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Cover

Vorspann

Nr. 1 – Wächter der Intrawelt

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Die Hauptpersonen des Romans

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Nr. 2 – Vorstoß in die Intrawelt

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Die Hauptpersonen des Romans

Prolog

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Epilog

Nr. 3 – Der Seelenhorter

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Die Hauptpersonen des Romans

Prolog

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Epilog

Nr. 4 – Gefangen im Himmelsnetz

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Die Hauptpersonen des Romans

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Nr. 5 – Konvent der Händler

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Die Hauptpersonen des Romans

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Nr. 6 – Das dritte Gesetz

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Die Hauptpersonen des Romans

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Nr. 7 – Im Hort der Drieten

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Die Hauptpersonen des Romans

Prolog

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Epilog

Nr. 8 – Die Architekten der Intrawelt

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Die Hauptpersonen des Romans

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Nr. 9 – Das Symbol der Flamme

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Die Hauptpersonen des Romans

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Nr. 10 – Wanderstadt Aspoghie

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Die Hauptpersonen des Romans

Prolog

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Postskriptum

Nr. 11 – Die Kathedrale von Rhoarx

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Die Hauptpersonen des Romans

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Nr. 12 – Atlan, Bote des Flammenstaubs

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Die Hauptpersonen des Romans

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Impressum

ATLAN – die klassische Serie

 

Auf den von Menschen besiedelten Welten der Milchstraße schreibt man das Jahr 1225 Neuer Galaktischer Zeitrechnung, das dem Jahr 4812 alter Zeit entspricht. Die Bevölkerung der Galaxis Dwingeloo leidet unter der Schreckensherrschaft der Lordrichter, die mit Hilfe ihrer Truppen finstere Pläne verfolgen. Atlan, der unsterbliche Arkonide, nimmt den Kampf gegen die Invasoren auf und erhält Kontakt zu einer Widerstandsgruppe namens Konterkraft. Es gibt nur ein Mittel, um die Macht der Lordrichter zu brechen: den Flammenstaub. Und nur ein Wesen kann diesen Flammenstaub unbeschadet in Empfang nehmen: Atlan – und dazu muss er in die Intrawelt vorstoßen ...

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Nr. 1

 

Wächter der Intrawelt

 

von Hubert Haensel

 

 

 

Pabel-Moewig Verlag KG, Rastatt

Auf den von Menschen besiedelten Welten der Milchstraße schreibt man das Jahr 1225 Neuer Galaktischer Zeitrechnung, das dem Jahr 4812 alter Zeit entspricht. Der relativ unsterbliche Arkonide Atlan, der seit Jahrtausenden im Auftrag der Menschheit wirkt, wurde mit der exotisch schönen Varganin Kythara in die Galaxis Dwingeloo verschlagen.

Kythara sieht zwar aus wie eine junge Frau, lebt in Wirklichkeit aber schon seit Zehntausenden von Jahren. Ihre Geheimnisse hat Atlan noch lange nicht alle lösen können. Doch zusammen mit der Varganin nimmt er den Kampf gegen die mysteriösen Lordrichter auf. Diese haben zuletzt in der Milchstraße und in Dwingeloo mit Hilfe ihrer Truppen finstere Pläne verfolgt.

Im verzweifelten Kampf gegen die Tyrannen gelang es Atlan, den Dunkelstern in Dwingeloo zu zerstören und damit den Lordrichtern eine empfindliche Niederlage beizubringen. Nach dem Untergang des Dunkelsterns entflieht Atlan dem Inferno – mit Kythara verschlägt es ihn an einen Ort, der ihnen unbekannt ist.

Noch ahnen sie nicht, dass es alsbald zu einer schicksalhaften Begegnung kommen wird: zwischen Atlan und dem WÄCHTER DER INTRAWELT ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Atlan – Der Arkonide begibt sich auf die Suche nach der Intrawelt.

Risghor-1 – Ein Feind, der ein Freund ist, schickt Atlan auf die Suche nach dem mystischen Flammenstaub.

Kythara – Die schöne Varganin steht Atlan zur Seite.

1.

 

Der Weltraum stand in Flammen: Energieschleier tanzten, Sonnen schickten kochendes Gas ins Universum.

Aus brennenden Augen blickte Atlan auf die Kontrollen in der Zentrale, dann auf die dreidimensionale Abbildung, die vor ihm schwebte. Das tropfenförmige Raumschiff, in dem er saß, raste wie ein kleiner roter Punkt in das Chaos des galaktischen Sektors hinein.

Atlan spürte, dass er seine Lippen zusammenpresste und seine rötlichen Augen vor lauter Anspannung zu tränen begannen. Ohne es bewusst wahrzunehmen, drehte er eine Strähne seiner langen weißen Haare zwischen den Fingern, schob sie dann hinter das rechte Ohr. Das Rumoren der Energieerzeuger und Speicherbänke, das aus dem Triebwerksraum in die Zentrale drang, nahm er nur unterbewusst wahr.

Das All rings um die DYS-116 wirkte wie ein aufflammendes Buschfeuer, und das Raumschiff war nicht mehr als ein Insekt, das verzweifelt seinem Ziel zu folgen versuchte. In Flugrichtung verdichtete sich dieses lodernde Farbenmeer zu einem undurchdringlich wirkenden Wall.

Heftige Entladungen tobten in den Schutzschirmen. Die Energie flackerte über den Schirmstaffeln, wurde in den Hyperraum abgeleitet oder zur Seite geschleudert, löste in einer Kettenreaktion neue Energieschübe aus. Als glühender Punkt raste die DYS-116 durch den Raumsektor, eine Kette aus glühenden Gasen und aufgewirbelten Teilchen wie ein Fanal hinter sich herziehend.

Atlan bemerkte seine Anspannung, richtete sich in seinem Kontursessel auf. Automatisch passte sich die Rückenlehne seinem Körper an, schickte beruhigende Impulse in den Lendenwirbelbereich. Der Arkonide atmete durch, dehnte mit einigen Übungen seine Schultern und die Nackenmuskulatur. Und wenn ich es noch tausendmal mache, dachte er, es ist doch nie dasselbe für mich.

»Ungenügende Ortungsreichweite!«, ertönte eine markante weibliche Stimme schräg hinter ihm. Sie klang nüchtern und ruhig, als berühre sie das flammende Chaos in der Flugrichtung des Raumschiffes nicht im Geringsten. »Die Verhältnisse sind nach wie vor alles andere als optimal.«

Atlan verzog das Gesicht. Kythara!, dachte er. Manchmal könnte man meinen, sie hätte vor gar nichts Angst.

»Wir halten den Kurs!«, sagte er unbewegt. »Das Bremsmanöver endet bei zehn Prozent Licht. Sollte für uns kein Problem sein.«

Er blickte auf die Anzeigen, die Aufschluss über die Stärke des Schutzschirms gaben. Keine Probleme, alle Werte waren im Grünbereich. Auf dem Holoschirm rissen einige der flackernden Energieschleier auf; an diesen Stellen schimmerte die unendliche Schwärze des Weltraums durch.

»Starke Gravitationseinflüsse!«, meldete Kythara erneut. Auch wenn Atlan sie im Augenblick nicht ansah, war ihm bewusst, wie sie jetzt wirkte: kühl und entschlossen, der ganze Körper wie eine Feder gespannt, bereit, jederzeit in die technischen Kontrollen des Raumschiffs einzugreifen. »Keine klar erkennbare Quelle«, fügte sie hinzu, etwas langsamer diesmal, als müsse sie tatsächlich überlegen.

»Wir befinden uns mitten in einer Brutstätte für neue Sterne.« Atlan sprach schnell und präzise. »Nicht gerade die angenehmste Umgebung für ein großes Raumschiff – und für unser Beiboot schon gar nicht.«

Kythara lachte gepresst. Er schaute zu ihr hinüber, sie grinste ihn kurz an. Mit einer knappen Handbewegung wischte sie sich eine blonde Locke aus der Stirn.

»Wir müssen ja nicht alles auf einmal riskieren«, sagte sie so locker, als befänden sie sich auf einem gemütlichen Ausflug auf einem Urlaubsplaneten. »Noch ein Überlichtmanöver über ein Dutzend Lichtjahre, und wir haben alle Probleme hinter uns.«

Als ob dies alles sei, dachte er mit einem Anflug von Missmut. Er wusste, dass für sie beide die Schwierigkeiten noch lange nicht zu Ende waren. Vielleicht haben sie sogar erst angefangen.

»Wir wollen ...«, begann er, unterbrach sich aber. Kythara hätte ohnehin nicht zugehört, sie hatte sich im Augenblick abgewandt. Wir wollen ja auch nur die machtpolitischen Gegebenheiten in der Galaxis Dwingeloo verändern, hätte er am liebsten gesagt. Aber das hörte sich noch verwegener an, als es in Wirklichkeit war.

Zumindest wollen wir hier, in der Sternenwolke SET-3, herausfinden, ob sich eine Gelegenheit dazu bietet, dachte er skeptisch.

Atlan widmete sich erneut der optischen Wiedergabe. Zwischen der lohenden Energie und dem immer wieder zu sehenden schwarzen Weltraum nahm er nichts Außergewöhnliches wahr. Er taxierte wieder die Ortungsdetails.

In größerer Distanz des abbremsenden Raumschiffes verdichtete sich anscheinend die Wolkenmaterie. Den Berechnungen zufolge, die auf einem kleinen Bildschirm abgebildet wurden, herrschten in diesem Sektor zunehmende Schwerkraftverhältnisse.

Dort entsteht irgendwann eine neue Sonne, dachte Atlan. Wie viele dieser Entstehungen hatte er im Laufe der Jahrtausende miterlebt, wie viele Anfänge neuer Sternsysteme gesehen? In der Wolkenmaterie vor ihnen hatte der Fusionsprozess allerdings noch nicht gezündet. In einigen tausend Jahren mochte es so weit sein.

Ob sich dann in Millionen von Jahren vielleicht Leben entwickeln wird?, sinnierte Atlan einen Augenblick, bevor er den Gedanken vertrieb.

Andere Sterne von SET-3 lagen im Sterben. Mehrere hundert Sonnen benannte der Bordrechner in einer nebenbei erstellten Statistik als potenzielle Kandidaten für Supernovae. Möglich, dass es nur einer Initialzündung bedurfte. In diesem Fall würden diese nahe beieinander stehenden roten Riesen in einer gewaltigen Kettenreaktion ihre Gashülle abstoßen.

Atlan hielt es nicht für unwahrscheinlich, dass der enorme Strahlungsdruck eines fernen Tages die halbe Wolke auseinander riss. Und hier lag ...

Leben, wie wir es kennen, wird in einer solchen Katastrophe untergehen, dachte er. Andererseits werden die Sternexplosionen die Grundlagen für neues Leben schaffen.

Konzentriere dich auf das Naheliegende, meldete sich jetzt sein Extrasinn. Träumen und sinnieren kannst du, wenn du alles hinter dich gebracht hast.

Hast ja Recht, gab der Arkonide ebenso lautlos zurück. Oft genug nervte ihn sein Extrasinn, nicht nur einmal hatte er ihn selbst als »Lästersinn« bezeichnet.

Dass du immer wieder über die »Intrawelt« nachdenkst, ist irrelevant. Entweder gibt es dieses Ding oder nicht. Keine Panik! Der Tonfall des Logiksektors wurde spöttisch, wie so oft in der langen Zeit, die er nun in Atlans Bewusstsein lebte. Du machst dir Sorgen, Barbar?

Unsinn! Unwillig schüttelte der Arkonide den Kopf. Ich weiß sehr wohl, wie verschwindend gering die Gefahr einer Sternexplosion ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt ist. Die Intrawelt, was immer damit gemeint sein mag, bleibt uns erhalten.

Alter Narr!, konterte der Extrasinn. Dann belaste dein Unterbewusstsein nicht mit unausgegorenen Befürchtungen!

Manchmal, fand Atlan, war es besser, wenn er den Logiksektor ignorierte. Dann nämlich, sobald dessen hilfreiche Einwendungen in Wortklauberei ausarteten. Dieser besondere Teil seines Gehirns war eigentlich dazu gedacht, Gegebenheiten aller Art logisch zu erfassen und einzuordnen und ihm als Warner, Mahner und Ratgeber beizustehen. Manchmal war die »stumme Stimme« aber schlichtweg ein unerträglicher Besserwisser.

Mit flinken Fingern bewegte er seine Hände über die rasch wechselnden Schaltflächen, berührte einige Sensoren und Leuchtpunkte. Der Arkonide hatte schnell gelernt, die DYS-116 zu fliegen, wenngleich ihm vieles an dem kleinen Tropfenraumer noch immer fremd war.

War ja auch nicht dein erstes Raumschiff, meldete sich der Extrasinn ungefragt.

Ein Lob?, gab Atlan zurück.

Nein. Die gedankliche Stimme des Extrasinns klang, als grinse er. Nur eine nüchterne Feststellung.

Das Ortungsbild vor Atlan und Kythara veränderte sich. Neue Zahlenkolonnen huschten über ein zusätzliches dreidimensionales Fenster, während sich die Darstellung des Weltraums änderte.

»Die Anzeigen können wir so nicht stabilisieren«, stellte Kythara fest. »Möglicherweise haben wir sogar ein Kapazitätsproblem.« Die Varganin hob die Schultern. »Auch wenn das bei dieser Technik hier eigentlich nicht möglich ist. Aber ...« Sie verzog das Gesicht.

Atlan bedachte die Frau mit einem nachdenklichen Blick. Ihre bronzefarbene Haut, die goldenen Augen und die hüftlange Lockenmähne – allein ihr Aussehen machte die Varganin begehrenswert. Atlan hatte ihre Intelligenz, ihre vorausschauende Planung und ihre Ironie zu schätzen gelernt; sie war für ihn längst mehr als nur eine Partnerin.

Hinzu kam bei Kythara ihre potenzielle Unsterblichkeit. Theoretisch konnte die Varganin bis in alle Ewigkeit leben – wie auch er. Und damit unterschied sie sich von so gut wie allen Frauen, die Atlan in seinem langen Leben kennen gelernt hatte.

Wie oft hatte er Frauen an seiner Seite altern sehen ... Jedes Mal hatte das wehgetan. So begehrenswert der Zellaktivator war, dem Atlan seine eigene relative Unsterblichkeit verdankte, so sehr war er zugleich ein Fluch.

Unsterblichkeit ..., dachte er kurz. Milliarden von Menschen sehnen sich danach. Aber niemand von ihnen weiß, was sie wirklich bedeutet.

Ein spöttischer Kommentar des Extrasinns schreckte den Arkoniden aus seinen Überlegungen auf. Denk nicht so viel nach!

Gleichzeitig registrierte der Arkonide das Aufblitzen in Kytharas Augen; sie hatte seinen nachdenklichen Blick bemerkt und sich ihr Teil dabei gedacht. Zu lange waren sie nun schon gemeinsam unterwegs, sie kannte ihn gut genug.

Gequält und amüsiert zugleich erschien ihm dieser Blick. Innerlich seufzte er.

Schlag dir den Gedanken aus dem Kopf, du wirst Kythara nicht anrühren, behauptete der Logiksektor. Und das nicht nur, weil sie schon seit über achthunderttausend Jahren in unserem Universum lebt ...

Ich brauche keine Moralpredigt, ich will ...

Auf einmal veränderte sich die dreidimensionale Darstellung. Etwas wirbelt die Materie auf, dachte Atlan. Rasch berührte er weitere Sensorfelder, die Abbildung veränderte sich, fokussierte auf einen anderen Teil der Nebelwolke.

»Inflationärer Massezuwachs im Nahbereich!«, rief Kythara warnend. Vor ihr bauten sich kleine dreidimensionale Abbildungen auf, erloschen wieder. Auf diese Weise beobachtete sie die Datenmengen, die von den Einrichtungen des Raumschiffs gesammelt und analysiert wurden.

Irgendetwas Riesiges, vielleicht sogar Gigantisches durchpflügte die Gasfilamente. Das Ding ist fast zum Greifen nahe, empfand Atlan.

Immerhin noch zwei bis drei Lichtsekunden Distanz, konterte der Extrasinn nüchtern.

Kurz darauf war alles wieder wie zuvor. Die Ortung zeigte nichts Außergewöhnliches mehr an und lieferte weder extreme Masse- noch Energiewerte. Lediglich in der optischen Erfassung wurden die Verwirbelungen der Partikelströme sichtbar.

Atlan verlangte vom Bordrechner der DYS-116 eine Analyse. Die Antwort war lapidar: »Genauere Analyse nicht möglich, Objekt war nicht klar zu orten!«

»Das war ein Irrläufer«, vermutete Kythara. »Ein Asteroid oder ein Planetenfragment aus einem untergegangenen Sonnensystem.«

»Glaubst du das?«, fragte der Arkonide.

»Ich hoffe es jedenfalls.«

Um Atlans Mundwinkel zuckte es. Was eben ansatzweise in der Ortung sichtbar geworden war, musste im Vergleich zur DYS-116 riesengroß gewesen sein. Größer als jedes Raumschiff, das ich kenne, vermutete er.

»Keine Bedrohung durch feindliche Raumschiffe ...« Kythara wiederholte, was der Kommandant der Konterkraft ihnen mit auf den Weg gegeben hatte: »Die Bedingungen in diesem Sektor sind denkbar schlecht. Energiestürme und Gravitationsanomalien erschweren die Navigation. Kein Raumschiff, dessen Besatzung noch alle Sinne beisammenhat, wird in die Sternwolke einfliegen.«

»Reicht es nicht, dass du uns dazu aufforderst, genau das zu tun?«, hatte Atlan auf diesen Vortrag des Kommandanten reagiert. »Musst du in dieser Deutlichkeit deutlich sagen, dass wir verrückt sind? – Und wenn wir uns weigern?«

»Das glaube ich nicht, Atlan«, war die Antwort des Kommandanten gewesen. »Ich habe das Aufleuchten in deinen Augen gesehen, als ich die Hohen Mächte des Kosmos erwähnte, die nur besonderen Personen die Rückkehr von der Intrawelt erlauben. Äußerlich mögen wir beide grundverschieden sein, dennoch weiß ich deine Regungen einzuordnen. Ich denke, dass wir Freunde sein könnten, Atlan. Schließlich folgen wir denselben Zielen.«

»Wenige Lichtsekunden voraus!«, meldete Kythara nun. »Eine neue Masseanzeige. Für ein Raumschiff schon fast zu hoch. Sie wächst schnell weiter an.«

Atlan schwieg. Nach den spärlichen Daten, die von der Konterkraft zur Verfügung gestellt worden waren, durfte es in dieser Region der Wolke eigentlich nichts geben. Keine bedeutsame Materieansammlung und schon gar nicht die Überreste eines auseinander gebrochenen Planeten. Zwischen den widersprüchlichen Schwerkrafteinflüssen hätte es diese ohnehin in feinste Materiesplitter zerrieben.

Der Arkonide beherrschte die DYS-116, als fliege er eine vertraute Space-Jet. Mit Volllast und wimmernden Absorbern riss er das Tropfenbeiboot aus dem Kurs.

Das war der Moment, in dem sämtliche Anzeigen verrückt spielten. Atlan sah die Ausschläge in den Hologrammen.

»Schau dir das an!«, rief Kythara. Ihre Stimme klang nicht mehr überlegt und ruhig, jetzt zeigte sie Anzeichen von Panik.

Die Anzeigen des kleinen Raumschiffes erfassten einen gigantischen, undefinierbaren Schemen. Er raste auf sie zu, als habe er ein klares Ziel.

Das Ding ist so groß, das wird unsere Explosion nicht einmal registrieren!, schrie es in Atlans Gedanken.

 

*

 

Die Information über den Fund unidentifizierbarer Artefakte erreichte ihn ausgerechnet in einer Phase der Regeneration. Nun, da er weitgehend von seiner Umgebung abgeschottet lebte und seine Kraft für die Entwicklung neuer Gliedmaßen benötigte, bedeuteten Störungen dieser Art Gift für ihn.

Mit jeder Faser seines halb zusammengerollten Leibes spürte er die Alarmsignale stärker, die das Robotgehirn in die Nährflüssigkeit einleitete. Die angelegte Spannung wechselte schnell und wurde schmerzhaft, wie ein Aufschrei des Hauptrechners.

»Eine Entscheidung muss sofort getroffen werden. Falls Leben im Abbaugebiet existiert ...«

»Das ist unmöglich!« Ruckartig wühlte er sich aus dem feinen Sand hervor. Seine Armstümpfe ruderten heftig, wirbelten aber nur die Nährflüssigkeit auf, und erst die Hautlappen versetzten ihn in wellenförmige Bewegung. Der emporgeschleuderte Sand trübte die Sicht.

»Was sind das für Artefakte?« Hastig, geradezu unleidlich, formulierte er die Frage. »Weshalb wurden sie nicht früher aufgespürt?«

Die Spannungsschwankungen übermittelten ihm ein Abbild, wie es vor einem Einheitenbruchteil von Prospektor 17 aufgezeichnet worden war. Die unbemannten Prospektoren-Sonden markierten das jeweils nächste Abbaugebiet. Verunreinigungen festzustellen war ihre Hauptaufgabe. Alles andere spielte nur eine untergeordnete Rolle.

Eine Statue, erkannte er.

»Dieses Artefakt wurde von biologischem Leben geschaffen.« Der jetzt stete Energiefluss ließ die Nährflüssigkeit irrlichternd aufglühen.

Hör auf!, wollte er schreien. Die verminderte Nahrungsqualität wird meine Lebenserwartung verringern. Doch die Impulse stockten, denn seine vier Augenpaare hatten sich auf die Statue gerichtet und nahmen kaum noch etwas anderes wahr. Er reagierte fasziniert und abgestoßen zugleich.

Der Gedanke, dass anderes Leben existiert haben musste, war ihm nicht fremd. In den Aufzeichnungen seiner Vorgänger hatte er mehrfach Hinweise darauf gefunden. Von ihnen war dieses Leben gleichgesetzt worden mit dem Begriff schädlicher Organismen. Leben vernichtet grundlos die Ressourcen der Himmelskörper, zitierte er in seinen Überlegungen, und die dezentralisierten Gehirnknoten pflichteten der Feststellung bei.

Warum stoßen die Erntemaschinen häufig auf taubes und ausgebeutetes Material, das für die Weiterverarbeitung ungeeignet ist?, fragte einer der Knoten.

Die Arbeit leidet darunter, pflichtete das benachbarte Ganglion bei.

Die Statue war hässlich und abschreckend und schien einer krankhaften Fantasie entsprungen zu sein. Keineswegs konnte wirkliches Leben in SET-3 so ausgesehen haben.

Zwei steife und säulenförmige Auswüchse trugen einen röhrenförmigen Leib. An dessen oberem Ende entsprangen lediglich zwei Gliedmaßen, die entfernt an Arme erinnerten. Das aber nur, weil sie in kurzen Greifbüscheln endeten. Die extremen Abwinklungen in der Mitte dieser Arme konnte er sich jedenfalls nicht erklären. Ebenso wenig das auf einem kurzen Stumpf aufsitzende annähernd kugelförmige Gebilde.

Einzig vertraut erschienen die üppigen Sinnesfäden im oberen Kugeldrittel. Obwohl sie funktionsuntüchtig schlaff nach unten hingen. Nur diese Fäden rechtfertigten überhaupt den Gedanken an eine besondere Lebensform.

»Unwichtig!«, entschied er. »Die Vollendung des Projekts muss mit allen Ressourcen vorangetrieben werden!«

Das war seine Aufgabe.

Dem bestätigenden Impuls des Hauptrechners folgte eine Fülle von Informationen. Es wurde Zeit, die Regeneration zu beenden, der die Knospung eines zweiten Ich folgen würde.

Noch lebte er allein in dieser Welt der Maschinen. Hier war er sich seiner bewusst geworden, und hier würde er in den Kreislauf eingehen, sobald die Zeit gekommen war. Irgendwann in ferner Zukunft.

Routinemäßig erfolgte die Statusübermittlung.

Halb in sich gekehrt, während die Verkapselungen seiner nachwachsenden Gliedmaßen aufplatzten, sog er die Datenfülle in sich auf.

Zehn Fabrikschiffe standen im nahen Orbit um die Nullsonne. Ihr Fusionsprozess hatte noch nicht eingesetzt, deshalb war es vergleichsweise leicht, den Wasserstoff aufzunehmen. Diese Sonne, registrierte er, würde niemals geboren werden. Sie war nicht mehr als ein Reservoir, dessen Rohstoffe helfen würden, Lücken der Intrawelt zu schließen – ein Lieferant von vielen.

Seit undenklicher Zeit wurde gearbeitet.

Er wusste, dass der Abschluss aller Arbeiten keinesfalls in seine Lebensspanne fiel – aber einer seiner Nachkommen würde das Werk vollenden.

 

*

 

Ein Gigant raste durch den Raum. Atlan blieb nicht die Zeit, darüber nachzudenken, geschweige denn exakte Ortungsinformationen aufzunehmen.

Kollisionsalarm schrillte durch die DYS-116, die mit Höchstwerten beschleunigte. Der Arkonide registrierte die Überlast, reagierte aber nicht darauf, denn Sekundenbruchteile konnten über Leben oder Tod entscheiden.

Atlan fühlte sich in der Situation eines Einhandseglers, über dem der monströse Bug eines Riesentankers aufwuchs. Schon die Bugwelle würde sein winziges Boot zu Kleinholz zerschlagen.

Reihenweise flammten Warnsignale auf. Er nahm die drohende Explosion der Energieerzeuger unbewegt zur Kenntnis.

Ihm blieben ohnehin höchstens zehn Sekunden.

Brodelnde Energie wälzte sich durch den Raum und breitete sich tobend nach allen Seiten aus. Das war tatsächlich so etwas wie eine Bugwelle, und was immer sich dahinter verbarg, es musste tödlich sein.

Der Weltraum schien aufzureißen, als die heranbrandende Woge die DYS-116 erfasste und vor sich hertrieb.

Jetzt!, bestimmte Atlans Extrasinn.

Der Arkonide legte alle verfügbare Energie auf die Schutzschirme um.

Es wäre einem Selbstmordversuch gleichgekommen, nun noch zu beschleunigen.

Sekundenlang schien das Beiboot auf der Woge zu reiten wie ein Stück Treibholz in der Brandung. Ohrenbetäubender Lärm durchschlug alle Isolierungen. Die DYS-116 steckte mittendrin in den entfesselten Elementen – ein jäh losbrechender Hypersturm hätte kaum schlimmer toben können.

Die Belastungsanzeigen schnellten in die Höhe. Im Schutzschirm entstanden erste Strukturrisse.

Sekundenbruchteile später ein partieller Zusammenbruch des Schirmfelds, begleitet von dem lauter werdenden Prasseln überschlagender Energien.

»Atlan ...« Was immer Kythara ihm sagen wollte, es verhallte in der tobenden Lärmkulisse.

Die DYS-116 schien sich aufzubäumen.

Ausfall der Absorber!

Atlan konnte nicht einmal mehr atmen, eine Zentnerlast drohte seine Brustplatte einzudrücken. Zwischen blutig wogenden Schleiern hindurch sah er Kythara in sich zusammensinken.

Verbissen kämpfte der Arkonide gegen die beginnende Bewusstlosigkeit an. Trotz der belebenden Impulse seines Aktivatorchips versank er in Düsternis.

Ein letzter bedauernder Gedanke nahm Gestalt an, dann war nichts mehr.

2.

 

Versuche gar nicht erst, dich auszuruhen!

Der Vorwurf brachte Atlan in die Realität zurück. Er blinzelte, konnte aber nicht mehr erkennen als verzerrte Schemen. Sekret verklebte seine Augen, denn die Erregung hielt ihn immer noch im Griff.

Du lebst, erklärte die Stimme in seinem Schädel, das ist mehr, als du erwarten durftest. Und Terraner würden jetzt sagen: »Bring endlich deinen Hintern in Sicherheit!«

Er fragte sich, wie viel Zeit während seiner Bewusstlosigkeit vergangen sein mochte.

Zwanzig Sekunden, Arkonidenhäuptling.

Sein Brustkorb schmerzte, und im Magen wühlte eine brennende Übelkeit. Mit den Fingerspitzen wischte Atlan sich die Augen aus, während sein Blick schon die Holoschirme suchte. Die meisten Projektionen waren ausgefallen, nur zwei zeigten vorbeihuschende Strukturen sehr naher Materieschwaden.

»Schadenskontrolle!«

Erleichtert atmete er auf, als die ersten Schaltfelder vor ihm entstanden.

Keine Lecks in der Hülle des Beibootes. Und die Reaktoren lieferten Energie an die Speicherbänke.

Atlan rief detailliertere Anzeigen auf. Augenblicke später durfte er immerhin schon sicher sein, dass im Maschinensektor keine Katastrophe drohte.

»Kythara?«, fragte er endlich.

Ein schwerfällig formuliertes »Was hätte uns da beinahe ins Jenseits befördert?« antwortete ihm.

Atlan registrierte, dass der Schutzschirm ausgefallen war, Prallfelder das Beiboot aber vor dem Ansturm der Wolkenmaterie schützten.

»Ein Planetoid ... ein kleiner Mond ...« Die Vermutung gefiel ihm selbst nicht. »Wahrscheinlich ein Raumschiff. Die Konterkraft hat uns entweder bewusst die Unwahrheit gesagt ...«

»... oder weiß es selbst nicht besser. SET-3 ist nahezu unbekanntes Gebiet.«

Die DYS-116 war vom Kurs abgedrängt worden. Nun taumelte sie durch den Raum. Atlan brauchte geraume Zeit, um mit Korrekturschüben die Überschlagsbewegung abzufangen und das Boot zu stabilisieren.

Die Ortung zeigte jetzt aufgerissene Partikelschleier und um diese herum eine Vielzahl energetischer Wirbel. Das unbekannte Objekt hatte eine Spur hinterlassen, die sich nur zögernd wieder schloss. Der Vergleich mit dem Kielwasser eines Riesentankers drängte sich Atlan auf.

»Falls das fremde Schiff nicht in den Hyperraum gegangen ist, kann es noch keine hundert Millionen Kilometer entfernt sein.«

»Du willst diesem ... Koloss folgen?«

»Hast du einen besseren Vorschlag, Kythara?«

»Wir sind nur noch dreieinhalb Lichtjahre von der Intrawelt entfernt. Zumindest von den Koordinaten, die uns genannt wurden ...« Die Varganin stockte, ihre goldfarbenen Augen verengten sich, als sie den Arkoniden musterte. »Du hast schon die Kursauswertung für das Objekt?«

»Sie ist wenig aufschlussreich. Unter unveränderten Bedingungen wird das Riesenschiff die Intrawelt in einer Distanz von vier bis fünf Lichtmonaten passieren.«

Kein Muskel zuckte in Kytharas ebenmäßigem Gesicht. »Das ist viel«, bestätigte sie. »Jedenfalls mit Blick auf die Gegebenheiten in dieser Wolke.«

So nahe wie in SET-3 hatte Atlan ausgebrannte Sternleichen und Protosonnen selten beieinander gesehen. Alle kosmischen Zyklen seit dem Urknall schienen hier, nicht einmal zweieinhalbtausend Lichtjahre vom Zentrum der Galaxis Dwingeloo entfernt, komprimiert zu sein. Schon in den ersten Stunden nach dem Einflug hatten die Ortungen sterbende Sonnensysteme in den vielfältigen Phasen ihres Verfalls entdeckt und zwischen ihnen Sonnen, deren erstes Aufflackern sich mühsam durch die Düsternis hindurchfraß. Zudem aus dichten Staubscheiben heraus komprimierende neue Planeten, von Superflares ihrer noch jungen Sonnen in respektvolle Distanz gedrängt.

Einen faszinierenden Anblick hatte SET-3 schon aus größerer Distanz geboten. Das Rot alter Sterne vermischte sich mit kräftigen Blautönen. Dazwischen düstere Materieschleier, die das Licht der dicht stehenden Sonnen abschwächten oder gar völlig verschluckten. Diese Strukturen hatten zumindest für Atlan die Assoziation eines Seepferdchens entstehen lassen – es war ein friedliches, aber zugleich auch trügerisches Bild gewesen.

Harte Strahlung prägte die Wolke zudem in vielen Bereichen und machte sie partiell zur lebensfeindlichen Wüste. Die Frage, ob SET-3 überhaupt Leben barg, hatte die Konterkraft nicht beantworten können. Niemand kam nach SET-3, auch die Lordrichter nicht. Niemand sprang freiwillig in den Abgrund des Todes.

Immer mehr Funktionen der DYS-116 zeigten Normalwerte. Endlich war auch der Schutzschirm wieder einsatzbereit.

Kythara hatte vergeblich versucht, die Größe des fremden Objekts zu errechnen. Die vom Bordrechner aufgezeichneten Daten ließen keine eindeutigen Rückschlüsse zu.

»Es war definitiv sehr groß, mehr kann ich nicht sagen.« Die Varganin resignierte schließlich. »Die energetische Woge, die es vor sich hergeschoben hat, scheint alle Messungen überlagert zu haben.«

»Der eigentliche materielle Kern besaß möglicherweise nur einen Bruchteil der Ausdehnung«, erwiderte Atlan.

»Kein Raumschiff umgibt sich mit einem Schutzschirm, dessen Durchmesser ein Vielfaches beträgt. Abgesehen von Stabilisierungsproblemen wäre schon der Energieverbrauch extrem.«

»Größe und Geschwindigkeit bewirkten eine Komprimierung kosmischer Materie vor dem Objekt.« Atlan nickte nachdenklich. »Der zugleich entstehende Welleneffekt muss unser Beiboot seitlich weggedrückt haben. Ich frage mich, was geschehen wäre, hätte uns dieses Monstrum frontal erfasst.«

»Von der DYS-116 wären nur Atome übrig geblieben.«

»Jeder Schutzschirm ist quasi nach aerodynamischen Prinzipien aufgebaut, die einen Partikelstau verhindern. Warum hier nicht? Weil der Energieaufwand keine Rolle spielt und Kapazitätsprobleme schon gar nicht auftreten können?« Der Arkonide blickte seine Begleiterin durchdringend an. »Ich frage mich, wer uns da beinahe aus dem Universum gefegt hätte.«

»Der Kommandant der Konterkraft sprach von Höheren Mächten.«

Die Kosmokraten? Vielleicht.

Nur derjenige, der bereits jenseits der Materiequellen war, kann es schaffen, aus der Intrawelt zurückzukehren!, erinnerte der Extrasinn.

Für einen flüchtigen Moment fragte Atlan sich, ob ihm eine besondere Begegnung bevorstand. Der aufheulende Distanzalarm fegte alle diese Überlegungen beiseite.

 

*

 

Nie war eine seiner Regenerationsphasen so unerbittlich gestört worden. Er fragte sich, ob das ein schlechtes Vorzeichen sein konnte. Schließlich stand die Knospung seines Nachfolgers bevor, für die er ausreichend Kraft benötigte.

Aber darauf nahm der Hauptrechner keine Rücksicht. Die angesetzte Spannung ließ die Nährflüssigkeit verklumpen – so bizarr wie die Entladungskanäle eines vielfach verzweigten hochenergetischen Blitzes.

»Ich höre!«, schrie er in das trübe Halbdunkel hinaus und wälzte sich über den Sand, um endlich die überschüssigen Hautfetzen loszuwerden, die ihn nur behinderten.

Chaotische Wahrnehmungen schlugen über ihm zusammen. Er musste sich konzentrieren, damit er die vielfältigen Eindrücke den entsprechenden Sinneszentren zuordnen konnte, doch gerade diese ungewöhnliche Anspannung fiel ihm schwer.

Nur unvollkommen verschmolz er mit dem Fabrikschiff, dessen Kommandosektor um Kontakt nachgesucht hatte. Seit Tausenden Einheiten pflügte der kantige Koloss durch den Raum, filterte die benötigten Rohstoffe und verarbeitete sie.

Routinemäßige Kapazitätskontrolle ... Zwischen einem und drei Prozent betrugen die Leerstände nur noch. Die Verarbeitung der gebunkerten Elemente lief auf Hochtouren.

Über die Gedankenverbindung forschte er nach der Ursache der Meldung. Er war nach wie vor nicht eins geworden mit dem Ernter, aber er fand keine Unregelmäßigkeiten. Für banale Kontakte war er nicht da, nur für Notfälle, in denen ein einzelner Hauptrechner überfordert wurde.

Die Erntemaschinen operierten weit verstreut in der Sternwolke – ohne Verbindung untereinander und ausschließlich ihren Befehlen folgend. Nur er war fähig, koordinierend einzugreifen.

Er, dessen Ursprung zwischen diesen Sternen lag.

Seine Vorgänger waren aus Lebenskeimen vergangener Welten entstanden – gezeugt von der Strahlung explodierender Sonnen ... Vor einer Zeitspanne, die er nicht kannte – ein Geschöpf des Weltraums ...

Eine fehlerhafte Meldung, stellte er verwirrt fest. Es war keineswegs die erste während der letzten Einheiten. Musste er sich fragen, ob die Erntemaschinen anfällig wurden? Womöglich würden den bislang bekannten fünf Ausfällen in der Flotte bald weitere folgen.

Endlich spürte er, dass die neuen Gliedmaßen seines in der Nährflüssigkeit zurückgebliebenen Körpers Beweglichkeit gewannen. Bald würden sie ihre endgültige Größe erreicht haben. Doch es war seine Aufgabe, Ausfälle zu verhindern, und deshalb zog er sich noch nicht zurück.

Er registrierte, dass das Fabrikschiff mit konstanter Geschwindigkeit eine Region lodernder Gasfilamente und dichter Staubschleier durchflog. Nicht einmal die häufig anfälligen Materiefilter ließen eine Unregelmäßigkeit erkennen.

Aber da war etwas ...

Im ersten Moment glaubte er an einen Asteroiden, denn die Analysatoren zeigten wertvolle Metalle und Legierungen. Störend wirkten nur die beiden größeren Verunreinigungen nahezu im Zentrum der Masse.

Rohstoffe in dieser Konzentration waren höchst selten. Der Fund trieb hinter dem Ernteschiff, als wäre er von dessen Schwerkraftfeld eingefangen worden. Gleicher Kursvektor, identische Geschwindigkeit.

Fundstück zwei in dieser Periode, stellte er fest. Auch wenn dessen Größe unbedeutend erscheint, sollte es der Verwertung zugeführt werden.

Er war im Begriff, die Fangfelder zu projizieren, als ihn ein extremer Schmerz überfiel. Sein faltenreicher Leib zuckte heftig, die ihn umgebende Nährflüssigkeit erschien mit einem Mal trüb.

Er spürte die zunehmende Wärme und die ringsum aufsteigenden feinen Luftblasen. Jäh wurde ihm bewusst, was geschah: Die Knospung hatte deutlich früher als erwartet begonnen.

Nur das zählte jetzt.

Das kleine Objekt draußen bei der Erntemaschine würde nicht verloren gehen, es war ohnehin nicht sehr weit entfernt.

 

*

 

Die Distanz betrug noch knapp eine Million Kilometer ...

In Abstufungen bauten sich Ortungsdetails auf. Atlan schluckte schwer, als er die angezeigten Massewerte verinnerlichte. Was immer den erneuten Distanzalarm ausgelöst hatte, es war abermals gewaltig.

Offensichtlich folgte es, um nicht einmal hunderttausend Kilometer seitlich versetzt, dem ersten Objekt.

»Diesmal besteht keine Kollisionsgefahr!«, stellte Kythara fest. »Das Schiff wird nicht näher als bis auf eine halbe Lichtsekunde an uns herankommen.« Sie schürzte die Lippen und blickte den Arkoniden auffordernd an. »Sag mir, was das sein kann, wenn nicht ein gewaltiges Raumschiff!«

Sie hatte Recht. Zwei monströse Gebilde in kurzem zeitlichen Abstand und auf annähernd demselben Kurs – an einen Zufall zu glauben fiel schwer.

Und solche Kolosse sollten die Lordrichter und die Garbyor bisher übersehen haben?

Zufall, mutmaßte der Extrasinn. Oder sie wissen darum und fürchten sich davor.

Noch war keine optische Erfassung möglich, nur Energie- und Masseortung zeichneten. Die Auswertung zeigte das unbekannte Objekt mit einem Durchmesser von annähernd fünfhundert Kilometern.

»Unglaublich«, entfuhr es Atlan.

Wenn du das behauptest, dann wirst du sehr alt!, protestierte der Logiksektor.

Der Arkonide ignorierte die Bemerkung. Seine Schaltungen bewirkten den Aufbau weiterer holografischer Darstellungen. In einer davon entstand ein annähernd kubisches Gebilde.

Es gibt oder gab Raumschiffe, die diese Größenordnung sogar deutlich übertrafen, erinnerte der Logiksektor hartnäckig. Warum weigerst du dich, das anzuerkennen? Weil du weißt, dass solche Bauten von den Hohen Mächten initiiert wurden?

Schier endlose Kolonnen fremder Zeichen entstanden in rascher Folge. Sie erinnerten Atlan daran, dass seine vermeintliche Vertrautheit mit der DYS-116 nur das Ergebnis einer intensiven Kurzschulung war. Er beherrschte das Beiboot, aber kannte er alle Details, auf die es im Ernstfall ankam?

Musste er mit einem Angriff rechnen? In dem Fall blieb ihm wohl nicht einmal mehr die Zeit, den herannahenden Tod überhaupt zu erkennen.

Er zögerte nur kurz, dann drehte er das Boot in den Kurs des fremden Objekts.

»Du willst ihm folgen?«, fragte Kythara.

Knapp deutete Atlan auf die Projektionen. »Es ist nicht so groß, wie es den Anschein hatte. Offenbar beeinflusst die Streustrahlung eines energetischen Bugschildes unsere Ortung.«

»Das beantwortet meine Frage nicht, Atlan.«

»Doch.« Er schaute nicht mehr auf, konzentrierte sich nur noch auf die Flugkontrollen.

Die Distanz war bis auf knapp zweihunderttausend Kilometer geschrumpft. Ein Mehrfarbschema der Energieortung ließ mittlerweile einigermaßen gut erkennen, dass dieses immer noch riesige Objekt im wahrsten Sinne des Wortes durch die Wolkenmaterie pflügte und Staub- und Energiepartikel vor sich komprimierte. Seitlich wurde nur ein Bruchteil dieser Masse weggeschleudert.

»Was geschieht mit dem Rest?«, wollte Kythara wissen.

»Entweder Umwandlung in Energie – oder Rohstoffgewinnung.« Atlans Blick glitt erneut über die vielfältigen Skalen und Grafiken. »Letzteres«, sagte er überzeugt. »Die Massewerte des Schiffes sind derart hoch, dass es nahezu bis in den letzten Winkel voll gestopft sein muss.«

»Dieses Raumschiff sammelt also Wolkenmaterie ...?«

»Ich habe den Eindruck.«

»Wozu?«

Atlan zuckte mit den Schultern. »Um neue Schiffe wie dieses zu bauen, die dann ihrerseits ...«

»Wie diese beiden!«, unterbrach Kythara schroff.

»Das habe ich als gegeben angenommen.«

»Sie sammeln also Wolkenmaterie ein – Staubpartikel.«

»Ich ahne, worauf du hinauswillst, Kythara. Aber ich halte es für irrelevant, daraus einen Zusammenhang mit dem Flammenstaub konstruieren zu wollen, den die Konterkraft auf der Intrawelt vermutet. Schon die Bezeichnung Flammenstaub ist für mich nach wie vor sehr vage.«

»Trotzdem sind wir hier!«, versetzte die Frau entschieden, und das war eindeutig und unmissverständlich. Sie jagten keinem Phantom nach, auch wenn vieles im Dunkeln lag. Bislang abstrakte Begriffe, die sie bis vor einem Tag nie gehört hatten, würden über kurz oder lang eine sinnvolle Bedeutung erlangen.

Atlan dirigierte die DYS-116 näher an das unbekannte Raumschiff heran. Sekundenlang, als die »Bugwelle« den Erfassungsbereich ausgefüllt hatte, waren alle Messwerte in einem energetischen Chaos untergegangen. Nun lag das fremde Schiff schräg vor dem Beiboot – und es war immer noch riesig.

Ein Würfel mit ungefähr fünfzig Kilometern Seitenlänge. Die Oberfläche deutlich strukturiert, sodass der Eindruck entstand, aus dem Orbit eines Planeten senkrecht auf eine ausgedehnte Metropole hinabzublicken, in der sich Gebäudeblocks dicht an dicht drängten, von geradlinig verlaufenden Straßenschluchten durchzogen. Licht und Schatten prägten die Würfel noch deutlicher, konnten aber mit allen Nuancen nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Grundfarbe des fremden Raumschiffs ein helles Beige war.

»Ich übernehme Funk und Ortung!«, sagte Kythara.

»Gut.« Atlan nickte knapp. Seine Schaltungen verwandelten den Frontbereich der kleinen Zentrale in eine absolut perfekte Wiedergabe des Weltraums. Da schienen keine störenden Wände mehr zu sein; der Eindruck entstand, dass er nur noch die Hand auszustrecken brauchte, um den unbekannten Würfelraumer zu berühren.

»Keine auftreffende Ortung!«, meldete die Varganin.

Vielleicht haben sie das gar nicht nötig, dachte Atlan.

Ein solches Riesenschiff verfügte zweifellos über eine Technik, die der des Tropfenbeiboots weit überlegen war. Was war die DYS-116 denn im Vergleich zu diesem Koloss? Nicht mehr als ein Staubkorn.

Trotzdem ging er langsam näher heran.

Der Würfel flog ohne Schutzschirm. Aber vielleicht wendete er einen Großteil seiner Energie für die Fangfelder im Frontbereich auf.

Distanz noch zehntausend Kilometer.

Nichts geschah.

»Funkempfang, Kythara?«

»Absolut nichts. Dieser Koloss bleibt auf sämtlichen Frequenzen stumm.«

Ungerührt pflügte der Würfel durch die Wolke. Je weiter sich die DYS-116 annäherte, desto mehr verschwamm die Bilderfassung in trüben, farblosen Schlieren.

»Die Partikeldichte nimmt extrem ab. Der Raumer saugt die Wolkenmaterie auf.«

Der Arkonide hörte kaum, was seine Begleiterin sagte. Wie aus weiter Ferne erreichte ihn ihre Stimme.

Da war etwas anderes, und Atlan glaubte es deutlich zu spüren: wie Blicke aus dem Nichts, die ihm durch und durch gingen.

Was du wahrnimmst, ist ein beginnender Raumkoller!, behauptete sein Logiksektor.

Aber dennoch. Unbeschreiblich fremde Augen starrten ihn an. Ihn oder die DYS-116. Ihr Blick war forschend, ungläubig und verwirrt zugleich.

Für einen flüchtigen Moment gewann der Arkonide den Eindruck, seinen Geist nur öffnen zu müssen, um dem Fremden zu begegnen – aber die belebenden Impulse, die der Aktivatorchip durch seinen Körper schickte, rissen ihn aus der beginnenden Trance zurück.

Hörte er den Aufschrei noch? Einen zweistimmigen Schrei voll Freude und Qual zugleich.

Was war das gewesen? Einbildung – oder ein erster, wenngleich äußerst vager Kontakt zur Besatzung des Würfelschiffs?

Seine Finger verkrampften sich um die Schläfen, er schloss die Augen und lauschte noch einmal in sich hinein. Es war vergeblich. Dass sein Extrasinn schwieg, zeigte zudem deutlich, was der in der ARK SUMMIA aktivierte Gehirnsektor von diesem Vorfall hielt: die Gedanken eines adligen Arkoniden, der zu lange unter terranischen Barbaren gelebt hatte.

Kythara schaute ihn fragend an.

»Nichts«, sagte Atlan abweisend, »es ist gar nichts.«

Die Varganin glaubte ihm nicht. Aber schon Sekunden später wurde sie abgelenkt, denn das Würfelraumschiff beschleunigte.

3.

 

Allmählich hatte der Koloss seine Fahrt erhöht und »pflügte« nun mit annähernd einem Drittel Lichtgeschwindigkeit durch den Raum.

In der optischen Beobachtung war der Eindruck entstanden, dass der Würfel in eine Sonne stürzte. Das Frontholo zeigte ein düsterrotes Glühen, von dem nach allen Seiten Protuberanzen abflossen.

Atlan hatte die DYS-116 mittlerweile bis auf gut dreitausend Kilometer zurückfallen lassen. Falls der Würfelraumer auf Überlichtgeschwindigkeit ging, konnten in seinem unmittelbaren Umfeld unerwartete und vor allem zerstörerische Einflüsse auftreten, je nachdem, ob er transitierte, in den Linearraum wechselte, den Metagravflug oder eine völlig andere Methode nutzte.

Fast eineinhalb Stunden waren vergangen.

»Eigentlich undenkbar, dass wir nicht bemerkt wurden«, sagte Kythara.

Atlan wandte den Blick nicht von dem Würfelschiff, das weiterhin ohne erkennbare Triebwerksemission beschleunigte.

»Zwanzig Meter Beiboot im Vergleich zu diesem Koloss«, erwiderte er nach einer Weile. »Egal, wie wir selbst das sehen – wir sind schlicht und einfach unbedeutend.«

Um Kytharas Mundwinkel zuckte es verhalten. »Nicht einmal der Versuch wurde unternommen, uns über Funk anzusprechen. Wir werden in jeder Hinsicht ignoriert. Ist da drüben niemand neugierig?«

»Da drüben«, sagte Atlan nachdenklich, »lebt vermutlich niemand. Ich glaube sogar, dass niemals intelligente Lebewesen an Bord waren. Der Koloss ist robotgesteuert. Wir wurden zweifellos entdeckt, aber als unbedeutend eingestuft und deshalb vermutlich aus dem Wahrnehmungsraster ausgeblendet. Was sich natürlich sehr schnell wieder ändern kann.«

Ruckartig wandte sich die Varganin ihrem Begleiter zu. »Du kennst diesen Schiffstyp?«

»Das nicht. Aber ich ziehe Vergleiche und versuche, ein schlüssiges Bild zusammenzustellen. Dieser Würfel sammelt Rohstoffe, so viel scheint klar zu sein. Angesichts seiner Größe steht zu vermuten, dass sich ausgedehnte Fabrikanlagen an Bord befinden, die das Material sofort weiterverarbeiten. Dafür wird keine Besatzung in unserem Sinn benötigt.«

»Roboter?«

»Zwei vollautomatische Robotschiffe«, bestätigte der Arkonide. »Bei entsprechend starrer Programmierung ignorieren sie alles, was nicht in ihren Aufgabenbereich gehört. Bevor dieses Schiff hier beschleunigt hat, war ich versucht zu glauben, dass sie seit Jahrtausenden unverändert ihrem Kurs folgen. Sie wären nicht die ersten vergessenen Roboteinheiten, die ihrer Tätigkeit noch nachgehen, obwohl ihre Erbauer längst von der kosmischen Bühne abgetreten sind.«

»Das letzte Lebenszeichen einer untergegangenen Zivilisation?«

Kytharas Blick schweifte in weite Ferne ab. Sie schaute Atlan zwar an, doch der Arkonide hatte den Eindruck, dass sie ihn nicht einmal mehr wahrnahm. Wahrscheinlich fühlte sich die Varganin an ihr eigenes Schicksal und das ihres Volkes erinnert. Nach wie vor war sie eine geheimnisvolle Schönheit, die wenig von sich selbst preisgab. Manchmal wuchs in Atlan das Verlangen, sie in den Arm nehmen und ihr zu zeigen, dass sie verdammt begehrenswert war – aber nie hatte er das getan. Weil er unbewusst fürchtete, Kytharas Charisma zu zerstören, das ihr einen Hauch zeitloser Abgeklärtheit verlieh. Wenige Frauen in seinem an Affären nicht eben armen Leben hatten in ihm solche Empfindungen hervorgerufen ...

Narr!, schimpfte sein Extrasinn. Wirst du jemals die Vergangenheit ruhen lassen?

»Sogar Robotraumschiffe verschwundener Zivilisationen haben ein Ziel«, hörte Atlan sich sagen. Die eigene Stimme klang in dem Moment fremd, als versuche er, sich von allen belastenden Gedanken abzulenken. Irritiert griff er mit zwei Fingern an seine Nasenwurzel und schüttelte den Kopf. »Ich bin sicher, dass dieses Raumschiff ... sein Ziel ... fast erreicht hat.«

Die Konturen des Würfels verwischten. Als hätte sich ein hauchdünner Schleier darüber gelegt.

Atlan blinzelte, aber der Eindruck blieb. Farbdifferenzen verwischten unter diesem Schleier, die zerklüftete Oberfläche erschien mit einem Mal gar nicht mehr so schroff ausgeprägt ...

... und dann verblasste der Koloss.

Für die Dauer eines Lidschlags schien der Würfel noch schemenhaft transparent im Raum zu hängen, umlodert von düsterem Glühen, das aber nicht nahe genug an ihn herankam, und dann war da nichts mehr.

»Ob das andere Schiff ebenso verschwunden ist?« Kytharas Frage durchbrach die angespannt wirkende Stille.

»Keine Ortung!«, stellte Atlan fest. »Die Sensoren haben absolut nichts aufgefangen. Es ist, als hätte dieses Schiff nie existiert.«

 

*

 

Eine Begegnung in der Unendlichkeit. Ohne tieferen Sinn. Nur ein Sehen und Vergessen, mehr nicht. Zurück blieben viele Fragen, was hätte sein können ...

... wenn es gelungen wäre, in dieses Gigantraumschiff einzudringen, es womöglich in Besitz zu nehmen. Egal ob bewaffnet oder nicht, ein solcher Koloss bedeutete einen Machtfaktor ersten Ranges.

... oder dieses Schiff hätte die Begegnung mit einem der großen Völker des Universums herbeiführen können. Vielleicht auch nur mit ihrer Hinterlassenschaft, falls sie selbst nicht mehr existierten.

Atlan erschrak über die eigenen Gedanken. Für wenige Augenblicke stieg eine Sehnsucht in ihm auf, wie er sie nie gekannt hatte, die ihn sogar erschreckte. Viel zu fest stand er mit beiden Beinen auf dem Boden der Tatsachen, als dass er sich auf solche Überlegungen hätte einlassen können. Träumer scheiterten irgendwann an ihrer eigenen Unzulänglichkeit.

Verwirrt dich Kytharas Nähe?

Atlan schwieg. Dennoch war es unmöglich, dem Extrasinn die Antwort zu verweigern; er konnte seine Gedanken nicht aufhalten. Deutlicher als je zuvor wurde ihm das bewusst.

Er rief die Aufzeichnung der Ortungsdaten ab, spielte sie in die optische Sequenz ein. Nichts erschien anders, als er es zuvor wahrgenommen hatte. Der Würfel schien sich gleichmäßig aufzulösen und verblasste letztlich wie eine Projektion. Das war keine Transition gewesen, jedenfalls nicht im herkömmlichen Sinn. Aber vielleicht ein verzögerter Übertritt in den Zwischenraum.

»Selbst wenn der Kursvektor beibehalten wurde, wissen wir nicht, welche Entfernung dieser Würfelriese überwunden hat«, gab Kythara zu bedenken. »Das andere Raumschiff hatten wir ohnehin kaum in der Ortung.«

In ihren Worten schwang Ungeduld mit. Sie waren nicht in die Sternengeburtswolke SET-3 eingeflogen, um sich mit fremden Gigantraumschiffen zu befassen, sondern auf der Suche nach einer mythischen Waffe, dem Flammenstaub.

»Noch zwei Überlichtetappen«, sagte Atlan. »Die Frage ist nur: Wie exakt sind die Koordinaten der Intrawelt?«

Risghors Erklärungen hatten ihn nicht völlig überzeugt. Andererseits hätte er es vielleicht eines Tages bereut, den Vorstoß nicht gewagt zu haben.

Die Erklärungen des Kommandanten der Konterkraft klangen noch in ihm nach. Demzufolge mied die Raumfahrt in Dwingeloo den Sektor SET-3. Weil Hyperstürme und Gravitationsanomalien die Einflugbedingungen denkbar ungünstig erscheinen ließen.

Und der Flammenstaub? War er das Risiko nie wert gewesen?

Schiffe, die versucht hatten, zu der sagenumwobenen Intrawelt vorzustoßen, waren nie zurückgekehrt.

Wie hoch die Verlustliste war – niemand wusste es.

»Gegen jene Schiffe damals ist die DYS-116 heute sehr gut ausgerüstet«, hatte Risghor-1 erklärt. »Und wie perfekt die Besatzungen auch aufeinander eingespielt gewesen sein mögen, niemals hat sich jemand an Bord befunden, der schon jenseits der Materiequellen weilte.«

»Eintritt in den Überlichtflug in zwei Minuten!«, stellte Atlan fest.

Kytharas Augen lächelten. Sie lehnte sich in ihrem Sessel zurück und beobachtete das Frontholo, das den Weltraum in die Zentrale holte, ein brodelndes Meer aus Licht und Schatten, Farben und Düsternis. Nur wenige grelle Lichtpunkte durchdrangen das Chaos, neugeborene Sonnen, deren Strahlungsdruck eines fernen Tages dazu beitragen würde, die Wolke aufzulösen. Nach langen Zeiträumen, in denen Zivilisationen entstanden und wieder vergingen.

 

*