George du Maurier: Trilby

 

 

George du Maurier

Trilby

Roman

 

 

 

George du Maurier: Trilby. Roman

 

Übersetzt von Margarete Jacobi

 

Neuausgabe.

Herausgegeben von Karl-Maria Guth, Berlin 2017.

 

Umschlaggestaltung unter Verwendung des Bildes:

P. Regnard, Fotografie einer hypnotisierten Patientin, um 1900

 

ISBN 978-3-7437-1916-3

 

Dieses Buch ist auch in gedruckter Form erhältlich:

ISBN 978-3-7437-1809-8 (Broschiert)

ISBN 978-3-7437-1810-4 (Gebunden)

 

Die Sammlung Hofenberg erscheint im Verlag der Contumax GmbH & Co. KG, Berlin.

 

Erstdruck: 1894. Hier in der deutschen Übersetzung von Margarete Jacobi, Stuttgart, Lutz, 1897.

 

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind über http://www.dnb.de abrufbar.

 

Erster Teil

»Mimi Pinson est une blonde

Une blonde que l'on connaît;

Elle n'a qu'une robe an monde,

Landérinette! et q'un bonnet!«

 

Ein Apriltag mit hellem Sonnenschein und Regenschauern. Durch das große Atelierfenster, das oben offen steht, strömt eine angenehme Kühle herein. Endlich läßt sich doch einigermaßen Ordnung herstellen! Der Stutzflügel von Broadwood ist eingetroffen, als Frachtstück mit dem langsamen Güterzug – in Frankreich nennt man's la petite vitesse. Er nimmt jetzt, neu gestimmt, die rechte Wand ein, während eine ganze Rüstkammer von Rappieren, Fechtmasken und Boxerhandschuhen drüben auf der andern Seite hängt.

Ein Kletterstrick mit Knoten, ein Luftseil und zwei nebeneinander herabhängende Taue mit Ringen am Ende, sind an einem der starken Deckbalken befestigt. Die mattroten Wände schmücken Gipsabgüsse von Armen, Beinen, Händen und Füßen; ferner ein Dantekopf, Michelangelos Hautrelief von Leda mit dem Schwan, auch ein Kentaur und ein Lapithe aus Elgins Antikensammlung; es liegt nirgends Staub darauf, er hat noch nicht Zeit gehabt, sich zu sammeln. Außer einigen Aktstudien in Öl, sieht man auch Kopien nach Tizian, Rembrandt, Velasquez, Rubens, Tintoretto, Leonardo da Vinci – dagegen sind Botticelli, Mantegna und Genossen nicht vertreten; ihre Verdienste hatten sich damals dem großen Haufen noch nicht geoffenbart.

Auf einem breiten Sims, das sich in beträchtlicher Höhe rings an den Wänden entlang zieht, stehen noch viele Gipsabgüsse, Terrakotten und Bronzefiguren: ein kleiner Theseus, eine kleine Venus von Milo, ein kleiner Diskuswerfer, ein kleiner geschundener Mann, der drohend die Faust gegen den Himmel erhebt, (wer wollte ihm das auch in seinem Zustand verargen?). Daneben prangen ein Löwe und ein Eber von Barye, ein künstliches Pferdegerippe, dem die Ohren und drei Beine fehlen, ein Pferdekopf vom Parthenongiebel, gleichfalls ohne Ohren, eine Clytia mit der schönen niedern Stirn, dem süßen schmachtenden Blick und der wunderbaren Schulterbewegung nach vorn, durch die ihr Busen zu einem so weichen Nest und Ruhekissen wird, daß er den Erdensöhnen immerdar lieblich und lockend erscheinen muß, von Geschlecht zu Geschlecht.

Beim Ofen hängt der Bratspieß, eine Pfanne, die Toastgabel und ein Blasebalg. Daneben, im Eckschrank mit der Glastür, sieht man Teller, Gläser, stählerne Messer, Gabeln mit schwarzen Holzgriffen und Löffel von englischem Zinn; auch eine Salatschüssel nebst Öl- und Essigflaschen, zwei Senftöpfe, (für englischen und französischen Senf) und mehr dergleichen, alles blitzblank und rein. Auf dem Fußboden, der für schweres Geld angestrichen und gewichst worden ist, liegen zwei Leopardenfelle und ein großer persischer Gebetsteppich. Nur unter dem Luftseil und weit ab von dem großen Fenster, hinter dem, für das Modell bestimmten, erhöhten Tritt, sind grobe Matten ausgebreitet, damit man fechten und boxen kann, ohne auszugleiten, und selbst wenn man fällt, mit heilen Knochen davonkommt und den Hals nicht bricht.

Die beiden Fenster, die nach Osten und Westen gehen, sind mit Läden und schweren Wollgardinen versehen, durch die man den Sonnenaufgang und Untergang, je nach Bedarf, hereinlassen oder ausschließen kann. Ringsum sieht man allerlei Nischen, Vorsprünge und Winkelchen, die sich im Lauf der Zeit mit zahllosem Tand, mit Nippessachen, persönlichem Eigentum und neuen Anschaffungen füllen werden. Durch solchen Krimskrams erhält ein Raum erst sein behagliches, heimatliches Aussehen; der Mensch vergißt ihn nie im Leben wieder und verweilt dort oft und gern mit seinen Gedanken in wehmütiger Erinnerung.

Vor dem nach Norden gelegenen Atelierfenster aber, das zum Handwerk gehört, steht ein Riesensofa, das so breit und groß und wundervoll weich ist, daß drei wohlgenährte, seelenfrohe Engländer, ohne einander im Wege zu sein, bequem ausgestreckt zusammen darauf liegen und ihr Pfeifchen rauchen können. Und das taten sie oft.

Einer dieser Engländer – er kam aus Yorkshire und wurde Taffy genannt, (oder auch Vollblut, weil er weitläufig mit einem Baron verwandt sein sollte), war jedoch zur Zeit auf andere Art beschäftigt. Nur mit Hose und Hemd bekleidet, die Ärmel weit zurückgestreift, ließ er ein paar Indianerkeulen im Kreise um seinen Kopf herumwirbeln. Große Schweißtropfen standen ihm auf der Stirn, sein Gesicht war starkgerötet und er schaute wild darein. Der junge Mann war sehr groß und blond, hatte gute, aber etwas jähzornige, blaue Augen, und die Muskeln seiner nervigen Arme schienen so fest wie Eisenbande.

Drei Jahre lang war er wohlbestallter Offizier im englischen Heer gewesen und hatte den Krimkrieg mitgemacht, ohne eine Schramme davonzutragen. Fast wäre er bei dem unsterblichen Reiterangriff von Balaklawa einer der berühmten Sechshundert gewesen, hätte er nicht gerade an jenem wichtigen Tage im Hospital gelegen, mit einem verstauchten Fuß, den er sich beim Bockspringen geholt, das man zur Kurzweil in den Laufgräben betrieb. Statt Ruhm und Ehre zu erwerben, oder ein frühes Grab, mußte er so schmählich sein Glück verscherzen! Dies Mißgeschick konnte er nicht verwinden; es verleidete ihm das Soldatenleben gründlich. Bald darauf ergriff ihn eine unwiderstehliche Sehnsucht nach der Kunst; er hing die Uniform an den Nagel und arbeitete jetzt in Paris, im Schweiße seines Angesichts, wie wir gesehen haben.

Taffy hatte hübsche, regelmäßige Züge, doch trug er leider, außer seinem gewaltigen Schnurrbart, noch einen riesigen Backenbart, wie er damals Mode war bei der Jugend, wofern diese Zeit (und Haar) genug hatte, um sich den Luxus zu gestatten. Je größer und blonder der Backenbart, desto schöner der Jüngling. Heutzutage, mit unsern glatten Wangen, scheint uns das schier unglaublich.

Ein anderer Insasse des Ateliers – dieser Stätte der Glückseligkeit – Sandy, der Laird (oder Gutsherr) von Cockpen benamst, saß, ebenso leicht gekleidet, an seiner Staffelei und malte das naturgetreue Ebenbild eines spanischen Toreadors, der einer hochedlen Dame bei hellem Tage ein Ständchen bringt. Sandy war nie in Spanien gewesen, aber er hatte auf dem Boulevard du Temple den ganzen Aufzug des Toreadors um einen Spottpreis erstanden; nur die Gitarre brauchte er noch zu mieten. Seine Pfeife war ihm eben ausgegangen, und er hielt sie verkehrt im Munde, das heißt, die Öffnung nach unten, so daß sich die Asche über seine Beinkleider ergoß, in die er auf solche Art häufig Löcher brannte.

Halb unbewußt begann er jetzt in angenehmem schottischem Dialekt die folgende Strophe laut zu deklamieren:

 

Hier in Paris ist die famose

Ru Nov dee Petty Chong, du weißt,

So nennt sie nämlich der Franzose,

Was ›Neue kleine Feldstraß‹ heißt ...«

 

Der schöne Vers mußte ihm wohl gefallen, denn er lachte über das ganze Gesicht und sah so stillvergnügt, so glücklich und wohlgemut aus, daß einem das Herz aufging, wenn man ihn nur ansah.

Auch er hatte umgesattelt und den für ihn bestimmten Beruf verschmäht. Nach dem Willen seiner guten frommen Eltern, die in Dundee wohnten, sollte er Beamter der Staatskanzlei werden, wie sein Vater und Großvater vor ihm. Statt dessen saß er jetzt im lustigen Paris, malte Toreadore und deklamierte in der Freude seines Herzens die Ballade von der berühmten Fischsuppe Bouillabaisse, die er weit öfter im Munde führte, als sein Morgen- und Abendgebet.

Die Ellenbogen auf das Fenstergesims gestützt, kniete der dritte und jüngste der Kunstgenossen, den man den kleinen Billy nannte, auf dem Sofa. Er hatte den grünwollenen Vorhang fortgeschoben und ließ nun seine Blicke über alle Dächer und Schornsteine von Paris, und weit in die Runde, schweifen; dazu kaute er eine Semmel, nebst einem schmackhaften Knackwürstchen, das stark nach Knoblauch roch. Er aß mit großem Behagen, denn er hatte den ganzen Morgen in Carrels Atelier nach dem lebenden Modell gezeichnet und war sehr hungrig.

Der kleine Billy, ein zierlicher, schlanker Junge, stand im einundzwanzigsten Lebensjahr; er hatte große, dunkelblaue Augen, regelmäßige Züge, kohlschwarzes Haar, und eine weiße, von bläulichen Adern durchzogene Stirn. Durch sein feines, anmutiges Figürchen, die kleinen Hände und Füße, und einen wohlgepflegten Anzug, stach er vorteilhaft von seinen Freunden ab, die sich alle Mühe gaben, es den Eingeborenen des Quartier latin an sorgloser Unmanier noch zuvorzutun, was ihnen auch trefflich gelang. Sein hübsches, freundliches Gesicht verriet durch eine kaum merkliche Färbung die entfernte Möglichkeit eines israelitischen Vorfahren. Es war nur ein leiser Anflug jenes kraftvollen, trotzigen, unbezwinglichen und unverlöschbaren Blutes, welches in starkverdünnter, homöopathischer Dosis von unbezahlbarem Werte ist. Es gleicht dem Montijo, jenem trockenen spanischen Wein, der nicht unvermischt getrunken werden darf, der aber, dem Xeres beigegeben, diesem erst die Blume verleiht, welche ihm bei seiner Wanderung durch die Welt nie wieder abhanden kommt. Behauptet man doch auch vom Windhund, daß er nur, wenn er von einer Bulldogge stammt – was zwar an sich nicht schön ist – je hoffen darf, ein rechter Kampfhund zu werden. Wenigstens haben mir das die Weinhändler und Hundezüchter gesagt, an deren Wahrheitsliebe ich nicht zweifeln möchte. Ein Glück für die Welt, und besonders für uns selber, daß den meisten von uns wenigstens ein Tröpfchen dieses kostbaren Blutes in den Adern fließt, ob wir's nun wissen und man's uns ansieht oder nicht. Tant pis pour les autres!

Während der kleine Billy seine Semmel kaute, betrachtete er auch das Menschengewühl unten auf dem Platz St. Anatole des Arts, und die alten Häuser gegenüber, von denen mehrere gerade abgetragen wurden, sie wären sonst wohl aus eigenem Antrieb zusammengestürzt. Durch die so entstandenen Lücken sah er alte, zerbröckelnde, mißfarbige Mauern, mit geheimnisvollen Fenstern und altertümlichen, eisernen Altanen, an denen der Rost nagte. Bei ihrem Anblick fühlte er sich ins Mittelalter versetzt; er träumte von den alten Pariser Mysterien, von Liebe, Haß und Bluttaten in längst vergangenen Zeiten.

Eine Mauer war ganz durchgebrochen, so daß der Fluß zum Vorschein kam, die Cité und die unheimliche, alte Morgue; ein wenig nach rechts ragten die grauen Türme von Notre Dame de Paris in den blaugefleckten Aprilhimmel empor; ja man brauchte seine Einbildungskraut nur wenig anzustrengen, um ganz Paris zu seinen Füßen zu sehen. Das war dem kleinen Billy etwas so neues, und er fühlte sich so freudig erregt, daß die Sprache keine Worte hatte für sein Entzücken.

Paris! Paris!! Paris!!!

Der bloße Name hatte stets einen Zauberklang für ihn besessen, mochte er ihn nun hören, sehen oder aussprechen. Und nun schaute er das Wunder endlich mit eigenen Augen, und er, er selbst – ipsissimus – durfte mitten darin leben und lernen so lange er wollte und ein großer Künstler werden, wie er es so heiß ersehnte.

Nach beendetem Imbiß zündete er sein Pfeifchen an und warf sich mit einem tiefen Seufzer aus übervollem Herzen der Länge nach auf das Sofa.

Ein solches Glück hatte der kleine Billy noch nie gekannt, es nicht einmal im Traum für möglich gehalten. Und doch war er sein Leben lang glücklich gewesen. Bei seiner zarten Jugend wußte er noch nichts von der Welt und ihrem sündhaften Treiben, er verstand wenig Französisch, und noch weniger von den Pariser Sitten, wie sie im Quartier latin gäng und gäbe sind. Sein verstorbener Vater hatte eine Stelle im Schatzamt bekleidet; der Sohn war nie zur Schule gegangen, sondern zu Hause unterrichtet worden. Seine Knabenzeit hatte er in London verlebt mit Mutter und Schwester; da aber ihre Verhältnisse ziemlich beschränkt waren, wohnten sie jetzt in Devonshire. Das Atelier in Paris hatte er zusammen mit seinen beiden Freunden, Taffy und dem Laird, gemietet. Letzterer schlief auch dort, in einem kleinen Nebenzimmer, während Taffy sein Nachtquartier im Hotel de Seine aufschlug, das in der gleichnamigen Straße lag. Der kleine Billy selbst wohnte im Hotel Corneille auf dem Platz de l'Odéon.

Hat wohl schon je ein Mensch in alter oder neuer Zeit ein paar so prächtige Kameraden besessen? Das ist doch rein unmöglich. Alles was sie taten und sagten erschien ihm geradezu vollkommen; sie waren nicht nur seine Studiengenossen, auch seine Führer und Vorbilder. Taffy und der Laird ihrerseits, liebten den Kleinen nicht minder. Das unbedingte Vertrauen, das er ihnen entgegenbrachte, rührte sie tief, denn sie mochten sich wohl sagen, es sei vielleicht nicht ganz nach Verdienst und Würdigkeit. Sie lachten und freuten sich zwar über seine fast mädchenhafte Unschuld, taten aber alles, um sie ihm zu bewahren, trotz dem Quartier latin, wo zu lange bewahrte Seelenreinheit leicht verdirbt.

Doch er eroberte nicht nur ihre Herzen durch sein zärtliches Gemüt, sein lebhaftes und liebevolles Wesen, sie zollten ihm auch weit größere Bewunderung, als er sich je träumen ließ. Sein feines Gefühl für Form und Farbe, seine scharfe, kühne und sichere Auffassung, die wunderbare Leichtigkeit, mit der ihm die Ausführung gelang, sein offener Sinn für alles was schön und lieblich war in der Natur, und eine Fähigkeit es treu wiederzugeben, die, wie sie neidlos einräumten, ihnen selbst bei weitem nicht in so hohem Maße verliehen war – das alles zeugte von einer Begabung, die nur das echte Genie besitzt.

Wenn jemand aus unserm nächsten Kreise solche außergewöhnlichen Gaben hat, so pflegen wir ihn, je nach unserer Gemütsart, überschwenglich zu lieben, oder zu hassen. Taffy und der Laird liebten daher den kleinen Billy von ganzem Herzen. Freilich hatte er auch seine Fehler. Er interessierte sich zum Beispiel nur mäßig für die Bilder anderer Leute. Der Gitarre spielende Toreador des Laird ließ ihn gleichgültig, zusamt der Schönen, der jener sein Ständchen brachte – wenigstens äußerte er sich weder lobend noch tadelnd über sie. Auch Taffys realistische Leistungen – denn Taffy war Realist – betrachtete er stillschweigend. Eine härtere Prüfung für treue Freundschaft gibt es aber nicht, als dies beredte Schweigen.

Was sie einigermaßen tröstete, war, daß er auch, wenn sie alle drei zusammen in den Louvre gingen, sich weder viel um Tizian zu kümmern schien, noch um Rembrandt, Velasquez, Rubens, Veronese oder Leonardo. Er sah sich die Leute an, welche vor den Bildern standen, statt diese selbst zu betrachten; vor allem die Maler, welche sie kopierten, und die bisweilen reizenden jungen Malerinnen, die ihm noch weit schöner erschienen als sie in Wirklichkeit waren. Sehr oft schaute er auch im Louvre zu den Fenstern hinaus, und da gab es viel zu sehen – nämlich immer noch mehr von Paris – und von Paris konnte er nie genug bekommen.

Wenn sie aber hernach, übersättigt von klassischer Schönheit, zusammen ins Speisehaus gingen, und Taffy sowohl als der Laird entzückt die alten Meister priesen, oder über sie in Streit gerieten, dann lauschte er ihren Worten mit ehrfürchtiger Aufmerksamkeit, und war ganz ihrer Meinung. Die reizenden, kleinen drolligen Federzeichnungen, die er später entwarf, um sie im heiligen Eifer darzustellen, schickte er an seine Mutter und Schwester nach Hause. Die Skizzen waren so lebendig und naturgetreu, daß man meinte die beiden Freunde sprechen zu hören, und so schön gezeichnet – die alten Meister selbst hätten es nicht besser machen können; ja sie hätten es vielleicht gar nicht machen können, so urkomisch wenigstens gewiß nicht, denn das verstand niemand als eben nur der kleine Billy.

Während jetzt der kleine Billy die Ballade von Bouillabaisse da wieder aufnahm, wo der Laird stehen geblieben war, und dabei an seine und seiner Genossen Zukunft dachte – eine ganz unmenschlich ferne Zukunft: er selbst zum Beispiel stand darin schon im vierzigsten Jahr – da ward er plötzlich durch ein Klopfen an der Tür aus seinen Gedanken aufgeschreckt.

Zwei Männer traten herein; voran ein großer, starkknochiger Mensch zwischen dreißig und fünfundvierzig Jahren, sein Alter war schwer zu bestimmen. Er trug ein rotes Barett und einen Sammetmantel, der am Halse durch eine große Metallspange zusammengehalten wurde, hatte wohlgebildete, aber finstere Gesichtszüge, und sah sehr schäbig und schmutzig aus. Sein dichtes, glanzloses, schwarzes Haar fiel ihm in schweren Strähnen hinter dem Ohr bis auf die Schultern herab, nach der bei Musikern beliebten Manier, die einem echten Engländer höchst anstößig ist. Svengali, so hieß der Mann, schien von jüdischer Herkunft, hatte kecke, glänzend schwarze Augen, ein gelbliches hageres Gesicht, einen kohlschwarzen Bart, der die halbe Backe bedeckte und über den ein langer, gedrehter Schnurrbart von etwas hellerer Farbe mit spitzen Enden herabhing. Er sprach fließend französisch, aber mit starkem Accent und deutscher Wortstellung; seine dünne Stimme klang rauh und gewöhnlich, auch schlug sie oft in einen unangenehmen Fistelton über.

Sein Gefährte war ein kleines, schwärzliches Männchen – vielleicht ein junger Zigeuner – gleichfalls sehr schäbig und mit Pockennarben im Gesicht. Er hatte große, sanfte, zärtliche braune Augen wie ein Seidenhund, und kleine, unruhige Hände mit hervortretenden Adern und abgebissenen Nägeln. Unter dem Arm trug er eine Fiedel samt Fiedelbogen ohne Kasten, als hätte er auf der Straße gegeigt.

»Ponchur mes enfants,« sagte Svengali. »Che vous amène mon ami Checko, qui choue du fiolon gomme un anche!«

Der kleine Billy, der allen Meistern süßer Töne die höchste Verehrung zollte, sprang auf und bewillkommnete Gecko so herzlich, wie es ihm mit seinen paar französischen Brocken möglich war.

»Ha! lebiano!« rief Svengali, warf sein rotes Barett auf das Instrument und den Mantel auf den Boden. »Ch' espère qu'il est pon, et pien t'accord!«

Er nahm auf dem Klavierstuhl Platz und ließ seine Finger mit einer Leichtigkeit, einer Kraft, einer Weichheit über die Tasten gleiten, welche sofort den Künstler verrieten. Nach einigen Tonleitern spielte er Chopins Impromptu in Cis moll so wunderschön, daß der kleine Billy meinte, das Herz im Leibe müßte ihm zerspringen vor Entzücken und unterdrückter Gemütsbewegung. Er hatte noch nie etwas von Chopin gehört, denn er kannte nur die englische Familienmusik – einfache Melodien mit Variationen, wie ›Annie Laurie‹. ›des Sommers letzte Rose‹, ›die blauen Glocken von Schottland‹ und ähnliche kleine unschuldige Klimperstücke von Mutter und Schwester. Mit diesen kann man an Gesellschaftsabenden die erste Steifigkeit verscheuchen und eine allgemeine Unterhaltung in Gang bringen, an der selbst schüchterne Leute teilnehmen, die den Laut ihrer eigenen Stimme nicht ohne Begleitung hören mögen, und deren fröhliches Geplapper sofort verstummt, wenn die Musik aufhört.

Chopins Impromptu blieb ihm unvergeßlich, und er sollte es später unter seltsamen Umständen wieder hören.

Nun spielten Svengali und Gecko zusammen, – es war ein himmlischer Ohrenschmaus – kleine Bruchstücke, manchmal nur ein paar Takte, aber voll unaussprechlicher Schönheit und Tiefe; kurze Melodien, musikalische Brocken und Schnitzel, die den Hörer im Nu berücken, fortreißen, in Wehmut zerschmelzen oder begeistern konnten und stets an der richtigen Stelle abbrachen. Sie spielten Czardas, Zigeunertänze, ungarische Liebesklagen, lauter Sachen, die man in den fünfziger Jahren unseres Jahrhunderts fast nur im östlichen Europa kannte. Der Laird und Taffy wußten sich kaum mehr zu fassen in ihrer Begeisterung, während der kleine Billy vor Wonne völlig verstummte. Als das Konzert zu Ende war, begannen die beiden großen Künstler zu rauchen, die drei Briten aber vermochten selbst das nicht vor übergroßer Aufregung. Einen Augenblick herrschte tiefes Schweigen.

Da ward plötzlich laut angeklopft und eine volle, dröhnende Stimme von großem Umfang ließ den Jodelruf des britischen Milchmanns erschallen: »Die Milch ist da!« Ob es eine Männer- oder Frauenstimme war, konnte man nicht unterscheiden; sie hätte jedem Geschlecht, (selbst dem eines Engels) angehören können. Bevor noch jemand ›Entrez‹ gesagt hatte, zeigte sich eine seltsame Gestalt in dem Türrahmen des kleinen düstern Vorsaals.

Es war ein hochgewachsenes, voll erblühtes junges Frauenzimmer, in dem grauen Waffenrock eines französischen Infanteristen, dessen Verlängerung ein kurzer, gestreifter Unterrock bildete. Unter diesem sah man ihre nackten weißen Fußgelenke, nebst den schlanken rosigen Fersen, die glatt und gerade waren wie ein Messerrücken; die Zehen steckten in ungeheuren Männerpantoffeln, so daß sie bei jedem Schritt die Füße am Boden schleifen mußte.

Sie trat mit der größten Unbefangenheit auf, wie jemand, der gute Nerven und gesunde Muskeln besitzt und sich nicht leicht die Laune verderben läßt. Auch mochte sie wohl schon lange in französischen Ateliers verkehren und sich in dieser Luft vollkommen heimisch fühlen. Zu ihrem seltsamen Aufputz gehörte keine Kopfbedeckung; ihr dichtes, welliges braunes Haar war kurz geschnitten, ihr Gesicht blühend und jugendlich. Man würde es auf den ersten Blick kaum sehr schön gefunden haben: die Augen standen zu weit auseinander, der Mund war zu groß, das Kinn zu derb, und die Haut voller Sommersprossen. Auch weiß man ja überhaupt nie genau, wie schön (oder häßlich) ein Gesicht ist, bevor man nicht versucht hat, es zu zeichnen.

Ihr Hals, der bis zum Schlüsselbein unter dem aufgeknöpften Militärkragen hervorsah, war von so schneeiger Weiße, wie man sie nie bei Französinnen und äußerst selten bei Engländerinnen findet. Sehr schön war auch ihre kurze, breite Stirn, mit den dichten, geradlinigen Augenbrauen, der hohe, breite Rücken der kurzen Nase, und die vollen, wohlgebildeten Wangen. Sie hätte einen wunderhübschen Knaben abgegeben.

Während sie sich in der Gesellschaft umsah, verzog sie den Mund zu einem Lächeln von ganz ungewöhnlicher Breite, so daß ihre, großen weißen Zähne zum Vorschein kamen. Dies Lächeln war so herzlich, so liebenswürdig und zutraulich, daß man ihr kluges, gutes, lustiges, ehrliches und unerschrockenes Wesen sofort daraus erkannte. Sie mochte wohl gewohnt sein, überall, wohin sie kam, mit Freuden empfangen zu werden.

Rasch schloß sie jetzt die Tür hinter sich, machte ein ernstes Gesicht, neigte nachdenklich den Kopf, stemmte die Arme in die Seite und sagte mit freundlicher Miene: »Ihr seid lauter Engländer, nicht wahr? – Wie ich die Musik hörte, dachte ich, da könnt' ich ja mal ein bißchen 'reingehen, zum Zeitvertreib. Ihr habt doch nichts dagegen? Trilby ist mein Name – Trilby O'Ferrall.«

Sie sagte das auf Englisch, mit schottischem Accent und französischer Betonung, in einer so tiefen, kräftigen und volltönenden Stimme, daß man fast einen angehenden Tenor zu hören meinte und unwillkürlich bedauerte, daß sie kein Knabe war: sie hätte ein so lustiger Bub sein können.

»Durchaus nicht, wir freuen uns sehr«, sagte der kleine Billy und holte ihr einen Stuhl.

»O spielt nur weiter und macht keine Umstände mit mir«, versetzte sie, nahm auf dem Tritt neben dem Klavier Platz und schlug die Beine übereinander. Während die jungen Leute noch halb neugierig, halb verlegen nach ihr hinblickten, zog sie ein in Papier gewickeltes Päckchen mit Eßwaren aus der Rocktasche und rief:

»Wenn's euch recht ist, eß' ich nun ein paar Bissen. Ich bin nämlich ein Modell, und es hat gerade zwölf geschlagen; jetzt ist Ruhepause. Ich war bei Durien, dem Bildhauer, eine Treppe tiefer. Dem stehe ich Modell für – für – alles mit einander.«

»Alles miteinander?« fragte der kleine Billy.

»Jawohl – l'ensemble meine ich – Kopf, Hände und Füße, kurz für alles; besonders die Füße. Hier ist mein Fuß«, sagte sie, den großen Pantoffel fortschleudernd und das Bein hebend. »Es ist der schönste Fuß in ganz Paris. Nur noch einen gibt es, der ihm gleich kommt, und das ist der da.« Sie lachte herzlich, (es klang wie fröhliches Glockengeläute) und streckte ihren andern Fuß vor.

Und wirklich, es waren selten schöne Füße, wie sie sonst nur Statuen und Bilder aufzuweisen haben; ein wahres Meisterwerk an Form und Farbe. Sanfte Biegungen, edle Umrisse, feine Linien und hier und da ein Grübchen, vom unschuldigsten Rosa und Weiß angehaucht.

Der kleine Billy, der den richtigen Künstlerblick von Gottes Gnaden besaß und ein unmittelbares Gefühl dafür, wie jedes Glied von Mann, Weib oder Kind eigentlich beschaffen sein sollte, (aber so selten ist) war förmlich verblüfft darüber, daß ein wirklicher, menschlicher, nackter Fuß dem Auge einen so entzückenden Anblick bieten könne. Die Gestalt des Mädchens erhielt für ihn, durch den Sockel, auf dem sie stand, eine antike, wahrhaft olympische Hoheit und Würde, trotzdem ihr Aufputz seltsam genug zusammengewürfelt war, aus dem Soldatenrock, dem Weiberrock, und weiter nichts.

Die arme Trilby!

Das Abbild ihrer reizenden schmalen Füße, die gerade die richtige Größe hatten, ziert noch jetzt in mattweißem Gips manches Wandbrett in den Künstlerateliers der ganzen Welt, und mehr als ein Bildhauer der Zukunft wird sich noch damit abmartern müssen, es solcher Vollkommenheit gleich zu tun. Denn, wenn die Natur sich einmal in den Kopf setzt, irgend einer kleinen Einzelheit ihre ganze Aufmerksamkeit zu widmen, was vielleicht alle Jubeljahre einmal geschieht, dann mag die arme menschliche Kunst nur zusehen wie sie es anstellt, mit ihr Schritt zu halten.

Ein wunderbares Ding, so ein menschlicher Fuß – fast noch wunderbarer als die Hand; aber uns weniger bekannt als diese, und selten ein Gegenstand der Bewunderung in civilisierten Ländern, wo Jung und Alt in ledernen Stiefeln oder Schuhen einherwandelt. Man schämt sich seiner und verbirgt ihn. Er kann sehr häßlich sein, abschreckend häßlich, selbst bei der schönsten, der vornehmsten und begabtesten Schönen; so häßlich, daß er alle Romantik tötet, die junge Liebe im Keime erstickt und Herzen zu brechen vermag. Und das alles nur wegen einer übertrieben spitzen Zehe oder hohen Ferse, Mängel, die eigentlich kaum der Rede wert sind.

Hat dagegen die Natur sich besondere Mühe mit der Form gegeben, und bleibt der Fuß durch sorgfältige Behandlung, oder einen glücklichen Zufall, verschont von den Flecken, Härten und sonstigen kläglichen, vom Stiefel erzeugten Verunstaltungen, die ihm alles Ansehen rauben – dann gewährt sein plötzlicher, unverhüllter Anblick dem Auge, das zu sehen gelernt hat, die köstlichste, freudigste Überraschung.

Kein anderes Gebilde, selbst nicht das göttliche Menschenantlitz, zeigt so hohe körperliche Vorzüge, eine so edle Abstammung, eine so herrliche Entwicklung: Hier erweist sich die Herrschaft des Menschen über das Tier; die Herrschaft eines Mannes über den andern und des Weibes über alle!!

En voilà de l'éloquence – à propos de bottes!

Trilby hatte die besondere Gabe, die ihr die Natur verliehen, zu schätzen gewußt; hatte sich nie in einen Lederstiefel oder Schuh gezwängt und ihre Füße stets mit der Sorgfalt behandelt, welche manche schöne Dame ihren Händen angedeihen läßt. Sie waren ihr Stolz, die einzige Eitelkeit die sie besaß.

Mit offenem Munde, seine Geige in der einen, den Fiedelbogen in der andern Hand, starrte Gecko sie voll Entzücken an, während sie ganz unbefangen ihr Stück Kommisbrot und Rahmkäse verzehrte. Als sie fertig war, leckte sie noch die letzten Käsekrümel von den Fingerspitzen, holte einen kleinen Tabaksbeutel aus einer Seitentasche, drehte sich eine Zigarette, zündete sie an, sog den Rauch in vollen Zügen ein und blies ihn dann mit Wohlbehagen wieder zur Nase hinaus.

Svengali spielte Schuberts ›Rosamunde‹ und sandte ihr dabei aus seinen schwarzen Augen schmachtende Blicke zu, welche zünden sollten. Sie sah aber gar nicht nach der Richtung, in der er saß. Sie schaute den kleinen Billy an, den großen Taffy, den Laird, die Gipsabgüsse und Studienköpfe; auch den Himmel, die vielen Schornsteine und die Türme von Notre Dame, welche gerade von ihrem Platz aus sichtbar waren.

Erst als Svengali zu spielen aufhörte, rief sie: »Maïe, aïe! c'est rudement bien tapé c'te musique-là! Seulement c'est pas gai, vous savez! Comment q'ça s'appelle?«

»Rosamunde von Schubert«, war Svengalis Antwort.

»Und wer ist denn Rosamunde?« fragte sie.

»Rosamunde war eine Prinzessin von Cypern, Matemoiselle, und Cypern ist eine Insel.«

»Ach, und Schubert – wo ist denn das?«

»Schubert ist keine Insel, Matemoiselle, Schubert war ein Österreicher, ein Landsmann von mir, der Musikstücke schrieb und Klavier spielte, ganz wie ich.«

»Ah so, Schubert war ein Monsieur. Kenne ihn nicht; habe nie von ihm gehört.«

»Das bedaure ich, Matemoiselle. Der Mann hatte Talent. Vielleicht gefällt Ihnen so etwas besser:

 

»Messieurs les étudiants,

Montez à la chaumière

Pour y danser le cancan.«

 

trommelte er, schlug falsche Noten an und eine Baßbegleitung in anderer Tonart. Es war eine ohrenzerreißende, abscheuliche Katzenmusik.

»Jawohl, das gefällt mir besser, weil es lustiger ist. Hat das auch einer von Ihren Landsleuten gemacht?« fragte das Fräulein.

»Gott bewahre, Matemoiselle.«

Jetzt hatte sie die Lacher auf ihrer Seite. Aber das Spaßhafteste dabei war, (wenn man es überhaupt komisch fand) daß sie es ganz aufrichtig meinte.

»Lieben Sie die Musik?« fragte der kleine Billy.

»Das will ich meinen«, erwiderte sie. »Mein Vater konnte singen wie ne Lerche. Er war ein Mann von Stande, mein Vater, ein Gelehrter, Mitglied der Trinity-Universität zu Cambridge. Patrick Michael O'Ferrall hieß er. Manchmal sang er ›Ben Bolt‹. Kennt ihr das?«

»O ja, ›Ben Bolt‹ kenne ich«, sagte der kleine Billy, »es ist ein sehr hübsches Lied.«

»Ich kann es singen«, versicherte Miß O'Ferrall; »soll ich mal?«

»O bitte, wenn Sie die Güte haben wollen.«

Miß O'Ferrall warf das Ende ihrer Zigarette weg; sie saß mit untergeschlagenen Beinen auf dem Tritt, stützte die Hände auf die Kniee, daß die Ellenbogen weit abstanden, sah mit gefühlvollem Blick zur Decke hinauf und stimmte das rührende Lied an:

 

»O denkst du wohl noch an schön Alix, Ben Bolt?

Schön Alix mit goldbraunem Haar – –«

 

Es gibt Dinge, über die man keine Träne vergießen kann, weil sie zu traurig, zu ergreifend sind; aber es gibt auch manches, worüber wir nicht lachen können, es dünkt uns zu komisch, zu absonderlich. Dahin gehörte auch Miß O'Ferralls Vortrag von ›Ben Bolt‹.

 

Aus ihrer geräumigen Kehle, und unter dem hochgebauten Nasenrücken hervor, quoll eine wahre Fülle von Atem und Klang. Die Töne waren nicht laut, aber von so unermeßlichem Umfang, daß sie aus allen Ecken und Winkeln des Raumes zu kommen schienen und überall an den Wänden widerhallten. Sie folgte im allgemeinen dem Gang des Liedes: ließ die Stimme bei den hohen Tönen steigen und bei den tiefen sinken; doch verweilte sie so lange auf jeder einzelnen Note, daß es gar nicht menschenmöglich war, irgend eine Melodie herauszufinden. Nicht ein einzigesmal, auch nicht zufällig, traf sie den Ton oder die richtige Weise; sie mußte wohl ganz unmusikalisch und ohne Gehör sein.

Als der Gesang zu Ende war, herrschte ein verlegenes Schweigen. Die Zuhörer wußten nicht recht, sollte es Spaß oder Ernst bedeuten. Hatte sie nur Svengali für seine Ungezogenheit von vorhin strafen wollen, so war diese wunderbare Stegreifleistung eine trefflich ausgeführte Rache für seinen häßlichen Vortrag von ›Messieurs les étudiants‹.

Seine schwarzen Augen wurden schon grün und gelb vor Ärger, denn, gerade weil er sich so gern über andere lustig machte, konnte er es gar nicht vertragen, selbst als Zielscheibe des Spottes zu dienen und sich auslachen zu lassen.

Endlich sagte der kleine Billy: »Besten Dank. Es ist ein wunderschönes Lied.«

»Jawohl«, erwiderte Miß O'Ferrall; »leider ist es das einzige, das ich singen kann. Ich habe es ganz so von meinem Vater gehört, wenn er heißen Grog getrunken hatte und guter Dinge war. Es rührte seine Zuhörer oft zu Tränen, und er weinte auch selbst mit. Das tue ich nie. Es gibt Leute, die behaupten, ich verstünde nichts vom Gesang und doch habe ich das Lied in wer weiß wie vielen Ateliers oft sechs- oder siebenmal hintereinander wiederholen müssen. Ich singe es nämlich mit Variationen – nicht die Worte, aber die Melodie; das tue ich übrigens erst seit kurzem. Kennt ihr Litolff? – Er ist ein großer Komponist. Neulich kam er zu Durien und ich sang ›Ben Bolt‹. Was meint ihr wohl, was er gesagt hat? Denkt nur, er sagte: Madame Alboni käme weder so hoch hinauf wie ich, noch so tief hinunter, und ihre Stimme wäre nicht halb so stark. Er versicherte mir's auf sein Ehrenwort. Ich atmete so natürlich und ruhig wie ein Wiegenkind, sagte er, und brauchte nur noch zu lernen, meine Stimme mehr in der Gewalt zu haben. Ja, das hat er gesagt.«

»Qu'est ce qu'elle dit?« fragte Svengali.

Sie wiederholte es alles noch einmal auf Französisch – ein ganz echtes Französisch; zwar nicht wie man es in der Comédie française hört, oder im Faubourg St. Germain, aber auch keins von der Gasse. Es war eigenartig und ausdrucksvoll – komisch, ohne gemein zu sein.

»Barpleu! Litolff hatte recht. Ich versichere Sie, Matemoiselle, noch nie habe ich eine Stimme gehört, die sich mit der Ihrigen messen kann. Sie haben ein ganz außergewöhnliches Talent.«

Sie wurde rot vor Vergnügen; die andern aber nannten im stillen Svengali einen schändlichen Kerl, daß er das arme Ding zum Narren hielt und ihm Raupen in den Kopf setzte; auch Monsieur Litolff schien ihnen um kein Haar besser.

Nun stand sie auf, schüttelte die Krümel vom Rock, fuhr mit den Füßen in Duriens Pantoffeln und sagte auf Englisch: »So, nun muß ich wieder fort. Das Leben ist nicht bloß Tanz und Spiel – schade drum! Aber was tut's – wenn man nur lustig ist!«

Im Begriff das Atelier zu verlassen, blieb sie vor einem von Taffys Bildern stehen, das einen Lumpensammler darstellte, der sich mit seiner Laterne über einen Kehrichthaufen bückt. Taffy war damals ein leidenschaftlicher Realist, wenigstens glaubte er es. Jetzt malt er nur noch tapfere Helden von König Artus' Tafelrunde und schöne Ritterfräulein; er hat eine andere Richtung eingeschlagen.

»Die Kiepe hängt dem Lumpensammler viel zu niedrig auf dem Rücken«, bemerkte sie. »Er kann ja mit seinem Haken gar nicht bis zum Rand reichen; wie soll er da die Lumpen in den Korb fallen lassen? Auch hat er nicht die richtigen Holzschuhe an und trägt eine falsche Laterne. Es ist alles mit einander falsch.«

»Wirklich?« rief Taffy, rot werdend. »Sie scheinen ja recht bewandert in dergleichen! Schade nur, daß Sie nicht selber malen.«

»Ach, jetzt haben Sie's übel genommen«, sagte Miß O'Ferrall. »Oh maïe, aïe!«

In der Tür wandte sie sich nochmal um: »Was für schöne Zähne ihr alle drei habt«, sprach sie mit wohlwollender Miene. »Das kommt daher, weil ihr Engländer seid und sie täglich zweimal putzt. Ich tue das auch. – Vergeßt nur nicht: ich heiße Trilby O'Ferrall – 48 Rue des Pousse-Cailloux! – pose pour l'ensemble quand ça l'amuse, va-t-en ville et fait tout ce qui concerne son état! Nun lebt wohl, und besten Dank.«

»En voilà une orichinale,« sagte Svengali.

»Ich finde sie reizend«, rief der kleine Billy mit jugendlicher Zärtlichkeit. »Was für himmlische Füße sie hat! Mir wird heiß und kalt bei dem bloßen Gedanken, daß sie Modell steht, denn ich halte sie für eine wirkliche Dame.«

Kaum waren fünf Minuten vergangen, da hatte er schon, mit der Spitze eines zerbrochenen Zirkels, von Trilbys linkem Fuß, in weißem Umriß auf der roten Wand, eine Dreiviertelansicht eingeritzt, welche vielleicht in ihrer Art noch vollkommener war, als das Original.

Es schien an sich nichts Großartiges, und doch zeugte die kleine Skizze von natürlichem Schönheitssinn und rascher Auffassung der besonderen Eigentümlichkeit; die feine Wiedergabe des unmittelbaren Eindrucks verriet schon die Meisterhand. Kein Zweifel, es war Trilbys Fuß, es konnte gar kein anderer sein, und niemand, außer dem kleinen Billy, hätte ihn rein aus innerem Antrieb so naturgetreu zeichnen können.

»Qu'est ce que c'est, ›Ben Bolt‹?« fragte jetzt Gecko.

Da nötigte Taffy den kleinen Billy, sich ans Klavier zu setzen und das Lied zu singen. Es klang allerliebst in dem englischen Kehllaut seines etwas schwachen Baritons.

Nur um dem kleinen Billy Gelegenheit zu verschaffen, dies hübsche musikalische Talent zu seinem und seiner Freunde Vergnügen auszuüben, hatten Taffy und der Laird den Stutzflügel – ein Erbstück von Taffys verstorbener Mutter – auf ihre Kosten aus London kommen lassen. Noch war der zweite Vers nicht zu Ende, als Svengali ausrief:

»Mais, c'est tout à fait chentil! Allons Checko, chouez-nous ça!«

Er legte seine großen Hände auf die des kleinen Billy, schob ihn mit seinem langen hageren Leibe vom Stuhl herunter, nahm selbst Platz und spielte ein meisterhaftes Präludium. Die reiche, mächtige Tonfülle, die er den Tasten entlockte, machte einen tiefen Eindruck, nach dem dünnen Klingkling des kleinen Billy.

Jetzt fiel Gecko ein. Die Geige liebevoll an sich drückend schloß er seine nach der Decke gerichteten Augen und spielte die einfache Melodie, wie sie wohl noch niemals gespielt worden war – erhaben, leidenschaftlich, mit wunderbarem Wohlklang. Beide drehten und wendeten sie nun hin und her und flochten sie durcheinander, bald in dieser, bald in jener Tonart; Svengali übernahm die Führung und Gecko folgte ihm unentwegt, durch Fugen, durch Kanons, durch schwierige Läufe; wie einen Ball warfen sie die Melodie einander zu und fingen sie auf; nach oben ging es, nach unten, bald laut, bald leise, jetzt in Moll, jetzt pizzicato, jetzt mit dem Dämpfer – adagio, andante, allegretto, scherzo – jede Möglichkeit des Wohllautes ward erschöpft, bis die drei empfänglichen Zuhörer vor Wonne und Staunen ganz außer sich gerieten. Aus dem herrischen Ben Bolt samt seiner überzärtlichen Alix, dem allzu aufopfernden Freunde, dem alten Schulmeister, so wacker und treu, den Kameraden, die längst im Grabe ruhen, der Mühle, dem ländlichen Vorbau, dem Leichenstein von Granit so grau und dem trauten Plätzchen:

 

»Dem lauschigen, ach,

Am rieselnden Bach«,

 

war ein wundersames, herrliches Tonstück geworden von so dichterischer Pracht, so erhabener Schönheit, wie sie sich die Erfinder der Worte und Melodie, wer sie auch sein mögen, nun und nimmermehr hätten träumen lassen. Und doch hat dies unschuldige Liedchen schon so manches noch unverdorbene britische Herz gerührt, das nichts Höheres kannte – unter andern auch das Herz dessen, der dies schreibt – lang, lang ist's her!

»Sacrepleu! il choue pien, le Checko, hein?« rief Svengali, als die beiden ihre Tondichtung aus dem Stegreif zu einem glänzenden Schluß gebracht hatten. »C'est mon élèfe! che le fais chanter sur son fiolon, c'est comme si c'était moi qui chantais! ah! si ch'afais pour teux sous de voix, che serais le bremier chanteur du monte! – Ich kann nicht singen!« fuhr er fort. (Der Bequemlichkeit halber will ich seine Worte übersetzen, wobei natürlich der Dialekt verloren geht. Er verwechselte eben p mit b, t mit d, f mit v, g mit k; aus dem weichen französischen j machte er ein sch und aus der schönen Sprache eine häßliche).

»Ich selbst kann weder singen noch Geige spielen, aber die Musik zu lehren verstehe ich – hein Checko? Und eine Schülerin habe ich – hein Checko? – la betite Honorine;« er schielte mit einem widerwärtigen Seitenblick zu den andern hinüber. »Sie wird noch einmal von sich reden machen in der Welt, la betite Honorine – hein Checko? Hört mir zu: So mache ich's, wenn ich sie unterrichte, la betite Honorine. – Spiele mir eine Begleitung, Checko, in bizzicato

Er zog eine kleine, biegsame Vogelflöte aus der Tasche, (offenbar seine eigene Erfindung) schraubte sie zusammen, setzte sie an den Mund, und blies ›Ben Bolt‹ auf diesem ureinfachen Instrument, während Gecko ihn begleitete, die Geige als Gitarre benutzend und den Blick voll Ehrfurcht und Bewunderung auf seinen Meister geheftet.

Wer schildert aber die zierliche Leichtigkeit, den Adel, die Kraft und Anmut, die ruhige Würde, die Leidenschaft, mit der dieser wunderbare Künstler den einfachen kleinen Gassenhauer auf seiner schlechten Jahrmarktspfeife vortrug, denn etwas anderes war das Ding eigentlich nicht. Bald zärtlich erbebend, zitternd, herzbewegend, bald laut und voll, ein Schrei der Angst, ein sanftes Geflüster, ein melodischer Hauch, ausdrucksvoller selbst als die menschliche Stimme; so vollkommen in der Ausführung, daß sogar Gecko solche Wirkung nicht zu erreichen vermochte. Und er war doch ein Meister auf der Geige, die als Königin aller Instrumente anerkannt und gepriesen wird.

Die Träne, die schon so lange im Auge des kleinen Billy gezittert hatte, stieg jetzt bis unter das Augenlid und ergoß sich über die Nase; er mußte sie, um seine Rührung zu verbergen, verstohlen mit dem kleinen Finger fortwischen. Dabei stützte er das Kinn auf die Hand und räusperte sich ganz unnötigerweise – pour se donner une contenance! –

Solche Musik hatte er noch nie gehört; er war wie verzaubert und glaubte zu träumen. Während er den Tönen lauschte, schien es ihm, als gewänne er einen neuen, tiefern Einblick in die Welt der Schönheit und des Schmerzes, in das innerste Wesen der Dinge und die Flüchtigkeit alles Irdischen; ihm war als könne er das All umfassen und den Schleier sich lüften sehen, der die Ewigkeit verhüllt. Zwar entschwand dies wunderbare Gesicht wieder, sobald die Musik verstummte, aber es ließ ihm doch eine unauslöschliche Erinnerung zurück und den Wunsch, einst mit Hilfe seiner eigenen herrlichen Kunst Ähnliches zu erreichen.

Als Svengali geendet hatte, schielte er wieder nach seinen Zuhörern hin, die ihn sprachlos vor Verwunderung umstanden.

»Seht ihr wohl – auf die Art unterrichte ich la petite Honorine im Singen; so hat Checko bei mir sein Spiel gelernt; so lehre ich ›il bel canto‹. Er war verloren gegangen, der bel canto, aber ich habe ihn wieder gefunden; ich und niemand anders, ich, Svengali – ja, ich, ich, ich! – Doch nun genug für heute von der Musik; gehen wir jetzt zu etwas anderem über! Wie wär's, wenn wir einen Gang zusammen versuchten?« rief er aufspringend und ein Rappier ergreifend, das er, um seine Biegsamkeit zu prüfen, gegen die Wand stemmte. »Vorwärts, kleiner Billy, ich will euch noch etwas zeigen, wovon ihr nichts wißt ...«

Der also Aufgeforderte warf Rock und Weste ab, legte Maske, Handschuhe und Schuhe zum Fechten an und trat Svengali zu einem Waffengang gegenüber, bei welchem ihm jedoch recht übel mitgespielt wurde, denn der Deutschpole war wohlgeübt in der Fechtkunst und schlug sich mit großer Leidenschaft.

Dann kam der Laird an die Reihe, und auch ihm erging es schlecht. So mußte denn Taffy die Ehre Englands retten, wie es sich für einen ehemaligen britischen Husaren und echten Vollblutmenschen ziemte. Sein angeborenes Talent und lange Übung in den besten Pariser Fechtschulen befähigten ihn, es mit jedem maître d'armes im ganzen französischen Heer aufzunehmen. Da bekam denn auch Svengali sein Teil. –

Als es nun Zeit gewesen wäre, mit dem Spiel aufzuhören und sich an die Arbeit zu machen, stellten sich andere Genossen ein – Franzosen, Engländer, Schweizer, Deutsche, Amerikaner und Griechen. Die Vorhänge wurden zurückgezogen, die Läden weit aufgerissen, daß blendendes Tageslicht hereinströmte, und der Nachmittag verging unter gesunden Turnübungen und Kraftproben.

Der kleine Billy aber, der für heute kein Verlangen mehr nach Turnen und Fechten trug, belustigte sich unterdessen damit, die Umrisse von Trilbys Fuß auf der Wand, mit schwarzen, weißen und roten Kreidestrichen auszufüllen. Er wollte den frischen Eindruck nicht verlieren, den er einem günstigen Zufall verdankte, denn ihm stand sein Vorbild noch in greifbarer Lebendigkeit vor der Seele.

Jetzt kam Durien herein, sah ihm über die Schulter und rief:

»Tiens! le pied de Trilby! vous avez fait ça d'après la nature?«

»Nong!«

»De mémoire alors?«

»Wui!«

»Je vous en fais mon compliment. Vous avez eu la main heureuse. Je voudrais bien avoir fait ça, moi! C'est un petit chef d'oeuvre que vous avez fait là, tout bonnement, mon cher! Mais vous élaborez trop. De grâce, n'y touchez plus!«

Das freute den kleinen Billy, und er änderte nichts mehr daran; denn Durien war ein berühmter Bildhauer und die Aufrichtigkeit selber.

Und dann – doch was gerade an jenem Tage noch besonderes geschah, nachdem es sechs Uhr geschlagen hatte, habe ich wirklich vergessen.

 

Wenn das Wetter es irgend erlaubte, gingen die jungen Leute zur Mittagsmahlzeit nach der Rue de Monsieur, wo der Père Trin im ›Restaurant de la Couronne‹ ihnen für einen Franken vom Besten zu essen und zu trinken gab: gute, sättigende Suppen, schmackhafte Omeletten, weiße und rote Bohnen und Fleisch, das vor lauter Saucen, Gewürzen und sonstiger Zubereitung gar nicht zu erkennen war; es konnte Rind oder Hammel, Kalb oder Geflügel, guter – oder schlechter – Pökelhering sein, und was nicht alles! Es fragte aber auch kein Mensch danach. –

Der Lattichsalat, die Radieschen, der Käse von Brie oder Gruyère waren ebenso gut wie in den ›Trois Frères Provençaux‹ (nur nicht die Butter). Und das alles spülte man mit reichlichem Wein hinunter, der in großen hölzernen Krügen aufgetragen wurde und eine wunderschöne blaue Farbe zurückließ, wenn man ihn verschüttete.

Man trank dort ohne Unterschied mit männlichen und weiblichen Modellen, stieß mit Studenten der Arznei und Rechtskunde an, mit Malern, Bildhauern, Arbeitern, Wäscherinnen und Grisetten, fand die Gesellschaft sehr gut und lernte nicht nur Französisch bei der Unterhaltung, wenn man bisher nur die gewöhnliche britische Sorte gekonnt hatte, sondern in mancher Beziehung auch ein besseres Benehmen. Den Rest des Abends verbrachte man dann auf höchst harmlose Weise, bei einem Spiel Billard, Karten oder Domino, in dem gegenüberliegenden Café du Luxembourg, oder man ging ins Théâtre du Luxembourg in der Rue de Madame, wo kleine Possen gegeben wurden, in denen der Engländer die komische Figur war, über die man sich hätte vor Lachen wälzen mögen. Noch lustiger ging es im Jardin Bullier her (der ehemaligen Closerie des Lilas), wo man die Studenten den Cancan tanzen sah und sogar selbst den Tanz versuchte, was gar nicht so leicht ist wie es aussieht; am allerschönsten aber war es im Théâtre de l'Odéon, wenn Fechter und Madame Doche in der Kameliendame auftraten.

Schien aber die Sonne hell und es traf sich, daß es gerade auch Samstag Nachmittag war, dann legte der Laird seine Krawatte an, nebst einigen anderen nötigen Toilettengegenständen, und die drei Freunde schlenderten Arm in Arm nach Taffys Wohnung in der Rue de Seine und warteten draußen, bis er sich ebenso anständig gemacht hatte wie der Laird, wozu er nur wenig Zeit brauchte. Dann gingen sie, wiederum Arm in Arm, (der kleine Billy konnte sich immer sehen lassen) die Rue de Seine hinunter und über die Brücke; der große Taffy in der Mitte. In der Cité angelangt, warfen sie einen Blick zur Morgue hinein, kehrten über den Pont Neuf wieder aufs linke Ufer zurück und gingen die Quais entlang in westlicher Richtung weiter. Auf einer Seite der Straße hatten sie vollauf zu tun, die Bilder und Kupferstiche zu betrachten, in den Trödlerläden herumzustöbern und gelegentlich einen Einkauf zu machen; auf der andern Seite waren gebrauchte Bücher ausgelegt, die man in aller Ruhe musterte und durchblätterte, um den Preis herabzudrücken oder vielleicht ein paar alte Schmöker zu erstehen, in die man nie wieder einen Blick hineinwarf.

Ihr Weg führte nun über den Pont des Arts, sie blieben jedoch in der Mitte stehen, schauten den Strom hinunter, ostwärts nach der alten Cité und Notre Dame, versanken in Träumereien und fanden keine Worte, um ihre Gefühle auszudrücken. Dann blickten sie in die Abendglut des westlichen Himmels und auf alles, was sie bestrahlte: die Ecke der Tuilerien, den Louvre, die vielen Brücken, die Deputiertenkammer und den goldschimmernden Fluß. Sie sahen, wie sein Bett immer breiter wurde, und folgten seinen Windungen, soweit ihr Auge reichte; er floß an Passy und Grenelle vorbei, nach Saint-Cloud, nach Rouen, nach Havre, nach England vielleicht, wohin sie