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Inhalt

Kapitel 1.

Kapitel 2.

Kapitel 3.

Kapitel 4.

Kapitel 5.

Kapitel 6.

Kapitel 7.

Kapitel 8.

Kapitel 9.

Kapitel 10.

1.

28. Februar 1580.

An Bord der „Isabella V.“ herrschte Spannung. Am Wetter lag es nicht, obwohl der Tag in der Bucht des Bude River nicht gerade ein Erlebnis zu werden versprach.

Es lag an den Männern selbst, an dieser eigentümlichen Stimmung, wie sie immer herrschte, wenn die rauhbeinigen Gesellen nicht rechtzeitig an Land gekommen waren, um sich auf ganz natürliche Art abzureagieren.

So regte jeder jeden auf. Die kleinste Kleinigkeit wurde aufgebauscht und zum Anlaß für Stunk und Ärger genommen.

Ben Brighton, der den Seewolf Hasard Philip Killigrew vertrat, der immer noch in Plymouth bei Sir Freemontlag, sah dem Treiben schon eine ganze Weile vom Achterkastell aus zu. Neben ihm stand Batuti, der riesige Gambia-Neger. Seine schwarze Stirn hatte sich umwölkt, verstohlen blickte er Brighton von der Seite an. Dann wanderte sein Blick wieder zu Luke Morgan und Nils Larsen, die auf der Kuhl hockten und mißmutig an einem Tampen spleißten.

Da ging Buck Buchanan vorbei, der jetzt anstelle des Kutschers die Kombüse übernommen hatte – unwillig zwar, aber einer mußte ja der Hanswurst für die anderen sein.

Morgan hielt den Tampen leicht hoch, als Buck heran war. Larsen war emsig mit dem anderen Ende beschäftigt. Unauffällig grinsten sich die beiden zu.

Buck sah aus, als hätte er sich an diesem Tag über die Essigvorräte des Schiffes hergemacht. Sein Gesicht war mißmutig, die Augen blickten verdrießlich, seine Mundwinkel hatten sich gekrümmt. Der breite Kerl bot ein Bild des Jammers, als er über das jetzt an Deck liegende Tau stieg.

Morgan und Larsen hoben es in genau dem Augenblick hoch, als Buck mit dem ersten Bein darüber gestiegen war.

Buck riß entsetzt die Augen auf. Das schwere Tau geriet ihm zwischen die Beine. Die beiden Kerle hoben noch höher. Der Koch schwankte und wußte nicht, nach welcher Seite er gleich fallen würde. Zu fassen kriegte er auch keinen von den beiden verdammten Kerlen, denn die waren weit genug weg und grinsten infam. Ihre nervigen Fäuste packten noch fester zu, hoben noch mehr an.

Für die anderen Zuschauer war die Prozedur belustigend, für Buck, der ohnehin wenig Spaß verstand, war sie schmerzhaft. Sein wütender Schrei flog über Deck. Er sprang auf einem Bein herum, wollte von dem verdammten Tau herunter und schaffte es doch nicht, weil die beiden grinsenden Kerle es immer höher hoben, je mehr Buck tanzte.

„Und da sag noch einer, unser Köchlein versteht keinen Spaß!“ brüllte Larsen.

„Hei, wie das Köchlein grinst und freudig nach dem Tampen linst!“ schrie Morgan begeistert.

Buck Buchanan griff nach dem Tau, verlor das Gleichgewicht, ein allerletzter straffer Ruck, und er flog in hohem Bogen auf die Decksplanken. Schadenfrohe Gesichter grinsten ihn an.

„Das war für deine Bohnen“, erklärte Morgan.

„Und das für den fehlenden Speck“, sagte Larsen, griff das Tauende und zog Buck Buchanan eins über den Achtersteven, als der sich gerade erheben wollte.

Der Schlag brannte höllisch und Buck war mit einem Satz auf den Beinen. Aus seinem Blick verschwand schlagartig alle Griesgrämigkeit. Er blickte wild und grimmig.

Und dann gab es eine Überraschung an Bord. Sie erfolgte wie ein Blitz aus heiterem Himmel.

Buck sprang plötzlich zur Bordwand, riß einen Koffeenagel aus der Nagelbank und drosch damit wild und gezielt auf die beiden total verblüfften Männer los.

Morgan erhielt einen Schlag ins Kreuz und krümmte sich zusammen. Der verblüffte Larsen sah nur einen total tobsüchtigen Schatten auf sich zufegen und hob abwehrend die Arme. Vergebens. Der Schlag landete schmerzhaft auf seiner rechten Schulter.

Ben Brighton sah der Sache gelassen zu. Nur neben ihm schnaufte Batuti hörbar.

„Immer Kerle müssen prügeln, immer prügeln“, sagte er kopfschüttelnd. „Wenn zulange nicht an Land, dann Mord und Totschlag!“

„Ja, da hast du allerdings recht, Batuti. Wird Zeit, daß diese wilde Horde endlich an Land kommt und sich austoben kann.“

Brighton sah keine Veranlassung zum Eingreifen. Die beiden Kerle hatten den Koch wieder einmal gehänselt, und wenn er sich jetzt energisch zur Wehr setzte, war das sein gutes Recht. Und wie Buck jetzt auf der Kuhl herumtobte!

Mit dem Koffeenagel hieb er nach links und rechts, fing sich selbst mal einen Brocken ein und schlug wieder zurück. Er wußte sich gut gegen seine Plagegeister zu wehren. Hoffentlich kühlte sich dadurch ihr Mütchen ein wenig ab.

Doch etwas später begann die harmlose Plänkelei sich zuzuspitzen und in eine Schlägerei auszuarten.

Das war dann, als Morgan ernstlich in Bedrängnis geriet und der Belegnagel hart an seinem Schädel vorbeipfiff. Er schnappte sich den tobenden Buck, verpaßte ihm zwei harte Brocken und schleuderte ihn auf Larsen zu. Der knallte Buck eine, gab ihm einen Stoß und schickte ihn zurück zu Morgan, der ihn mit dampfenden Fäusten empfing. Das Spiel hätten sie einige Male wiederholt, wäre nicht unversehens Carberry, der Profos, aufgetaucht. Und hinter ihm erschien noch einer, angelockt von dem Lärm und Radau, den die Männer verursachten.

Arwenack! Der Affe hatte die Zähne gebleckt, keckerte und versuchte in den Kampf einzugreifen. Hüpfend umkreiste er die Männer, die immer wilder auf Buck eindroschen, und sprang schließlich Luke Morgan ins Kreuz, der mit einem erschreckten Ruf herumfuhr. Er sah plötzlich das haarige Gesicht vor sich, als er herumsprang, entdeckte die gebleckten Zähne und spürte die runzeligen, haarigen Hände, die sich über seine Augen legten.

„Hau ab, du Mistvieh!“ brüllte er, und versuchte vergebens, den sich sträubenden Affen loszuwerden.

„Schluß jetzt!“ brüllte der Profos. Seine Stimme donnerte über die Kuhl wie die Nachwehen eines Gewitters.

Buck Buchanan nutzte den Augenblick der Stille, um Luke Morgan noch einen harten Tritt in die Kehrseite zu verpassen. Augenblicklich fuhr Morgan herum und griff nach dem Koch.

Da waren Carberrys riesige Fäuste dazwischen. Eine schnappte den Koch, die andere griff nach Luke Morgan.

„Schluß jetzt, ihr Rübenschweine, hab ich gesagt! Oder spreche ich etwa zu leise, was, wie? Los, an die Arbeit, ihr beiden! Und du, Buck, verschwindest dahin, wo du hingehörst. Was hast du überhaupt hier herumzuschleichen!“

„Die beiden Pfeffersäcke haben schließlich angefangen“, brüllte Buck lautstark zurück. „Ich hab denen nur zurückgezahlt, was sie noch offen haben.“

„Verzieh dich!“ grollte der Profos.

Buck Buchanan verschwand zähneknirschend nach vorn. Bevor er in die Kombüse ging, drehte er sich noch einmal um und ballte die Hände zu Fäusten.

„Wartet nur, ihr verdammten Hurensöhne!“ schrie er. „Euch werde ich den Fraß morgen versalzen, daß ihr glaubt, der Atlantik wäre das reinste Zukkerwasser!“

Nach dieser fürchterlichen Drohung verschwand er. Noch auf der Treppe zog er gekränkt den Kopf ein, als er das harte Poltern vernahm. Ein Koffeenagel donnerte an die Tür. Wer ihn geworfen hatte, blieb für Buck Buchanan allezeit ein Rätsel.

Carberry zog sich grollend zurück, als der Streit beigelegt war. Er rollte mit den Schultern und ging zu Brighton und Batuti, die ihn beide angrinsten.

„Es geht wieder mal los“, sagte der Profos. „So wie jetzt fängt es immer an. Kaum sehen diese Rübenschweine Land und riechen eine Kneipe, schon ist ihr Verstand in der Pütz.“

„Und du nichts Kneipe, nichts Weiber?“ Batuti lachte. „Du nur denken an Arbeit, he?“

„Ach, laß mich doch in Ruhe. Die Kerle sind nun einmal so, daran läßt sich nichts ändern“, sagte der Profos, der im Grunde genommen ja genauso dachte. Ihm erging es nicht anders, nur hatte er sich besser in der Gewalt.

Brightons Gestalt straffte sich. Er war zu einem Entschluß gelangt, der ihm nicht gerade leicht fiel, weil er seine Männer kannte. Die mußten sich wieder einmal richtig austoben, sonst war hier an Bord der Teufel los. Sonst ging wieder alles drunter und drüber.

„Gut“, sagte er. „Die Männer sollen ihr Vergnügen haben. Natürlich nur ein Teil, alle können nicht an Land. Wir halten es so wie das letzte Mal. Eine kleine Truppe zieht los, die anderen bleiben an Bord. Morgen verfahren wir umgekehrt.“

Carberry grinste plötzlich über sein ganzes zernarbtes Gesicht.

„Landgang“, sagte er andächtig. „Das ist schon eine feine Angelegenheit.“

„Eben du noch geschimpft auf andere“, sagte der Neger. „Du auch Kneipe gehen, Verstand weg. In Pütz.“

Bedenken, daß man sie hier in der versteckt liegenden Bucht fand, hatte Brighton nicht. Es war ziemlich unwahrscheinlich, denn von See aus war nur ein Teil der Bucht einzusehen, und sie waren ja noch ein Stückchen weiter hinaufgesegelt und hatten sich in der Mündung des Bude River versteckt.

„Wer geht alles mit?“ forschte Carberry, der sich selbst schon an erster Stelle sah. Saufen, Weiber, eine handfeste Prügelei, dachte er, das würde die Kerle wieder aufmuntern, die eine ganze Weile wie die Mönche gelebt hatten.

„Du führst den Trupp, Ed. Wie steht’s mit dir, Batuti? Willst du auch an Land gehen?“

Der riesige Gambia-Neger schüttelte den Kopf.

„Batuti bleiben an Bord. Land nicht gut für Batuti. An Land immer sagen verdammtes Nigger.“

„Das sollte ich mal hören“, grollte der Profos. „Dem würde ich die Haut in Streifen von seinem Affenarsch ...“

„Schon gut“, sagte Ben. „Wenn Batuti an Bord bleiben will, dann soll er. An Land wird er doch nur immer herausfordernd angestarrt. Er hat schon ganz recht mit seinen Bedenken. Die Leute hier sind kleinkariert. Du nimmst also Smoky, Luke Morgan, Nils Larsen, Sven Nyborg, Sam Roscill und Pete Ballie mit. Insgesamt seid ihr dann sieben Mann. Und noch etwas, Ed: Sieh zu, daß die englische Küste heil bleibt. Vielleicht geht es auch einmal ohne Prügelei ab. Wir haben uns verstanden? Aufsehen schadet uns nur. Es ist besser, wir halten uns still und unauffällig im Hintergrund, bis wir Hasard wieder an Bord haben.“

„Aye, aye, alles klar. Dann können wir heute abend also abziehen?“

„Bei Anbruch der Dunkelheit. Ruf die Leute nach dem Essen zusammen, sie erhalten etwas von mir, wenn es soweit ist.“

Carberrys mächtiger Brustkorb blähte sich noch mehr auf, als er zur Kuhl hinunterging. Seine Gedanken waren schon ein paar Stunden der Zeit vorausgeeilt.

Er nahm sich die Leute vor, die an dem Landgang teilnehmen durften, und bereitete sie darauf vor. Bald umringte ihn eine ausgelassene Horde. Die anderen, die nicht mitkonnten und erst für den anderen Tag vorgesehen waren, konnten diese Freude verständlicherweise nicht teilen, obwohl es unter ihnen keinen direkten Neid gab.

Aber die Kerle arbeiteten plötzlich alle wie besessen, obwohl es im Augenblick nicht viel zu tun gab, wie Carberry verwundert feststellte. Sie heizten sich schon für den Abend vor.

Und dann war es endlich soweit. Carberry erschien mit seiner Horde verwegen aussehender Gestalten auf der Kuhl, wo Ben Brighton sie bereits erwartete.

„Keinen unnötigen Ärger, Männer“, schärfte er ihnen nochmals ein. „Benehmt euch so, wie es sich für anständige Freibeuter gehört. Hier, Ed, sind zehn Pfund in Gold für dich. Die anderen Männer erhalten ebenfalls jeder die gleiche Summe in Gold. Damit könnt ihr sämtliche Kneipen leersaufen und die Puppen tanzen lassen.“

Carberry starrte die Münzen an, die Brighton ihm reichte. Sein Gesicht war eitel Freude und Sonnenschein. Sein Rammkinn war noch weiter vorgeschoben als sonst. Auch Smoky, Morgan und die anderen starrten fassungslos auf das Geld. Zehn Pfund waren ein Vermögen! Mit zehn englischen Pfund konnte man die halbe Welt kaufen, das waren ihre Überlegungen.

„Nehmt es nur“, sagte Brighton, als die Männer nur zögernd nach dem Geldsegen griffen. „Ihr alle habt es euch ehrlich verdient. Und außerdem stammt das Geld aus dem Verkauf der Tabakballen, die wir dem fetten Mitchell in Penzance angedreht haben.“

Ja, daran erinnerten sie sich noch genau. Auf der „Isabella“ hatte es ein Gelächter gegeben wie selten zuvor. Der Held des Tages war damals Jean Ribault gewesen, der so meisterhaft den französischen Kauffahrer gespielt hatte.

„Auf, ihr Rübenschweine!“ brüllte Carberry. „Was steht ihr noch herum und glotzt. Oder soll ich den Landgang wieder abblasen?“

Er hatte noch nicht fertig gesprochen, als die sechs Männer wie die Affen von Bord flitzten und sich in Sekundenschnelle vor dem Schiff versammelten. Vom Hauptdeck aus blickten ihnen die anderen nach, darauf hoffend, daß auch sie bald an der Reihe waren.

Es dunkelte bereits, als sie in Bude eintrafen. In dem kleinen Fischerhafen lagen die Boote ruhig auf dem schwarzen Wasser. Krabbenfischer, Heringsfischer und Gammelboote, die alles mitnahmen, was in ihre Netze gelangte. Am Hafen selbst brannte kein Licht.

Es roch nach Teer, Seewasser, Tran und verfaultem Fisch.

„Die Kneipe ist genau richtig!“ Der Profos zeigte mit der ausgestreckten Hand auf die Schenke zur linken Seite. Hinter den halbblinden Scheiben flackerte Licht, vor der Bohlentür hing eine Ölfunzel, die ein Schild beleuchtete. „Bude Bay“ stand darauf, in eine schwere Holzplanke geschnitzt.

„Scheint mir verdammt ruhig zu sein, der Laden“, meinte Smoky. „Aber wir werden schon für Lärm sorgen!“

Auf dem staubigen Bürgersteig vor der Kneipe lag ein betrunkener Penner in abgewrackter Kleidung. Er rülpste laut, als die Männer vorbeigingen, drehte sich halb zur Seite und schnarchte weiter.

„Keine Sorge“, sagte Carberry, „der Laden sieht nur so ruhig aus. Da wird gewürfelt, gespielt, gesoffen – und Weiber gibt’s auch. Hier verkehren fast nur Fischer, Knechte und solche Pennbrüder wie der hier.“

Der Penner raffte sich gerade auf, torkelte hinter ihnen her und klammerte sich an dem bulligen Pete Ballie fest.

Eine Ausdünstung von saurem Wein schlug Ballie ins Gesicht. Torkelnd stand der Pennbruder vor ihm.

„He, Kumpel“, grölte er, „ich kenn da ein Mädchen, äh, ein Mädchen, sage ich dir ...“

Ballie spürte, wie zwei Finger in seine Jackentasche glitten und nach den Goldstücken griffen. Der Kerl tat es geschickt, er berührte nicht den Körper dabei. Vermutlich hatte er auf diese Art und Weise schon so manchen Seemann ausgemistet.

Ballie ließ ihn ein Goldstück ziehen, dann packte seine harte Hand zu und quetschte dem anderen schmerzhaft die Finger zusammen.

„Nun seht euch diesen kleinen Klauer an“, knurrte er. Er nahm ihm das Geld ab und holte einmal kurz aus.

„Penn weiter in der Gosse!“

Ein Schlag, der dem Pennbruder fast den Hals brach, fegte ihn ein paar Schritte zurück. Wie von der Culverine abgefeuert, segelte er weiter und landete ein paar Yards neben der Stelle, an der er sich schon einmal hingelegt hatte, nur, daß er jetzt vorläufig nicht mehr ans Aufstehen denken konnte.

„Paßt gut auf euer Geld auf“, sagte Carberry, bevor sie die Kneipe betraten. „Hier gibt es die übelsten Halsabschneider, Schnapphähne und Hafenhaie. Ihr seid euer Geld sonst schneller los, als ihr es versaufen könnt.“

Er stieß die Tür auf. Die Männer folgten ihm grinsend.

In der Kneipe, in der ohnehin nicht viel Lärm herrschte, wurde es so still wie in einem Grab.

Köpfe ruckten herum, um die Neuankömmlinge zu betrachten. Scheele Blicke streiften die Männer, die sich nicht daran störten.

Sam Roscill sah eine dunkle Schöne auf dem Schoß eines Mannes sitzen, die ihm gerade den Arm um den Hals gelegt hatte. Jetzt wanderte der Blick ihrer Augen zu Roscill hin, gegen den der andere Kerl wie ein grobbehauenes Stück Treibholz aussah, aus dem man ein Gesicht hatte formen wollen. Irgendwann aber hatte den Former dann die Lust verlassen und aufgehört.

Carberry marschierte grinsend zur Theke und baute sich davor auf. Seine mächtigen Pranken legte er breit auf das Holz.

Der Wirt hinter der Theke, ein mittelgroßer Kerl mit einer Halbglatze und erwartungsvoll blickenden Augen, musterte die Männer wohlwollend. Seelords brachten für gewöhnlich Geld, anders als diese einfachen Knechte und Penner, die bei einem Humpen stundenlang herumhockten und große Sprüche klopften.

Neben dem Wirt stand ein Kerl in einem dunklen Wams und schweren Holzschuhen. Er wirkte wie ein Büffel, und seine Pranken standen denen Carberrys nicht viel nach.

„Ho, Männer“, fing der Wirt an. „Seid ihr von der Galeone, die im River liegt?“

Mittlerweile waren auch die anderen an die Theke getreten. Roscill sah sich immer wieder nach der Schwarzhaarigen um, die ihm verstohlen zuzwinkerte.

Der Profos hämmerte seine Pranke auf die Holztheke, daß der ganze Laden zitterte.

„Wollen wir hier dämliche Fragen beantworten oder saufen, Jungs?“ fragte er.

„Saufen natürlich“, fiel der ganze Chor ein.

„Na also, dann laß mal den Branntwein antanzen, Mann!“

„Sehr wohl, Sir“, sagte der Wirt und gab dem Büffel neben sich ein Zeichen, damit der gleich mit dem Einschenken begann.

Jetzt erst sahen sich die Männer richtig um.

Die Schenke war schmuddelig, aber das waren fast alle Hafenkneipen. Mächtige Eichenbalken trugen die verräucherte nachtschwarze Decke, von der ein paar Ölfunzeln herabhingen. Links und rechts an den langen Holztischen kam nur noch schwach das Licht hin. Dort hockten Männer und Frauen, die Männer zum größten Teil Fischer, die Frauen ausnahmslos Hafenhuren. Ein paar würfelten. Andere hockten nur da und stierten in die Humpen.

Ein bärtiger Kerl fummelte einer kichernden Hure ständig unter dem Rock herum. Der Bärtige hatte Schlagseite, was ihn jedoch nicht davon abhielt, gründliche Forschungen anzustellen.

„Cheers“, sagte der Profos und hob das Glas.

„Cheers!“ brüllten die anderen. Der scharfe Branntwein gluckerte durch durstige, ausgedörrte Kehlen.

Eine der Ladies löste sich aus dem Halbdunkel der linken Tischreihe und stöckelte an den Tresen. Sie hatte lange, hellblonde Haare, einen grell geschminkten Mund und große helle Augen. Ihre Stimme klang wie der Wind, wenn er durch die Pardunen fuhr und sie grell singen ließ.

„He, Freunde! Und ich? Kriege ich nichts?“

Sie hatte selten so viele Bewunderer auf einmal gehabt und badete förmlich in den Blicken, die sie schon auszogen.

Sven Nyberg legte ihr den Arm um die Hüfte.