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Über dieses Buch:

Es beginnt als der düsterste Tag ihres Lebens und klingt mit dem sanften Strahlen einer neuen Hoffnung aus ... Heute ist der Tag, an dem Christine von ihrem Mann geschieden wird. Den Glauben an die Liebe hat sie längst verloren – bis sie während dem Prozess den Blick des Gerichtsschreibers auffängt. Er scheint bis auf den Grund ihrer Seele zu schauen: Noch nie hat Christine sich so verletzlich gefühlt – und so geborgen. Als sie sich später in einem nahen Park wiederbegegnen, über ihnen die zarten Blüten eines Apfelbaums, wagt Christine das für sie Unvorstellbare ...

Gabriel Baryllis träumerischer Roman entfaltet den Zauber eines ganz persönlichen Liebesgedichts: eine Liebeserklärung an das Leben selbst – und an die Hoffnung!

Über den Autor:

Gabriel Barylli wurde 1957 als Sohn eines Wiener Philharmonikers und einer Sängerin geboren. Nach seiner Ausbildung am Wiener Reinhardt-Seminar folgten Engagements am Burgtheater und in Berlin sowie Salzburg. Neben seinen zahlreichen Rollen für Film und Fernsehen schrieb Gabriel Barylli Theaterstücke sowie Romane, die regelmäßig die Bestsellerlisten eroberten. Seinen gefeierten Debütroman »Als wir liebten«, auch bekannt unter dem Titel »Butterbrot«, verfilmte er erfolgreich selbst. Er ist der meistgespielte deutschsprachige Theaterautor der Gegenwart.

Der Autor im Internet: www.gabrielbarylli.com/

Bei dotbooks veröffentlicht Gabriel Barylli auch seine Romane »Die Bar am Ende der Welt« und »Als wir liebten«.

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eBook-Neuausgabe Mai 2020

Dieses Buch erschien bereits 2002 und 2004 unter dem Titel »Wo beginnt der Himmel« bei Argon und Fischer.

Copyright © der Originalausgabe 2002 Argon Verlag GmbH, Berlin

Copyright © der Neuausgabe 2020 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Wildes Blut – Atelier für Gestaltung Stephanie Weischer unter Verwendung mehrerer Bildmotive von © shutterstock / Yurina_Photo / Mauro Rodrigues /SusaZoom / ABUN5M / Looka / Poatapor Alexander / Paul Shuang / Charcompix / Ihnatovich Maryia sowie pixabay /Schulty1970

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (rb)

ISBN 978-3-96655-034-5

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Gabriel Barylli

Die Ewigkeit in jedem Kuss

Roman

dotbooks.

Für Marcello ...
und die Freunde ...

»Es ist alles ganz anders ...«

Kapitel 1

Ich denke immer noch an diese eigenartige Begegnung, die ich an einem Nachmittag der vergangenen Woche hatte. Ich war in eine Straße eingebogen, die etwas abseits der großen Verkehrswege lag, die die Stadt durchzogen. Ein Termin war ausgefallen, und ich hatte unverhofft einige Stunden für mich. Warum setze ich mich nicht einfach in dieses etwas altmodische Kaffeehaus, dachte ich, als ich an einem etwas altmodischen Kaffeehaus vorbeifuhr. So, als hätte das Kaffeehaus auf mich gewartet, bot es mir einen Parkplatz direkt vor seiner Eingangstüre an. Am Abend war ich mit meiner Frau verabredet. Isabell wollte mit mir ins Kino und danach spanisch essen. Ich freute mich auf diesen kleinen Luxus mit ihr und beschloss, mich bis dahin in diesem Café etwas zu entspannen. Ich steckte die Wagenschlüssel in meine Hosentasche und trat ein.

Der Raum lag in einer anderen Zeit. Der Fußboden war mit langen, breiten Holzdielen ausgelegt, die von einer Wand zur anderen liefen. Man sah ihm an, dass viele Generationen über ihn gelaufen waren, viele Ruhesuchende oder das Gespräch erwartende Gäste ihn betreten hatten. Er glänzte wie ein alter Ledermantel, der vom vielen Reisen glatt geworden war und schimmernd.

Direkt gegenüber der Eingangstüre stand eine riesige Espressomaschine. An ihren Hebeln war schon unzählige Male starker, schwarzer, das Innerste in Lebendigkeit versetzender Kaffee gezogen worden, und schon ihr Anblick versetzte mich in Vorfreude.

An den Wänden waren kleine Sitznischen, in denen jeweils ein Tisch von einer Sitzbank eingerahmt wurde. Ein oder zwei Holzstühle ohne Armlehnen ergänzten die Sitzbänke, die mit rotem Samt bezogen waren. Kleine, halbrunde Messingknöpfe blitzten an den Stellen, an denen die Polsterung mit dem Holzrahmen der Sitzbank abschloss. Die Messingknöpfe waren von unzähligen Besuchern so poliert, dass sie im Sonnenlicht, das durch die Fensterfront hereinfiel, strahlten.

Diese Fenster lagen links und rechts von der Eingangstüre. Jeweils vier Fenster ließen das warme Licht dieses Nachmittages über die Tischplatten aus Marmor fallen, über den schimmernden Holzboden, über den roten Samt, das Nussbraun der Holzstühle und das chrom- und elfenbeinfarbene Plastikgehäuse der Espressomaschine.

Die Wände waren in einem feinen gelben Pastellton gehalten, der mich ein wenig an den Strand von Rimini erinnerte. Überhaupt war es sehr bemerkenswert, dass ich das Gefühl hatte, in diesem Raum nicht nur in einer anderen Zeit, sondern auch in einem anderen Land zu sein. Dieses Kaffeehaus hatte nichts mit der Beliebigkeit zu tun, die sich in der Stadt immer mehr durchgesetzt hatte. Es schien mir wie ein Reservat an Ruhe und Gelassenheit. Italienische Pointen tanzten auf einem Wiener Parkett, das sich mit Alt-Berliner und französischen Details schmückte.

Eines dieser französischen Details waren die feinen, fast durchsichtigen Vorhänge vor den Fenstern. Quer über das untere Drittel der Fenster zog sich eine Messingstange, an der ein zweiteiliger, cremefarbener Vorhang befestigt war. Nun, ich bin kein Dekorateur, darum weiß ich nicht, ob man zu einem Vorhang, den man an zwei Stangen schieben kann, Vorhang sagen darf. An der Basis der Fenster befand sich nämlich eine zweite Messingstange, und zwischen ihr und der oberen waren die Stoffbahnen gerafft aufgespannt.

Ich erinnerte mich an ein kleines Café in der Rue de St. Jacques, das ähnliche Gardinen hatte, als ich mich entschieden hatte, den letzten Tisch am Fenster ganz rechts zu nehmen. Ich setzte mich auf die rote Samtbank, schob ein wenig den Stoff beiseite, um durch die so vergrößerte Spalte zwischen den beiden Vorhangteilen auf die Straße blicken zu können, und bestellte einen Espresso und ein Mineralwasser. Ein freundlicher Kellner hatte meine Bestellung entgegengenommen und schon bald serviert. Er mochte um die dreißig sein und diese Arbeit im »Café Astral« wohl nur als Teilzeitbeschäftigung ansehen. Diese Vermutung bestätigte sich, als ich beobachtete, wie er sich nach dem Servieren meines Kaffees wieder auf den Platz neben der Espressomaschine zurückzog und in einem Studienbuch über klassische Architektur zu lesen begann.

»Café Astral« – was für ein eigenwilliger Name, dachte ich und betrachtete die spiegelverkehrte Schrift, die auf dem Fenster zu meiner Linken in rotgoldenen Buchstaben zu lesen war. Der Kaffee war ausgezeichnet und das Café fast leer. Eine junge Frau saß in einer der Wandlogen und telefonierte leise. Von Zeit zu Zeit lachte sie und führte dann ihr Gespräch fort, in dem es offenbar darum ging, einer Freundin Ratschläge für das Leben zu geben.

Wie lange war es mir schon verwehrt gewesen, einen derartigen Moment der Muße zu empfinden. Das Immobilienbüro, dem ich als Leiter vorstand, war wohl die krasseste Gegenwelt zu diesem »Café Astral«. Nach einigen Momenten des Ausruhens aber war ich schon derart weit fortgezaubert von meinem Alltag, dass ich beschloss, zumindest einmal im Monat hier einen Ruhepunkt zu finden. Irgendwie musste sich so eine Lücke in meinem Kalender einplanen lassen. Eine Lücke, wie sie mir heute geschenkt worden war.

Ich nahm eben wieder einen Schluck von meinem Espresso, als ich einen Mann über die Straße kommen sah. Er machte einen konzentrierten, wachen, aber auch seltsam einsamen Eindruck auf mich. Nein – das ist falsch! Einsam ist das falsche Wort. Er wirkte wie jemand, dem Einsamkeit nicht fremd war – der aber in eine Bewegung geraten war. Die stille, konzentrierte Aura, die ihn umgab, war in Bewegung geraten und wie von einer Frage entzündet. Ich war fasziniert von der Art, wie er über die Straße ging und unmittelbar vor dem Café stehen blieb. Ein Gedanke hatte ihn gezwungen stillzustehen. Man konnte verfolgen, wie er mitten in seiner Absicht, das »Café Astral« zu betreten, durch das Auftauchen eines für ihn bedeutsamen Gedankens gebremst wurde. Er hielt inne und lauschte in sich hinein. Er nickte und legte den Kopf daraufhin leicht zur Seite. Wie um besser zu hören, was ihm eine leise, innere Stimme zuraunte, neigte er den Kopf in totaler Hingabe. Dann nickte er wieder und atmete tief durch. Er blickte sich um und trat dann mit schnellem Schritt in das Café. Als er in der Mitte des Raumes vor der Espressomaschine angekommen war, lächelte er dem Kellner wie einem alten Bekannten zu und wollte dann direkt auf den Tisch zugehen, an dem ich saß. Er bemerkte mich erst nach zwei Schritten und hielt erstaunt inne. Es schien mir so, als wäre dieser Raum seine Wohnung und – wie jeden Tag gewohnt – wolle er sich auf seinen Lieblingsplatz setzen, der plötzlich okkupiert war.

Ich beschloss, ihn aus seiner Irritation zu erlösen, und fragte: »Verzeihen Sie – sitze ich auf Ihrem Platz?!«

»Ja ... – ja, das tun Sie«, sagte er und trat an meinen Tisch heran. »Aber ... das wird schon seinen Sinn haben. Darf ich mich setzen?« Er blieb höflich stehen und wartete, bis ich ihm mit klassischer Geste den mir gegenüberliegenden Platz auf der roten Samtbank angeboten hatte. Die Tische an den Fenstern waren so angelegt, dass ein rechteckiger Marmortisch mit einer Schmalseite genau vor dem Fenster stand und an den Breitseiten zwei Samtbänke einander so gegenüberstanden, dass sich entspannte Gespräche ergeben konnten. Solch eine Situation schien vom Zufall herbeigeführt worden zu sein.

»Ich glaube nicht an den Zufall, wissen Sie«, sagte mein Tischnachbar, nachdem er sich gesetzt hatte. »Nein, ich glaube vielmehr, dass es zu erforschen gilt, warum das, was wir den Zufall nennen, uns gerade an diesem Tag und in dieser Stunde in unserem Leben zufällt.«

»Sie haben völlig Recht«, antwortete ich und lächelte mein Gegenüber an.

»Sehen Sie, allein, dass Sie verstehen, worauf ich anspiele, kann als Zeichen dafür gewertet werden, dass unsere Begegnung hier und heute einem weitreichenderen Plan innewohnt, als wir im Moment erkennen dürfen. Darüber hinaus bin ich der Meinung, dass jede Begegnung mit jedem Menschen in unserem Leben eine Bedeutung hat. Der eine ist vielleicht nur für einen kurzen Streit verantwortlich, ein anderer für ein Lächeln, das uns daran erinnert, das Leben mit spielerischer Grazie anzunehmen – meinen Sie nicht auch?«

Er sah mich mit wachen, klaren Augen an. Sein Blick kam aus einer Zeit, die mit den Abläufen unseres Alltags wenig zu tun zu haben schien. Ich gebe zu, dass es sehr erstaunlich war, innerhalb weniger Sekunden mit einem Fremden auf einer Ebene eines Gespräches anzukommen, die ansonsten das Ergebnis längerer Bekanntschaft ist. Ich war aber von der konzentrierten Selbstverständlichkeit meines Tischnachbarn so eingenommen, dass ich keinen weiteren Gedanken an konventionelle Abläufe der Höflichkeit verschwenden wollte.

»Ich stimme Ihnen voll und ganz zu«, sagte ich. »Lassen Sie uns also unsere Begegnung unter den Aspekt der erstaunten Herausforderung stellen. Für Sie ist es offenbar eine Herausforderung, einen Fremden in Ihrem Reich zu begegnen – und für mich ist es ein Abenteuer, Sie an diesem Tisch zu erleben, den ich eigentlich zur Raststätte des Schweigens in meinem hektischen Tag machen wollte. Schauen wir doch, was dabei herauskommt.«

»Warum haben Sie so einen hektischen Tag?«

»Weil ...« Ich atmete tief durch und überlegte, wie ehrlich ich mich antworten hören wollte. »Weil ich in einem Netzwerk eingesponnen bin, dessen Sinn es ist, Geschäfte zu machen. Diese Geschäfte, denen ich anfangs hinterhergelaufen bin, haben in den letzten Jahren angefangen, hinter mir herzulaufen, bis es dazu gekommen ist, dass ich mich als Verfolgter fühlte.«

»Ich verstehe«, sagte mein Gegenüber. »Jeden Tag beobachte ich die Menschen auf ihrer Suche nach dem Glück und dem Frieden und der Liebe – und jeden Tag erlebe ich, dass diese Suche zu einer Jagd wird, die in den Abgrund führt. Ich sitze dann da und schau ihnen zu und frage mich, woran es liegt. Warum wurde aus dem glücklichen Kind, das sie vor vielen Jahren waren, ein freudloser Mensch? Warum ist ihr Lachen verloren gegangen, warum sind ihre Augen so leer? Sie glauben zwar, dass sie am Leben sind, sie glauben es mehr als je zuvor, wenn sie vor mir stehen und um ihr Recht kämpfen – aber sie sehen sich nicht. Sie können sich nicht sehen, weil sie so beschäftigt sind. Sie können sich nicht sehen, weil sie so beschäftigt sind, ihre Gegner zu vernichten. Und diese Beschäftigung raubt ihnen jegliche Anmut und Güte. Jegliche Verspieltheit ist verloren gegangen. Die Muße, mit der sie einem Blatt zugesehen haben, wie es einen Bach hinunterschwimmt, ist der Wut gewichen, die sie hochrot zum Kampf antreibt, wenn sie vor uns stehen. Sie sehen dann aus wie Kranke. Ja, ihr Geist ist wie von einem Dämon besessen. Diese Besessenheit überträgt sich auf ihren Körper und schüttelt sie, bis ihre Gesichter zu bösen Fratzen werden. Ihre Stimmen werden gepresst und keuchend, ihre Bewegungen krampfhaft und eckig. Ihre Augen bekommen einen stechenden Blick, der unruhig hin und her irrt auf der Suche nach dem Sieg. Das ist es, was sie alle wollen, wenn sie vor uns stehen: den Sieg.

Den Sieg wollen sie erringen über ihren Gegner, der ihnen gegenübersitzt und genauso krank und verwirrt wirkt wie sie selbst. So stehen sie vor uns und werfen ihre ganze Kraft und Energie in die Verzweiflung, mit der sie uns überzeugen wollen, ihnen Recht zu geben. Sie glauben tatsächlich, dass wir die Fähigkeit besitzen zu entscheiden, wer Recht hat. Sie glauben, dass wir einen Schlüssel haben zu einem geheimen Zimmer, in dem ihr Recht auf sie wartet. Darum kommen sie zu uns und bekämpfen einander. Sie bekämpfen einander und wollen, dass wir dabei zusehen und zu guter Letzt entscheiden, wer der Bessere ist. Sie sind wie Kinder, die zu ihrem Vater und zu ihrer Mutter sagen: ›Schau mir bitte zu!‹ Die Eltern schauen dann lange zu, wenn ihre Kinder Ball spielen oder eine Sandburg bauen oder auch wenn sie miteinander spielerisch raufen wie zwei junge Katzen. Nach einer Weile der Beobachtung sagen die Eltern dann: ›Das hast du wirklich gut gemacht ... aber jetzt ist es genug für heute. Komm, wir müssen nach Hause.‹

Die Kinder fühlen sich dann geschätzt und aufgehoben und wissen, dass es jemanden gibt, der sie liebt. Gerne gehen sie dann nach Hause und fühlen ein stilles Vertrauen in das Leben, das ihnen Vater und Mutter gegeben haben. Selbst wenn sie protestieren und noch länger im Park spielen wollen – im tiefsten Inneren akzeptieren sie die Autorität ihrer Eltern. Das ist die Stimmung, welche die Menschen wieder suchen, wenn sie vor uns stehen. Sie suchen den Schutz einer Autorität, die ihnen zu verstehen gibt, wann das Spiel beendet ist, und die sie lobt, wenn sie glauben, alles richtig gemacht zu haben.

Leider können wir ihnen dieses Gefühl nicht immer geben. Wir sind nicht ihre Eltern, und wir müssen uns letzten Endes für eine Seite entscheiden, wenn wir zu dem endgültigen Punkt kommen, an dem wir Recht sprechen sollen. Eine Seite wird immer voll Kummer nach Hause gehen. Eine Seite wird immer das Gefühl haben, von ihren Eltern verstoßen worden zu sein. Eine Seite wird uns immer verfluchen ... Das ist das Los, das wir zu tragen haben.

Verzeihen Sie, wenn ich immerzu ›wir‹ sage. Es trifft nicht wirklich zu, weil ich – zu meinem großen Glück – keine endgültige Entscheidung zu treffen habe. Ich bin nur derjenige, der zuhört. Ich höre zu und schreibe mit. Die Macht, das Schicksal zu verkörpern, hat der Richter. Nicht ich. Bevor ich weitererzähle, sollte ich Ihnen vielleicht sagen, wer ich bin und was mein Beruf ist. Ich bin Schreiber. Gerichtsschreiber. Eigentlich könnte ich sagen, dass ich ein Zuhörer bin – aber dieses Gehörte darf nicht in Vergessenheit geraten, und darum schreibe ich auf, was ich höre. Das tue ich, weil ich meinem ursprünglichen Ziel auf diese Weise zumindest nahe sein kann.«

»Wie darf ich das verstehen?«

»Mein ursprüngliches Ziel war es, Richter zu werden. Ich komme aus einer Familie, in der dieser Berufsstand gewissermaßen vererbt ist. Mein Vater war Richter, sein Vater und sein Großvater ebenso, und ich kann mir vorstellen, dass genauere und gründlichere Nachforschungen sicher noch mehrere Vorfahren in diesem Berufsstand zu Tage bringen würden.

»Und Sie sind der Erste, der mit dieser Tradition bricht.« Ich lehnte mich erstaunt zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. Mit einem Mal hatte mich der Schicksalsweg dieses Mannes zu interessieren begonnen. Es ist nichts Ungewöhnliches in der Geschichte, dass ein Vater sein Handwerk an den Sohn weiterreicht. Schreiner, Schuster, Bäcker haben diese Tradition über Generationen vollzogen. Ein so geistiger Beruf aber wie der des Richters war gewiss nicht so einfach weiterzugeben wie eine Zimmermannsaxt. Was musste dem vorangegangen sein, dass dieser Mann, der mir von seinem Leben zu erzählen begann, die Reihenfolge unterbrochen hatte.

»Ich glaube nicht, dass ich mit der Tradition gebrochen habe – vielmehr empfinde ich es so, dass die Tradition mit mir gebrochen hat.«

»Wie darf ich das verstehen?«

»Nun – die Geschichte hat mich gelehrt, dass es eine Anmaßung darstellt, ›Recht‹ zu sprechen. Diese Haltung kann nur eingenommen werden, wenn man trotz besseren Wissens der Ansicht ist, es gäbe so etwas wie ›Schuld‹. Das genau ist aber der Punkt, an dem ich zu lernen begonnen habe, wie vorsichtig und kostbar dieses Wort zu handhaben ist. So kostbar und vorsichtig ist der Begriff der Schuld anzufassen, bis man an den Punkt kommt, an dem er sich auflöst.«

»Erklären Sie mir diesen Gedanken, bitte?!«

»Ich werde Ihnen – wenn Sie mögen – eine sehr dramatische Geschichte erzählen, die der letzte Auslöser dafür war, dass ich mein Jurastudium beendet habe. Zuvor aber möchte ich Ihnen vorschlagen, sich mit einem Bild anzufreunden ...«

»Ich höre.«

»Stellen Sie sich eine Zwiebel vor.«

»Ja.«

»Entfernen Sie nun die Schale dieser Zwiebel und in der Folge Schicht um Schicht, um an ihr Innerstes zu gelangen, den Kern, die ›Wahrheit‹. Sie werden erleben, dass diese Zwiebel mit jeder abgelegten Hülle etwas kleiner geworden ist. Am Schluss, wenn Sie glauben, endlich den innersten Kern dieser Zwiebel erreicht zu haben, finden sich wiederum nur zwei ineinander greifende Schalen, die ein ›Nichts‹ umschließen. So ist es mit der Suche nach der ›Wahrheit‹: Klar und unverrückbar liegt sie vor uns, wenn wir uns ihr nähern. Wenn wir aber den Nebel der Ungewissheit durch Fakten und Indizien ersetzen, nähern wir uns der Stelle, von der aus die Wahrheit wie ein weißes Schloss auf einem Berggipfel vor uns liegt. Es scheinen nur mehr wenige Schritte zu sein, um durch ein großes Tor in sein Innerstes zu gelangen. Wir machen uns auf den Weg und lassen den Punkt unserer Betrachtung hinter uns. Mit einem Mal ändert sich unsere Sichtweise, und was wir für ein Märchenschloss an Klarheit gehalten haben, stellt sich als schroffe Felsformation dar. Nur ein bestimmter Lichteinfall hat Kanten und Vorsprünge wie Türme und Zinnen aussehen lassen. Nichts ist von dem klaren Bild geblieben. Die Wahrheit ist verschwunden. Sie verschwindet immer, wenn wir uns ihr über ein gewisses Maß hinaus nähern. Dieses Maß liegt in unserem Bewusstsein, das sich nach einfachen Lösungen sehnt. Aber diese Sehnsucht hat mit Wahrheit nicht das Geringste zu tun.«

Er schwieg und sah mich mit einer ruhigen Freundlichkeit an, die keinen Widerspruch zuzulassen schien. Oder aber ihn erst recht erwartete. Ich entschloss mich nicht zum Widerspruch, sondern zu einer Frage. »Ich kann Ihnen folgen, was die Wahrheitssuche im Bereich der Philosophie betrifft«, sagte ich, »aber im praktischen Leben gibt es Momente, die jenseits jeder Vermutung eindeutig zu interpretieren sind. Und diese Wahrheitsfindung ist Sache eines Richters, ist Sache unseres Geistes – ist eine Tatsache, die unbestreitbar ist.«

»Nennen Sie mir ein Beispiel.« Er lächelte immer noch und beugte sich vor. Neugierig und wachsam beobachteten mich seine Augen, als ahnten sie schon vieles von dem, was ich gleich formulieren wollte.

»Also gut – ein Beispiel: Eine Frau ersticht ihren Mann. Mit einem Messer. In das Herz. Ein Richter hat das Strafmaß festzusetzen. Die Frau leugnet die Tat. Zwei Nachbarn haben sie aber dabei beobachtet. Die Wahrheit ist – sie hat ihn ermordet. Urteil: ›lebenslänglich‹. Das ist die Wahrheit, die ich als Richter verkünden würde. Wo ist das Problem?«

»Das würden Sie als Richter verkünden?«

»Ja, das würde ich – im Namen der Gerechtigkeit ...« Es bereitete mir plötzlich Vergnügen, mit diesen Worten zu jonglieren: ›Im Namen der Gerechtigkeit ...‹ Ich fühlte einen Schauer von Ernsthaftigkeit und Würde, als ich diese Formulierungen benutzte.

»Spürten Sie einen Schauer von Ernsthaftigkeit und Würde, als Sie diese Worte eben formulierten?«

»Ja – in der Tat.«

»Möge Gott Ihnen verzeihen!«

Ich musste kurz lachen. Seine freundliche Heiterkeit war einem Anflug von Wehmut gewichen.

»Ich erzähle Ihnen jetzt die Geschichte, die ich Ihnen angekündigt hatte – wir werden sehen, wie Sie danach über die Wahrheit denken.«

»Ich höre ...« Ich nahm einen Schluck Wasser und fasste den Erzähler ruhig ins Auge. Er begann.

Kapitel 2

»Mein Vater war oberster Richter in diesem Gebäude dort drüben auf der anderen Seite der Straße. In jenem so altenglisch wirkenden Ziegelbau. Meine Familie lebte in einem Viertel, in dem in fast jedem Haus Richter, Anwälte oder Verteidiger wohnten. Grüne Straßen, Gärten rund um die Villen. Wenig Verkehr. Eine Oase der Beschaulichkeit.

Ich denke, dass all diese Menschen, die ihr Leben in den Dienst an der Wahrheit und für die Gerechtigkeit gestellt hatten, diese sanatoriumshafte Wohnlage dringend brauchten. Ihr Alltag war angefüllt von Auseinandersetzung mit Mord und Totschlag, und so war es ihnen nicht zu verdenken, dass sie sich nach Dienstschluss gerne mit einer Tasse Lindenblütentee auf die Veranda setzten. Hunde- und Kinderlärm war nicht willkommen, und auch ich hatte eine weitgehend lärmlose Kindheit hinter mir. Ich werde nie vergessen, wie überrascht ich jeden Sommer war, wenn wir an die See fuhren. Die Kinder dort schrien und tobten den ganzen Tag durch die Strandkorbburgen, während ich stillschweigend Löcher in den Sand grub, die ich langsam mit Meerwasser füllte. Es brauchte jeden Sommer ein paar Tage, bis ich mir ein Herz fasste und mich von der lärmenden Lebendigkeit der anderen Kinder mitreißen ließ.

Nun gut. Es war eine ausgemachte Sache, dass ich das Recht studieren sollte, um ihm auf seinem Weg zu folgen. Diesen Weg hatte mein Großvater meinem Vater vorgegeben, und dieser fühlte sich verpflichtet, sein Rechtsempfinden auch mir in die Wiege zu legen. Die ersten Semester erfüllten mich auch tatsächlich mit Befriedigung. Diese trockene Materie, an der sich so manch anderer nach einigen Monaten die Zähne ausbiss, wurde mein Lebensinhalt. Ich hatte gelernt, in Stille und Geduld zu lesen, zu lernen, zu sammeln und auf diese Weise meine Urteilsfähigkeit zu vervollkommnen. Vielleicht war aber auch genau dieses Überfülltsein mit Rechtsprechung, Würde und Genauigkeit der wahre Grund, diesem Leben eine Absage erteilen zu müssen.

Mein Vater hatte es sich zur Gewohnheit gemacht, wichtige Prozessakten von mir noch einmal durchlesen zu lassen. Ich hatte Notizen über die bedeutendsten Fakten zu machen und ihm diese alle zwei Tage vorzulegen. Er verglich meine Anmerkungen daraufhin mit seinen eigenen und konnte sowohl meinen Einstieg in die Materie kontrollieren als auch manchmal eine Anregung in meinen Notizen entdecken. Eines Tages begann er, einen Prozess gegen eine Frau zu führen, die ihrem Mann ein Messer in den Körper gerammt hatte. Sage und schreibe siebenundneunzig Mal!«

Ich musste wieder kurz lachen. Wahrscheinlich gibt es gewisse Bilder, die anstatt Entsetzen einen spontanen Lachanfall hervorrufen. Zumindest so lange, bis man sich mit den Tatsachen vertraut macht oder Obduktionsbilder vorgeführt bekommt. »Verzeihen Sie, wenn ich lache – es klingt nur so aberwitzig – ich bitte um Verzeihung«, sagte ich voll aufrichtiger Höflichkeit.

»Ich verstehe Ihr Gefühl«, sagte mein Gesprächspartner. »Es ist eine verständliche Reaktion, um sich des Grauens zu erwehren. Mir ging es in manchen Momenten der Beschäftigung mit diesem Fall ebenso.

Nach relativ kurzer Prozesszeit verurteilte mein Vater die Täterin zu lebenslanger Haft. Der Richterspruch erfolgte zu seiner Genugtuung an einem Freitag. Der Lindenblütentee am späten Nachmittag hatte also mehr als nur den üblichen Geschmack des Feierabends. Er hatte die Anmutung einer kleinen Feier. Die Familie saß beisammen. Die Ungeheuerlichkeit war bestraft, der Sonnabend konnte kommen. Ich selbst verbrachte das Wochenende mit dem weiteren Studium der Akten dieses Falles. Mehrfach waren bei dem Prozess Abweichungen der Angeklagten vom konventionellen Eheleben zur Sprache gekommen. Aber angesichts einer siebenundneunzigfachen Einstichzahl im Körper des Ehemannes fiel so manches nicht mehr ins Gewicht, was zumindest einer gewissenhaften Kenntnisnahme bedurft hätte. Ich las mich einen verregneten Sonntag lang durch das Leben dieser Frau. Durch den Bericht ihrer Ehe.

Es hatte damit begonnen, dass ihr Ehemann der erste und einzige Sexualpartner der Angeklagten gewesen war. Ihre Eltern hatten sie zur sexuellen Abstinenz erzogen. Ihr Ehemann war für sie lange Zeit Lust und Schrecken in einer Person gewesen. Lust, weil sie zum ersten Mal erlebte, was für ihren Körper möglich war, und Schrecken, weil diese Gefühle ausschließlich mit dem Gefühl der Sünde behaftet waren. Das Gefühl der Lebendigkeit und Freiheit scheint vielen Menschen nach wie vor nicht geheuer. Das Beispiel religiöser Fanatiker in anderen Religionen wirkt abstoßend und auf labile Charaktere in unserer Kulturzone faszinierend zugleich.

Nun – diese Frau erfuhr die Sexualität mit ihrem Mann als permanente Sünde, obwohl sie Gottes Segen erhalten hatte. Ihr Dilemma war, dass sie nicht empfinden konnte, dass Gott eine Sünde segnete. Ich betone, sie konnte es nicht empfinden – bedenken konnte sie es schon. Sie hatte Eheunterricht genossen, und der Pfarrer hatte sie eindringlich darauf hingewiesen, dass sie ihrem Ehemann gegenüber in der Pflicht stand, ihm Lust zu bereiten. Diesen Gedanken konnte sie nachvollziehen. Die Welt ihrer Gefühle aber war von einer anderen Sprache erfüllt. Angst, Ekel, Abscheu zuckten bei den ersten intimen Berührungen durch ihren Körper und in der Folge durch ihren Geist. Sie wand sich in den zerreißenden Spannungen, die in ihr hochloderten. Jeden Tag und jede Nacht wurde das Gefühl, aufgefressen zu werden – von Mächten, die stärker waren als sie –, größer und größer.

Ihr Mann fühlte den ihm fremden Zwiespalt und interpretierte ihn als weibliche Launen. Auch er war streng erzogen worden, und obwohl er seiner Frau körperlich treu war, begann er, sie mehr und mehr zu hassen. Er wusste nicht, dass es Hass war, der ihn trieb, wenn er sie wieder einmal schlug. Er dachte laut in seinem Kopf, dass eine Frau eine harte Hand brauchte. So hatte es ihm sein Vater erklärt, und diesem sein Großvater. Die Mutter und die Großmutter der Angeklagten wiederum erklärten ihr, dass Männer nun eben so seien, wie sie sind, und dass es gelte, diese Launen demütig zu ertragen.

Lachen Sie nicht, und glauben Sie nicht, wir befänden uns im 17. Jahrhundert. Lassen Sie sich nicht durch bonbonfarbene Computer auf den Schreibtischen täuschen, und glauben Sie nicht, dass unsere Welt den Vorabendserien entspricht. Der Mensch ist ein zutiefst verwirrtes, emotional überfordertes Tier, das nach wie vor in der Steinzeit seiner Möglichkeiten vegetiert. Glauben Sie mir – ich weiß, wovon ich rede. All die Misshandlungen, Kinderschändungen, Vergewaltigungen und Demütigungen, denen ich begegnet bin, geschehen nicht nur in entlegenen Dörfern. Sie geschehen jetzt in diesem Augenblick in unseren Städten, in unseren Wohnungen – überall. Glauben Sie mir.«

»Ich glaube Ihnen.«

»Das ist gut ... Das ist gut ... In der Ehe dieser armen Frau begann der Teufel zu wüten. Wenn ich den Namen dieses schwarzen Geistes in den Mund nehme, dann nur mit äußerstem Respekt vor seinen Fähigkeiten. Ihn zu leugnen heißt, ihm zu dienen. So beginnt es schon einmal: Ein schnell erkennbarer Feind ist ein zu bekämpfender Feind. Wie aber wollen Sie einen Gegner niederringen, der sich nicht zeigt? Und darüber hinaus oftmals die Gestalt ihrer liebsten Empfindungen annimmt? Um Sie zu täuschen. Um Sie in die Irre zu führen. Um Ihrer Lebendigkeit den Garaus zu machen. Alles Böse geschieht mit bestem Wissen und Gewissen. Jeder Frevel in der Geschichte der Menschheit hat einen Verantwortlichen als Urheber, der Ihnen messerscharf erklären kann, dass er so und nicht anders handeln musste. Es musste getötet, verbrannt und überfallen werden – immer wieder, in allen Sekunden der Menschheit. Immer mit der besten Absicht, noch schlimmeres Übel zu verhindern. Diese beste aller Absichten zerstört im Großen wie im Kleinen das Dasein der Lebendigkeit.

Auch in dem kleinen Zweipersonenhaushalt, von dem ich Ihnen hier berichte. Der Ehemann der mörderischen Gattin arbeitete als Abteilungsleiter in einem Großkaufhaus. In seinen Aufgabenbereich fiel es, das Sortiment französischer und italienischer Damendessous zu sichten, nachzubestellen und die Verkaufsregale wohl bestückt zu halten. Er war von seiner Mutter zu absoluter Treue erzogen worden, und das passte recht gut zu dem Treuegelöbnis, das er und seine Gemahlin einander gegeben hatten. Aber seine Treue war auch von einem sehr individuellen Umgang mit seiner Sexualität geprägt.

Er hätte es niemals laut formuliert, aber die hübschen Frauen auf den Packungen der Damenstrumpfhosen fanden in zunehmendem Maß seinen Gefallen. Ganz besonders liebte er die Modelle, die schwarz glänzend und nahtlos ein Frauenbein umspielten. Anfangs ließ er diese Strumpfhosenpackungen noch leichthin durch seine Hände gleiten, wenn er sie in die Holzregale ordnete. Im Lauf der Zeit aber blieb sein Blick immer öfter und immer länger an den Schönheiten aus Paris hängen. Er legte sich eine kleine Sammlung in seinem Büro an. Unter dem Vorwand, stichprobenartig die Qualität der Ware überprüfen zu wollen, nahm er aus jedem gelieferten Großkarton ein oder zwei Packungen für sich. Neben seinem Schreibtisch heftete er die farbigen Werbekartons, die den Strumpfhosenpackungen beigelegt waren, an die Wand. Nach einem Jahr hatte er über zwei Dutzend solcher schönen Frauenbeinfotos gesammelt. Er nahm die Strumpfhosen aus ihren Packungen, nagelte die Frauen an die Wand und spielte versonnen mit dem feinen, weichen, elastischen Material der nahtlosen Strumpfhosen. Am Wochenende, wenn er mit seiner Frau im Bett lag, dachte er immer öfter und immer drängender an das elektrisierende Gefühl und steigerte sich in die kühnsten Phantasien, wenn es zum Sex mit seiner Gemahlin kam. Irgendwann einmal war es so weit. Die Spannung zwischen Traum und Wirklichkeit wurde unerträglich für ihn. An einem Sonnabend zog er eine aus dem Kaufhaus mitgebrachte, nahtlose, schwarze Strumpfhose hervor.

›Was ist denn das?!‹, fragte seine Frau und spielte neugierig mit dem glänzenden schwarzen Ding.