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Nr. 1

 

Ritter des Chaos

 

Entführt in eine fremde Galaxis – ein mörderisches Volk und ein überlegener Gegner

 

Kai Hirdt

 

 

 

Pabel-Moewig Verlag KG, Rastatt

 

Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

1.

2.

3.

4.

5.

6.

7.

8.

9.

10.

11.

12.

13.

14.

15.

16.

17.

18.

19.

20.

Impressum

PERRY RHODAN – die Serie

 

SOL – dieser Name hat einen ganz besonderen Klang in der 3000-jährigen Geschichte der terranischen Raumfahrt. Das hantelförmige Kombinationsschiff spielt immer wieder eine entscheidende Rolle im schicksalhaften Konflikt zwischen den kosmischen Mächten der Ordnung und des Chaos.

Im Jahr 1552 Neuer Galaktischer Zeitrechnung ist Perry Rhodan, der die Menschheit von Beginn an ins All begleitet hat, in eine ferne Galaxis versetzt worden. Dort hat er die seit Langem verschollene SOL und ihre Besatzung aus einer Chaoszone gerettet.

Eigentlich wollen die Menschen an Bord nun so schnell wie möglich in die heimatliche Milchstraße zurückkehren. Aber ein Bote der Kosmokraten macht ihnen klar: Sie können nur nach Hause, wenn sie zuvor eine wichtige Aufgabe für die Hohen Mächte erfüllen.

Ihr Ziel ist der Herrschaftsbereich einer Superintelligenz, deren Helfer zweifelhafte Aktivitäten entwickeln. Perry Rhodan und seine Gefährten brechen auf ins Unbekannte. Dort erwarten sie entweder Hüter der Ordnung – oder RITTER DES CHAOS ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Perry Rhodan – Der Terraner bricht auf ins Ungewisse.

A-Kuatond – Die Ritterin kämpft mit einem inneren Zwiespalt.

Tess Qumisha – Die Hyperphysikerin erhält eine neue Aufgabe.

Trurull – Der Truvaud trifft eine verhängnisvolle Entscheidung.

1.

 

Du wirst sofort zur SOL zurückkehren.

Euch steht eine weitere Reise bevor.

Die Worte des kleinen Androiden Eroin Blitzer hallten in der runden Steinkammer an Bord des Raumschiffs LEUCHTKRAFT nach.

Perry Rhodan blickte auf das künstliche Wesen mit den unverhältnismäßig großen Augen hinab. Er war hin- und hergerissen zwischen Verblüffung und Zorn. Blitzer hatte einen einfachen, klaren Befehl erhalten, und der lautete: »Bring Perry Rhodan heim in die Milchstraße.«

Das war schlecht misszuverstehen als: »Zwinge ihn und seine Besatzung zu einem neuen Einsatz viele Millionen Lichtjahre von seiner Heimat entfernt.« Doch genau das versuchte der Androide vor ihm gerade.

»Die Bitte ist gering«, sprach Blitzer ungerührt weiter, »angesichts der Verheerungen, die du auf Evolux angerichtet hast. Berücksichtigt man die Alternative, dürfte die neue Aufgabe sogar in deinem Interesse sein.«

»Was heißt das: ›die Alternative‹?« Feindselig starrte Rhodan seinem Gegenüber ins Gesicht, in die beiden riesigen Augen.

Augen, die immer größer zu werden schienen. Sich zu einem großen Kreis, einem großen Wirbel verbanden. Einem Wirbel, der Rhodan anzog, in sich hineinriss und verschlang.

 

*

 

Perry Rhodan war nicht mehr auf der LEUCHTKRAFT, nicht bei Eroin Blitzer. Er war im All. Nackt. Ungeschützt der Kälte des Raums ausgesetzt.

Er kämpfte gegen die Panik. Jeder Raumfahrer wusste, was ein Aufenthalt im Vakuum bedeutete: Bei Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt würde er in zwanzig, maximal dreißig Sekunden das Bewusstsein verlieren. Danach hatte er noch zwei bis drei Minuten zu leben, wenn er nicht rechtzeitig geborgen wurde. Anschließend würde seine Leiche langsam gefrieren, während seine ungeschützte Haut unter der Strahlung von fünf Sonnen verbrannte.

Seine Augen wurden trocken. Die Tränenflüssigkeit verdunstete. Er hätte die Lider zukneifen sollen, um nicht zu erblinden, doch er war zu entsetzt von dem, was er sah: die fünf Sonnen des Evosystems. Fünf von ehemals acht. Drei waren durch Rhodans Eingreifen erloschen.

Zwischen den verbliebenen Sternen hing die jupitergroße Werftwelt Evolux. Tiefe Risse zogen sich durch die Planetenkruste. Rhodan konnte sie mit bloßem Auge vom All aus erkennen. Das bedeutete, sie mussten Hunderte, eher Tausende Kilometer breit sein. Evolux kollabierte, da sich die unmögliche Welt ohne die Energie ihrer Sonnen nicht mehr stabilisieren konnte.

Vor dem hellen Hintergrund des Planeten schwebte ein tiefschwarzer Punkt: die NEUBEGINN, das mehr als eintausend Kilometer durchmessende Kosmokratenschiff.

Eroin Blitzer hatte angekündigt, dass die Kosmokraten eine Wiedergutmachung von Rhodan verlangen würden, und die NEUBEGINN war ein mächtiges Mittel, um Forderungen jeder Art durchzusetzen. Rhodan wusste nicht viel über den Kommandanten dieses Schiffs, das ganze Sonnensysteme einfach auflösen konnte. Er konnte ihn nur anhand seiner Taten beurteilen, und die waren gleichermaßen kompromisslos wie schwer vorauszuahnen.

Das ist falsch!, dachte Rhodan. Die NEUBEGINN hat das System verlassen! Aber er sah sie mit eigenen, schmerzenden Augen.

Zu guter Letzt: die SOL. Das goldfarbene, acht Kilometer lange, hantelförmige Raumschiff. Die Legende, die mehr fremde Orte bereist und an mehr kosmischen Brennpunkten agiert hatte als jede andere Einheit der Menschheit.

Ohne Warnung eröffnete die NEUBEGINN das Feuer. Die mächtigen Schutzschirme der SOL bauten sich gar nicht erst auf. Der Mythos verging in drei gewaltigen Explosionen, erst die beiden Kugelzellen außen, dann der zylinderförmige Mittelteil, der sie verbunden hatte.

Rund zehntausend Menschen hatten sich an Bord befunden, unter ihnen Roi Danton, Perry Rhodans Sohn. Eben hatten sie gelebt. Nun waren sie tot.

Es wurde schwarz um Rhodan. Hatte er es doch noch geschafft, die Lider zu schließen? Oder war das einfach die Schwärze des Todes, die sich über ihn senkte?

 

*

 

Mit einem Schrei stürzte Perry Rhodan auf die Knie. Er kam zu Eroin Blitzers Füßen zur Besinnung, genau dort, wo sie eben noch gestritten hatten. Seine Kleidung war wieder da. Alles war wie vor dem unfreiwilligen Ausflug, nur seine trockenen Augen brannten. Sein Blick war verschwommen und aus dem Fokus, sodass er den Unterkörper des Androiden doppelt sah.

Ich war nie fort, begriff er. Es war nur eine Vision. Eine Projektion in meine Gedanken. Doch sie hatte eine solche suggestive Macht entfaltet, dass er zitterte. Er spürte die Kälte des Weltraums in allen Gliedern, obwohl er wieder geborgen war, in der Kaverne an Bord der LEUCHTKRAFT.

»Was war das?«, fragte er entsetzt. »Was habe ich da gesehen?« Er blinzelte ein paarmal, um sich zu vergewissern, dass seine Augen weder vertrocknet noch gefroren waren.

Sein Blick klärte sich und bereitete Rhodan eine Überraschung: Er hatte nicht doppelt gesehen. Neben Blitzer stand eine identische Kopie des Kunstwesens. Gleiche Größe, gleiches Aussehen: zwei Männer mit gelblicher Haut, von der Größe eines Kindes und mit großen, gleichfalls kindlichen Augen, jedoch mit den Runzeln und Falten eines Greises. Das Gesicht glich dem eines Menschen, jedoch wirkte es ungewöhnlich flach. Auch die Kleidung der beiden Blitzers war identisch, ein dunkelblau glänzender Einteiler mit steifem, hellblauem Kragen.

Mit welchem von beiden hatte er gesprochen?

»Das war die Zukunft«, antwortete der linke Blitzer ohne erkennbare Gemütsregung.

»Die Zukunft?«, verlangte Rhodan zu wissen. »Oder eine mögliche Zukunft?«

»Eine mögliche«, bekam er zu hören. »Vielleicht sogar die einzig mögliche. Sicher können wir es nur sagen, wenn sie nicht eintritt. Die Wahrscheinlichkeit dafür steigt, wenn du die neue Mission annimmst.«

Rhodan resignierte. »Also gut«, sagte er bitter. »Ich tue, was ihr wollt – bevor eintrifft, was ich gerade gesehen habe. Bist du dann zufrieden? Oder die LEUCHTKRAFT? Oder die NEUBEGINN, oder wer auch immer sich das ausgedacht hat?«

»Ja«, antwortete der linke Androide schlicht.

»Ich weiß nicht, wie man dieses Schiff verlässt«, merkte Rhodan an. »Die Wege führen jedes Mal an andere Orte, wenn man sie geht.«

Zum ersten Mal regte sich der rechte Eroin Blitzer. »Es gibt Millionen Möglichkeiten!« Er klang ehrlich überrascht. »Das macht es doch so einfach. Folge mir!«

Der Androide ging voraus. Perry Rhodan blieb dicht hinter ihm, verließ die steinerne Höhle, die sich so merkwürdig deplatziert ausnahm auf einem Raumschiff, das der menschlichen Technik um Jahrzehntausende, vielleicht sogar um Jahrmillionen voraus war. Der Steingang wurde irgendwann zu einem Metallgang, dann zu einem durchscheinenden, stabilen Energiefeld im All.

Zu Fuß legten sie den Weg durch den freien Raum zurück, zwei winzige Punkte in der Unendlichkeit. Vor ihnen wurde ihr Ziel größer und größer: die goldene Hantel.

Die Kobaltblaue Walze der LEUCHTKRAFT blieb hinter ihnen zurück. Sie war Vergangenheit, zumindest für den Augenblick. Vor ihnen lag die Zukunft – die einzig mögliche.

Die SOL.

2.

 

Die Schlachtspitze stand unbemerkt am Rand des Skiwsystems und ortete. Der Tarnschirm des Pyramidenschiffs war undurchdringlich.

Das galt zumindest für die Truvaud, die als Geißel ins System eingefallen waren. Für die Skiw sowieso. Die Urbevölkerung hatte schon ihren Angreifern technisch nichts entgegenzusetzen. Wie hätten die plumpen Instrumente dieses Volkes da ein getarntes Ritterschiff erfassen sollen?

A-Kuatond beobachtete den Verlauf des Gefechts. Die kleinen, pfeilförmigen Raumgefährte der Skiw hatten keine Chance gegen die Truvaud. Die Verteidiger kolonisierten erst seit einigen Jahrzehnten die Welten ihres Heimatsystems. Ihre Schiffe dienten dem Transport von Mannschaften und Frachtgut, waren oft Wochen ohne Kursänderung unterwegs. Bordwaffen hatten sie auf diesen Reisen nie gebraucht.

Dann waren die Truvaud gekommen, angelockt von den Energieemissionen einer knospenden Zivilisation. Sie fielen über das Skiwsystem mit ihren wendigen Sichelraumern, ihren Überlichtantrieben sowie ihren Thermo- und Impulsstrahlern her. Wenn ihnen niemand Einhalt gebot, würden sie die Skiw genauso ausrotten wie zuvor die Marrab, die Kefinga und die Kussu.

Dazu jedoch würde es nicht kommen. BARIL hatte entschieden, der Aggression ein Ende zu setzen. Die Truvaud waren zur Gefahr für die Harmonie und das Gleichgewicht in diesem Sektor von Yahouna herangewachsen. Die Stimme BARILS hatte unter anderem A-Kuatond beauftragt, das Problem dauerhaft zu lösen.

Sie studierte die Angriffsmuster der Sichelraumer. Sie spielten ihre Überlegenheit gnadenlos aus und jagten die Skiw, wild und ohne jede Formation, die ihnen bei einer unerwarteten Wendung die Verteidigung erleichtert hätte. Auf den Gedanken, dass eine dritte, stärkere Partei eingreifen könnte, kamen die Raumerbesatzungen überhaupt nicht. A-Kuatond würde leichtes Spiel haben.

»Du bist unzufrieden, Ritterin«, stellte Kalphatt Udimor neben ihr fest. Ihr Orbiter betrachtete nicht nur die taktischen Holos. Zwei seiner acht Augenfinger waren zu A-Kuatond gedreht und sahen zu ihr empor. Der Körper und die meisten anderen Augen ihres wichtigsten Helfers blieben auf das Taktikholo ausgerichtet.

So unersetzlich Udimor war, manche Dinge konnte A-Kuatond nicht dulden. »Verschwinde aus meinem Kopf!« Die Krallen ihrer Rechten blitzten kurz im Licht der Hologramme auf.

Ihr Orbiter ließ sich davon nicht beeindrucken. »Ich muss nicht in deinen Gedanken schnüffeln. Es reicht, deine Körpersprache zu beobachten. Du würdest am liebsten irgendetwas in winzige Splitter zerhäckseln und auf die Überbleibsel eindreschen, bis nur noch Staub übrig ist.«

»Und kann man es mir verdenken?« Anklagend deutete sie auf das Holo. »Die Truvaud sind die Geißel dieses Raumsektors. Aggressive Expansoren. Gut organisierte Mörder. Man sollte meinen, sie wüssten mehr über Kampfstrategie!«

»Du willst sie also ohne Vorwarnung vernichten«, folgerte Udimor.

»Nein, ich will sie bekämpfen«, korrigierte A-Kuatond.

»Angesichts unserer Überlegenheit läuft das auf dasselbe hinaus.«

»Und genau das ist das Problem!« A-Kuatond gierte nach einer Schlacht, einer epischen Bataille mit Opfern auf beiden Seiten. Mit Verzweiflungstaten, wechselndem Kampfglück und dem befriedigenden Gefühl eines hart erkämpften Siegs. Das allerdings war nicht zu erwarten, sofern die Truvaud nicht noch etwas Erstaunliches taten.

Zunächst jedoch waren sie selbst die Überraschten. A-Kuatonds Schlachtspitze flog zwischen die Fronten und enttarnte sich. Statt den kleinen Einheiten der Skiw sahen sich die Truvaud plötzlich einem berggroßen, gleichseitigen Tetraeder gegenüber, umgeben von einer schillernden Energieschale. Unangreifbar. Auch wenn ihnen das noch nicht bewusst sein mochte.

»Du kannst zu ihnen sprechen«, sagte der Orbiter.

Gereizt aktivierte A-Kuatond die Übertragung, die in allen feindlichen Schiffen eingehen und überall auf dem Planeten Skiw bezeugt werden sollte. Sie musste nun ihr Ultimatum stellen. Die Stimme BARILS hatte ihr eindeutige Anweisungen gegeben.

Alles in ihr sträubte sich dagegen. Wenn die Truvaud kapitulierten, wäre A-Kuatond ganz um ihre Schlacht gebracht. Aber sie hatte keine Wahl. Sie präsentierte sich in der ganzen Macht und Kraft einer Kriegerin der Zentrifaal: die Krallen der rechten Hand offen sichtbar, der Muskellappen der linken zur Faust zusammengezogen, das Haupt mit dem schwarzen Augenband hoch erhoben.

»Truvaud.« Sie sprach sachlich, ohne jedes Pathos. »Ihr werdet geerntet. Fügt euch, dann wird das Ende leicht. Kämpft, und ihr werdet das gleiche Leid erfahren, das ihr über drei Völker Yahounas gebracht habt und heute über das vierte bringen wolltet. Egal wie ihr euch entscheidet, das Ergebnis wird dasselbe sein. BARIL wird eure Schreckensherrschaft beenden, hier und heute.«

Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten. Alle gut eintausend Kampfschiffe der Truvaud ignorierten die wehrlosen Skiw und warfen sich auf den einen, großen Gegner.

A-Kuatond stieß einen Triumphschrei aus. Die Schlacht mochte kurz werden, aber sie fand statt!

BARILS Ritterin gab den Befehl zum Split. Ihre Schlachtspitze teilte sich: Aus dem gleichseitigen Tetraeder wurden vier Vierflächner von halber Höhe und zwei Pyramiden mit quadratischer Basis, die Quapyrspitzen. Die vier neuen Tetraeder teilten sich auf dieselbe Weise, und so wurden aus sechs Einheiten schon 26.

Bei Split-3 waren es dann 106 Raumschiffe, danach 426. In der folgenden Stufe hatte A-Kuatond die zuvor eine große Schlachtspitze in 682 unterschiedlich große Quapyrs und 1024 kleine Tetraeder verwandelt, von denen es jeder einzelne dem Format nach mit den Einheiten der Truvaud aufnehmen konnte – bei erheblich besserer Offensiv- und Defensivbewaffnung.

Die Truvaud waren in kürzester Zeit von Angreifern zu Verteidigern geworden. Feuerlohen strahlten auf, wenn eins ihrer Schiffe explodierte; nur einen Augenblick lang, bis der Sauerstoff der detonierenden Einheit verbraucht war. Doch das Geschehen wiederholte sich so häufig, dass es in der heißen Zone taghell blieb.

»Sie kapitulieren«, berichtete Udimor. »Bedingungslos. Sie erwarten deine Befehle.«

»Was?«, brüllte A-Kuatond auf. »Schon? Diese Feiglinge! Diese ehr- und rückgratlosen Verbrecher!«

»Sie tun genau, was du von ihnen verlangt hast«, gab Udimor zu bedenken.

Erneut ballte A-Kuatond die Lappenhand zur Faust. Ihr Orbiter hatte recht.

Sie wollte weiterkämpfen, doch BARILS Stimme war deutlich gewesen. Sie sollte möglichst viele Truvaud ernten. Das war nicht möglich, wenn sie alle in der Raumschlacht starben.

»Weise ihnen eine Landezone auf dem vierten Planeten zu. Nahe der Kolonie der Skiw. Aber nicht so nah, dass sie mit einer dummen Heldentat Schaden anrichten können. Alle Truvaud haben ihre Schiffe zu verlassen und sammeln sich unter freiem Himmel.«

»Sie werden versuchen, uns zu betrügen«, warnte Udimor. »Einige werden an Bord ihrer Raumschiffe bleiben, sich verstecken und einen Gegenschlag vorbereiten.«

»Und wir werden sie ausfindig machen«, versetzte A-Kuatond. »Jeden Einzelnen von ihnen. Und dann ...«

Sie zeigte ihre glänzenden Krallen.

 

*

 

Wenn eintausend Raumfahrzeuge dicht an dicht landeten, benötigten sie nicht viel Fläche. Die Flotte der Truvaud, die eine ganze Zivilisation hatte ausrotten sollen, fand vollständig auf einer kleinen Ozeaninsel Platz, die Kalphatt Udimor ausgewählt hatte. A-Kuatond hatte die Schlachtspitze in den Zustand Split-1 zurückbefohlen: sechs Großschiffe. Das reichte, um Fluchtversuche zu unterbinden und die Ernte einzufahren.

A-Kuatond landete mit einem Tetraeder. Ein weiterer holte einige Hundertschaften Skiw aus dem nahe gelegenen Kuppelhabitat, die das überraschende Ende des Truvaudfeldzugs mitverfolgen und künftig BARIL lobpreisen sollten. Die anderen beiden Vierflächner sicherten den Luftraum.

Die zwei Quapyrs projizierten gemeinsam das Portal auf einen frei gebliebenen Platz im Zentrum des improvisierten Landefelds. Der gleißende Energiebogen reichte weit in den Himmel, hoch und breit genug, dass die Truvaud hätten hindurchfliegen können. Doch das war nicht vorgesehen. Sie würden das Portal zu Fuß durchschreiten, mit in Demut geneigten Häuptern.

A-Kuatond missfiel der Ernteplan. Ein geschlagener Gegner war gut. Der Sieger hatte Ruhm errungen, und der Unterlegene mochte aus der Niederlage lernen, gestärkt zurückkehren und einen noch würdigeren Kampf liefern.

Ein vernichteter Gegner tat nichts von alledem. Doch BARILS Stimme hatte diesen Einwand einfach weggewischt. Das Ende der Truvaud war beschlossen.

A-Kuatond selbst würde die wenigen Individuen ernten, die sich ins Skiwsystem gewagt hatten. Die Truvaud hegten wohl die irre Hoffnung, der Rest ihres Volkes könnte verschont bleiben. Im Moment der Landung hatten sie die Positroniken all ihrer Schiffe zerstört, um die Lage ihrer anderen Welten zu verbergen.

Doch die waren längst bekannt. A-Kuatonds Ordensbrüder und -schwestern widmeten sich bereits den ausgebluteten Welten der Marrab, Kefinga und Kussu. Die Stimme selbst kümmerte sich um Truv, die Heimatwelt dieser Geißel des Lebens.

Interessiert beäugte A-Kuatond den ersten Truvaud, den sie leibhaftig und nicht nur auf Hologrammen sah. Ihrem Orbiter war es in kürzester Zeit gelungen, Errirare ausfindig zu machen, den sogenannten Torrov, den Kommandanten der Eroberungsflotte.

Der Truvaud wirkte kaum wie ein intelligentes Wesen: ein gedrungener Vierbeiner mit borstigem, braunem Fell und Hauern, die aus dem Unterkiefer emporragten, vorspringender Schnauze und roten Augen mit winzigen Pupillen. Er sah aus wie ein wildes Tier.

Passend, befand A-Kuatond. So verhielten sich die Truvaud schließlich auch. Nur dass sie überlichtschnelle Raumschiffe und Energiewaffen nutzten, um ihre animalischen Triebe auszuleben.

Sie hatte es den Skiw überlassen, den Torrov zu verhaften. Die Geretteten sollten die Gnade, die BARIL ihnen erwies, in vollen Zügen genießen. Das schloss die Möglichkeit ein, den besiegten Feind zu demütigen.

Die Skiw kosteten die Gelegenheit aus: Vier große, violette Kopffüßler auf hohen, schlanken Extremitäten führten Errirare zu A-Kuatond. Einer riss an der Kette um dessen Hals, die anderen richteten einen Schockstrahler auf den Torrov.

»Sie warten nur darauf, dass er auszubrechen versucht«, informierte Udimor. »Sie brennen darauf, ihm Schmerzen zuzufügen.«

Diesen Gefallen tat Errirare ihnen jedoch nicht. Widerwillig, aber ohne aktives Aufbegehren ließ er sich der Siegerin vorführen.

»Das Universum strebt nach Gleichgewicht.« Fast beiläufig legte sie dem Verlierer diese allgültige Wahrheit dar. »Wer Leid verbreitet, wird Leid erfahren.«

»Warum tut ihr uns das an?«, klagte der Torrov.