Kathrin Steinberger

So leben wir mit

Endometriose

Der Alltag mit der chronischen Unterleibserkrankung:

Begleitbuch für betroffene Frauen, ihre Familien

und medizinische Ansprechpartner

Edition Riedenburg E.U.

Inhaltsverzeichnis

Vorspann

Gewittertage

Geleitwort

Kathrin, 30

Endometriose

Der Umgang mit medizinischen Daten

Was ist evidenzbasierte Medizin?

Ist evidenzbasierte Medizin zu 100 Prozent verlässlich?

Qualitätssicherung bei Endometriose

Der weibliche Körper

Die weiblichen Organe

Der weibliche Zyklus

Was ist Endometriose?

Definition

Geschichte der Endometriose

Mögliche Ursachen für Endometriose

Die Transplantationstheorie

Die Metaplasie-Theorie

Immunologische Theorien

Die Tissue-Injury-and-Repair-Theorie

„Narben-Endometriose“

Umwelt-Einflüsse

Familiäre Veranlagung

Mögliche weitere Risikofaktoren

Auftreten

Aussehen und Häufigkeit

Lokalisationen

Endometriose der Geschlechtsorgane (genitalis externa)

Endometriose im Uterus (genitalis interna)

Endometriose im kleinen Becken (extragenitalis)

Symptome

Schmerz

Sterilität

Weitere Symptome

Klassifikationen

Rezidiv-Rate

Zusammenhang mit anderen Krankheiten

Todesfälle und Endometriose

Endometriose bei Männern

Diagnostik

Anamnese

Klinische Untersuchung

Vaginaler Ultraschall

Bauchspiegelung

Weitere Diagnosemöglichkeiten

Magnetresonanztomografie (MRT)

Urologische Untersuchungen

Darmspiegelung (Koloskopie)

Tumormarker CA-125

Der (zu) lange Weg zur Diagnose

Therapiemöglichkeiten

Chirurgische Therapie

Vorgehensweise

Diagnostische OP vs. therapeutische OP

Second-Look-Operation

Bauchspiegelung und Bauchschnitt

Durchtrennung der Ligamenta sacrouterina (LUNA)

Chirurgische Komplexität und Spezialisierung

Endometriosezentren

Gefahren chirurgischer Eingriffe

Wundheilungsstörungen

Eingriffe am Darm

Eingriffe an der Harnblase

Beckennerven

Postoperative Verwachsungen

Histologie

Endometriose und Organentfernungen

Medikamentöse Therapie

Schmerztherapie

Hormontherapien

Gestagene

Kombinationspräparate

GnRH-Analoga

Add-Back

Danazol

Neue Ansätze

Chancen und Risiken der Hormontherapie

Thrombosen und Brustkrebs

Fehlende Nachhaltigkeit

Hormonelle Fremdbestimmung

Komplementärmedizinische Therapien

Anmerkungen zur Anwendungssicherheit

Finanzielle Aspekte

Ausgewählte Therapiemöglichkeiten

Kräuterheilkunde

Homöopathie

Traditionelle Chinesische Medizin

Mechanische Therapien

Klassische Massage

Shiatsu

Osteopathie

Krampflösende Bäder

Bewegungstherapien

Die psychosoziale Ebene

Endometriose in der Partnerschaft

Endometriose im Beruf

Therapiemöglichkeiten

Psychotherapie

Visualisierung nach der Methode Wildwuchs

Entspannungstherapien

Rehabilitation

Selbsthilfe-Organisationen

Sozioökonomische Dimensionen

Ein Wort zum Internet

Suche nach psychischen Ursachen

Ernährung und Endometriose

Unverträglichkeiten

Entzündungshemmende Ernährung

Hormonell ausgleichende Ernährung

Ernährung nach den Fünf Elementen

Endometriose und Kinderwunsch

Zum Kindermachen gehören zwei

Operationen am Eierstock

Maßnahmen der Reproduktionsmedizin

Hormonelle Stimulation

Insemination

IVF

ICSI

Erfolgsraten

Was es zu bedenken gibt…

Evidenz und Geschäft

Risiken für die Frau

Mögliche Auswirkungen auf Psyche und Partnerschaft

Mögliche Auswirkungen auf die Schwangerschaft

Risiken für das Kind

Kostenfrage

Anwendungserwägungen

Fördert Reproduktionsmedizin das Endometriose-Wachstum?

Therapie – Ja oder Nein?

Endometriose und Schwangerschaft

Fehlgeburten

Schwangerschaft und Geburt

Mythos: Eine Schwangerschaft heilt Endometriose

Adoption

Abschied vom Kinderwunsch

Endometriose in Kultur, Gesellschaft und Medizin

Der Frauenkörper – ein umkämpftes Gebiet

Prominente Betroffene

Endometriose in den Medien

Frauen„heil“kunde

Der pathologische Frauenkörper

Frauen, Technologisierung und die „Norm“

Endometriose – Die vergessene Pathologie

Patientin sein zwischen Fremd- und Selbstbestimmung

„Die guten Tage überwiegen!“

So leben Frauen mit Endometriose

Vorbemerkung

Der Fragebogen

Frauen mit einer Operation

Frauen mit zwei Operationen

Frauen mit drei Operationen

Frauen mit vier Operationen

Frauen mit fünf Operationen

Frauen mit sechs Operationen

Frauen mit sieben und mehr Operationen

Frauen mit ungesicherter Endometriose

Details zum Projekt

Statistik der Teilnehmerinnen

Die Teilnehmerinnen

Zu „Endometriose“ fällt mir ein…

Endometriosebefund

Diagnosephase

Längste beschwerdefreie Phase

Erkrankte Verwandte

Iatrogene Ursachen

Zusatzdiagnosen

Erfahrungen mit Therapien

Operationen

Hormontherapien

Komplementärmedizin

Zufriedenheit mit Ärztinnen/Ärzten oder Therapeutinnen/Therapeuten

Familienplanung

Anzahl der Kinder

Befruchtungen, Geburten und Fehlversuche

Schwangerschaft und Geburt

Beurteilung der Bedeutung von Endometriose

Endometriose in den Medien

Einflüsse äußerer Faktoren auf Endometriose

Finanzielle Belastung

Endometriose in der Partnerschaft

Endometriose und Beruf

Einschätzung der persönlichen Lebensqualität

Wünsche

Farbseiten

Das Leben geht weiter

Beiträge von GastautorInnen

Interdisziplinäre Endometriose-Leitlinie. Zusammenfassung der Informationen für Patientinnen

Operative Endometriose-Sanierung

Fortpflanzungsmedizinische Fragen zu Endometriose

Im Herzen gewachsen

Aktuelle Forschung zur Endometriose

Rehabilitation bei Endometriose

Psychosoziale Hilfe bei Endometriose

Endometriose und weibliche Kultur

Wie man auf dem Weg zur Diagnose „behandelt“ werden kann

Wie Mann mit Endometriose lebt

Anhang

Glossar medizinischer Fachbegriffe

Hilfreiche Adressen, Literatur- und Medientipps

Quellenverzeichnis

Bücher

Studien

Vorträge

Artikel in Zeitschriften

Internetadressen

→ Zum besseren Verständnis: sind ausgewählte Fachworte im Glossar ab Seite → erklärt.

Vorspann

Gewittertage

Ich hasse diesen Zustand; wieder ist es so weit.

Alles verkrampft sich und ich habe das Gefühl, mein ganzer Körper blutet,

alles tut weh;

ich spüre jeden Tropfen, der ihn verlässt.

Ich kann mich nicht riechen.

Mir ist heiß und kalt zugleich; Schweiß, Krämpfe –

nur noch 24 Stunden, dann kann ich wieder aufatmen.

Wie werde ich diesmal schlafen?

Habe ich schon wieder nicht aufgepasst, was ich gegessen habe?

Du kennst deinen Körper sehr gut,

aber gleichzeitig ist er dir fremd.

So muss es sich anfühlen, wenn man alt und schwach ist

alles tut weh…

Regen und Gewittertage an den „Tagen“

ganz selten Schönwettertage…

Ich fühl mich machtlos, reglos.

Bin ich eigentlich noch da?

Vor lauter Schmerzen spür ich mich nicht mehr.

Das Wasser steigt mir bis zum Hals,

der einzige Ort, wo ich wieder anfange zu leben.

Das heiße Wasser in meiner Badewanne ist die Rettung,

dort bin ich ganz leicht

und ich kann loslassen

wieder aufatmen.

Sandra

Geleitwort

Die Endometriose ist eine rätselhafte Erkrankung. Ihre Ursachen sind unbekannt und ihre Entwicklung und ihr Fortschreiten sind nur unvollständig geklärt. Da einerseits die Beschwerden vom Ort der Erkrankung abhängen und so ein weites Spektrum an Symptomen beklagt wird, und andererseits die Intensität der Beschwerden auch nicht mit dem Schweregrad der Endometriose korreliert, wird deutlich, dass das Erkennen einer Endometriose schwierig ist. Diese Tatsachen sind vielleicht von entscheidender Bedeutung für die geringe Beachtung, die diese Problemkrankheit in den vergangenen Jahrzehnten in der Medizin erfahren hat. Sie ist eine Erkrankung „ohne Lobby“: Keiner kümmert sich intensiv um sie.

Die Frauenärztinnen und -ärzte nicht, da die schwierige Differentialdiagnostik nicht in der Praxis zu leisten ist und einen invasiven Eingriff erfordert; die Hausärzte, die Urologen, Chirurgen und Gastroenterologen nicht, da sie differentialdiagnostisch gar nicht an Endometriose denken. Auch die endoskopischen Operateure nicht, da sie bei makroskopischem Verdacht die Pathologie einfach chirurgisch entfernen und damit das Problem als gelöst betrachten. Und die Endokrinologen nicht, da sie frustriert erkennen müssen, dass Östrogenentzug allein die Krankheit nicht dauerhaft beherrscht. Aber auch viele der leidenden Frauen bemühen sich nicht um die Diagnose, da ihre Mütter ihnen klargemacht haben, dass Menstruationsbeschwerden etwas Normales seien, dass die Dysmenorrhoe und die Unterbauchschmerzen nach der ersten Schwangerschaft verschwänden – was oft zusätzlich vom Hausarzt bestätigt wurde.

So wird verständlich, dass die meisten medizinischen Lehrbücher der Endometriose nur ein kurzes Kapitel oder gar nur einen Absatz widmen, obwohl man schätzt, dass etwa 7–15 Prozent der weiblichen Bevölkerung während der Phase der Geschlechtsreife eine Endometriose haben.

Hilfe zur Selbsthilfe ist das Prinzip, das bei chronischen Erkrankungen eine wichtige Rolle spielt. In bewundernswerter Weise haben Endometriose-Selbsthilfegruppen von den USA und Deutschland ausgehend weltweit ein Netzwerk gegründet, um aufgrund eigener positiver wie negativer Erfahrungen den Betroffenen zu helfen.

Diesen Gedanken verfolgt auch das vorliegende Buch, in dem die Autorin exemplarisch rund 100 betroffene Frauen von den komplexen Auswirkungen dieser Krankheit auf ihr Leben erzählen lässt: subjektiv, eindringlich, erschütternd und informativ. Gastbeiträge zur Sinnhaftigkeit der Spezialisierung in Endometriosezentren und zur Notwendigkeit, sein Leben mit einer chronischen Erkrankung dennoch aktiv zu gestalten, runden das Buch ab.

Nicht nur für Patientinnen ist dieses Buch eine aufklärende, beratende und helfende Lektüre, sondern es ist auch für ÄrztInnen und andere Berufsgruppen, die sich mit dieser schwierigen Krankheit beschäftigen, eine relevante Information, da uns diese Sichtweise oft verschlossen bleibt.


Prof. Dr. med. Dr. h.c. Karl-Werner Schweppe ist der Leiter des Endometriosezentrums Ammerland an der Frauenklinik der Ammerland Klinik GmbH, Lehrender an der Universität Göttingen und Mitbegründer und Vorstandsmitglied der Deutschen Stiftung Endometriose-Forschung, deren Vorsitzender er bis 2004 war. Er ist Mitglied einiger internationaler Institutionen, die sich mit Endometriose beschäftigen. Als einer von nur wenigen Gynäkologen schenkte er der Krankheit bereits in den 1980er Jahren wegweisende Aufmerksamkeit.


www.endometriose-sef.de


www.ammerland-klinik.de


„Ich schreibe dieses Buch, weil Betroffene viel zu sagen
haben, das nicht in OP-Befunden oder Lexika steht.“

Kathrin,     30

Wohnort:   Wien (A)

Beruf:        Autorin

Privat:       in fester Partnerschaft, zwei Kinder

Alter bei ersten Endometriose-Beschwerden: 12

Alter bei Diagnose: 24

Bis zur Diagnose aufgesuchte ÄrztInnen: 3

Diagnoseverzögerung: ca. 12 Jahre

Operationen: 2007 (März, Dezember)

Zu Endometriose fällt mir ein: Aufklärungsbedarf

In meiner Familie gibt es weitere (Verdachts-)Fälle: Mutter

So wurde mir die Diagnose vermittelt: Angemessen, ich war zufrieden.

So lebe ich mit Endometriose: Regelschmerzen von Anfang an. Ab dem 15. Lebensjahr nahm ich die „Pille“, bis ich 2005 genug davon hatte. Bei der Periode halfen nur Bettruhe und Überdosen Schmerzmittel. Gelegentlich fiel ich bewusstlos um. Mein Facharzt fand Zysten. Ein Gestagen wirkte nicht, also eine Bauchspiegelung, die komplizierter war als erwartet. Kurz danach musste wegen der Schmerzen der Notarzt kommen. Da begriff ich die Schwere der Krankheit.

Schmerzen machen mürbe, ich konnte phasenweise weder ordentlich essen noch schlafen. Der Studienabschluss verzögerte sich. Statt energiegeladen in die Selbstständigkeit zu starten, lag ich flach. Einige Monate wurde ich von meinem Partner finanziell unterstützt.

Mein Arzt vermutete einen Befall des Darms. Er hätte mich sofort zum Spezialisten geschickt, aber ich hatte Angst vor einer Darm-OP und wollte die Probleme alternativmedizinisch lösen. Als wieder Zysten wuchsen, bekam ich Angst und fuhr ins Endometriosezentrum. Ich war fix und fertig, aber die Betreuung war hervorragend. Die Psychologin begleitete mich zur OP: fast fünf Stunden Narkose, zweimal 15 Zentimeter Dickdarm entfernt, Herde am Blinddarm, Bauchfell, Blasendach und im Douglas-Raum. Zum Glück freie Eileiter. Seither bin ich – abgesehen von einem trägen Darm – beschwerdefrei.

Zwei Monate später, bei der Aufnahme zur Second-Look, schlug der Schwangerschaftstest an. Ich hatte schon mein Zimmer bezogen, als die Ärztin uns grinsend mitteilte, dass der Bluttest eine Schwangerschaft bestätigt habe. Also fuhren wir leicht perplex nach Hause. Ein symbolischer Abschied von der Endometriose.

Mein Umfeld reagierte anteilnehmend. Einige besuchten mich trotz der langen Anreise nach der zwei ten OP, das hat mir viel bedeutet. Es gab natürlich Unwissenheit, aber ich habe die Krankheit nie verschwiegen. Mein Mann stand hinter mir wie ein Fels. Ich bin ihm zutiefst dankbar.

Bin ich geheilt? Ich werde nicht so überheblich sein, zu behaupten, dass die Endometriose nie wieder kommen wird. Ich werde mir Gedanken darüber machen, wenn es passiert. In der Zwischenzeit begleitet mich die Krankheit in der Selbsthilfe. Ich habe selbst so davon profitiert, das möchte ich weitergeben.

Mir wurden Organe entfernt oder haben ihre Funktion verloren: zwei Teile des Dickdarms, Blinddarm

Meine Erfahrung mit hormonellen Therapien: Vom Gestagen bekam ich Schmierblutungen und stärkere Schmerzen. Ich würde erst bei Anzeichen für ein Rezidiv Medikamente erwägen.

Meine Erfahrung mit anderen Therapien: Akupunktur, chinesische Kräuter, Homöopathie, Umstellung der Ernährung, Massage, Kräuterheilkunde, Yoga, Wildwuchs – Nichts hat die Schmerzen verbessert, aber alles hat geholfen, mich damit auseinanderzusetzen.

Mein Kinderwunsch: Ich wurde zweimal spontan schwanger. Meine wundervollen Mädchen sind 2008 und 2011 geboren.

Gegen das Zwicken der Verwachsungen half Massage. Meine Töchter wurden zu Hause geboren. Ohne die Erfahrungen während meiner Krankheitsphase, dass man sich bei jeder gesundheitlichen Frage kritisch informieren muss, hätte ich diesen Weg wohl nicht gewählt. Ich bin sehr dankbar, diese ermächtigenden Geburten erlebt haben zu dürfen.

Ich habe Geld in die Behandlung meiner Krankheit investiert: 3.000 bis 4.000 Euro

Ich habe gute Erfahrungen mit ÄrztInnen und/oder TherapeutInnen gemacht: Mein Facharzt hat die Diagnose sofort gestellt und mich korrekt beraten. Die Spezialisten haben bewiesen, auf welchem (nicht nur technischen) Niveau die Krankheit behandelt werden kann.

Ich habe schlechte Erfahrungen mit ÄrztInnen und/ oder TherapeutInnen gemacht: 1997 hat mein erster Gynäkologe meine Beschwerden ignoriert. Andererseits – wäre ich damals unters Messer gekommen, wer weiß, wie es ausgegangen wäre.

Unterschätzen ÄrztInnen Endometriose? Ja. Ausbildung und Zusammenarbeit sind verbesserungswürdig. Außerdem glaube ich, dass ihre beruflichen Umstände die angemessene Behandlung erschweren.

Thematisieren die Medien Endometriose zu wenig? Ja. Allerdings: Man könnte ja nie jeder Krankheit genug Platz einräumen. Einfach zu beschreiben ist das Problem auch nicht.

Ich glaube an äußere Einflüsse auf die Entstehung von Endometriose: Psychosoziale Einflüsse können die Krankheit in meinen Augen beeinflussen, aber nicht verursachen.

Ich habe andere chronische Erkrankungen: Allergien

Ich wünsche mir: mehr Bewusstsein für das Ausmaß der Endometriose und mehr mediale Präsenz; ein Umdenken in Gesundheitssystem und „Frauenheilkunde“ im Hinblick auf eine stärkere Priorisierung von Prävention und psychosozialer Betreuung; mehr kritische Selbstbestimmung der Patientinnen.

Ich habe dieses Buch geschrieben: weil Betroffene viel zu sagen haben, das nicht in OP-Berichten oder Lexika steht.

Ich danke: jenen Frauen und Männern, die das Buch durch ihre wertvollen Beiträge ergänzt haben;

Mag. Nadja Fritzer, Prim. Prof. Dr. Jörg Keckstein, Prof. Dr. Dr. Karl-Werner Schweppe, Dr. Wolfgang Stummvoll und Prof. Dr. Uwe Ulrich, dass sie mir für Fragen zur Verfügung standen, und jenen anonym bleibenden Ärztinnen und Ärzten, die den Fragebogen ausgefüllt haben.

Mein besonderer Dank gilt OA Univ.-Doz. Dr. Gernot Hudelist für die Hilfe bei der Recherche und sowohl ihm als auch Anna Rockel-Loenhoff und Dr. Ute Taschner für das medizinische Lektorat. Danke auch an Dr. Heike Wolter und Johann Leitner für das Korrektorat.

Und vor allem danke ich „meinen“ Frauen, die geduldig den Entstehungsprozess mitgemacht haben und mit intimen Geschichten an die Öffentlichkeit gehen. Eigentlich haben sie dieses Buch geschrieben.

Endometriose

Der Umgang mit medizinischen Daten

Eine Endometriose-Patientin steht mit ihrer oft unterschätzten Krankheit häufig allein da. Da ist es hilfreich, eine seriöse Behandlung von einer unseriösen unterscheiden zu können. Das Tempo der Forschung kann selbst Medizinerinnen überfordern. Darum entwickelte sich ein System, um Behandlungen der klinischen Praxis wissenschaftlich zu überprüfen, nach dem man sich gut richten kann: die auf Evidenzen basierte Medizin.

Was ist evidenzbasierte Medizin?

Die Medizin früherer Zeiten nennt man heute „heroisch“. Gemeint ist damit der aggressive und kaum evaluierte Zugang der Methoden. Nicht wenige Patienten überlebten trotz und nicht wegen der Behandlung. Im 19. Jahrhundert begann man, den Nutzen angewandter Maßnahmen zu prüfen: Die evidence-based medicine (EBM) war geboren. Ihre Parameter sorgen nun dafür, dass Studien so aussagekräftig wie möglich sind. Ethik-Kommissionen müssen viele Studien bewilligen.

Relevant ist etwa der untersuchte Zeitraum. Eine Gruppe von Menschen (Kollektiv) bereits während der Behandlung (prospektiv) zu beobachten, ist aussagekräftiger, als sie erst danach zu befragen (retrospektiv). Außerdem sollte einer behandelten Gruppe eine nicht oder „falsch“ behandelte Kontrollgruppe gegenübergestellt werden, wobei alle Verglichenen einander ähneln und zufällig einer der beiden Gruppen zugeteilt werden sollten (Randomisierung).

Weder die untersuchten Menschen noch die Wissenschaftlerinnen sollten wissen, wer richtig behandelt wird und wer nicht/„falsch“, damit das ihre Analyse nicht beeinflusst (Doppelverblindung). Untersuchungen mit vielen Teilnehmerinnen (hoher Fallzahl) sind aussagekräftiger als solche mit wenigen.

Natürlich ist es nicht bei jeder Ausgangsfrage möglich, all diese Prinzipien anzuwenden. Ein Problem der Studienlage bei vielen Krankheiten, insbesondere auch bei Endometriose, sind die kleinen Fallzahlen. So kann es geschehen, dass in einer Studie 20 von 100 Frauen Endometriose am Eierstock haben, in einer andere Studie aber 50 von 100 Frauen, je nach untersuchtem Kollektiv. Diese Bandbreite macht deutlich, dass individuelle Voraussagen anhand dieser Zahlen nicht verlässlich sind, sondern eher nur Tendenzen festgestellt werden können.

Ist evidenzbasierte Medizin zu 100 Prozent verlässlich?

Trotz fortschreitender Weiterentwicklung hat die EBM bis heute nur limitierte Aussagekraft.

Oft diskutiert wird der Placebo-Effekt, durch den man während einer Behandlung schon eine Besserung verspürt, weil man auf eben diese hofft, selbst wenn die eingesetzte Maßnahme keine Wirkung besitzt. Seine Existenz ist anerkannt, aber wie er interpretiert und genutzt werden soll, ist umstritten. Da der Placebo-Effekt teilweise bis zu 30 Prozent der Gesamtwirkung ausmacht, darf er nicht unterschätzt werden.

Studien errechnen in der Regel statistische Wahrscheinlichkeiten mit einem durchschnittlichen Mittelwert, der keine individuelle Prognose darstellt. Objektiv nicht erfassbare Faktoren wie Emotionen lassen sich kaum abbilden.

Das fehlende Wissen von Ärztinnen über den Umgang mit Statistik kann Interpretationsfehler verursachen und zu falschen Behandlungsempfehlungen führen. Die Risiken der unbewussten und bewussten Verzerrung von Daten sind größer, als man vermuten würde. Manchmal gesundet eine Patientin etwa nicht wegen einer Behandlung, sondern weil sie ohnehin gesundet wäre. Die Diskrepanz zwischen Kausalität (Behandlung verantwortlich für Genesung) und Korrelation (Gesundung während Behandlung) muss berücksichtigt werden, um zufällige Ergebnisse nicht mit ursächlichen zu verwechseln. Im schlimmsten Fall führen falsche Schlussfolgerungen dazu, dass sich eine Maßnahme etabliert, obwohl sie nutzlos oder gar schädlich ist.

Ein praktisches Problem ist die häufige Bindung der Forschung an Pharmafirmen oder ähnliche Konzerne. Forschungseinrichtungen sind oft unterfinanziert und benötigen privatwirtschaftliche Unterstützung. Nicht jede von der Industrie bezahlte Studie ist automatisch parteiisch, aber die Gefahr, dass Ergebnisse zugunsten der zahlenden Anbieter beeinflusst werden, besteht. Andererseits können Forschungsprojekte, die keinen wirtschaftlichen Nutzen versprechen, deshalb seltener umgesetzt werden.

Manchmal wird die EBM sogar von Ärztinnen selbst boykottiert, wie bei Ignaz Semmelweis (1818-1865), der die Ursache des Kindbettfiebers entdeckte. Die bakterielle Wochenbett-Infektion verlief lange Zeit meist tödlich. Auf der ersten geburtshilflichen Station des Allgemeinen Krankenhauses in Wien, die Ärzte ausbildete, starben daran 1848 über 20 von 100 Frauen. Auf der zweiten Station, die Hebammen ausbildete, nur 2 von 100.

Semmelweis erkannte, dass die Ärzte infektiöse Keime von Leichen und Kranken auf die Frauen übertrugen, und ordnete Händereinigungen mit Chlorkalk an. Die Müttersterblichkeit auf Station I sank auf das Niveau der Hebammen. Da Semmelweis die Verantwortung für tausende Todesfälle ausgerechnet bei den Ärzten gefunden hatte, boykottierten viele Kollegen seine These, obwohl er sie praktisch beweisen konnte. Erst nach seinem Tod wurde er bestätigt. Wenn Medizinerinnen oder Fachzeitschriften kritische Forschungsergebnisse negieren, nennt man das Publication Bias.

Um Studien kritisch zu sichten, haben Wissenschaftlerinnen unabhängige Institutionen gegründet, etwa die Cochrane Collaboration oder das deutsche Institut für Qualität und Wissenschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWIG), die Forschungsergebnisse streng nach den Prinzipien der EBM bewerten. Allerdings zeigen Befragungen, dass viele Ärztinnen solche Analysen nie in Anspruch nehmen.

Qualitätssicherung bei Endometriose

In Deutschland, Österreich und der Schweiz fassen die Gesellschaften für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG, ÖGGG, CHGGG) aktuelle wissenschaftlich begründbare Empfehlungen in Leitlinien zusammen. Seit 2006 existiert eine Leitlinie zur Diagnostik und Therapie der Endometriose, die von der Stiftung Endometriose Forschung (SEF) initiiert wurde. Auch die deutschen und österreichischen Selbsthilfeorganisationen wurden in ihre Erstellung eingebunden.

Die SEF ist der wissenschaftliche Partner der Europäischen Endometriose Liga (EEL), einem europaweiten Informationsportal. Sie publizieren Fachinformationen und organisieren Schulungen oder Kongresse. In die Beiräte werden nur auf Endometriose spezialisierte Ärztinnen aufgenommen. Finanzielle Förderer haben keinen inhaltlichen Einfluss.

Die Leitlinie ist eine S1-Leitlinie, das ist die niedrigste Stufe der Klassifizierung. Sie wurde informell von einer Expertenrunde erarbeitet. Mehr als zwei Drittel aller Leitlinien im deutschen Sprachraum entsprechen S1, da die Erstellung von höherwertigen Leitlinien (S2 oder S3) aufwändiger und speziell als S3 nur bei sehr häufigen Krankheiten möglich ist.

Der weibliche Körper

Die weiblichen Organe

Zentral im kleinen Becken liegt die Gebärmutter, davor die Harnblase. Links und rechts hat die Frau je einen Eierstock, von dem aus jeweils ein Eileiter zur Gebärmutter führt. Dahinter kommt von oben der Dickdarm, der über dem linken Eierstock nach unten abbiegt. Dieser Bereich wird Sigma genannt. Über dem rechten Eierstock liegt der Blinddarm. Der senkrecht an der Gebärmutter entlang nach unten wachsende Bereich des Dickdarms ist der Enddarm, das sogenannte Rektum. Unter der Gebärmutter, wo das Rektum in den Anus mündet, liegt die tiefste Stelle im Bauch, der Douglas-Raum. Die Scheide und die Vorderseite des Rektums sind durch eine feine Bindegewebsbrücke namens Septum rectovaginale geteilt. Auf beiden Seiten der Gebärmutter befinden sich die Harnleiter, die den Harn von den Nieren in die Blase leiten.

Die Gebärmutter wird lateinisch als Uterus bezeichnet. Ihre Blutversorgung wird über die Eierstockarterie und die Gebärmutterarterie sichergestellt. Sie besteht aus ständig aktiver, glatter Muskulatur, die nicht bewusst gesteuert werden kann, und ist birnenförmig, mit einem breiteren Körper oben und einem schlanken Hals (Cervix) unten. Der Gebärmutterhals mündet in die Scheide, die zu den äußeren Geschlechtsorganen führt. Davor verläuft die Harnröhre. Der Uterus ist mit Haltebändern im Becken befestigt. Zum Kreuzbein führende Bänder werden als Ligamenta sacrouterina bezeichnet, die vorne zu den Leisten verlaufenden als Ligamenta rotunda.

Die Schleimhaut in der Gebärmutterhöhle, das Endometrium (griech. „Inneres“ und „Gebärmutter“), besteht aus zwei Schichten: Die tiefe Basalis bildet die Basis und entwickelt zyklisch die Funktionalis, die bei der Periode abblutet. Im Bauchraum ist die Gebärmutter mit Bauchfell bekleidet, einer dünnen Gewebeschicht, die auch die Beckenwände und den Darm überzieht.

Meist ist die Gebärmutter gegenüber der Scheide nach vorn geneigt (anteflektiert). Ein nach hinten geneigter Uterus wird als retroflektiert bezeichnet und kann ein Hinweis auf ein Problem sein.

Die Eierstöcke (lat. Ovarien) sind etwa vier Zentimeter große, pflaumenförmige Organe. In ihnen lagern die Eizellen. Außerdem sind sie als Gegenstück der männlichen Hoden die weiblichen Keimdrüsen, in denen wichtige Sexualhormone wie das Östrogen oder das Progesteron gebildet werden. Auch die Hypophyse im Gehirn, die Schilddrüse oder die Nebennieren produzieren Hormone.

Die Eierstöcke bestehen, vereinfacht gesagt, aus zwei Ebenen: In ihrem Mark liegen die Blut- und Lymphgefäße und Nerven. In der Rinde sitzen die Eizellen. Bei der Geburt eines Mädchens sind Tausende von Eizellen vorhanden. In jedem Menstruationszyklus reifen einige davon für den Eisprung heran.

Ein großer Teil der Eizellen geht ungenutzt zugrunde. Kürzlich haben Forscher festgestellt, dass in den Eierstöcken auch Stammzellen sitzen, aus denen sich neue Eizellen bilden können.

Die Eileiter (lat. Tuba, griech. Salpinx) sind zwei etwa zehn Zentimeter lange Röhren, die aus der Gebärmutter entspringen und sich zum Eierstock hin trichterförmig öffnen. Sie fangen beim Eisprung das Ei auf und transportieren es zur Gebärmutter. In ihnen findet in der Regel auch die Befruchtung statt. Eierstöcke und Eileiter zusammen werden Adnexe genannt.

Außerdem verlaufen im kleinen Becken viele Blutgefäße, Nerven und Lymphgefäße.

Der weibliche Zyklus

Der weibliche Hormonhaushalt ist ein diffiziles Zusammenspiel aller hormonproduzierenden Organe. Im Lauf des Lebens ist er natürlichen Schwankungen ausgesetzt.

In Europa momentan meist im Alter von zehn bis 13 Jahren aktiviert sich langsam der Zyklus. Die erste Periode wird als Menarche bezeichnet. In den ersten Jahren treten noch nicht regelmäßig Eisprünge auf.

Im Eierstock reift in der ersten Zyklushälfte ein Eibläschen (Follikel) heran, darin ist die Eizelle enthalten. Gleichzeitig steigt der Spiegel des Hormons Östrogen, die Schleimhaut der Gebärmutter baut sich auf, denn im Fall einer erfolgreichen Befruchtung würde sie die Basis für die Versorgung des Embryos bilden. Bei diesen Vorgängen spielen weibliche Hormone, deren Aktivität nicht nur im Eierstock, sondern auch in Hypophyse oder Nebennierenrinde gesteuert wird, eine entscheidende Rolle.

Das follikelstimulierende Hormon (FSH) lässt den Follikel reifen, das luteinisierende Hormon (LH) löst etwa in der Zyklusmitte den Eisprung aus. Ab diesem Zeitpunkt sinkt der Östrogenspiegel.

Kommt es zur Befruchtung, sendet die Eizelle Signale an den Organismus, um ausreichend Gelbkörperhormone zu produzieren, der Embryo nistet sich in der Gebärmutter ein. Ohne Befruchtung entsteht der Gelbkörper nur für die zweite Zyklushälfte, die Schleimhaut wird umgebildet und mit der Periodenblutung ausgestoßen.

Irgendwann zwischen dem 40. und dem 65. Lebensjahr liegen die Wechseljahre (Klimakterium). Sie entstehen durch den ständigen Rückgang an Östrogen, ausgelöst von der nachlassenden Aktivität der Eierstöcke.

Die letzte Menstruation wird als Menopause bezeichnet. Damit endet die Fruchtbarkeit, aber anders als oft angenommen nicht die hormonelle Aktivität. Sie geht nur zurück bzw. verändert sich.

Bei Endometriose bedeutet das Klimakterium meist das Ende der Beschwerden.

Was ist Endometriose?

Definition

Im Wort „Endometriose“ wird der Begriff „Endometrium“ mit der Endung -ose kombiniert, was einen normabweichenden Zustand beschreibt, während -itis eine Entzündung bezeichnet. Auch die Gebärmutterschleimhaut kann, etwa durch Bakterien, entzündet sein (Endometritis), was bei adäquater Behandlung meist komplett ausheilt.

Bei Endometriose findet man gebärmutterschleimhautähnliche Drüsenstrukturen samt dem sie umgebenden Stützgewebe (Stroma) nicht nur in der Gebärmutterhöhle, sondern auch außerhalb, vor allem im kleinen Becken. Nachgewiesen werden sie durch eine mikroskopische Untersuchung. Die Pathologin legt eine Gewebeprobe in eine chemische Lösung, präpariert sie mit medizinischem Wachs (Paraffin) und schneidet sie in mikrometerdünne Scheiben. Unter dem Mikroskop kann sie die Scheiben beurteilen.

Geschichte der Endometriose

Schon aus dem antiken Ägypten liegen Berichte über der Endometriose entsprechende Funde in weiblichen Leichen vor. Der deutsche Arzt Daniel Shroen erwähnte die Geschwüre in seiner Doktorarbeit von 1690. Die moderne Pathologie entwickelte sich im 19. Jahrhundert. Die Forschung zur Endometriose wurde vor allem in Österreich und Deutschland betrieben.

1860 beschrieb der Wiener Pathologe Carl von Rokitansky die Endometriose am Eierstock und in der Gebärmuttermuskulatur. 1893 präsentierte der Berliner Friedrich von Recklinghausen eine erste Entstehungstheorie zur Endometriose, ausgehend vom damaligen Wissen über die Bildung der Geschlechtsorgane während der Embryonalphase. 1896 veröffentlichte der US-Amerikaner Thomas Cullen seine Theorie. Man weiß, dass drei seiner Patientinnen mit typischen Symptomen die Entfernung der Gebärmutter überlebten, was damals nicht selbstverständlich war.

Einige Fallberichte zeigen die Aufbruchsstimmung der jungen Wissenschaft: So reiste ein Leipziger Gynäkologe 1903 bis auf die norwegischen Lofoten, weil ein dortiger Kollege ihm von einer Bauerntochter mit einem Knoten hinter dem Uterus geschrieben hatte, und entfernte ihr das Organ samt einem Geschwür. Berichtet wird, dass die Frau sechs Monate später beschwerdefrei war. Im selben Jahr wagte Robert Meyer in Berlin als Erster, einen Darmknoten durch die Eröffnung und anschließende Neuvernähung des Organs zu entfernen. Der Brite Cuthbart Lockyer, der den Forschungsstand 1918 unter „Fibroids and Allied Tumors“ zusammenfasste, resezierte als Erster ein Stück Dickdarm im Ganzen.

Der mit dem Ersten Weltkrieg eintretende Zusammenbruch der Wissenschaft in Österreich und Deutschland beendete ihre Vorherrschaft. 1920 präsentierte der US-Gynäkologe John A. Sampson seine Theorie, die sich trotz fehlender pathologischer Beweise schnell und nachhaltig durchsetzte.

Natürlich hat sich seither in der Pharmakologie oder der chirurgischen Technik viel Neues ergeben, dennoch ist das Grundlagenwissen weitgehend auf dem Stand von vor etwa 100 Jahren.

Anfangs wurde die Krankheit Adenomyomata (Adeno = Drüse; Myomata = gutartige Muskel-Geschwüre) genannt. Ab 1925 verbreitete sich die von Sampson verwendete Bezeichnung Endometriose. Der Österreicher Oskar Frankl führte zeitgleich den Begriff Adenomyose ein, der heute für Endometriose in der Gebärmuttermuskulatur verwendet wird.

Mögliche Ursachen für Endometriose
Die Transplantationstheorie

Ab 1920 etablierte sich trotz Kritik John A. Sampsons Ansatz, dass Gebärmutterschleimhaut während der Periode durch die Eileiter rückwärts ins Becken gelangt und dort aktiv bleibt, wenn sie auf günstige Bedingungen trifft.

Dieser Rückwärtsfluss, die retrograde Menstruation, dürfte aber ein natürliches Phänomen sein, das man auch bei vielen gesunden Frauen findet. Sampsons Modell kann nicht erklären, wieso daraus eine Krankheit wird oder wie Herde außerhalb des Bauchraums entstehen. Auch Berichte von Frauen, die noch nicht menstruierten oder ohne Uterus geboren wurden, aber im Bauch Endometriose entwickeln, passen nicht zur Transplantation.

Die Metaplasie-Theorie

Robert Meyer vermutete bereits früher, dass Endometriose durch die Umwandlung gewebstypischer Zellen entsteht. Meyer vermutete als Ursachen Infektionen und hormonelle oder immunologische Störungen. Heutige Forscher fanden im Gewebe von weiblichen Embryonen, die in den ersten Schwangerschaftswochen verstorben waren, auch Endometriosezellen. Das ist ein weiterer Hinweis darauf, dass solche Zellveränderungen bereits in diesem frühen Entwicklungsstadium möglich sind.

Metaplasie als meist von äußeren Reizen ausgelöste Umwandlung von Zellen ist grundsätzlich bekannt, der Chromosomensatz jeder Zelle kann so reagieren. Was dieses Geschehen bei Endometriose auslösen könnte, bleibt noch unerklärbar.

Immunologische Theorien

Zusätzlich gibt es Hinweise, dass Fehlregulationen im Immunsystem die Aktivität der Krankheit beeinflussen. Unterschiedlichste Faktoren (Gene, Medikamente, Stoffwechselstörungen, Verletzungen etc.) können körperlichen Stress erzeugen, der Entzündungen verursacht. Studien an Rhesusaffen zeigten, dass Tiere mit Endometriose eine veränderte Immunabwehr aufweisen.

Außerdem reagieren einige Antikörper, die zur Bekämpfung von Krankheiten dienen, bei Endometriose anders. Eigentlich müsste das Immunsystem die Zellen zerstören, aber Endometriose-Betroffene haben vermutlich einen Defekt in der Immunabwehr, der das verhindert.

Die Tissue-Injury-and-Repair-Theorie

Die bei der Menstruation abgestoßene Schicht der Schleimhaut, die Funktionalis, könnte keine Endometriose bilden. Solche Zellen findet man nur in der tiefer liegenden Basalis, die an der Periode normalerweise nicht beteiligt ist. Da man bei Endometriose-Patientinnen aber auch Basalis-Zellen im Menstruationsblut finden kann, ist bei ihnen wohl der Uterus sozusagen überaktiv. Für Adenomyose, bei der Basalis durch die fehlregulierte Bewegung der Gebärmutter in deren Muskelgewebe eindringt, ist die Theorie anerkannt.

Der Mechanismus der Hyperaktivität wird als „Tissue Injury and Repair“ (TIAR) [„Gewebe-Verletzung und -Reparatur“] bezeichnet. So können etwa verlängerte Eizellreifungsphasen oder Zyklen, bei denen trotz Östrogenanstieg der Eisprung ausbleibt, einen zu hohen Druck in der Gebärmutter und winzige Verletzungen ihrer Muskulatur verursachen. Während der Heilung werden im Wundbereich Östrogene gebildet. Einzelereignisse heilen aus, aber wenn das System sich verselbstständigt, verursacht das einen Teufelskreis: die Gebärmutter wird verletzt, die Heilung setzt ein, die produzierten Östrogene erhalten die übertriebene Aktivität der Muskulatur, die Gebärmutter wird verletzt…

Auch dieses Modell kann das isolierte Auftreten von Endometriose an weit vom Uterus entfernten Stellen nicht erklären. Es passt aber zu einem Phänomen, das eine seltene kausale Ursache für Endometriose darstellt:

„Narben-Endometriose“

Selten (ca. 2 Prozent aller Fälle) kann Endometriose iatrogen (ärztlich verursacht) auftreten, vorrangig in OP-Wunden, etwa wenn bei einer Ausschabung (Curettage) Zellen in die Tiefe des Uterus verschleppt werden, oder bei einem Kaiserschnitt (Sectio) Gebärmutterschleimhaut in den Bauch gelangt. Auch weiß man, dass Frauen nach einer Sectio einen erhöhten Druck im Uterus aufweisen. Es gibt auch Fälle nach Gebärmutterentfernungen, Dammschnitten oder Schnitten in den Gebärmutterhals wegen Krebsbefunden (Konisation).

Ältere Forschung hat Hinweise erbracht, dass Operationen, bei denen direkt an der Schleimhaut manipuliert wird (etwa Curettagen), eher Endometriose begünstigen. Meist bleibt Narben-Endometriose lokal begrenzt, schwer verlaufende Fälle sind aber bekannt. Leider ist die Datenlage schlecht, umfassende Untersuchungen liegen nicht vor. Angesichts der steigenden Sectio-Raten wäre es etwa wichtig, zu erforschen, ob auch mehr Frauen, die vor einem solchen Eingriff keine Beschwerden hatten, danach darunter leiden.

Für die Gesamtheit sind diese Fälle nicht sehr relevant. Dennoch bleibt die Frage, ob wenigstens ein paar vermieden werden könnten, da sich Interventionsraten von Land zu Land, sogar von Krankenhaus zu Krankenhaus massiv unterscheiden.

In Süditalien oder Brasilien betrifft die Sectio über 60 Prozent aller Geburten, in den skandinavischen Ländern nur rund 20 Prozent. Auch in Deutschland, Österreich oder der Schweiz gibt es vergleichbare Krankenhäuser mit Sectio-Raten von rund 50 Prozent neben solchen mit unter 20 Prozent. Einige Expertinnen raten dazu, bei Frauen mit Endometriose etwa von sogenannten Wunsch-Kaiserschnitten abzusehen.

In den Niederlanden oder England werden nach Fehlgeburten meist nur bei Symptomen, die auf Probleme hindeuten, Curettagen vorgenommen, denn grundsätzlich kann man warten, dass der tote Embryo von allein abgeht. In den deutschsprachigen Ländern wird der Eingriff oft ohne Auffälligkeit routinemäßig durchgeführt.

In Finnland gehen Frauen erst ab 30 alle fünf Jahre zum Krebsabstrich, denn viele auffällige PAP-Befunde bilden sich von selbst zurück. Trotz deutlich weniger Konisationen gibt es dort sehr wenige Todesfälle wegen Gebärmutterhalskrebs, etwa weniger als in Österreich, wo der jährliche Abstrich ab jungem Alter üblich ist.

Ein anderer Faktor ist die Art der Behandlung. Bei Konisationen galt früher der Schnitt mit dem Skalpell (Messerkonisation) als Mittel der Wahl, mittlerweile gibt es schonendere Verfahren mit Schlingen oder Lasern. Bei einer Sectio an einer Endometriose-Patientin wiederum sollte laut einigen Fachleuten die Uteruswunde mit einer zweischichtigen Naht verschlossen werden, und nicht, wie heute immer häufiger, einschichtig.

Gerade in der Frauenheilkunde beklagen kritische Stimmen die vielen invasiven Eingriffe, da Evidenzen häufig belegen, dass niedrigere Interventionsraten keine vermehrten Risiken mit sich bringen. Die Gynäkologie gehört zu den operativen Fächern und chirurgische Schwerpunkte sind historisch gewachsen, selbst wenn mittlerweile häufig Alternativen existieren.

Für dieses Buch haben 33 deutschsprachige Endometriose-Fachleute einen Fragebogen erhalten, um ihre Sicht einbringen zu können. Elf von ihnen, zwei Frauen und neun Männer, haben ihn ausgefüllt, ihre Antworten werden laufend zitiert. Bei neun Antworten auf die Frage nach dem Grund für die Wahl ihres Faches haben sechs (ausschließlich Männer) unter anderem explizit ihr Interesse an Chirurgie genannt.

Umwelt-Einflüsse

Da es Endometriose bereits lange gibt, sind moderne Schadstoffe sicher nicht ihre alleinige Ursache. Dass die Krankheit heute häufiger diagnostiziert wird, liegt vor allem daran, dass sich die Diagnosemethoden erst in den letzten 30 Jahren so weit entwickelt haben. Allerdings sind gesundheitsschädliche Folgen des umweltzerstörenden Verhaltens des Menschen vielfach nachgewiesen.

Recht bekannt ist Bisphenol A (BPA), ein synthetisches Östrogen, das etwa in Plastikprodukten aus Polykarbonaten, Epoxidharz (Lacke, Klebstoffe), Rückständen aus der Papierproduktion oder Zahnfüllungen aus Kunststoff steckt. Der Mensch nimmt es durch die Nahrung oder die Haut auf. Es verstärkt die weiblichen und hemmt die männlichen Hormone und die Aktivität der Schilddrüse. Studien belegen einen Zusammenhang mit männlicher Unfruchtbarkeit. Bei Tieren verursacht BPA Fehlbildungen an den Fortpflanzungsorganen. Momentan sieht die Europäische Lebensmittelbehörde EFSA bei sachgerechter Anwendung keinen negativen Effekt. Die US-amerikanische Food and Drug Administration verneinte Risiken lange Zeit, revidierte das aber 2010.

Bei Frauen mit Endometriose wird oft ein höherer BPA-Anteil im Blut gefunden, unklar ist aber, ob die höheren Werte ein Mit-Auslöser der Krankheit sind, oder ob diese höhere Werte erzeugt, weil Betroffene BPA schlechter abbauen können.

Auch Phthalate, synthetische Weichmacher, stecken in vielen Produkten des täglichen Bedarfs. Große Studien haben nachgewiesen, wie sehr solche Stoffe ins Ab- und Trinkwasser übergehen. Hormone der „Pille“ etwa gelangen durch den Urin in die Kanalisation. Untersuchungen zeigen, dass Fische in der Nähe von pharmazeutischen Fabriken eher an Fehlbildungen der Geschlechtsorgane leiden.

Durch Umweltverschmutzung entstehen aggressive Sauerstoffverbindungen, die man „freie Radikale“ nennt. Im Zusammenhang mit Endometriose kommt die Sprache häufig auf Dioxine, organische Verbindungen, die sich bei der Verwertung chlor-organischer Chemikalien in der Industrie, bei Pestiziden der industriellen Landwirtschaft oder bei der Müllverbrennung bilden. Rückstände finden sich besonders in chlorgebleichten Produkten wie WC-Papier, Tampons oder Kaffeefiltern. Über Luft und Abwasser gelangen sie in den Boden. Hochdosiert sind sie gefährliche Gifte. Filteranlagen können ihre Verbreitung eindämmen, werden aber nur in wenigen Ländern effizient kontrolliert. In minderwertigen Futtermitteln für Nutztiere ist die Dioxin-Konzentration teilweise sehr hoch.

Je höher die in einem Versuch Affen-Weibchen verabreichte Dioxin-Dosis war, desto mehr stieg ihr Risiko für Endometriose. 1976 traten nach einem Fabrikunfall im italienischen Seveso hohe Dosen an Dioxinen aus. Auffällig viele Bewohner der Gegend erkrankten daraufhin an Krebs. Unter den Frauen entwickelten jene mit den höheren Dioxinwerten eher Endometriose. Aber auch hier ist nicht klar, welcher Zusammenhang besteht. Möglicherweise haben Frauen, die zu Endometriose neigen, auch eine schlechtere Fähigkeit, Gifte abzubauen.

Dioxine und freie Radikale werden auch beim Rauchen gebildet.

Familiäre Veranlagung

Wie sehr sich Genetik auf Endometriose auswirkt, ist aktuell ein Schwerpunkt der Forschung. Man konnte auffällige Gene isolieren, aber noch ist unklar, welche von ihnen ursächlich für Endometriose sind und welche erst durch die Krankheit verändert werden.

Untersuchungen im Umfeld von Betroffenen haben eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für das Auftreten der Krankheit ergeben. Ihr Vorhandensein bei der Mutter verachtfacht das Risiko, an Endometriose zu erkranken, bei einer betroffenen Schwester versiebenfacht es sich. Zusätzlich hat man herausgefunden, dass bei familiärer Häufung eher starke Symptome auftreten. (Moen 1993) Außerdem tritt die Krankheit bei eineiigen Zwillingen mit höherer Wahrscheinlichkeit bei beiden Frauen auf. Auch bei von Endometriose ausgelöster Unfruchtbarkeit gibt es Zusammenhänge. (Nouri 2010) Zu entfernteren Verwandtschaftsverhältnissen gibt es keine gesicherten Daten.

Um Ängste zu zerstreuen, muss man die Zahlen genau betrachten. Ein achtfach erhöhtes Risiko gibt eine relative Wahrscheinlichkeit wieder. In absoluten Zahlen ist die Wahrscheinlichkeit einer Vererbung nicht sehr hoch. In einer Studie etwa hatten bei 0,7 Prozent der Frauen ohne Endometriose die Mütter Endometriose. Bei den Frauen mit Endometriose waren es 3,9 Prozent der Mütter. Das achtfache Risiko bezieht sich also auf nur ca. vier Frauen aus 100. (Moen 1993)

Mögliche weitere Risikofaktoren

Auch wenn über die Ursachen der Krankheit wenig bekannt ist, konnte die Forschung Faktoren isolieren, die das Risiko vermutlich erhöhen: So hat man festgestellt, dass Endometriose eher bei Frauen mit früher Menarche auftritt. Wenn bei der Blutung von Anfang an Schmerzen vorhanden sind, kann das ebenfalls eine Neigung zu Endometriose andeuten, das gilt auch für dauerhaft kurze Zyklen (weniger als 27 Tage) mit einer kurzen Gelbkörperphase. Da die Leber das Östrogen abbaut, können Krankheiten oder Vergiftungen (wie Dioxine), die die Leber schwächen, das Risiko steigern. Generell begünstigt alles, was das Östrogen erhöht – Übergewicht, der häufige Genuss von Kaffee oder Alkohol, bestimmte Ernährungsweisen –, Endometriose. Früh das erste Kind zu bekommen, lange zu stillen oder mehrere Schwangerschaften zu erleben, kann sich positiv auswirken, da dadurch weniger Menstruationszyklen stattfinden, durch die die Krankheit sich ausbreiten kann.

Ob hormonelle Verhütungsmittel ein Auslöser sein können, ist unklar. Einerseits haben sie meist einen unterdrückenden Effekt auf die Symptome. Andererseits tritt Endometriose oft nach der langen Einnahme einer „Pille“ besonders stark auf. Wie diese Medikamente besonders bei jungen Mädchen die hormonelle Entwicklung beeinflussen, ist noch nicht endgültig geklärt. Da sie oft wegen Periodenschmerzen verschrieben werden und später Endometriose diagnostiziert wird, kann bislang nicht klar festgestellt werden, wie sich beide gegenseitig bedingen.

Die befragten Fachleute sind sich nur einig, dass der Krankheit ein multifaktorielles Geschehen zugrundeliegen dürfte. Am besten bringt die aktuelle Situation einer der befragten Ärzte auf den Punkt: „Das ist ein weites Feld…“

Auftreten
Aussehen und Häufigkeit

Endometriose kann sehr unterschiedlich aussehen: dunkelrot bis blau, schwarz, braun, aber auch gelb und weißlich. Wenig erfahrene Ärztinnen können unauffällige Herde eher übersehen. In der Nähe der Herde liegen oft entzündlich veränderte oder narbige Strukturen. Helle bis rote Herde sind jünger und aktiver als dunkle, müssen aber nicht stärkere Symptome verursachen. Eierstockzysten heißen „Schokoladezysten“, weil sie schokobraune Flüssigkeit enthalten: altes Blut.

Endometriose ist häufig. Meist wird die Verbreitung mit 10–15 Prozent aller Frauen im fruchtbaren Alter angegeben. Das wären in Deutschland über 1,2 Millionen Betroffene. Weltweit spricht man von über 100 Millionen Erkrankten.

Allerdings bereiten nicht alle sichtbaren Herde Beschwerden. Eine britische Untersuchung, die versuchte, das miteinzubeziehen, ergab deutlich niedrigere Zahlen für chronisch-symptomatische Endometriose, die nur ca. 2 Prozent der weiblichen Bevölkerung entsprechen. (Ballard 2008)

Die Erstdiagnose wird meist zwischen dem 25. und dem 35. Lebensjahr gestellt. Bis zu 10 Prozent der Betroffenen haben bereits als Jugendliche Endometriose, ca. 2 Prozent leiden auch nach den Wechseljahren an den Folgen. Bei Teenagern muss die Behandlung gut abgewogen werden, bestimmte Hormontherapien sind für sie noch nicht geeignet.

Ein allgemeiner Krankheitsverlauf existiert nicht. Es gibt auch kaum Untersuchungen, die Patientinnen lang begleiten. Dass Endometriose bei jeder Patientin eine fortschreitende (progressive) Krankheit ist, kann nicht verallgemeinert werden.

Die Unklarheiten können Betroffene sehr belasten, ohne konkrete Prognose bleibt viel Raum für Ängste. Man kann dies aber auch positiv formulieren: Da nicht vorhersagbar ist, dass die Krankheit über Jahre beschwerdereich und schwer verlaufen muss, ist es genauso möglich, dass man weniger Probleme haben wird, als man befürchtet.

Lokalisationen

Endometriose wird nach dem Ort ihres Auftretens eingeteilt, wobei sie meist nicht auf einen Bereich begrenzt erscheint.

Endometriose der Geschlechtsorgane (genitalis externa)

In 20–50 Prozent aller Fälle befällt Endometriose die Eierstöcke. Schokoladezysten (Endometriome) können mehr als 10 Zentimeter groß werden. Eine Stieldrehung, bei der eine umknickende Zyste die Blutversorgung des Eierstocks abschneidet, ist bei Endometriose sehr selten, da die Zysten meist zu sehr mit dem umliegenden Gewebe verklebt sind.

Herde auf der im Bauchraum liegenden Außenseite der Gebärmutter, an den Eileitern und am Übergang von der Gebärmutter in die Scheide gehören ebenfalls zu diesen Ausprägungen der Krankheit.

Endometriose im Uterus (genitalis interna)