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Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

Prolog

1.

2.

3.

4.

5.

6.

7.

8.

9.

10.

Glossar

Impressum

PERRY RHODAN – die Serie

 

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Nr. 4

 

Die Ruinenstadt

 

Eine Admiralin im Fronteinsatz – Rhodan strandet auf einer Primitivwelt

 

Robert Corvus

 

 

 

Pabel-Moewig Verlag KG, Rastatt

Das Jahr 1513 Neuer Galaktischer Zeitrechnung: In Anthuresta, einer fernen Sterneninsel, haben Menschen ein neues Sternenreich aufgebaut. Sie siedelten vor einigen Jahrzehnten in das Stardust-System aus, mittlerweile haben sie die Grenzen ihres eigenen Sonnensystems verlassen.

Ihre Raumschiffe erforschen die nähere Umgebung, ihre Abgesandten treten in Kontakt zu außerirdischen Völkern.

In schier unglaublicher Ferne entwickelt sich eine neue Menschheit mit eigenen Visionen und Träumen.

Als Perry Rhodan die Stardust-Terraner im Rahmen einer diplomatischen Mission besucht, gehen alle davon aus, dass es eine harmlose Dienstreise wird. Doch dann verläuft alles anders als geplant: Auf einmal taucht Anthur auf, der sich als Bote der Superintelligenz TALIN bezeichnet – und es kommt zu ersten Angriffen der sogenannten Amöbenschiffe. Wer steckt dahinter?

Während Eritrea Kush, die Admiralin der Stardust-Menschheit, in einen gefährlichen Einsatz geht, sind Perry Rhodan und Anthur auf der Flucht. Sie erreichen DIE RUINENSTADT ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Eritrea Kush – Die Admiralin tauscht ihren Rang gegen ein Abenteuer.

Perry Rhodan – Der Terraner tauscht seinen Anzug gegen ein Leben.

Virvird – Der Schamane tauscht Technik gegen Erkenntnis.

Kerat Tinga – Der Jaranoc verwechselt Stolz mit Wut.

Gwen Soprina – Die Epsalerin versteht die Biologie.

Güramy Triktuk – Die Jülziish versteht jedes Zahlensystem.

Prolog

 

Fesselfelder griffen vom Flaggschiff STARDUST III auf die RIDE THE LIGHTNING über. Ihre Aufgabe bestand nicht darin, die Position des Wracks zu fixieren. Hier draußen, im Leerraum zwischen den Brocken des Asteroidengürtels, gab es kaum Gravitationswirkungen.

Die Energiefelder sollten die strukturelle Integrität des dreihundert Meter durchmessenden Kugelrumpfs der RIDE THE LIGHTNING bewahren. Die Hülle drohte, sich unter der eigenen Masse zu verziehen, weil die fremdartigen Waffen der Amöbenraumer große Teile herausgeschlagen hatten.

Eritrea Kush stand in einer Panoramakuppel oberhalb des Ringwulsts der STARDUST III. Eigentlich gehörte dieser Raum zu den Freizeiteinrichtungen des Schiffs, Verliebte konnten sich hier in einem Sternenlicht küssen, das keine Atmosphäre verzerrte. Nur das wuchtige Schott, das durch die Panzerung ins Innere des 800-Meter-Raumers führte, wies beständig darauf hin, dass man sich auf einem Militärschiff befand.

Eritrea hatte keinen Blick für Far Aways dicht stehende Sterne. Sie sah hinaus auf das Wrack, das sie beschienen. Zusätzlich warfen Reparaturdrohnen, die es wie Mücken umschwirrten, Lichtflecken auf den geschundenen Leib des Kugelraumers. Die größte Bresche klaffte auf halbem Weg zwischen dem Ringwulst und dem oberen Pol. Sie durchmaß einhundert Meter entlang der Flugbahn des Kristalltorpedos, der sie gerissen hatte, und an der breitesten Stelle dreißig Meter.

Bei einem solchen Treffer versagte auch die doppelwandige Panzerung. Fetzen von Terkonitstahl hingen erstarrt im Nichts, als könnten sie sich nicht entscheiden, ob sie mit dem fortgerissenen Teil des Schiffs aus der Schlacht hätten fliehen oder ihn hätten zurückhalten sollen.

Eritrea strich die blonde Strähne aus ihrer Stirn. Sie sah genau hin. Sie wollte die Gefahr, die von den Amöbenraumern ausging, mit eigenen Augen sehen. Ihre Vorstellungskraft ließ sie die Schreie hören, die vor ein paar Stunden durch jenes Schiff gehallt waren.

Befehle, die Ausweichmanöver oder Angriffssequenzen forderten. Unartikuliertes Gebrüll, das die Angst vertreiben sollte. Auf den Feind geschleuderte Flüche. Das Wimmern der Verletzten, die Rufe der Sterbenden.

Die Daten in den durchsichtigen Holos, die Eritrea umgaben, waren präziser als der optische Eindruck von dem Desaster der RIDE THE LIGHTNING. Vierzig Tote, zweihundert Verwundete, der Materialschaden so schwerwiegend, dass noch nicht feststand, ob man das Schiff zurück ins Stardust-System bringen konnte.

Kapitän Pete Guarron würde sich für seinen eigenmächtigen Angriff auf die fünfhundert Meter langen Amöbenraumer, die eine Parkposition um Sepura 2 bezogen hatten, verantworten müssen. Gegenwärtig stellte er sich seiner Verantwortung in anderer Form. Er hatte persönlich die Verlegung der Besatzung auf das Lazarettschiff und die Kampfraumer der Stardust-Flotte organisiert, die sich im Asteroidengürtel sammelten.

Mittlerweile leitete er von Bord des Wracks aus die Stabilisierung der RIDE THE LIGHTNING. Danach würde er sich um die Weltraumbestattung der Gefallenen kümmern. Möglicherweise war das die letzte Pflicht seines Kommandos.

Eritrea vergrößerte ein Holo, das ein signifikantes Update in der Analyse der Waffenwirkung meldete. Die Positronik der STARDUST III hielt die Anzeigen stets aktuell.

Dass der Primärschaden durch kinetische Einwirkung hervorgerufen worden war, zeigten die Verformungen in den Trefferzonen deutlich. Schon die Geschwindigkeit der Geschosse, die beinahe die des Lichts erreichte, legte nach allen Messungen nahe, dass sie nicht aus gewöhnlicher Materie bestanden. Aus der hochdimensionalen Strahlung, die die Sensordrohnen nun bestätigten, schloss das Analyseprogramm, dass die Munition der Amöbenraumer einen wesentlichen Anteil an Hyperkristallen aufwies.

Dieser unbekannten Waffe hatten sie den Namen Kristalltorpedo gegeben.

»Unbekannt« ist gegenwärtig der beste Begriff, mit dem wir diesen Gegner beschreiben können, dachte Eritrea. Deswegen habe ich die Mission Virenkiller befohlen.

Mit dem Husarenstück der RIDE THE LIGHTNING hatte Guarron beweisen wollen, dass man die Kampfstärke des Feindes maßlos überschätzte. Jetzt hatte er das Gegenteil belegt. Statt die fünf Amöbenraumer aus dem Orbit zu vertreiben, hatte er als einzigen bestätigten Abschuss eine 45 Meter lange Walze erwischt. Diese Beiboote hatten wegen ihres warzenübersäten, krank wirkenden Rumpfs und weil sie beständig zwischen der Oberfläche und den Mutterschiffen pendelten, den Namen Virenfähre bekommen.

Bevor die RIDE THE LIGHTNING mit knapper Not entkommen war, hatte sie die Überreste der zerschossenen Walze an Bord geholt. Exobiologen untersuchten sie in einem Labor der STARDUST III.

Das Schott öffnete sich zischend.

Major Trult Hincock war ein fanatischer Kraftsportler. Einige verglichen ihn mit einem Bären, andere bezeichneten seinen Kopf als »Denkbeule auf Schultern«. Selbst seine Uniformen ließ er so schneidern, dass sie die Muskeln betonten.

Schon an der Formalität, mit der er vor Eritrea salutierte, erkannte sie, dass ihr sein Anliegen missfallen würde. »Die BLACK ist eingetroffen.«

Eritrea zeigte auf das Holo mit den logistischen Daten. »Das habe ich gesehen. Vor sieben Minuten.«

»Ich habe mich vergewissert, dass Jaap Kester an Bord und voll einsatzfähig ist. Er ist der beste HYDRA-Pilot der Flotte.«

Daher weht also der Wind. »Welche Erfolgsquote hat Jaap beim Kabini-Test?«

Hincock wäre ein miserabler Diplomat gewesen. Überdeutlich stand in seinem Gesicht, dass er sich ertappt fühlte. »Sechsundneunzig Prozent.«

»Beachtlich, aber ich habe siebenundneunzig Komma zwei. Bei diesem Einsatz brauchen wir die beste Pilotin des Kugelsternhaufens.«

Er verzog den Mund. »Eins Komma zwei Prozent Vorteil beim Steuern eines Raumschiffs, aber du bist die Admiralin. Dein Platz ist auf dem Flaggschiff.«

»Unter gewöhnlichen Umständen würde ich dir zustimmen. Aber dieser Einsatz hat strategische Bedeutung, und wir werden auf Hyperfunkverbindungen verzichten müssen.«

Die Feindkontakte der FUNKENREGEN und der ROOFPIT legten dasselbe nahe wie Eritreas eigene Beobachtungen während der Flucht von eben jenem Planeten, in dessen Umfeld die RIDE THE LIGHTNING zu einem Klumpen Raumschrott geworden war: Die gegnerischen Sensoren waren im hyperdimensionalen Spektrum weitaus aktiver als im Einsteinraum. Um die an der geplanten Mission beteiligten Space Jets nicht zu Leuchtfeuern in der feindlichen Zielerfassung zu machen, blieb der Hyperfunk desaktiviert.

»Deswegen muss sich die Kommandostelle innerhalb des Einsatzverbands befinden«, fuhr Eritrea fort. »Die Signallaufzeiten zwischen Operationsgebiet und Asteroidenring sind inakzeptabel.«

»Manche sagen das auch von dem Risiko, eine Admiralin in eine 35-Meter-Disk zu setzen und gegen einen Gegner zu schicken, der das da mit einem 300-Meter-Raumer anrichtet.« Hincock zeigte auf das Wrack.

»Kann dein Pilot auch die Flottille kommandieren?«

»Für diese Aufgabe schlage ich mich selbst vor.«

Immerhin kann man ihm keine Feigheit vorwerfen. »Abgelehnt. Du hast keine Raumkampferfahrung. Deine Expertise liegt bei den Landetruppen.«

»Dann nehme ich andere geeignete Offiziere mit«, gab der Major zurück. »Viele in dieser Flotte sind bestens vorbereitet.«

Eritrea drehte die linke Schulter ins Licht eines besonders hellen Holos. Hincock sollte einen Blick auf die Admiralsabzeichen werfen können. »Ich trage die Verantwortung, also treffe ich auch die Entscheidungen. Das kann ich nur, wenn ich weiß, was vor Ort passiert.«

Ein Holo färbte sich grün. Es meldete den Abschluss des Einsatztests für die speziell angefertigte Raumlandelinse.

»Die Besprechung ist beendet!«, entschied Eritrea. »Schick das Team auf die URIDIUM.«

1.

Sepurasystem

17. Mai 1513 NGZ

 

Die grauen Schlieren des Linearraums wichen dem vertrauten, tiefen Schwarz, in dem Far Aways Sterne so dicht standen, dass man auf eine künstliche Beleuchtung verzichten konnte. Durch die Transplastkuppel drang genug Licht in die kleine Zentrale der URIDIUM.

Eritrea Kush kippte den Diskusraumer herum, damit die Bedrohung in Sicht kam. Durch sie betrug das Gefahrenpotenzial dieses Flugs ein Vielfaches dessen, das immer bestand, wenn man sich in einer dünnen Hülle dem Vakuum auslieferte. Wir fliegen einen Kampfeinsatz!

Die Kuppel verdunkelte, um die Helligkeit des Gestirns auf ein unschädliches Maß zu reduzieren. Damit schützte sie die zehn Augen der vier Besatzungsmitglieder.

Neben der Koordination des Angriffs umfasste Eritreas Aufgabe das Absetzen des Raumlanders, den die Techniker des Flaggschiffs erst vor wenigen Stunden fertiggestellt hatten und der jetzt unter der URIDIUM hing.

Das dreiköpfige »Kommando Virenkiller«, das gerade die letzten Checks an den Camouflageanzügen vornahm, würde ihn besetzen.

Solosted Whiskith hatte sich durch einige atemberaubende Raumflugmanöver hervorgetan und würde die energetisch unauffällige Raumlinse auf die Planetenoberfläche steuern.

Er war ebenso wie Doktor Gwen Soprina ein Mensch, wenngleich sich die beiden äußerlich stark unterschieden. Whiskith ähnelte durch seine hoch aufgeschossene, durchtrainierte Gestalt Eritrea, während Gwen mit 1,60 Meter einen Kopf kleiner war. Dennoch wog sie ein Vielfaches, und von vorn betrachtet waren ihre Abmessungen beinahe quadratisch. Die Muskelpakete zeugten von der Anpassung ihrer Ahnen an die Umweltbedingungen des Planeten Epsal.

Die Xenocomputerspezialistin Güramy Triktuk, zugleich Expertin für Hyperstrahlung, komplettierte das Team. In seiner Tellerform ähnelte ihr Kopf der Space Jet. Sie war eine Jülziish, gehörte also zu einem Volk, das von den Menschen auch als »Blues« bezeichnet wurde. Als solche verfügte sie über ein vorderes und ein hinteres Augenpaar. Gerade öffnete sich das rückwärts gerichtete, um die Veränderungen in dem taktischen Holo zu beobachten, das vor Eritreas Pilotensitz schwebte.

Eigentlich sollte ich mich nicht damit befassen. Eritrea strich die eigenwillige blonde Strähne aus ihrem Gesicht. Das Einsatzteam besteht aus Experten, die selbst wissen, was zu tun ist.

So wie Whiskith mit allem, was ein Triebwerk besaß, Kapriolen fliegen konnte, war kein noch so fremdartiger Algorithmus vor Güramys analytischem Verstand gefeit. Gwens Wissen über Mikrobiologie ließ auch die arrogantesten Professoren des Stardust-Systems bescheiden ihren Vorträgen lauschen.

Zudem hatten Güramy und Gwen bereits mehrfach erfolgreiche Forschungsmissionen absolviert. Sie waren TALIN-Jägerinnen gewesen, bevor sie sich der Flotte angeschlossen hatten.

Auf seinem Fachgebiet kann ich keinem von ihnen etwas beibringen.

Eritrea schmunzelte, als sie das Zufallsmuster austauschte, das die Flugrichtung der Space Jet variierte, um es Feindgeschützen schwerer zu machen. Solosted kann vielleicht doch von mir lernen. Der Bursche wird noch ein paar Jährchen brauchen, um mich vom Thron der besten Pilotin der Stardust-Flotte zu stoßen.

Etwa fünfzig Punkte füllten die Taktikanzeige. War ihre Position lediglich aus der Einsatzplanung abgeleitet, stellte die Positronik sie blasser dar, als wenn sie durch die lichtschnellen Ortungssysteme bestätigt war. Die Angriffsflotte aus fünfunddreißig Meter durchmessenden HYDRAS und mit acht Metern noch kleineren NEREIDES rückte in mehreren Wellen mit einer Geschwindigkeit vor, die ein Mensch zwar berechnen, sich aber nicht vorstellen konnte, weil sie weit jenseits der Alltagserfahrung seines Körpers lag.

»Positronik!«, befahl Eritrea mit ruhiger Stimme. »Planet Sepura 2 markieren.«

Ein grüner Halo erschien auf der Innenseite der Transplastkuppel. Er umschloss einen rötlichen Punkt.

Eritrea erinnerte sich daran, wie sie sich vor zwei Wochen über die wuchernde Vegetation auf dieser Welt gewundert hatte, die eigentlich eine tote Glutwüste hätte sein sollen. Später hatten Perry Rhodan und sie andere Sorgen gehabt.

Die Station einer unbekannten Zivilisation. Weiße, schleimige Kreaturen, die sie verfolgt hatten. Die Flucht vor dem Amöbenschiff, das die TALIN-Jäger ermordet hatte.

Auch dabei war sie an Bord einer Space Jet gewesen, gemeinsam mit Perry und Anthur, der sich als Bote TALINS ausgab und dabei doch dem Sohn ähnelte, den Eritrea vor Jahrzehnten aus den Augen verloren hatte. Oder bilde ich mir das nur ein?

»Die erste Welle passiert Aufmarschlinie Alpha«, meldete die Gefechtspositronik.

Eritrea sah zu dem Einsatzteam hinüber. Whiskith fluchte. Güramy war bis auf den Tellerkopf nahezu unsichtbar. Sie hatte die Nanochromatik ihres Anzugs aktiviert, wodurch dieser die Farben des Hintergrunds so exakt imitierte, dass der dürre Körper der Jülziish nur noch als Unschärfe zu erkennen war. Das konnte kaum der Grund für Whiskiths Unmut sein.

Eritrea schob den Gedanken beiseite. Sie kommen allein klar.

Ihre Aufgabe war die Koordination des Verbands, sonst nichts. Sie durfte sich nicht in Einzelheiten verlieren.

Aufmarschlinie Alpha war noch zwei Lichtminuten von ihrer eigenen Position entfernt, sodass sie sie in knapp vier Minuten ebenfalls passieren würde. Von dort aus war es noch eine Minute zu dem Planeten, um den inzwischen wenigstens fünf Amöbenschiffe kreisten.

Diese Information haben wir teuer bezahlt. Eritrea dachte an das Wrack der RIDE THE LIGHTNING. Kapitän Guarron mochte auf einen Orden gehofft haben, vielleicht hatte er auch Angehörige unter den getöteten TALIN-Jägern gehabt. Aber Schwächen, die bei einem Menschen verzeihlich waren, wurden bei einem Soldaten gefährlich und bei einem Offizier inakzeptabel.

Der aktuelle Einsatz schien wie erhofft abzulaufen. Obwohl sich die erste Welle mit ziemlicher Sicherheit in Ortungsreichweite der Amöbenschiffe befand, blieb sie unbehelligt. Vier der fünf NEREIDES dieses Geschwaders waren unbemannt, nur in einer saß ein Veteran, dessen Kreativität notfalls den Funken Unvorhersehbarkeit einbringen sollte, zu dem Positroniken niemals imstande waren.

Solange alles gemäß des Einsatzplans verlief, galt Funkstille. Für vorhersehbare Abweichungen hatte Eritrea kurze Kommandokodes ausgegeben, um Peilungsfenster zu minimieren. Ein echtes Funkgespräch käme nur zustande, falls die Planung versagte.

»Alles in Ordnung«, flüsterte Eritrea. Trotzdem fühlte sich ihre Zunge an wie ausgetrocknetes Holz, als sie über ihre Lippen leckte. »In allerbester Ordnung.«

Sepura 2 erschien nun auch in der Taktikanzeige, die Feindschiffe jedoch nicht. Die lichtschnellen Sensoren waren zu grob, um sie auf diese Entfernung gegen Sonnenstrahlung und Planetenmasse auszumachen. Aber das müsste sich jeden Moment ändern.

»Na kommt schon!«, murmelte Eritrea. Unwillkürlich wanderte ihr rechter Daumen über die Sensorfläche, die das Schiffsgeschütz steuerte. Dabei wusste sie, dass die Reichweite von Thermostrahlern und Desintegratoren gerade einmal zwei Sekunden vor dem physischen Feindkontakt erreicht wäre. »Wo seid ihr? Zeigt euch ...«

Whiskith baute sich vor ihr auf. Bei desaktivierter Camouflagefunktion schillerten bunte Flecken auf seinem Tarnanzug. Schweiß stand auf seiner Stirn. »Ich möchte etwas zu Protokoll geben, Admiralin!«

»Jetzt? Der Einsatz hat begonnen!«

»Trotzdem! Laut Flottendienstordnung habe ich jederzeit das Recht, eine Eingabe zu machen, um mich vor den disziplinarischen Folgen unsinniger Befehle zu schützen.«

Eritrea runzelte die Stirn. »Positronik: Eingabe des Leutnants Solosted Whiskith aufzeichnen und mit offiziellem Siegel versehen.«

»Ich weise in aller Form darauf hin, dass die Bewaffnung des Kommandos Virenkiller unzulänglich ist. Wir können nicht gegen ein Amöbenschiff bestehen.«

»Was soll das, Solosted? Ihr sollt das Schiff nicht abschießen, sondern ausspähen!«

»Die Risiken sind unkalkulierbar. Es ist völlig klar, dass man uns an der Ausführung unserer Mission hindern wird. Mit weit überlegenen Feindkräften ist zu rechnen!«

»Wenn ihr auf massiven Widerstand stoßen solltet, werdet ihr euch zurückziehen. Das ist der Sinn dieses verdeckten Manövers! Hast du in der Einsatzbesprechung geschlafen?«

Seine Kiefer mahlten. »In unserem Operationsgebiet wird ein Rückzug nur bedingt möglich sein. Wir wissen zu wenig über die Gegebenheiten.«

»Reiß dich zusammen! Dies ist eine Kommandomission, und wir brauchen die Daten! Ihr werdet improvisieren müssen.«

»Abkoppeln der Kameras beginnt«, meldete die Gefechtspositronik.

Güramys Hand hatte wegen der drei Daumen und vier Finger einen festen Griff. Sie zog Whiskith aus der Holoanzeige, in der nun die ersten Bilder erschienen.

Abgesehen von der URIDIUM führte jede Space Jet Bündel von Hunderten autonomer Kameras mit. Diese waren kleiner als ein Augapfel und enthielten außer der Aufnahmeelektronik nur einen minimalen Antrieb, durch den sie sich rasch um Sepura 2 verteilten, und einen Funksender, der die Bilder ungerichtet abstrahlte. Die Auswahl der Aufnahmen blieb den Bordpositroniken der Space Jets überlassen, die man zuvor mit Suchmustern zu den bekannten Daten der Feindschiffe versorgt hatte.

Der Algorithmus wurde sofort fündig. Zufrieden beugte sich Eritrea vor.

Die eingeblendeten Messdaten verrieten, dass der ellipsoide Raumer eine Länge von 497 Metern hatte. An der breitesten Stelle maß er 148 Meter, zur Dicke lagen noch keine Werte vor. Er befand sich 353 Kilometer über Grund am Terminator, sodass er zu drei Vierteln im Sonnenlicht lag. Das Bild gewann an Schärfe, als die Positronik die Daten mehrerer Kameras zusammenrechnete. Die Hülle des Schiffs erinnerte Eritrea an mehrfach verschorfte, aufgebrochene und wieder vernarbte Haut. Darin eingeschlossen sah sie Stränge wie totes Wurzelholz.

»Gwen, kannst du spekulieren, was das für Adern sind?«, fragte Eritrea. Die blauen Linien waren das auffälligste Merkmal der Schiffshülle, auch durch den glitzernden Kristallschleier deutlich zu erkennen.

Die Exobiologin trat nah an das Holo heran. »Diese Formen deuten auf organisches Wachstum hin, wenn sie auch dysfunktional erscheinen. Man dürfte erwarten, dass ein Adergeflecht den Körper mit Nährstoffen versorgt und Verdauungsorgane sinnvoll mit Muskeln und anderen Verbrauchern verbindet. Es gibt keinen Grund, warum ein solches Vitalsystem an der Oberfläche verlaufen sollte statt geschützt im Inneren. Das ähnelt Wucherungen, wie sie infolge radioaktiver Strahlung auftreten.«

Eritrea kontrollierte die Nebenholos. Der Verband bewegte sich wie vorgesehen. Die erste Welle hatte den Planeten passiert und beschleunigte nun entgegen ihrer Flugrichtung, um die Geschwindigkeit aufzuzehren.