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Veronika Beer

Ein Jahr
in Stockholm

Reise in den Alltag

Für – ee–

Originalausgabe



© Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2010

Alle Rechte vorbehalten

www.herder.de



Datenkonvertierung eBook: le-tex publishing services GmbH, Leipzig



ISBN (E-Book) 978-3-451-33435-1

ISBN (Buch) 978-3-451-06084-7

januari

Mein Kopf pocht. Ich kippe kochendes Wasser über ein Päckchen Aufgusskaffee und rühre so lange in der Tasse, bis die letzten Pulverkügelchen aufplatzen, sich dem Koffeinstrudel hingeben und meine Gedanken klarer werden. An Tagen wie diesem sollte ich besser im Bett bleiben, statt dem Ruf der Fremde zu folgen. Bin ich eigentlich übergeschnappt, mein wunderbares Leben gegen das große Unbekannte einzutauschen?

Ich atme und hoffe schwer, dass wenigstens der Balkon trägt, als ich nach draußen trete und mich gegen die Balustrade lehne. Und da stehe ich nun im Stockholmer Sprühregen und über dem grauen Grünstreifen entlang der Skeppargatan, die ich mein neues Zuhause nennen darf. An der Kreuzung zur Strindberggatan schämt sich ein vernagelter Kiosk seiner desolaten Optik, in der Ferne dampfen Industrieschornsteine.

Das also ist es, worauf ich ein knappes Jahr hingearbeitet habe. Wie sieht der Traum von Schweden noch mal aus? So? Ich bin verunsichert.



Dabei war ich so zuversichtlich gewesen, was meinen neuen Lebensentwurf anging. Irgendwie hatte sich in den Jahren das Gefühl eingeschlichen, da könnte noch etwas sein, ohne dass ich genau wusste, was und warum. Ich hatte eine tolle Familie, Spitzenfreunde, zwei Zimmer, Bad und Balkon für mich. Ich mochte meinen Job und liebte München mit seinem Englischen Garten, den Kiesbänken in der Isar, den Kneipen und Biergärten in den romantischen Hinterhöfen. Dennoch hatte ich schweren Herzens mein Auto abgemeldet, Freund und Hund zurückgelassen und mich vom Alltag verabschiedet. Ich hatte die Herausforderung gesucht und Stockholm gefunden. Hatte ein WG-Zimmer, konnte die Sprache und kannte die Tücken – so dachte ich und glaubte, alles würde gut. Aber natürlich hüpfte der Hase ganz anders.

Da kreiste schon einmal kein Rucksack auf dem Gepäckband am Flughafen Arlanda und auch kein Trolley. Auf der vierzigminütigen Busfahrt ins Zentrum übergab sich das Kind vom Rücksitz in meinen Nacken. Am Hauptbahnhof verkaufte mir der Mann im Pressbyrån-Kiosk dann eine Schülerjahreskarte für den Nahverkehr – wahrscheinlich, weil ich auf seine diversen schwedischen Nachfragen zeitverzögert nickte.

Am Karlaplan, wo meine Wohnung lag, brannten kurz vor meiner Ankunft die Kabel für die t-bana, Stockholms U-Bahn, durch; meine Linie fiel für den Rest des Tages aus. Oben am Taxistand warteten drei Leute im Glashäuschen – und geschätzt zehnmal so viele als feinsäuberlich sortierte Menschenschlange im Platzregen dahinter. Nein, das dauerte mir zu lange. Ich setzte mich wieder an den Bahnsteig und suchte im Stadtplan nach einem Ausweg. Für die Anmeldung zum Schwedischkurs war es nun ohnehin zu spät. Ich hoffte bloß, ich würde meine Vermieterin noch mit dem Wohnungsschlüssel antreffen – sie telefonisch zu erreichen hatte ich längst aufgegeben.

Irgendwann nahm ich eine t-bana zur Station Stadion. Von dort aus war der Weg zur Wohnung weiter, und zu allem Überfluss fand ich mich von dieser, der westlichen Seite, überhaupt nicht zurecht. Erst nach planlosem Einkreisen der Gegend zwischen Königlicher Musikhochschule, Militärareal und Deutscher Botschaft passte alles zusammen: Haus, Straße, Nummer.

Auf Klingelschildern, die so wohlklingende Namen trugen wie Rosenqvist und Blomstrand, suchte ich nach einem Hinweis auf meine Vermieterin. Als ich noch stand und stutzte, öffnete eine Frau die Eingangstür in meinem Rücken, bugsierte mich in den Fahrstuhl und drückte Knopf vier. Sie vermied es zu sprechen, und auch ich wusste nicht recht, was ich sagen sollte. Oben schob sie mich durch eine Wohnung, ums Eck, in ein Zimmer. Kaum war sie – „Hej då!“ – verschwunden, ächzte es unter mir, und das Bett, auf dem ich mich erschöpft niedergelassen hatte, stand nur mehr auf zwei Beinen. Kurz darauf knackte es erneut, diesmal an der Wohnungstür. Jemand schien etwas abzuholen; dann schrie ein Schwede: „Das war’s! Ich komme nicht mehr wieder!“

Hier trugen sich sonderbare Dinge zu.



Der Kaffee auf dem Balkon wärmt meine Finger und bald auch die Seele. Was soll jetzt noch schieflaufen? Mit ein wenig Glück ist die Frau von eben sogar meine Vermieterin Gunilla. Stockholm beginnt. Und ich will nur das sehen, was mir gefällt. Die Kindertagesstätte mit Garten im Parterre zum Beispiel, wo sich der Nachwuchs im Schlamm suhlt und in Wikingerschiffen um die Wette brüllt. Kleine Schweden kriechen dort unten aus typisch falunroten Holzhäusern, um den Vordermann an der Hose zu reißen, sodass, wer nicht flink genug unterwegs ist, mit blankem Hinterteil in den Pfützen landet. Manchen trifft es heute gemeiner als mich, stelle ich beglückt fest und schlüpfe hinein ins Trockene.

Mein Optimismus wird unterstützt von etwas Wohnungsluxus: einem Geschirrspüler und schönem dunklen Parkett. Zudem gehört mir eine eigene tvättstuga, eine Waschküche, in der ich schleudern, trocknen und bügeln darf, bis mir schwindlig wird. Das Bad hat Fußbodenheizung und, unüblich und besonders erfreulich: keine dieser seltsamen schwedischen Duschen ohne Wanne und Schiebetür, die aus einer einfachen Brause und einem Sieb im Boden bestehen. Bei einer solchen Konstruktion sprudelt es nicht nur auf schmutzige Körper, sondern ebenso ausgiebig auf Toilettenbrillen, Spiegelschränke und Klorollen. Die Sauerei machen dann saubere Menschen im zweiten Waschgang mit Wischmopp und Fensterabzieher rückgängig, so gut es geht. Doch mir gehört eine Badewanne, sogar mit Duschvorhang. Wenn das mal nichts ist.

Mein WG-Zimmer ist eher spärlich eingerichtet. Der Schrank im Eck gemahnt an die Stabilität eines Kartenhauses. Der Tisch am Fenster ist Eiche rustikal, die Matratze aus durchgelegenem Schaumstoff. Einer fremdelt in diesem Sperrmüllambiente und erklärt sich solidarisch mit mir: ein antiker Mahagoni-Kasten, auf dem ein Fernseher thront. Die Schubladen sind abgesperrt. Weit und breit kein Schlüssel. Doch immerhin: ein dekorativer Anfang.

Da es nichts zu entdecken, auszupacken und auch niemanden zum Kennenlernen gibt, beschließe ich, jene Ecken des Stadtteils Östermalm zu erkunden, welche ich beim Irrlauf um die Häuser noch nicht begutachtet hatte.



Der Regen ist vorüber. Als ich über den Innenhof mit der meterhohen Weihnachtstanne, der gehissten Schwedenflagge und tatsächlich auch einem Schwung hoppelnder Hasen auf die Straße laufe, springen die Laternen auf den breiten Alleen an. Immerhin ist es schon drei Uhr, Dämmerstunde um diese Jahreszeit für die Bewohner des 59. Breitengrades. Interessant und schockierend zugleich. Knapp 800 000 Stockholmer teilen sich sechs Stunden Tageslicht. Das muss genügen, schließlich dürfen Mensch, Tier und Pflanze oberhalb des Polarkreises noch eine geraume Weile warten, bis sich die Sonne überhaupt wieder blicken lässt. Wahrscheinlich der Hauptgrund, weshalb das schwedische Norrland derart dünn besiedelt ist. Denn schön ist es allemal.

Den Lichtmangel versuchen die Hauptstädter durch übermäßig üppige und langzeitige Weihnachtsbeleuchtung auszugleichen. Das entdecke ich, als ich von der Artillerigatan auf den Karlavägen abbiege. Über Glühbirnen schimmern allerorten rote und weiße Papiersterne; an Regenrinnen kräuseln sich Lichtgirlanden und betonen die Maserungen des Jugendstils auf den Häuserfassaden mit dumpfem Schein.

In Deutschland hatte mich diverse Reklame an den Sankt-Knut-Tag erinnert, derzufolge den schwedischen Tannen zwanzig Tage nach Weihnachten bei der großen Baumplünderung ihr Schmuck geraubt wird. Jetzt sollten hier eigentlich Gestrüppbündel aus den obersten Fenstern fliegen. Allüberall. Stattdessen zieren noch immer prächtig grüne Nordmanntannen die Wohnzimmer und siebenarmige Leuchter die Fensterbänke. Knut ist und bleibt ein Eisbär aus Berlin.

Ich spähe in eine Küche und entdecke einen Kronleuchter, an dem violette Glaskugeln neben Strohsternen herrliche Effekte an die Decke werfen. Darunter sitzt ein Mädchen, das mir zuwinkt. Die Frau daneben erkennt unsere Kommunikation nicht und lässt die Jalousie nach unten, ehe ich reagieren kann. Ich muss so bald wie möglich Schweden kennenlernen, um genauere Einblicke in ihre Lebensgewohnheiten zu erhalten.



Erst einmal aber muss ich essen. Da trifft es sich gut, dass alle dreißig Meter die Leuchtschrift eines Supermarktes durch die Finsternis sticht, die tägliche Öffnungszeiten von 7 bis 23 Uhr verspricht. Zur Sicherheit greife ich mir drinnen zuallererst zweimal Deo, zweimal Waschgel und zwei Zahnbürsten aus dem Regal, denn:

Ta två, betala en! Nimm zwei, zahl eins,
empfehlen rote Papp-Plakate, und weil ich hier fremd bin, mache ich natürlich, was mir gesagt wird. Wer weiß außerdem schon, ob ich meine Koffer heute noch sehe – und ob überhaupt. Mit Blick auf die Kronen-Preise wird mir dann doch mulmig zumute. Wer München gewohnt ist, dachte ich, wäre andernorts dagegen gefeit, Etiketten auf ihre Ernsthaftigkeit überprüfen zu müssen.

Doch was ist das? Eine Wand, zwei Meter hoch, zwanzig Meter lang, die alles von der Kuh beherbergt. Zu verstehen sind noch die verschiedenen Fettstufen von standardmjölk, mellanmjölk, lättmjölk und minimjölk. All diese Milch gibt es aber auch in der Bio-Variante, in „laktosefrei“ und mit Fruchtgeschmack. Dann sind da lättfil, filmjölk und fjällfil aufgetürmt. Fil im Allgemeinen, so meine Interpretation beim Schütteln, ist dickflüssige Milch. Dies ist aber nur schwer auszumachen, da alles, aber auch alles im Tetrapak steckt. Weil den die Schweden erfunden haben, dominiert er die Regale. Nicht fehlen dürfen dort hälsofil, a-fil, f-fil, långfil, gräddfil, matyoghurt, mezeyoghurt, k-yoghurt, fjällyoghurt, lättkefir, gammaldags mjölk, lattemjölk, baristamjölk sowie ihre Kollegen keso und kesella und das alles wiederum in x Nuancen, die entweder in Richtung Sahne, Crème fraîche oder Kefir gehen. Du liebes Bisschen. Hier gibt es tatsächlich alles, was der Milchmarkt je hervorgebracht hat. Nein, halt: alles außer dem Quark, den ich wollte. Sehr eigenartig.

An der Kasse sortiert eine ältere Dame ihre Kronen und Öre auf dem Laufband, bevor sie diese nach und nach durch einen Silberkasten klimpern lässt. In Deutschland hätte schon längst jemand zu stänkern begonnen, andere wären hektisch von einem Bein aufs andere gestiegen. In Schweden ist stå i kö, das leidige Schlangestehen, hingegen Volkssport. Ebenso wie Telefonieren übrigens. Es gibt mehr Hörmuscheln als in London, Handygespräche laufen quasi zum Nulltarif, und dementsprechend klemmt auch fast jedem eine Freisprecheinrichtung am Ohr. Dieses Alltagsphänomen erschließt sich mir alsbald – und dennoch entfährt mir immer wieder eine Antwort, wenn unsichtbar telefonierende Leute Fragen stellen und mir dabei in die Augen sehen.

So zumindest harren die Kunden vor mir gelassen der Dinge, plaudern vor sich hin, Wort an Wort, Glied an Glied, bis sie an der Reihe sind. Es dauert. Sehr lange. Irgendwie jedoch hat diese Warteschleife etwas Meditatives: Da hätten wir einmal: die Langsamkeit in Person, und dahinter: die geballte Gemütsruhe. Ein Volk wie Buddha.



Zuhause bin ich plötzlich nicht mehr allein. Hinter einer Tür am Eingang rumpelt es. Ich bin unschlüssig, ob ich klopfen soll, hüsteln oder stehen bleiben, und ziehe mich stattdessen in die Sicherheitszone meines Zimmers zurück. Dort ist es allerdings nicht lange sicher. Herein kommt eine junge schwedenblonde Frau, die Kleidung aus meinem Wackelschrank räumt. Beim Hinausgehen falle ich ihr auf. „Oh, ’tschuldige, hab dich nicht gesehen“, sagt sie auf Deutsch und streckt unter dem Klamottenstapel eine Hand hervor: „Ich bin die Caro. Und du bist Vero. Wart mal kurz.“ Sie trägt die Sachen ins andere Zimmer, von wo aus ich es wieder rumpeln höre.

Was für ein Chaos! Ich habe schon viel, aber noch nie erlebt, dass WG-Mitbewohner ihre Sachen über alle Zimmer verteilen. Oder ist heute großer Aus-, Ein- und Umzugstag? Das jedenfalls ist Caro. In ihrer Annonce auf der Stockholmer Wohnungssuchplattform im Internet hatte sie sich so beschrieben:

Ich (w), 26, Nichtraucher, suche möbliertes Zimmer in netter WG. Waschmaschine wäre super. Ohne Internetanschluss gehe ich ein wie eine Blume ohne Wasser. Komme aus Dresden, wo ich bislang mit Freund und Hamster zusammenlebe. Doch die müssen vorerst in Sachsen bleiben ... Freue mich daher, jemanden kennenzulernen, der das „Abenteuer“ Schweden mit mir wagt. Gemeinsam sind wir stark. Bis dahin tschüssi, Carolin

Seit dieser Präsentation ist sie mir sympathisch. Und sie ist mir eine Verbündete in der Fremde unter Fremden. Neben ihr und mir soll eine dritte Person in der Wohnung leben. Meine Vermieterin hatte mir in einer E-Mail Flugbegleiterin My als sehr nett und schwedisch präsentiert, allerdings vor meiner Abreise knapp berichtet:

My wird nicht in die Wohnung einziehen, sie muss in eine andere Stadt. Stattdessen wohnt da nun ein lieber Mann, der Oskar heißt. Oskar ist Schwede. Er arbeitet beim Fernsehen. Frohe Weihnachten und ein gutes neues Jahr.

Oskar also. Ob er das vorhin gewesen war? Der, der nie mehr wiederkommen wollte? Ein kurzes Gastspiel. War doch ein Haken am neuen Heim? – „Fika?“, fragt Caro in meine Richtung und reißt mich aus den Gedanken. Sie hat mich von der Türschwelle aus eine Weile beobachtet. „Macht man hier so. Was ist eigentlich mit deinem Bett passiert?“



Nun werde ich eingeweiht. Zunächst in die fika-Kultur: fika bedeutet Kaffee trinken, wofür die Schweden extra ein viel strapaziertes Verb erfunden haben, das gleichsam allgegenwärtiges Substantiv ist. Dricka kaffe klingt für das liebste Hobby einer ganzen Nation einfach zu lahm. Ein Schwede trinkt mehr als 1700 Tassen Kaffee pro Jahr, also fünf Tassen täglich. Demnach führt er die Weltrangliste des Pro-Kopf-Verbrauchs an und wird – wenn überhaupt – nur noch knapp vom finnischen Nachbarn geschluckt.

Um dem vorzubeugen, werden Kaffeekränzchen fest in den Tagesablauf eingebettet. Wann immer Zeit ist, wird eine fika-Pause eingelegt, im Café, im Aufzug, im Bus, beim Arzt, im Park, beim Nachbarn, an der Uni, auf der Straße, zu Hause, überall, vor allem aber am Arbeitsplatz. Dort betreiben die Angestellten einmal vormittags und mindestens einmal nachmittags genüsslich diese Prozedur, bei der absolut niemand stören darf. Kein Spaß. So eine fika ist eine ernste Sache – und nichts, womit sich Caro vor ihrer Arbeit im tyska turistbyrån, der Deutschen Zentrale für Tourismus, drückt: „Es ist ein informelles Treffen unter Kollegen, um sich vernünftig und ohne Stress austauschen zu können, weißte?“ Interessant und raffiniert, denke ich. Hier bin ich richtig. Und mit Tasse Nummer drei liege ich gut im Rennen.

„Haste denn auch so seltsame Angebote bekommen?“ Caro spricht von den ominösen Wohngelegenheiten auf der monatelangen verzweifelten Suche und eröffnet die Parade der Kuriosa mit einem Durchgangszimmer, in das sie sofort hätte einziehen können. „Dahinter wohnte erstens: ein Chilene. Und noch mal eins weiter hinten: ein Medizinstudent aus Madrid.“ Mühelos setzt sie die Reihe mit Beschreibungen von Zimmern mit Handtüchern statt Türen und dem Verbot von Schinkenkonsum fort. „Die ersten Nächte musste ich dann tatsächlich bei vier anderen auf so ’ner Spielwiese verbringen, und die neben mir schlief immer nackt. Nie wieder Couchsurfing, sag ich dir!“

Ich kontere mit der Möglichkeit, in einem Bauwagen im Garten zu wohnen und die Toilette im Haus mitzubenutzen, nach zeitlicher Absprache sogar die Dusche. Und mit der Option, das Zimmer bei einer fünfzigjährigen Dänin zu beziehen, die nachts im Wohnzimmer Orakelsitzungen abhält. „Einem Kalle sollte ich Ganzkörperfotos zuschicken, auf denen ich nicht zu viel trage“, erinnere ich mich an eine Annonce, die mit „Billiges Zimmer im Zentrum, nur für Frauen“ überschrieben war: „Und meine exakten Maße sollte ich nennen.“

Wir versuchen, trotz alledem fest an das Gute im Stockholmer zu glauben.

Das Lachen vergeht mir kurzzeitig, als ich in Caros Zimmer spähe: ein fensterloses Kabuff ohne Deckenlicht. Um den Grund für die Misere zu erkennen, braucht es wenig Scharfsinn. Zwischen Caros und meinem Raum war nachträglich eine bessere Pappwand eingezogen worden. Das große Fenster des ehemaligen Wohnzimmers hatte ich abbekommen. Meiner Mitbewohnerin blieben dunkle siebeneinhalb Quadratmeter für umgerechnet 350 Euro.

„Deshalb ziehst du wohl schon wieder aus?“, frage ich und bin ein bisschen bange. Gerade hatte ich sie lieb gewonnen. Eine fika bringt Menschen eben zusammen. „Quatsch“, erklärt sie, „ich ziehe nur von deinem Zimmer in mein kleines. Das muss reichen in dieser reichen Stadt. Bis heute morgen hat da Ola drin gewohnt. Ist aber jetzt weg, so wie ich das sehe.“ – „Vorhin war auch noch ein Mann da“, berichte ich. Caro grinst. „Nu, klar! Ola ist ja ein Männername. Hab ich auch nicht gleich begriffen.“

Es tut gut, eine Leidensgenossin zu haben, die mich heil über die ersten Tage bringt. Ich halte ihr wortlos meine Tasse zum Nachschenken hin. Das heißt påtår, „Träne drauf“, und ist auch in den Cafés meist kostenlos. So viel zumindest habe ich kapiert.



Mein erster Samstag in Stockholm beginnt schwedisch-traditionell in einem systembolaget, kurz systemet, einer staatlichen Institution, die das Monopol auf Alkoholverkauf ab 3,6-Prozentigem hält. Um Alkoholprobleme einzudämmen oder zu verhindern, soll ein vernünftiger Handel ohne Profitgier betrieben werden. So steif erklären stylische junge Leute auf Plakaten am Eingang Caro und mir die Existenzberechtigung derartiger Läden. Auch mein Gepäck ist von seinem dreitägigen Ausflug nach Bukarest zurückgekehrt. Zwar sind Föhn und Fotochips defekt, aber ich bin überglücklich über meine Unterwäsche und einen Schlafanzug bei nächtlichen minus acht Grad. Darauf muss angestoßen werden.

Bloß womit? In Trauben von Nordlichtern quetschen wir uns an die Vitrinen, um Zugriff auf allerlei snaps, vin und starköl, völlig normales Bier, zu gewinnen. Doch anders als in unserem liberalen Einkaufszentrum darf in diesen Geschäften oft nichts angefasst werden. Das bedeutet: Der Kunde begutachtet die Vielfalt und bestellt an der Kasse eines von 7000 Gär- und Brennprodukten aus vierzig Ländern. Etliches hier drinnen aber ist schwedischer Herkunft, auch wenn ich hinter Absolut Vodka die Russen vermutet hätte. Absolut schwedisch. Auch die Preise. Da kann ein bisschen Apfelmost so viel kosten wie zwei Tage Skiurlaub im noblen Norden von Åre.

Wir greifen uns den günstigsten Rotwein ohne Lakritzgeschmack und versuchen, auf direktem Weg zu den Kassen zu gelangen. Nicht so einfach. Von gesittetem Schlangestehen ist im systemet nichts zu sehen. Besonders in den Rum-, Wodka- und Likör-Fluren herrscht hektisches Treiben, was aus der Ferne einem massenhaften Geschunkel gleicht und sich Richtung Kasse in eine schwungvolle Polonaise fortsetzt.

„Heute ist es besonders wild“, berichtet Caro. „Davor haben die mich auf der Arbeit gewarnt. Ist das Wochenende nach dem 25., an dem die Schweden ihr Gehalt kriegen.“ – „Und das kippen sie sich gleich in einem Zug hinter?“, frage ich baff.



„Just det“, bestätigt Oskar am Abend, als er sich ein Bier öffnet.

Auch wir waren uns am allerersten Tag begegnet. Ich hatte mich trotz der Aussicht, danach in meine verschwitzte, verdreckte Kleidung zurückschlüpfen zu müssen, für eine Dusche entschieden. Abgeschlossen hatte ich auch, wie ich meinte – bis ein dunkelhaariger Mann auf dem Badvorleger stand und mich entgeistert betrachtete.

Skandinavische Türen sind tückisch, weil sie nach keinem erkennbaren Prinzip mal in Richtung des Riegels verschlossen werden und genauso oft dagegen. Viele Fenster wiederum können nur geöffnet werden, indem man einen Knauf mit der einen Hand zur Decke zieht und gleichzeitig mit der anderen derart besessen an einem Hebel ruckelt, als bekomme man soeben den Teufel ausgetrieben. Einfaches Kippen für sanfte Belüftung ist nicht vorgesehen. Nachahmenswert finde ich hingegen die Sandwich-Jalousie, die zwischen zwei Scheiben klemmt; sie verzwirbelt nicht und verlangt auch nie danach, geputzt zu werden.

„Und die Alkoholläden brauchen wir, weil wir sonst den lieben langen Tag betrunken wären.“ Oskar gibt sich erst gar keine Mühe, sich und seine Landsleute in ein besseres Licht zu rücken. Er findet es kulturell erstrebenswert, sich am Wochenende seinen Gelüsten hinzugeben; Alkohol ist eines davon.

Nüchtern betrachtet ist seine Einschätzung nicht völlig verkehrt. Amerikanische und schwedische Forscher bringen in regelmäßigen Abständen Studien über die Folgen einer Monopolabschaffung heraus, in denen von einem um dreißig Prozent steigenden Konsum und 16 000 zusätzlichen Krankheitstagen pro Jahr die Rede ist. Dennoch hat es der systemet in einem grenzenlosen Europa immer schwerer, sich zu behaupten. Mehr als die Hälfte aller alkoholischen Produkte in Schweden stammt mittlerweile vom Schwarzmarkt und aus dem Ausland.

Obendrein ist Schiffchenfahren im Norden sehr angesagt – wohl der natürlichen Verbindung der Schweden zum Wasser wegen, aber auch, weil Alkohol auf hoher See weder verzollt werden muss noch mit den sonst so hohen Steuern belegt ist. Selbst die Fahrkarten dafür werden verschenkt oder verscherbelt, sodass es kaum zu glauben ist, dass einem an Bord keiner Zeitschriften-Abos oder Heizdecken aufzwingen will. Nach den obligatorischen Bingo-Runden wird dermaßen ausgelassen gefeiert und gegrölt, dass mir die Reeperbahn und das Oktoberfest plötzlich wie gesittete Altherrenstammtische vorkommen. Am Stockholmer Hafen erkennt man die Tagesausflügler dann an den Handkarren, auf die sie sich stützen und die für die bessere Balance palettenweise mit Schnaps- und Bierkisten beladen sind. Genau so hat Oskar diverse Male Finnland, Lettland und Norwegen bereist, ohne je von Bord zu gehen. Und er ist immerhin der erste Eindruck, den ich von einem Schweden bekomme.



Weil mich die sterile Klinik-Atmosphäre in meinem Zimmer ganz krank macht, beklebe ich die Wände mit Fotos, Kalendern, Landkarten und Nahverkehrsplänen. In Kombination mit den Salatköpfen auf der Fensterbank wirkt das, als wohne hier eine Schildkröte mit Fernweh und Orientierungsproblemen.

Im Dauerdunkel hatte ich es bald aufgegeben, so etwas wie eine Blütenkultur am Fenster zu züchten. Selbst Asparagus und Christdorn sahen an besonders schwarzen Tagen aus wie Trauerweiden. Deshalb hatte ich beschlossen, mein Fensterbrett mit einem Stück Natur zu bevölkern, das wir beim ersten Schwächeanfall verspeisen konnten.

In Schweden steckt der Salatkopf im Tontopf – ein Wissen, um das ich Caro voraus war, da ich meine Blamage bereits bei einem Supermarktbesuch im Tallinn-Urlaub vollzogen hatte. Unfähig, den Sinn auch nur eines estnischen Worts zu erahnen, hatte ich mich in der Gemüseabteilung vor eine Verkäuferin gestellt und sie in der weltweit gültigen Pantomime-Sprache gefragt, ob man die uns umgebenden Waren denn tatsächlich essen könne. Die Frau hatte so erschrocken dreingeguckt wie ein Reh im Scheinwerferlicht und war ohne Antwort im Grünen verschwunden.

Es schellt an der Wohnungstür. Durch den Spion erkenne ich die hoffentliche Gunilla mit einem Mann, ihrem eigenen vermutlich. Gunilla stellt sich als Gunilla vor, ihr Mann als Gustav. Beide haben sich ein strammes Programm für den Abend überlegt.

Gunilla gibt Caro und mir eine Führung

  1. durch die Wohnung (knapp fünfzig Quadratmeter, die wir inzwischen sehr gut kennen),
  2. durch das Haus (einen hässlichen Betonkomplex, den wir nicht unbedingt kennenlernen wollen);
  3. durch ihre Riesenwohnung eine Etage tiefer (praktisch vier Wohnungen am Stück, aus denen wir einige Zeit nicht mehr hinausfinden);
  4. um das Haus herum: unter anderem zur Abfallgarage (elf Container gleichen Inhalts, wo getrennter Müll folglich wieder zusammengeschüttet wird) und
  5. zu den Löchern in der Wand im Hausflur, durch die aus jedem Stockwerk der in Plastik verpackte Hausmüll sturzfliegt. (Da die Luken aussehen wie Waschmaschinen, sind Missverständnisse programmiert. Ein älterer Herr wirft ein paar Tage später zwei Hosen und ein zusammengelegtes Hemd in die Öffnung – mit dem Auftrag wohl, dass beide sauber heimkehren mögen.)

Wir haben Mühe, geistig und physisch mit Gunilla Schritt zu halten. Als wir mit einer Menge neuer Schlüssel in die Wohnung kommen, hat Gustav daumengroße Löcher in alle sechs Türrahmen gebohrt. Gerade balanciert er auf zwei Cocktailstühlen und versucht in einem gefährlichen Wackelmanöver, mit Draht Ethernetkabel in den Aussparungen zu verzurren. Wir hatten angemerkt, dass es bislang nichts war mit der versprochenen Internetverbindung, aber deswegen muss sich ja niemand die Beine brechen. Ich halte einen Stuhl und einen Unterschenkel von Gustav so fest ich kann und versuche nicht über den ulkigen Zustand zu lachen, als ich Caro spiegelverkehrt gleiche Dienste leisten sehe.

Kurz darauf ist mitten im Hochtechnologieland Schweden ein Dutzend Kabel quer über die Wohnung verteilt, ausgehend von der großen Schaltzentrale hinter der Küchencouch. Sie hängen teils auf Scheitelhöhe, schlängeln sich wie bei Tarzan die Lianen, sind die Attraktion bei Gästen – und quittieren Menschenkontakt mit sofortigen Aussetzern. Caro sagt, was sie immer sagt, wenn sie außer sich ist: „Tolle Wurst!“ Sie hatte über das Internet mit ihrem Freund telefoniert – bis Oskar beschloss, dass die Kabel vor dem Kühlschrank nerven und umgehend abzuhängen sind. Die Leitung ist tot, und jetzt muss er dran glauben, denke ich bei dem Rabatz im Flur.

Caro schlägt klare Töne über Oskars WG-Untauglichkeit an, die sich schon in den ersten Tagen eklatant offenbart habe. Das Zusammenwohnen einiger Fremder auf engstem Raum ist hier einfach nicht so verbreitet wie in deutschen Großstädten. Als Oskar verlegen kichert, weil er mit der direkten Kritik überfordert ist, und Caro die Zornesröte ins Gesicht steigt, ist es höchste Zeit, auf die Party zu gehen.

Sanne, eine Arbeitskollegin von Caro, hat uns eingeladen. Sie wohnt dreihundert Meter Luftlinie entfernt und will uns die schwedische Fetenkultur nahebringen. Phase eins: geselliges Vorglühen bei ihr zu Hause, da der mitgebrachte Alkohol aus dem systemet im Gegensatz zu den Cocktails in den Bars noch halbwegs bezahlbar ist. Phase zwei: hektisches Aufspringen gegen elf, dann im Gänsemarsch zum Östermalmstorg, wo Männer ohne Jacken und Frauen in Miniröcken ausgiebig Schlange stehen wollen, um dann in den Clubs von früheren Fußballgrößen und russischen Bordellbesitzern mit allerhand Prominenz durch die Nacht zu feiern und auf der Toilette am Flachmann zu nippen. Phase drei: heimliches Ausscheren aus der Gruppe auf dem Nachhauseweg, um beim Ausnüchterungsnickerchen am Straßenrand neue Bekanntschaften zu schließen.

Vor diesem Labsal aber sitze ich noch im Warmen neben Elin, meiner ersten schwedischen Bekanntschaft außer Haus, der ich berichte, wie ich Stockholm bei der Interrail-Durchreise für mich entdeckt habe. Das geht noch ganz gut. Ein Jahr Sprachkurs an der Volkshochschule bringt mich beim Zuhören jedoch sofort an meine Grenzen. Ich warte auf die Chance, Signalwörter aus Unterhaltungen zu filtern, um sie in meinem Kopf sinnvoll zusammenzustöpseln. Allerdings sind die riksvensk, also günstigerweise fast dialektfrei sprechenden Stockholmer in ganz Schweden für ihr Sprechtempo verschrieen – im Gegensatz zu den Schonen im Süden, die sich auf jeden Vokal setzen und ihn genüsslich breit drücken. Die Österreicher Schwedens sozusagen. Der Hauptstädter spricht in etwa jede dritte Silbe aus – für meinen Bedarf viel zu wenig. Ich brauche eine Auszeit vom Kopfzerbrechen. Caro ist im Pulk verschwunden.

„Wo ist Lars?“, frage ich Elin. „Lasse? Jante settan!“, sagt sie – wieder so eine unbegreifliche Silbenkombination, die meinen Fluchtinstinkt verstärkt.

Ich entdecke ihn in der Küche. Lars ist Schwede, groß, blond, sonnenverwöhnt. Und des Deutschen mächtig. Nach zwei Jahren, die er in Hamburg gearbeitet hat, ist er in seine Geburtsstadt zurückgekehrt. Sanne hatte uns einander vorgestellt, und wir hatten über den Schneesturm philosophiert, in den die meisten Gäste auf dem Weg zur Party geraten waren. Er hatte auf ihren Köpfen die verrücktesten Frisuren kreiert, die wir wie Schäfchenwolken zu deuten versuchten.

„Jante settan“, wiederhole ich und erliege kurz dem illusionären Wunsch, dass auch ihm die vorgeworfenen Sprachbrocken Rätsel aufgeben. „Jaha. Jag har inte sett honom, meinst du wohl. Wen hast du denn nicht gesehen? Suchst du jemanden? Ist nicht leicht am Anfang mit den Gesprächen, was?“ – „Ach, frag nicht! Ich komme mir richtig dumm vor.“

Lars lächelt, drückt mir eine Tasse glögg in die Hand und ruft das, was ich ständig von Schweden höre, wenn eine Portion Gelassenheit vonnöten ist: „Ta det lugnt!“ Gut, ich nehm’s locker. Anders geht es wohl auch nicht.

Die über die Nacht ertanzte Entspannung hält wunderbar an, bis Caro und ich nach Hause kommen. Auf der Toilette hängt für sie rosafarbenes Klopapier mit eingestanzten Herzen. Die schwedische Art der Konfliktbewältigung werde ich mir noch genauer anschauen, denke ich belustigt, als ich mit müden Gliedern auf meine Matratze am Boden krieche. Mein Puls ordnet sich friedlich dem der feiernden Stadt unter. Sie und ich, wir harmonieren schon ganz gut.



Jetzt:

Augen zu.

Und durch.

februari

Die Stadt ist eine Wolke aus Zimt. An jedem Eck treffe ich auf herrliche Gerüche und jage ihnen hinterher wie Tom Jerry und Jerry dem Käse. Meistens sind es kanelbullar, die Neuankömmlinge wie mich über alle vierzehn Zentrumsinseln duftwandeln lassen. Die gemein guten Hefekringel sind mit einer Ladung Zimt und Kardamom gefüllt und liegen unter Hagelzucker begraben. Bei Caro und mir schlägt dieses Aroma an wie die Glocke bei Pawlow’schen Hunden. Es hält uns in seinem Bann und ist schuld daran, dass wir in den ersten drei Wochen vier Kilo zunehmen. Jeweils.

Hinzu kommen besondere Anlässe wie fettisdagen, der fette Dienstag – zeitgleich zum Fat Tuesday in den USA. Allerdings werden in Schweden keine Wahlen abgehalten, sondern am letzten Tag vor der Fastenzeit semlor gebacken, Hefebälle, die ausgehöhlt werden. Das weiche Innere wird mit Marzipan, Milch und Sahne vermischt und dorthin gesteckt, wo es hergekommen ist. Hefedeckel drauf, und dann schlemmen Caro und ich wieder – diesmal mit unserer Schwedin Elin in der Küche. Sie hatte das Rezept, stand vor der Tür, und wir waren sehr hungrig. „Isst du noch, oder platzt du schon?“, fragt mich Caro bei der dritten semla, und ich lache so hektisch, dass ich beim Luftholen den Puderzucker schnupfe und bis in die Nacht von Niesattacken befallen bin.

Ich habe Annoncen und Aushänge gelesen und Anfragen durch Stockholm geschickt wegen eines Gelegenheitsjobs. Sie sollen mich an Land und Leute heranführen und mich neben meiner Arbeit als freie Korrespondentin für Zeitschriften und Zeitungen über Wasser halten in diesem Ort an der Ostsee, der auch innerhalb der Stadtgrenzen so viel davon besitzt. Riddarfjärden, ein Ausläufer des Mälarensees, trifft auf Saltsjön aus dem Meer. An Slussen, den Schleusen zwischen der Altstadt und der Nachbarinsel Södermalm, stößt salziges Wasser auf süßes. Egal, welches von beiden es ist: Ich hoffe, es steigt mir nicht gleich bis zum Hals.



Lars wartet am Sergels torg auf mich. Er hatte auf Sannes Fest angeboten, mir einige Ecken seiner Metropole zu zeigen. Er nannte sie sein „überschaubares Paradies“, was sich schön gemütlich anhörte. Sven, ein anderer Partygast, sprach vom „Weltzentrum der Solidarität und Gleichheit“. Aha, der Wohlfahrtsstaat also. Für Selma Lagerlöf war sie die „schwimmende Stadt“, und mein Reiseführer titelte, wohl wegen der 57 Brücken, „Venedig des Nordens“. Dieses flunderplatte Resümee von einer Menge Wasser und Wegen darüber müssen bekanntlich auch Sankt Petersburg, Amsterdam, Kopenhagen und Paris ertragen. Origineller fand ich da Oskars Einschätzung, der auf seinen Teller mit Senf, Ketchup, Kaviar und der typischen braunen Soße deutete, in denen köttbullar, Fleischbällchen, und Kartoffeln schwammen: „Das ist Stockholm! Alles eben. Alles klar?“