass der Mediator/die Mediatorin und die Medianden stets als eigenverantwortlich handelnde Subjekte wahrgenommen und respektiert werden. Jedem Medianden wird die Möglichkeit eröffnet, seine Sicht der Konfliktgründe und seine Vorstellung von einer möglichen Lösung des Konflikts offen zu legen. Elementare Regeln der Höflichkeit im Umgang miteinander (Rederecht, Vermeidung von persönlichen Angriffen, usf.) werden festgelegt und in der Umsetzung überwacht.

Die Hauptleistungspflicht der Medianden ist die Zahlung der vereinbarten Vergütung des Mediators/der Mediatorin. Ein Stundensatz – ggf. mit MwSt. – sollte festgelegt werden, ebenso die Frage der Berechnung von Vorarbeiten und Nacharbeiten; die Erstattung von Auslagen, usf.

Der Rahmen-Mediationsvertrag enthält schließlich auch Schlussbestimmungen wie eine salvatorische Klausel oder eine Klausel bei Abbruch der Mediation.

Anmerkungen

[1] Prof. Dr. Heinrich Schmidt am 20.03.2006 im Internet unter „Damals.de“: „Aufstieg und Herrschaft der „Häuptlinge“ im mittelalterlichen Friesland – Piraten gern gesehen“. Er zitiert den Satz: „Durch uns selbst, indem wir jährlich unsere Richter wählen, regieren wir unser Volk“

[2] Das salomonische Urteil: König Salomo entschied über den Streit zweier Frauen, die beide behaupteten, Mutter eines Neugeborenen zu sein. Er gibt die Anweisung, das Kind mit einem Schwert zu teilen, so dass jede Frau eine Hälfte bekomme. Da zeigt sich die wahre Mutter. Sie verzichtet, um des Lebens des Kindes willen. (1 Könige 3,16–28) Die Figur des Dorfschreibers/Dorfrichters Azdak entstammt aus dem Theaterstück von Berthold Brecht: „Der kaukasische Kreidekreis“

[3] Das ‚Gesetz zur Förderung der Mediation und anderer Verfahren der außergerichtlichen Konfliktbeilegung‘, kurz: Mediationsgesetz bzw. MediationsG vom 21.07.2012 (BGBl. I, 1577) in Kraft seit dem 26.07.2012; zuletzt geändert durch Artikel 135 V der Verordnung vom 31.08.2015 (BGBl. I, S. 1474)

[4] Bereits vor dem Mediationsgesetz von 2012 gab es die gerichtliche Mediation, damals genannt „gerichtlicher Mediator“

[5] Ohne Verfasser, Seite des Landgerichts Bremen: „Güterichter“, Überschrift: „Von der Mediation zur Güterichterverhandlung“, URL: https://landgericht.bremen.de, zuletzt aufgerufen am: 15.12.2018. Mit freundlicher Gestattung der Präsidentin des Landgerichts Bremen vom 2.11.18

[6] Zum Mediationsgesetz (MediationsG) siehe oben Randnummer 3; Richtlinie 2008/52/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über bestimmte Aspekte der Mediation in Zivil- und Handelssachen (Mediations-Richtlinie oder Med-RiLi) vom 21.05.2008

[7] Grünbuch der Kommission vom 19.04.2002 über Alternative Verfahren zur Streitbeilegung im Zivil- und Handelsrecht, KOM (2002), 196, Rn 10

[8] Vereinbaren Parteien für den Fall eines Konflikts im Wege einer Schiedsvereinbarung die Schiedsgerichtsbarkeit, §§ 1025–1066 ZPO, so schließen sie die staatlichen Gerichte aus und übertragen das Verfahren stattdessen an ein Schiedsgericht – im Englischen: arbitration. Vorteile können sein: die Schiedsgerichte haben Detailkenntnisse aus einem spezifischen Wirtschaftsbereich; es kann eine fremde Verfahrenssprache gewählt werden; die Kommunikation per E-Mail ist geläufig; ebenso gibt es häufiger Videokonferenzen statt einer mündlichen Verhandlung. Schließlich finden Schiedsgerichtsverfahren unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt.

Unter Schlichtung versteht man eine außergerichtliche Streitbeilegung unter Annahme eines von einer neutralen Person vorgeschlagenen Kompromisses. Kann ein Schlichter/eine Schlichterin auch mit der Methodik der Mediation arbeiten, so besteht ein wesentlicher Unterschied darin, dass zusätzlich Ergebnisvorschläge von der schlichtenden Person gemacht werden. Ist der Schlichter/die Schlichterin zur Rechtsberatung befugt, kann die Schlichtung auch einen Rechtsrat beinhalten

[9] Verordnung über die Aus- und Fortbildung von zertifizierten Mediatoren – ZmediatAusbV, vom 21.08.2016, (BGBl. I, S. 1994), nebst der Anlage mit den Ausbildungsinhalten (BGBl. I, S. 1996–1997) in Kraft seit dem 1.09.2017

[10] Zitat aus Klowait/Gläßer/HK-Kommentar MediationsG, 2. Auflage 2018, Klowait, § 5, Rn. 20; Klowait verweist auf die Monographie von Wolfgang Paul Reutter: „Die Achtsamkeit des Mediators: Einführung in die achtsamkeitsbasierte Haltung in der Mediation“, Nomos, 2017

[11] Die Bundesregierung, Bericht der Bundesregierung über die Auswirkungen des Mediationsgesetzes auf die Entwicklung der Mediation in Deutschland und über die Situation der Aus- und Fortbildung des Mediators, 2017; im Internet über das BMJV.de

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A2 Unternehmensinterne Mediation: Promotoren und Besonderheiten (Ingo Recker)

Anwendungsbereich – „Mit oder ohne?“

Konflikte innerhalb eines Unternehmens – egal ob zwischen einzelnen Mitarbeitern, Abteilungen oder auch Standorten – bilden die Spielwiese der unternehmensinternen bzw. innerbetrieblichen Mediation. Sofern denn überhaupt an den Einsatz eines Mediators zur Lösung eines spezifischen Konflikts gedacht wird, ist es zunächst unerheblich, ob es sich hierbei um einen internen oder externen Mediator handelt.

Große Unternehmen haben teils einen eigenen Pool an Mediatoren zur Verfügung. Tatsächlich sind hier Unternehmen vertreten, von denen man dies auf den ersten Blick gar nicht vermuten würde, da ihnen etwa ein eher konservatives oder gar angestaubtes Image anhaftet. Die Deutsche Bahn AG ist nur ein Beispiel dafür. Das Unternehmen hat eine große Zahl von ausgebildeten Mediatoren zur Verfügung, wobei sich diese nicht selten aus Juristen des Unternehmens rekrutieren.

Mittelständische Unternehmen in Deutschland tun sich hier offensichtlich schwerer. Mediation scheint primär dann ein wirkliches Thema zu werden, wenn es insbesondere um die Betriebsübergabe an einen Nachfolger oder die nächste Familiengeneration geht. Vielleicht lässt sich das damit erklären, dass die Kosten eines Rechtsanwalts zur Klärung von Konflikten in der Regel die des Mediators bei Weitem übersteigen. Insgesamt erscheint der Stellenwert der Mediation im deutschen Mittelstand primär am Inhaber und seiner Einstellung zur Mediation aufgehängt zu sein. Fraglich ist allerdings, ob zur Förderung des Mediationsgedankens in mittelständischen Unternehmen tatsächlich ein komplettes Konfliktmanagementsystem aufgebaut werden sollte, wie dies so manche Studie postuliert. Starre Systeme wirken auf viele „typische Mittelständler“ eher abschreckend.

Die folgenden Ausführungen konzentrieren sich im Übrigen auf genau die innerbetriebliche Mediation in ebensolchen KMU – Kleinen und Mittelständischen Unternehmen. Dabei geht es nicht primär um die Darstellung eines mustergültigen Mediationsverfahrens. Vielmehr sollen Schwierigkeiten bei der Implementierung der Mediation in KMU sowie Möglichkeiten zur Überwindung dieser Schwierigkeiten und Besonderheiten bei der innerbetrieblichen Mediation diskutiert und beleuchtet werden.

Zielsetzung/Nutzen – „Soll und Haben“

Es wird allzu oft betont, dass innerbetriebliche Konflikte in der Mehrheit aus Störungen auf der Beziehungsebene resultieren. Mitarbeiter einer Abteilung können sich sprichwörtlich nicht riechen, wiederum Abteilungen oder gar Standorte werden anhand von ggf. als unfair empfundenen Kennzahlen verglichen. All das sorgt für reichlich Konfliktstoff: „Einer gegen den anderen“ oder auch: „Wir gegen die!“

Der Begriff des Konflikts ist unmittelbar mit einem weiteren Begriff verbunden: Empörung! Ohne Empörung gibt es keinen Konflikt im engeren Sinne, denn sonst wäre beispielsweise auch jede sportliche Auseinandersetzung als Konflikt anzusehen. Empörung fußt wiederum auf der (empfundenen) Verletzung einer moralischen oder sozialen Norm des Anstands, des Respekts oder der Gerechtigkeit und damit insbesondere auf der Beziehungsebene. [1]

Es wäre allerdings übertrieben zu sagen, dass der Ursprung innerbetrieblicher Konflikte praktisch ausnahmslos auf der Beziehungsebene zu suchen ist. Beispielsweise haben Konflikte zwischen Geschäftsführung und Betriebsrat oft eine Stellvertreterfunktion (proxy war) und rühren mitnichten ausschließlich aus direkten Konflikten auf der Beziehungsebene. Jedenfalls nicht zwangsläufig mit Blick auf die direkten Akteure, die diesen Konflikt (nach außen hin) austragen.

Fakt ist dennoch, dass Störungen auf der Beziehungsebene oft Ursache innerbetrieblicher Konflikte sind. Es lohnt sich also, und dies wird ein Mediator sicher instinktiv immer zu tun versuchen, einen Blick auch auf vor- oder nachgelagerte Ebenen und damit auf den Ursprung des Konflikts zu werfen. Nach Alfred Herrhausen, dem früheren Vorstand einer großen deutschen Bank, besteht Wirtschaft mindestens zur Hälfte aus Psychologie. Wirtschaft, so Herrhausen, sei eine „Veranstaltung von Menschen, nicht von Computern“. Ein erster Schritt zur Lösung von innerbetrieblichen Konflikten ist es daher, anzuerkennen, dass es überhaupt einen Konflikt gibt. Denn überall dort, wo Menschen miteinander zu tun haben, sind Konflikte auf die Dauer unausweichlich. Die Frage ist nur, wie man mit dieser Feststellung umgeht. Ignorieren? Verdrängen? Oder gar als Chance betrachten? Es gilt also zunächst, die Mediation als Lösungsoption im Unternehmen überhaupt zu etablieren und ein Mindestmaß an Akzeptanz auf allen Hierarchieebenen des Unternehmens zu schaffen.

Damit ist natürlich nicht gemeint, dass Management und Geschäftsführung aus ihrer Verantwortung quasi entlassen werden, um dann alles das, was nur irgendwie den Anschein eines Konflikts erweckt, eben jenem Mediator zur Lösung zu überlassen. Das Management, die einzelne Führungskraft im Unternehmen, bleibt natürlich auch weiterhin in der Verantwortung. Nur muss jede Führungskraft im Unternehmen, jeder Manager also, von der Möglichkeit einer betriebsinternen Mediation zumindest Kenntnis haben.

Jede Führungskraft und jeder Mitarbeiter im Unternehmen sollte zudem die oben angerissene Akzeptanz der Mediation an den Tag legen. Wie schafft man aber die notwendige Akzeptanz, von der Möglichkeit einer Mediation dann auch Gebrauch zu machen? Fredmund Malik beschreibt in einem seiner Bücher, was nach seinem Verständnis (gutes) Management ausmacht und welche Irrtümer und Missverständnisse es zum Managementbegriff zu vermeiden gilt [2]. Seiner Meinung nach ist insbesondere eine übertriebene „Psychologisierung von Management“ als unangebracht und schädlich zu betrachten. „Die Fixierung auf Schwierigkeiten, Probleme, Konflikte, Beziehungs- und Kommunikationsstörungen, die so oft in der Managementausbildung zu beobachten ist, führt entweder zu einer Abstumpfung der Menschen für tatsächlich wichtige psychologische Fragen oder“ – so Malik weiter – „zu ihrer Neurotisierung“.

Es bedarf nur wenig Phantasie, sich vorzustellen, dass Geschäftsführung und Management eines typischen mittelständischen Unternehmens – wie immer diese Mustermann GmbH auch aussehen mag – genau hier eine gewisse Hemmschwelle im Hinblick auf den Einsatz der Mediation zu überwinden haben. Also helfen an dieser Stelle, soll denn die Mediation als wirklicher Ansatz einer Problem- und Konfliktlösung ernst genommen werden, insbesondere die berühmten harten Fakten. Raus aus der Voodoo-Kiste – rein in eine konkrete Beschreibung der Vorteile einer Mediation. Und zwar auf das Unternehmen zugeschnitten!

Es gilt hier also, die üblichen Allgemeinplätze zur Mediation zu vermeiden und auf das Unternehmen fokussiert zu argumentieren. Ja, eine Mediation spart Zeit und Geld im Vergleich zu einem Gerichtsprozess. Das wird kaum jemand ernsthaft in Abrede stellen wollen. Und sonst?

Für eine innerbetriebliche Mediation spricht insbesondere die Entlastung der Führungsmannschaft in konfliktträchtigen Situationen bzw. – umgekehrt formuliert – die Stärkung der Eigenverantwortlichkeit der jeweiligen Konfliktparteien im Unternehmen. In einem gewissen Rahmen erarbeiten die Medianten die Lösung des Konflikts. In einem gewissen Rahmen deshalb, weil sie – anders als im rein privaten Umfeld – die betrieblichen Belange und Gegebenheiten zu beachten und ggf. das Okay der Bereichs- oder Geschäftsleitung zur Umsetzung ihrer Lösung einzuholen haben. Dies ist eine der Besonderheiten, die eine innerbetriebliche Mediation im Vergleich zu einer Mediation auf rein privater Ebene aufweist.

gefühlte Eigenverantwortlichkeit