image

STAR TREK

DIE GLÜCKSMASCHINE

JAMES GUNN

NACH EINER GESCHICHTE VON
THEODORE STURGEON

Based on
Star Trek
created by Gene Roddenberry

Ins Deutsche übertragen von
Ronald M. Hahn

image

image

Die deutsche Ausgabe von STAR TREK: DIE GLÜCKSMASCHINE
wird herausgegeben von Amigo Grafik, Teinacher Straße 72, 71634 Ludwigsburg.
Herausgeber: Andreas Mergenthaler und Hardy Hellstern, Übersetzung: Ronald M. Hahn; verantwortlicher Redakteur und Lektorat: Markus Rohde; Lektorat: Kerstin Feuersänger und Gisela Schell; Satz: Rowan Rüster/Amigo Grafik; Cover Artwork: Martin Frei; Print-Ausgabe gedruckt von CPI Morvia Books s.r.o., CZ-69123 Pohorelice. Printed in the Czech Republic.

Titel der Originalausgabe: STAR TREK: THE JOY MACHINE

German translation copyright © 2015 by Amigo Grafik GbR.

Original English language edition copyright © 1996 by CBS Studios Inc. All rights reserved.

™ & © 2015 CBS Studios Inc. STAR TREK and related marks and logos are trademarks of CBS Studios Inc. All Rights Reserved.

This book is published by arrangement with Pocket Books, a Division of Simon & Schuster, Inc., pursuant to an exclusive license from CBS Studios Inc.

Print ISBN 978-3-86425-303-4 (Februar 2015) · E-Book ISBN 978-3-86425-326-3 (Februar 2015)

WWW.CROSS-CULT.DE · WWW.STARTREKROMANE.DE · WWW.STARTREK.COM

Für Ted,
der immer die nächste Frage gestellt hat
.

INHALT

EINS

ZWEI

DREI

VIER

FÜNF

SECHS

SIEBEN

ACHT

NEUN

ZEHN

ELF

ZWÖLF

DREIZEHN

VIERZEHN

FÜNFZEHN

SECHZEHN

SIEBZEHN

ACHTZEHN

NACHWORT

[subraum-trägerwellensendung]

<anfrage
anfrage
anfrage>

>identifizieren<

<ich
anfrage>

>ich<

EINS

Timshel

image

Der Planet hing wie eine glitzernde Christbaumkugel in der Schwärze des Weltraums. Im weißgelben Glanz seiner 145 Millionen Kilometer entfernten G2-Sonne bewegte sich Timshel langsam auf seiner Umlaufbahn: eine blauweiße Oase in der finsteren Ödnis, eine erlesene Anomalie in der von Leben freien Leere, die der Normalzustand des Universums war.

Wenn die vorbeiziehenden interstellaren Schiffe, die die Galaxis durchfegten, verlangsamten und sich spiralförmig dem Orbit des Planeten näherten, wurde die Welt, die sie vor sich sahen, noch einladender. Die polaren Eiskappen strahlten wie Funkfeuer; dann tauchten unter den wirbelnden Wolken langsam ergrünende Landmassen auf.

Fünf Kontinente, die wie grüne und braune Flecken auf einer blauen Tagesdecke verteilt waren, gerieten in ihr Blickfeld, wenn der Planet sich drehte. Dann kamen die Tupfer der Inseln und Archipele. Von den arktischen bis zu den warmen Tropenzonen vermischten sich die Farben und Formen von Land und Meer und bildeten ein nahtloses Ganzes.

Eine Fähre im Anflug würde Kurs auf die nördliche Halbkugel nehmen. Durch ihre Fenster oder auf ihren Bildschirmen konnten die Passagiere schneebedeckte Berge sehen, die aus den Wäldern herausragten. Diese wiederum öffneten sich zu Ebenen hin, die vom braunen Filigranmuster der Flüsse und Ströme durchschnitten wurden. Endlich tauchten dort, wo die Flüsse miteinander verschmolzen oder die Meere am Land endeten, Gebäudeansammlungen und Straßen auf – bei Tag aus Elfenbein geschnitzte Modelle, bei Nacht eine Handvoll verstreuter Edelsteine. Sie lieferten den einzigen Beweis dafür, dass hier Menschen lebten, und die subtile Antwort auf die Frage: Gibt es Leben auf Timshel?

Wenn die Fähre zur Landung im Hafen von Timshel City ansetzte, der größten Gebäudeansammlung des Planeten, könnte man neben dem dunklen Blau des Westozeans einen leuchtenden weißen Fleck erkennen. Er war von einem saftigen grünen Ring umgeben, der rote und gelbe Punkte aufwies, wie ein impressionistisches Gemälde. Wenn die Fähre näher käme, würden die Flecke und Punkte zu Gebäuden und blühenden Bäumen. Die Gebäude, die meist niedrig und villenartig waren, wurden ausnahmslos von abgeschlossenen Gärten umgeben. In Richtung Stadtzentrum nahm ihre Höhe schrittweise zu, doch keines hatte mehr als fünf Stockwerke. Auch die hiesigen Gärten waren eher traditionell und befanden sich zwischen breiten Gehsteigflächen, als legten die Menschen, die über die von eigener Hand geschaffenen Plätze schritten, um ihren Geschäften nachzugehen, hin und wieder gern eine Pause ein, um sich am Duft und den Farben der Natur zu ergötzen.

Die Gebäude, dies hätte ein frisch von Bord gegangener Besucher bald entdeckt, waren von eleganter Bauart, denn man hatte sowohl auf Kunst wie auf Funktionalität geachtet. Die Stadt war in ihrer Meereslage und mit ihrem milden Klima wie ein Urlaubsort, an dem man sich das ganze Jahr aufhielt. Die Säulen und Sockel, die die hohen, gebogenen Dächer stützten, erinnerten den historisch interessierten Besucher vielleicht an Abbildungen aus dem alten Griechenland. Das Gleiche galt auch für die Statuen, die hier und da auf Plätzen und in Gärten aufragten, sodass man sie schon aus der Ferne erblickte oder plötzlich und überrascht vor ihnen stand. Die von einer Vielzahl von Händen und in unterschiedlichen Stilen erschaffenen Statuen verband jedoch ein gemeinsames Element: Sie stellten keine gewöhnlichen Menschen, Nichtmenschen und Tiere dar, sondern idealisierte Geschöpfe, wie Michelangelos David oder die Venus von Milo – als strebten Timshel City und seine Bewohner nach der jedem Lebewesen innewohnenden Vollkommenheit.

So war er tatsächlich, der Planet Timshel, den man in der ganzen Galaxis als Gartenwelt kannte und der als beliebtester Urlaubsort für Raumschiffbesatzungen galt. Timshel war der Mutterplanet, der die Erde einst hatte werden wollen: das Paradies vor dem Sündenfall. Er lag seiner Sonne etwas näher, hatte eine leicht weniger exzentrische orbitale Neigung, war im Durchschnitt etwas wärmer, kannte weniger jahreszeitliche Unterschiede und hatte eine geringere Masse, sodass Menschen, die an das Gravitationszerren schwererer Planeten gewöhnt waren, sich hier etwas stärker und lebhafter fühlten. Die mit dem Duft einer fremden, unverschmutzten Welt vermischte Luft hatte etwa einen um zwei Prozent höheren Sauerstoffgehalt und ließ das Luftholen auf Timshel wie das Einatmen von Nektar erscheinen.

Im Gegensatz zur Erde war Timshel von der Anstrengung unberührt, sich aus barbarischen Anfängen zur Zivilisation zu erheben. Der fast eineinhalb Jahrhunderte zuvor von einer Gruppe unter Praxiteles Timshel besiedelte Planet war den Fallgruben entgangen, in die andere Kolonien getappt waren. Wo andere die Ausbeutung ihrer natürlichen Umweltressourcen durch Landwirtschaft, Bergbau und Produktion betrieben und ihre neue Welt zu florierenden Export- und Handelszentren gemacht hatten, waren in den gemäßigten Zonen Timshels nur wenige Gebiete dem Anbau von Getreide vorbehalten – durch eine hochmechanisierte Landwirtschaft oder jene, denen es Spaß machte, der Tätigkeit auf der Scholle nachzugehen. Man hatte auf den Gasriesenplaneten, im Asteroidengürtel und auf den öden Monden abgelegene Bergbauunternehmen installiert und begonnen, eine Lebensweise aufzubauen, die sich auf Denken, Diskussion, Kreativität und Kunst konzentrierte. Und Liebe. Timshel war eine Welt der Liebe. Die Bürger Timshels liebten einander, das Universum und das Leben. Dort zu sein, und sei es auch nur für ein paar Wochen, Tage oder Stunden, war wie eine Wiedergeburt.

Aber irgendetwas war schrecklich schiefgegangen.

In seinem Quartier auf dem Raumschiff Enterprise hob Captain James Kirk den Blick vom Bildschirm und schaute seinen Ersten Offizier an. »Wie kann etwas so Vollkommenes so übel werden?«

»Wir wissen nicht, ob es so ist«, erwiderte Spock.

»Wenn ein Urlaubsplanet wie Timshel Besuchern die Landung verweigert oder seinen Bürgern die Ausreise untersagt, stimmt etwas ganz und gar nicht.« Kirk stand auf, um hin und her zu gehen.

Er verglich seine Erinnerung an Timshel mit seiner Umgebung. Normalerweise akzeptierte er die ihm vertraute Umgebung, ohne Fragen zu stellen, doch wenn man sich einer Welt wie Timshel näherte, bekam man ein neues Bewusstsein. Die Enterprise raste mit dem Warpantrieb so schnell auf Timshel zu, dass die Sterne verwischten. Obwohl das Schiff erst kürzlich auf Sternenbasis 12 überholt worden war, wies es den typischen Geruch seiner Instrumente, seiner Mannschaft und seiner Einrichtung auf: jener einmaligen Mischung, die typisch für jeden lange abgeschotteten Raum war, an dem ein Besatzungsmitglied, auch wenn ihm der Geruch des Schiffes gar nicht mehr auffiel, das Innere anderer Schiffe mit einem Atemzug und manchmal sogar andere Besatzungsmitglieder erkennen konnte. Derart ist die Kraft des Geruchssinnes sogar in Geschöpfen, die so jämmerlich ausgerüstet sind wie Menschen: Wird er gesättigt, schaltet er ab; wird er durch neue Eingaben stimuliert, wird er zu einer unbewussten Informationsquelle, die darauf wartet, angezapft zu werden.

Alles ist einmalig, doch nichts ist vollkommen. Selbst in Schiffen, die ansonsten fast identisch mit der Enterprise sind, entwickeln sich über Monate und Jahre hinweg Verschleißmuster. Der oberflächliche Blick entdeckt den Unterschied vielleicht nicht, doch das Unterbewusstsein registriert die Umstellung von Möbeln, die leichte Abnutzung des Bodenbelags, den Abrieb von Händen auf Lehnen und die subtile Einkerbung, die Finger auf Tasten hinterlassen.

»Jede Frage hat ihre Antwort, Captain«, sagte Spock gleichmütig. Er stand mit vor der Brust verschränkten Armen neben dem Eingang, durch den er kurz zuvor gekommen war. »Man muss nur die richtige Frage stellen.«

Kirk warf Spock einen entnervten Blick zu. »Ich habe gefragt: Wie kann etwas so Vollkommenes so übel werden?«

»Zu viele undefinierte Begriffe«, sagte Spock. »Zum Beispiel vollkommen und übel. Wir wissen nicht, was sie bedeuten. Ich nehme an, Sie waren schon mal auf Timshel.«

»Zweimal beim Landurlaub und einmal zur Kur, wegen einer Kampfverletzung.«

»Und der Planet war, wie Sie sagen, vollkommen?«

»Nun …«, setzte Kirk an. Dann lächelte er über die logische Falle, die Spock ihm gestellt hatte. »Vielleicht nicht für die Mannschaft, die auf das Nachtleben und die normalerweise dazugehörenden Bekanntschaften aus waren. Möglicherweise nicht im Sinn eines normalen Landurlaubs. Aber er bot ein ideales Leben aus Kunst und Entspannung – in einer idealen Stadt mit idealem Klima. Timshel City war wie eine riesige Universität, die sich ganz dem Lernen und der Selbsterfüllung und der Entdeckung gewidmet hat, wie das Universum anfing, wie es sich entwickelt hat und funktioniert. Und der Rolle, die das intelligente Leben dabei gespielt hat. Wie Menschen denken, empfinden und sich angesichts solcher Erkenntnis verhalten sollen.«

Spock hob eine Augenbraue. »Wie könnte so etwas ›übel werden‹?«

»Das ist die Frage, nicht wahr? Die Antwort lautet: Ich weiß es nicht. Wenn eine solche Sache verderben kann, welche Hoffnung gibt es dann noch für jedes andere menschliche Streben in diesem Universum?«

»Was Vollkommenheit angeht«, sagte Spock, »habe ich die Erfahrung gemacht, dass sie sich nicht nur außerhalb menschlicher Reichweite befindet, sondern dass der Versuch, sie zu erringen, zu Desillusion führt – und manchmal zur Katastrophe.«

Kirk lächelte. »Eigenartig, dass gerade Sie so was sagen, Spock. Ich habe immer gedacht, dass Sie nach der vollkommenen Logik streben – und sie errungen haben.«

»Es ist nur das Ziel, Captain«, sagte Spock ernst. »Aber ich weiß, dass meine größten Bemühungen, so sehr ich mich auch anstrenge, noch weit davon entfernt sind. Es ist nämlich eine Frage unvollständiger Daten, wenn der Prozess selbst auch fehlerlos ist – was er natürlich nicht sein kann …«

»Ich verstehe«, sagte Kirk eilig. »Die unvollständige Frage lautet also, wenn man unvollständige Daten hat: Wie kommt man an eine unvollständige Antwort heran? Ich habe den Eindruck, dass es nur eine Möglichkeit gibt, sie zu finden.«

»Und welche?«

»Versagt Ihre Logik?«

»Manchmal«, sagte Spock, ohne ironisch zu werden, »kann ich Ihrer Logik nicht folgen, Captain.«

»Bevor ich meine Logik enthülle, sollten wir erst mal unsere Truppen versammeln.« Bevor Kirk sich umdrehte, um Spock zu folgen, warf er einen kurzen Blick auf den Holowürfel, der auf seinem Schreibtisch stand.

Kirk schaute sich im Konferenzraum um. Es war so still wie immer, bevor eine Diskussion ausbrach. Sie saßen zu fünft auf den Stühlen, die aufgrund von Gewohnheit die ihren geworden waren. Sie hatten die Arme verschränkt und stützten ihre Ellbogen auf die Tischplatte wie schon so oft, sodass die Stühle sich im gewohnten Winkel neigten und die passenden Körperteile automatisch an die abgenutzten Stellen des Tisches schoben: McCoy, Uhura, Scotty, Spock. Und alle schauten Kirk konzentriert an.

Schließlich ergriffen alle gleichzeitig das Wort, doch es war McCoy, der die anderen Stimmen übertönte. »Das kannst du nicht machen, Jim. Es ist schon ein Agent der Föderation nach Timshel gegangen. Er ist nie zurückgekehrt. Wir können es uns nicht leisten, den Captain eines Raumschiffes zu verlieren.«

»Vom Captain unseres Raumschiffes ganz zu schweigen«, sagte Uhura.

»Zwei«, sagte Kirk.

»Zwei?«, echote Scotty.

»Zwei Föderationsagenten. Einer der besten Abwehrleute der Föderation, Stallone Wolff, ist vor einem Jahr gegangen und nie zurückgekommen. Danielle Du Molin ging vor drei Monaten nach Timshel, um in Erfahrung zu bringen, warum Wolff sich nie gerührt hat und nicht zurückgekehrt ist. Sie hat sich einmal gemeldet, dann verfiel auch sie in Schweigen.«

»Doch nicht Dannie!«, sagte McCoy.

»Wer ist Agentin Du Molin?«, fragte Spock.

»Eine Freundin unseres Captains.« McCoy wandte sich zu Kirk um; auf seinem Gesicht zeigte sich ein Ausdruck mitfühlender Besorgnis.

Kirk nickte. »Chancen muss man nutzen. Und dies ist meine. Unsere Befehle sind klar. – Gehen Sie nach Timshel und finden Sie vorsichtig heraus, warum sich der Planet vor zwei Jahren in Quarantäne begeben hat. Retten Sie, falls möglich, die beiden Agenten, die diesen Auftrag vor Ihnen erhalten haben. Wenn sie tot sind, bringen Sie in Erfahrung, wer dafür verantwortlich ist. Und führen Sie die Verantwortlichen, falls möglich, der Gerichtsbarkeit zu.«

Kirk erhob sich von seinem Stuhl, wandte sich um und betrachtete die Sternstreifen des Warpraums hinter dem Fenster des Konferenzraumes.

»Eine sehr gute Freundin«, fügte McCoy hinzu.

»Umso mehr Grund, warum derjenige, der nach Timshel geht, ein anderer sein müsste«, sagte Spock. »Ich sollte gehen.«

Kirk wandte sich zu den anderen um. »Als Geheimagent kämen Sie schwerlich durch.« Er lächelte kurz. »Auf Timshel leben nämlich keine Vulkanier.«

»Ich könnte mich tarnen«, sagte Spock. »Wenn zwei Agenten nicht zurückgekehrt sind, ist die Lage vielleicht gefährlicher, als vermutet wird. Es ist nur logisch, dass nicht Sie, sondern ein anderer das Risiko auf sich nehmen sollte.«

»Ich bin am besten geeignet«, widersprach Kirk. »Ich habe fast drei Monate auf Timshel verbracht. Ich kann erkennen, was sich seit meinem letzten Besuch auf dem Planeten verändert hat. Außerdem habe ich mich während meines Aufenthalts mit einem einheimischen Wissenschaftler namens Marouk angefreundet. Ich bin ganz sicher, dass er mir eine Unterkunft und die Informationen besorgen kann, die wir brauchen.«

»Und wie sollen wir jemanden auf den Planeten bringen, ohne das Schiff zu verraten?«, fragte McCoy.

»Überlassen Sie das den Ingenieuren«, sagte Scotty.

»Aber gern. Jim«, fuhr McCoy dann fort, »da ist noch etwas, von dem du uns nichts erzählt hast: Was stand in der Meldung, die Dannie gemacht hat?«

»Nur, dass ihr alles normal erscheine und in der Stadt alle schwer beschäftigt seien. Nur eins kam ihr ungewöhnlich vor.«

»Und was war das?«, fragte Uhura.

»Sämtliche Erwachsenen trugen ein breites Armband mit einem großen künstlichen Rubin in der Mitte. Sie hat ihre Meldung mit einem Bild versehen. – Computer, das Armband auf den Bildschirm.« Der Frontschirm zeigte ein silbernes Armband mit einem roten, durchscheinenden Stein, der langsam durch mehrere simulierte Dimensionen rotierte. »Das hat es zu meiner Zeit noch nicht gegeben, und es ist vielleicht von Bedeutung.«

»Es bedeutet«, sagte Uhura, »dass Sie eine Gelegenheit haben, etwas mitzunehmen, das Ihnen unter Umständen zum Vorteil gereicht.«

»Ich verstehe, was Sie meinen«, sagte Kirk. »Wir sind morgen da. Können Sie in weniger als vierundzwanzig Stunden etwas zusammenbasteln?«

»Verlassen Sie sich darauf«, antwortete Uhura.

»Und Sie, Scotty? Können Sie irgendetwas austüfteln, das das Schiff vor den Beobachtern und Instrumenten Timshels verbirgt?«

Scotty nickte verbissen.

»Dann ran an die Sache.«

McCoy folgte Kirk in sein Quartier. Er hob den Holowürfel vom Schreibtisch auf. Als er ihn drehte, wirkte das darin befindliche Bild der jungen Frau fast lebendig. Er drückte den unten angebrachten Knopf, ihre Lippen teilten sich und sie sagte: »Bald, Liebling – und dann für immer.«

»Dannie ist weg«, sagte McCoy. »Es ist schwer zu verkraften, Jim. Weißt du genau, dass es dein Urteilsvermögen nicht beeinflusst?«

»Du kennst mich doch gut genug.« Ein geistesabwesender Ausdruck legte sich auf Kirks Gesicht. Alte Erinnerungen. »Es war ohnehin nur ein Traum. Kommandanten wie ich sind mit ihren Raumschiffen verheiratet. Es wäre närrisch, sich vorzustellen, wir könnten Ehefrauen oder feste Freundinnen haben.«

»Du bist auch nur ein Mensch, Jim. Du kannst doch das Schicksal einer Person, die du gern hast, nicht einfach außer Acht lassen.«

Kirk schüttelte sich und konzentrierte sich auf die bevorstehende Aufgabe. »Wenn ich professionell vorgehe, ist es das Beste, was ich für Dannie tun kann. Sieh es so: Selbst wenn Marouk Bestandteil des Geschehenen ist – und wir können diese Möglichkeit nicht außen vor lassen –, dürfte meine Sorge um Dannie ein ausreichend großes Motiv für meine Ankunft liefern.«

»Er weiß doch gar nicht, dass du kommst.«

Kirk schüttelte den Kopf. »Es gibt zwar keine Möglichkeit, ihm eine Nachricht zukommen zu lassen, aber er ist ein heller Kopf und guter Freund. Er wird vielleicht überrascht sein, aber er wird Verständnis für mein Auftauchen haben.«

Er drehte sich um und verließ den Raum, während McCoy den Holowürfel melancholisch in seinen Händen rotieren ließ. Die Stimme der jungen Frau, die in all ihrer Schönheit wie ein Augenblick gefrorener Zeit in dem klaren Eisblock gefangen war, wiederholte: »Bald, Liebling – und dann für immer.«

In Timshel City bahnte sich Kemal Marouk vom Zentrum der Weltregierung aus einen Weg durch die Stadt – zu seiner Villa in den Außenbezirken. Die Sonne war freundlich und die Luft rein und frisch und brachte den Geruch von Salz und Meer mit sich. Er beobachtete seine Mitbürger, die unter den gütigen Blicken uniformierter Polizisten eilig den ihnen zugewiesenen Aufgaben nachgingen, und nickte, als wolle er sagen, dass die Dinge ihren richtigen Gang gingen, dass alles so ablief, wie es ablaufen sollte.

»Alles geschieht zum Besten«, sagte er leise vor sich hin, »und auf der besten aller möglichen Welten.«

Als er seine Villa, ein breites, verschachteltes, einstöckiges Gebäude, erreichte, war er angenehm erhitzt. Vor dem von einer niedrigen weißen Steinmauer umgebenen Haus, die so wirkte, als diene sie eher der Begrenzung als seinem Schutz, lag ein gepflegter Garten. Die Villa stand auf einem Hügel, der das dunkelblaue Meer überschaute. Er nickte dem Polizisten zu, der neben dem Tor stand. »Glückseligkeit, ’Lone«, sagte er.

»Glückseligkeit für Sie, Sir«, sagte der Polizist. Dann verzog er sofort das Gesicht, als bereue er seine Worte. »Tut mir leid, Sir«, sagte er. »Ich wollte sagen …«

»Ich weiß, was Sie sagen wollten, ’Lone«, sagte Marouk freundlich. »Ich nehme es als einen Wunsch für die Zukunft.«

Er trat durch den offenen Torbogen seiner Villa. Auf Timshel gab es weder Schlösser noch verschlossene Türen. Bevor er seine Anwesenheit bekannt geben konnte, wurde er von einem Energiebündel angegriffen, das ihn mit Armen und Beinen umschlang. Nachdem er sich befreit hatte, hielt er ein junges Mädchen auf Armeslänge von sich – es war etwa zehn Jahre alt und hatte kurzes dunkles Haar, eine sommersprossige Nase und grüne Augen. »Noelle«, sagte er in gespielter Bestürzung, »was habe ich getan, um dies zu verdienen?«

»Du bist eben der beste Papa in der Galaxis.« Das Mädchen klammerte sich erneut an Marouk.

»Und was hast du den ganzen Tag getrieben?«, fragte er, als sie sich endlich beruhigt hatte. Sie gingen nebeneinander, den Arm um den jeweils anderen geschlungen, über den gefliesten Korridor ins Wohnzimmer, das die gesamte Breite der Villa einnahm. Vorn öffnete sich eine Verandatür zum Garten hin; hinten enthüllte eine ähnliche Tür eine Veranda, die den tiefer liegenden Ozean überschaute und unterhalb einer steilen Klippe den weißen Sandstrand.

»Gelernt«, sagte Noelle. »Damit du stolz auf mich sein kannst und ich es wert bin, eine Bürgerin Timshels zu sein. – Des besten Orts in der ganzen Galaxis«, fügte sie triumphierend hinzu. Marouk lachte. »Du hast schon jetzt die richtige Einstellung.«

Ein älteres Mädchen, es war etwa fünfzehn, schaute von einem altmodischen gedruckten Buch auf, in dem es las. Es hockte in der Ecke eines Sofas, das an der gegenüberliegenden Wand vor dem Kamin stand. Der Kamin wurde an beiden Seiten von Regalen eingerahmt. Die meisten waren mit den schlanken Hüllen von Informationsscheiben gefüllt, aber ein Regalbrett war ein reines Buchlager – es enthielt etwa zwei Dutzend. Sogar ihre wasserdichten Kunststoffrücken zeigten, dass sie in den vergangenen Jahrhunderten oft in die Hand genommen worden waren.

»Wie steht’s mit dir, Tandy?«, fragte Marouk. »Willst du auch würdig sein?«

»Hallo, Papa.« Tandy schaute von der Seite auf, in die sie gerade vertieft gewesen war. »Ich weiß, dass ich würdig bin«, sagte sie. »Ich möchte nur, dass Timshel meiner würdig ist.« »Daran zweifle ich nicht«, erwiderte Marouk. »Wenn ich etwas dazu beitragen kann …«

Aus dem Gang hinter ihnen erklang eine Frauenstimme: »Und ich zweifle nicht daran, dass mein lieber Kemal alles dazu beiträgt, was er kann.«

»Mal sehen«, sagte Marouk. »Aber es wärmt mein Herz, Mareen«, fügte er lächelnd hinzu, »in dem Menschen, der mich am besten kennt, solche Zuversicht zu sehen.«

Er ging mit drei schnellen Schritten auf sie zu, nahm sie in die Arme und gab ihr einen Kuss. Mareen war eine schlanke, jugendlich wirkende Frau, und man sah deutlich, dass ihre Töchter ihre Schönheit geerbt hatten. Marouk war zwar hochgewachsen und robust, hatte einen olivfarbenen Teint und eine vorstehende Nase, aber gut aussehend hätte ihn niemand genannt. Menschen, die eine gewisse Zeit mit ihm verbracht hatten, vergaßen jedoch angesichts seines hypnotisierenden Intellekts und seines Charmes sein Äußeres sehr schnell.

Als Marouk und Mareen Hand in Hand fortgingen, hätte ein Beobachter keine Schwierigkeiten gehabt, die Zuneigung zu erkennen, die sie füreinander empfanden. Nicht mal ihre Leidenschaft hatte sich im Laufe der Jahre abgekühlt. Sie gingen durch den Korridor, der vom Eingang zur Küche und zum Speisezimmer führte, das übers Meer hinwegschaute. Auf der anderen Seite betraten sie durch einen breiten Eingang ein Arbeitszimmer.

Der Raum barg den Gartenduft von Blumen und grünen Gewächsen. Damit vermischt war der Geruch von Leder, von Plastik und von magnetisch gespeicherter Information. Rings um sie her waren Regale voller Scheiben und Datenspulen in Schachteln, dazwischen dunkle Bildschirme und Scheibenlesegeräte. Sie ließen sich auf ein Ledersofa sinken.

»Wie ist es gelaufen, Kemal?«, fragte Mareen, doch ihr Tonfall deutete an, dass die Frage tiefere Bedeutung hatte, als die unschuldigen Worte vermuten ließen.

Marouk zuckte mit den Achseln. »So gut, wie man es erwarten konnte.«

»Er kommt also?«

»Die Enterprise ist unterwegs.«

»Und was erwartet er hier zu finden?«

»Zweifellos irgendetwas Schreckliches.«

»Ich glaube, dann steht ihm eine Überraschung bevor.«

Marouk nickte. »Ich hoffe, er überlebt sie«, sagte er und streckte den Arm aus, um seine Frau mit einem Verlangen an sich zu ziehen, das schon an Verzweiflung grenzte.

Spock, McCoy und Scotty warteten mit Kirk im Transporterraum. McCoy hatte eine finstere Miene aufgesetzt. Kirk wusste, dass er nicht viel von Transportern hielt. Für den Arzt wimmelte der Raum von den Geistern von tausend Menschen und anderen Lebewesen, die durch ihn ihrem Schicksal begegnet waren: Desintegration, Analyse und Materialisation an einem fernen Ort. Körper waren gekommen und gegangen und hatten Spuren ihrer Essenz zurückgelassen. Die meisten waren zurückgekehrt, doch wer konnte sagen, dass es dieselben waren, die diesen Raum verlassen hatten? Exakte Duplikate, gewiss, aber was war mit dem, was man nicht messen oder analysieren konnte? Was war mit der Persönlichkeit? Was war mit dem »Ich«? Was war, für jene, die noch gläubig waren, mit der Seele?

Jedes Lebewesen, das die Transporterplattform betrat, musste sich diese Fragen stellen, und selbst jene, die es dutzend- oder hundertmal getan hatten, mussten in sich den bleibenden Zweifel haben, ob sie noch die gleichen waren wie zuvor oder ob im Lauf der Jahre, auch wenn das Verfahren nahezu vollkommen war, hier ein Haar oder dort eine Zelle hinzugefügt oder abgezogen worden war. Konnten mikroskopische Fehler, die bei jedem elektronischen Verfahren vorkommen mussten, im Lauf der Zeit zu makroskopischen Unterschieden werden? Angenommen, ein streunendes kosmisches Teilchen traf den Computer im falschen Augenblick? Angenommen, ein einzelner winziger Halbleiter unter Millionen versagte? Angenommen, ein einmal im Leben vorkommender Computerfehler setzte das unfallsichere Verfahren matt?

Bei Menschen wie McCoy ballte sich jedes »Angenommen« im Magen. Selbst wenn sie das Risiko als Teil des Berufes akzeptierten: Sie mussten sich, wenn sie allein waren, dennoch fragen, ob sie und die anderen, wenn sie später in den Schlaf sanken, tatsächlich sie selbst waren.

»Nun, Scotty«, sagte Kirk, »haben Sie etwas für mich ausgetüftelt?« Er hatte seine normale Uniform gegen eine griechisch wirkende weiße Tunika ausgetauscht.

»Spock nennt es Phasenmanöver.«

»Spock?«, fragte Kirk.

»Er hat es vorgeschlagen«, sagte Scotty säuerlich. »Aber ich habe eine Möglichkeit gefunden, es auch umzusetzen.«

»Und was ist ein Phasenmanöver?«

Scotty schaute Spock an, der an der Transportersteuerung stand. »Wenn es uns gelingt, in einem Zeitraum von ein bis zwei Sekunden aus dem Warp zu kommen und dann wieder einzutreten, müsste das Schiff unauffindbar sein«, sagte Spock.

»Wenn wir uns nur ein paar Sekunden im Normalraum aufhalten«, erklärte Scotty, »könnte ein Sensorensystem zwar eine kleine Störung registrieren, aber es hätte keine Zeit, sich auf das zu konzentrieren, was es ist. Dinge dieser Art werden leicht für Anomalien gehalten. So was gleicht sich aus.«

»Das verstehe ich«, sagte Kirk. »Aber können Sie die Triebwerke so frisieren, damit sie schnell genug schwingen?«

»Ich habe es schon ausprobiert, und es scheint zu funktionieren.«

»Wenn man davon absieht, dass es normalen Menschen Übelkeit bereitet«, sagte McCoy und warf Spock einen kurzen Blick zu.

»So ist es wohl«, sagte Kirk. »Ich habe vor Kurzem ein komisches Gefühl in der Magengrube verspürt, aber ich habe gedacht … Na ja, spielt keine Rolle, was ich gedacht habe. Und wie steht’s mit dem Transporter?«

»Wir müssen den Transporterprozess nur mit dem Phasenmanöver koppeln, damit beide synchron laufen«, erklärte Spock. »Es ist möglicherweise etwas riskant, aber da ich von diesem Phänomen offenbar nicht betroffen bin, kann ich das Verfahren überwachen und dafür sorgen, dass es nicht zu Unfällen kommt.«

»Dann scheint alles fertig zu sein – bis auf Uhura«, sagte Kirk.

»Die ist jetzt auch fertig.« Uhura betrat den Raum mit einer Schachtel, die sie vor sich hielt. »Hier, Captain, für Sie.« Sie musterte seine Kleidung. »Vielleicht kann es die nackten Beine und Sandalen ausgleichen.«

»Ich hatte nicht vor, mich darüber zu äußern«, sagte McCoy.

»Manche Männer sind von der Natur eben nicht dazu ausgerüstet, Kilts oder kniefreie Röckchen zu tragen«, fügte Scotty hinzu und lächelte zum ersten Mal.

Kirk verzog das Gesicht, nahm Uhura die Schachtel ab und öffnete sie. In ihr lag, wie eine teure Armbanduhr, ein silbernes Armband. In der Mitte befand sich ein großer hellroter synthetischer Rubin. Kirk bewunderte ihn. »Sehr gut.« Er schaute ihn sich von allen Seiten an. »Sieht wie eine perfekte Imitation des Timshel-Schmuckstücks aus.«

»Ist aber keine«, sagte Uhura. »Das Juwel ist in Wirklichkeit ein Gerät, das bis zu zwölf Stunden aufzeichnen kann und zusammen mit dem Armband als Sender dient, der zwölf Stunden aufgezeichnetes Material in einer Sekunde zu uns überspielen kann. Wir können es an Bord empfangen und so verlangsamen, dass wir es verstehen können.«

»Also können wir es auf das Phasenmanöver abstimmen«, sagte Scotty. »Wenn wir aus dem Warp kommen, fangen wir die Aufzeichnung auf und verschwinden wieder.«

Uhura nickte. »Genau.«

»Dann wird es jetzt Zeit für mich.« Kirk legte das Armband um sein Handgelenk und justierte es.

Er machte einen Schritt auf die Plattform zu, aber McCoy legte eine Hand auf seinen Arm und hielt ihn an. »Es wäre mir lieber, du überlegst es dir noch mal, Jim. Lass lieber einen von uns gehen.«

»Ich bin qualifiziert wie kein anderer.«

»Es gefällt mir nicht«, sagte McCoy. »Timshel ist zu gütig, aber die tödlichsten Bedrohungen lauern in den unschuldigsten Verkleidungen. Die beiden Agenten hätten sich längst melden müssen.«

»Hast du noch nie so viel Vergnügen bei etwas empfunden, dass du dir gewünscht hast, es möge niemals enden?« Kirk lächelte. »Vergiss nicht«, sagte er, als er auf die Plattform trat und in Position ging, »ich habe nicht nur Uhuras Rekorder …« Er hob sein Handgelenk. »… sondern auch noch einen anderen Vorteil: Niemand weiß, dass ich komme.« Er gab Spock einen Wink. »Ich bin bereit, wenn Sie es sind.«

Spock schaute Scotty an, der leicht besorgt nickte. Dann musterte er Kirk. »Auf Wiedersehen, Captain – und viel Glück.« Er drückte einen Knopf. Die Gesichter der im Raum Anwesenden zeigten Übelkeit, dann flackerte Kirks Abbild und er verschwand in einem Schillern schwebender Partikel.

Ein Geist hatte sich in die unter ihnen herrschende Nacht begeben.

[subraum-trägerwellensendung]

<anfrage raumschiff>

>antwort
raumschiff<

<sub-austausch vertraulich>

>sub-austausch vertraulich verstanden<

ZWEI

Dannie

image

In einer Ecke des Gartens schillerte die Luft. Der diensthabende Polizist am Tor spürte plötzlich einen Windhauch an seinem Gesicht und drehte den Kopf in die Richtung, aus der er gekommen war. Auf dem gepflasterten Gehsteig, der sich zwischen einem gelben Tulpenbeet und einer Ansammlung blutroter außerirdischer Blüten dahinschlängelte, stand ein Mann. Im abendlichen Dunkel konnte man mit absoluter Gewissheit nur die blassen Konturen eines Gesichts und eine traditionelle Timshel-Tunika wahrnehmen.

»Mein Herr.«

Der Mann auf dem Gehsteig wandte den Kopf. »Meinen Sie mich?«

»Dies ist eine Privatresidenz«, sagte der Polizist. »Ich muss Sie bitten, sich zu identifizieren und das Grundstück zu verlassen.«

»Ich bin ein Freund der Familie Marouk.«

»Man hat mich nicht informiert, dass Gäste erwartet werden«, sagte der Polizist freundlich. »Ich bitte Sie noch einmal, sich zu identifizieren und das Grundstück zu verlassen.«

»Bürger Timshels haben das unveräußerliche Recht des freien Zutritts«, sagte der Mann im Garten.

»Seit wann weigern sich Bürger Timshels, dem Befehl einer rechtlich ernannten Autorität zu gehorchen?«, fragte der Polizist. »Und seit wann tragen sie diese alte Tracht?«

»Wie ich mich kleide, geht doch wohl nur mich etwas an«, antwortete der Mann im Garten. »Seit wann bewachen rechtlich ernannte Autoritäten Privatresidenzen?«

»Wenn Sie die Antwort auf diese Frage nicht kennen, sind Sie kein Bürger«, entgegnete der Polizist. »Ich bitte Sie nun zum dritten Mal …«

»Ihre Einmischung wird von der Familie Marouk, der Sie zu dienen vorgeben, gewiss nicht gutgeheißen«, sagte der Mann im Garten. Im gleichen Moment öffnete sich hinter ihm die Glastür. Eine Frau trat in den Garten hinaus und schirmte ihre Augen vor dem hinter ihr beleuchteten Raum ab.

»Jim, bist du noch draußen?«

»Ja, Mareen«, sagte Kirk.

»Sie kennen den Herrn?«, fragte der Polizist Mareen.

»Natürlich«, sagte Mareen. »Er wollte einen Spaziergang durch den Garten machen, um sich abzukühlen. Er ist Jim Kirk, unser Freund. Seien Sie freundlich zu ihm, ’Lone.«

»Danke für die Wachsamkeit meinen Freunden gegenüber«, sagte Kirk zu dem Polizisten und ging auf das Licht und die davorstehende Silhouette der schlanken Frau zu. »Sie sind in guten Händen.« Er schlang die Arme um die Frau und drückte sie an sich.

»Danke, Mareen«, sagte er leise und küsste sie auf die Wange. Sie gingen zusammen ins Wohnzimmer, und Mareen schloss wegen der Kühle des Abends die Tür hinter ihnen. »Aber woher wusstest du …?«

»Kemal hat gesagt, du wirst bald kommen«, antwortete Mareen. »Du kennst ihn doch. Er irrt sich fast nie. Als ich Stimmen im Garten hörte, nahm ich an, du seist eingetroffen.«

»Da siehst du, wie es ist, wenn man eine treue Gefährtin hat«, sagte Marouk. Er stand am Kamin, wo er die Rücken der altmodischen Bücher studierte, als hätten sie die Macht, ihm von der Erde zu erzählen. »Ich habe schon immer gesagt, das Einzige, was dir im Leben fehlt, ist eine Ehefrau.«

Kirk zuckte mit den Achseln. »Es gibt halt nur eine Mareen.« Marouk nickte zustimmend; das Kompliment gefiel ihm. »Ihr habt mich erwartet?«, fragte Kirk.

»Wen würde die Föderation sonst schicken, um in Erfahrung zu bringen, warum Timshel sich unter Quarantäne stellt?«

»Zum Beispiel zwei Agenten«, sagte Kirk.

»Und anschließend Captain Kirk, der herausfinden soll, was aus ihnen geworden ist. Die zeitliche Abstimmung war kalkulierbar: ein Jahr bis zum ersten Agenten, neun Monate bis zum nächsten. Wie lange würde die Föderation wohl warten, bis sie den einzigartigen Captain Kirk schickt?«

»Auf den Tag genau drei Monate.« Kirk nickte zustimmend. »Was ist hier passiert?«

Marouk wandte sich vom Kamin ab und nahm Kirks Hand. »Mein alter Freund, wir werden dem Ruf der timshelischen Gastfreundschaft wahrlich nicht gerecht. Möchtest du etwas essen oder trinken?«

»Vielleicht eine Tasse des berühmten Timshel-Kaffees«, bat Kirk.

»Natürlich«, sagte Mareen. »Ich hätte mich an deine Vorliebe für unser einheimisches Getränk erinnern müssen.«

»Der Boden, die Luft … Irgendetwas an Timshel verleiht ihm ein besonderes Aroma und einen noch besseren Geschmack«, sagte Kirk. »Wie übrigens auch der hiesigen Lebensart.« Als Mareen sich umdrehte, um den Raum zu verlassen, wandte er sich an Marouk: »Du hast meine Frage noch nicht beantwortet.«

Bevor Marouk reagieren konnte, wurde er durch das Eintreten eines jungen Mädchens unterbrochen, das eine dampfende Kaffeetasse trug. Ihm folgte ein noch jüngeres Mädchen, das in seinem Eifer, Kirk zu begrüßen, kaum an sich halten konnte.

»Ich möchte dir zwei deiner Bewunderer vorstellen«, sagte Marouk. »Dies sind Tandy und Noelle.« In seiner Stimme schwang deutlicher Stolz mit.

»Ich kann’s nicht fassen.« Kirk nahm die Tasse aus Tandys Hand entgegen. »Wie lange ist es her? Fünf, sechs Jahre? Ihr seid ja erwachsen geworden und schon richtige Frauen!«

Tandy streckte eine Hand aus, damit er sie schüttelte, aber Kirk umfasste das Mädchen mit dem freien Arm und drückte es an sich. Als sei es plötzlich der Notwendigkeit enthoben, erwachsen zu sein, schlang es die Arme um ihn und drückte ihn mit unverhohlener Zärtlichkeit an sich. Noelle umfasste ihn von der anderen Seite und küsste ihn auf die Wange.

»Vorsichtig«, mahnte Kirk milde und hielt die Tasse hoch.

»Es waren nur vier Jahre«, sagte Noelle, »aber ich kann mich noch genau an die Besuche des strahlenden Sternenflottenoffiziers erinnern. Ich war in dich verliebt. Tandy auch, aber jetzt ist sie zu alt, um es zuzugeben.«

»Halt die Klappe, Noelle«, schalt Tandy, doch sie lächelte, als sie sich befreite und zu ihrem Vater ging. »Lass den armen Mann doch erst mal seinen Kaffee trinken.«

Noelle ließ Kirk zögernd los, doch als er auf dem Sofa Platz nahm, ließ sie sich besitzergreifend neben ihm nieder. Kirk schaute sich im Raum um, als wolle er alte Eindrücke erneuern. Gleichzeitig erschnupperte er das aus der Tasse aufsteigende Aroma und lächelte anerkennend. Er trank einen Schluck. »Es ist lange her«, sagte er. »Ihr könnt euch meine Bestürzung nicht vorstellen, als ich hörte, dass die Quarantäne auch die Exporte umfasst. Keinen Timshel-Kaffee mehr! Aber du hast meine Frage noch immer nicht beantwortet.«

»Später«, sagte Marouk und nickte Noelle zu.

»Erzähl mir wenigstens, was aus meinen … Vorgängern geworden ist«, bat Kirk.

»Nichts«, sagte Marouk. »Der erste, Stallone Wolff, ist der Polizist, der unsere Tür bewacht.«

»Ich hätte ihn doch erkennen müssen«, meinte Kirk.

»Uniformierte Menschen sehen anders aus.«

»Und die zweite?« Kirk verbarg seine Besorgnis hinter einer sorglosen Miene.

»Ich bin hier, Jim«, sagte eine Frauenstimme.

Kirk drehte sich um und verschüttete fast den Kaffee. Im Türrahmen, neben der lächelnden Mareen, stand eine Frau, die so aussah, als sei sie gerade einem Glaswürfel entstiegen.

»Dannie!«, entfuhr es Kirk.

Die hübsche dunkelhaarige junge Frau trug Jeans und ein blaues Arbeitshemd, das die weiblichen Kurven ihrer schlanken Gestalt nicht ganz verbergen konnte. Sie lächelte, als freue sie sich, dass sie ihn überrascht hatte. Das Lächeln verwandelte ihr Gesicht in etwas Engelhaftes, und Kirk stellte die Tasse ab und ging schnell zu ihr hin.

»Dannie«, sagte er erneut und schlang die Arme um ihren Leib, um sie an sich zu ziehen.

»Jim …«, murmelte sie leise und küsste ihn.

Kirk überließ sich der Freude des Augenblicks. Er spürte ihre weichen Lippen auf den seinen und den Druck ihres Körpers, der mit dem seinen verschmolz. Dann löste er sich von ihr und schaute sie an. »Was ist hier passiert?«, fragte er. Er musterte ihre Kleidung, als wolle er sie in seine Frage einschließen. Sie hatte sich immer nach der aktuellen Mode gekleidet.

»Nichts«, erwiderte sie. »Und alles.«

»Geht doch ins Arbeitszimmer«, schlug Mareen vor. »Ich wette, ihr habt euch viel zu erzählen.« Sie betonte die Worte »zu erzählen«, als wolle sie andeuten, dass sie eine ganze Reihe möglicher Aktivitäten abdeckten.

Dannie nahm Kirks Hand. »Komm mit, Jim«, sagte sie, plötzlich atemlos. »Ich weiß, wo es ist.«

Sie durchquerten den Korridor und gingen zum Arbeitszimmer. Dannie schloss die Tür hinter ihnen. Sie quietschte leise, da sie nicht oft geschlossen wurde, denn auf Timshel schloss man Türen nur selten. Dannie kehrte in seine Arme zurück. Diesmal waren ihre Lippen fest und verlangend.

Eine ganze Weile später zog sie den Kopf zurück. »Es ist schön, dich wieder in der Nähe zu haben, Jim. Du kannst dir nicht vorstellen, wie sehr du mir gefehlt hast.«

»Es wäre nicht nötig gewesen«, sagte Kirk.

»Da hast du recht«, entgegnete sie stirnrunzelnd. »Ich habe es selbst so gewollt.« Doch dann lächelte sie wieder, als erinnere sie dieser Gedanke an irgendetwas. »Aber wenn du erst verstanden hast, welche Wahl ich getroffen habe, wirst du es mir nicht mehr verübeln. Ich war mir ganz sicher, dass du eines Tages hier auftauchen würdest – dass wir wieder zusammen kommen und du die gleiche Wahl triffst wie ich. Erinnerst du dich noch an das alberne Holo, das ich dir geschenkt habe? Tja, nun ist es wohl nicht mehr so albern. – ›Und dann für immer.‹«

»Genau danach steht mir der Sinn«, sagte Kirk. »Ich möchte die Wahl verstehen, die du getroffen hast. Aber ich höre nichts anderes als Anspielungen und Vertröstungen.«

Dannie zog ihn auf das Ledersofa hinab. »Es liegt daran, dass die Wirklichkeit so unbeschreiblich ist.«

Kirk schlang den linken Arm um ihre Taille. Sein Armband klirrte gegen das ihre. »Da fällt mir etwas ein«, sagte er. »Wieso tragen die Marouks keine Armbänder?«

»Tandy und Noelle sind noch nicht erwachsen«, antwortete Dannie, als erkläre dies alles. »Und Mareen und Kemal – tja, das lässt du dir lieber von Kemal erklären.«

»Immer die anderen«, sagte Kirk. »Aber du kannst mir doch bestimmt sagen, was mit Wolff und dir passiert ist. Warum habt ihr euch nicht gemeldet?«

»Habe ich doch«, erwiderte Dannie.

»Einmal – und dann kam nichts mehr. Keine Erklärung. Nichts.«

»Wie du siehst«, sagte Dannie, »gab es nichts zu melden. Wolff und mir geht’s gut. Wir sind glücklich.«

»Aus welchem Grund hat sich Timshel vom Rest der Galaxis abgeschottet? Schließlich hat man dich doch hergeschickt, um diese Frage zu beantworten.«

»Ach, das!« Sie winkte ab. »Es hatte keinen Sinn, eine Meldung abzuschicken, die ohnehin niemand geglaubt hätte. Wenn man sie geglaubt hätte, wäre die Reaktion nur noch schlimmer ausgefallen: Timshel wäre von Auswanderern nur so überschwemmt worden. Schweigen war besser. Und Schweigen, hat Kemal gesagt, würde dich herbringen.«

»Wenigstens damit hat er recht. Erklär’s mir doch mal. Ich glaub dir schon.«

Dannie holte tief Luft. »Na schön, Jim. Hier gibt es etwas, das so wunderbar ist, dass es nirgendwo seinesgleichen hat.«

»Besser als Nahrung?«

»Viel besser«, sagte Dannie.

»Besser als der hiesige Kaffee?«

Dannie lächelte.

»Besser als demjenigen nahe zu sein, den man liebt?«

Sie nickte.

»Sogar besser als die Liebe selbst?«, fragte Kirk.

»Ach, Jim«, sagte sie. »Du stellst zu viele Fragen.« Dann wandte sie sich ihm wieder zu und drückte erneut ihre Lippen auf seinen Mund, und zwar so beharrlich, als sei es das Vorspiel zu allem, was er sich wünschte. Doch in diesem Moment, als sie sich heftig umarmten, ertönte ein summendes Geräusch und erfüllte den Raum. Dannie löste sich von ihm und warf einen Blick auf ihr Handgelenk. Der synthetische Rubin pulsierte hell.

Dannie wimmerte und stand auf. Sie schaute sich im Raum um, bis sie in einer Ecke ein Ledersofa erblickte.

»Dannie!«, sagte Kirk. »Was ist los?«

»Nichts«, antwortete sie geistesabwesend und ging zum Sofa. »Gar nichts. Heute ist mein Zahltag.« Sie legte sich auf das Sofa und schob den Edelstein ihres Armbandes sorgfältig in eine seitlich im Sofa angebrachte Fassung. Er passte genau.

Fast gleichzeitig schien rosiges Licht – als sähe man die Welt durch eine rosafarbene Brille – aus einer verborgenen Quelle in der Wand über dem Sofa auf ihren Kopf. Dannies Körper spannte sich an, als befände sie sich in den Fängen der Leidenschaft. Ihr Gesicht verzog sich ekstatisch. Der Zustand dauerte eine Minute an, vielleicht auch zwei, doch für Kirk, der hilflos und entsetzt zuschaute, schien es Stunden zu dauern.

»Dannie!«, sagte er. »Dannie!«

In den Fängen dessen, was sie im Griff hielt, erschien sie allem gegenüber taub und blind – außer dem, was in ihrem Inneren geschah. Plötzlich erschlaffte ihr Leib, als hätte der Dämon, der sie gepackt hielt, sie freigegeben. Ihre fest geschlossenen Augen entspannten sich. Kirk sah, dass sie atmete, als befände sie sich in tiefem Schlaf. Er berührte ihre Schulter und schüttelte sie sanft. »Dannie!«

Er wollte ihren Arm von der Fassung lösen, in der der Edelstein steckte, aber er war nicht stark genug, um ihn zu entfernen.

»Dannie!«, sagte er. Er vernahm ein erneutes Wimmern, aber es war nicht das begierige Wimmern, das sie zuvor ausgestoßen hatte, sondern eins der Verzweiflung.

Als Kirk die Tür aufriss, kam Tandy gerade durch den Korridor. »Tandy!«, rief er. »Komm schnell her! Mit Dannie stimmt irgendetwas nicht.«

Er nahm ihre Hand und führte sie in den Raum, in dem die schlafende Schönheit lag. Das Mädchen schaute lächelnd hinüber und wirkte völlig ruhig.

»Es ist alles in Ordnung«, sagte Tandy. »Dannie hat nur ihren Zahltag.«

»Zahltag«, meinte Kirk. »Das hat sie gesagt.«

»Er wirkt sich immer so auf Menschen aus. Wirkt sie nicht glücklich? Wenn sie morgen früh aufwacht, wird sie sich so ausgeruht und ausgeschlafen fühlen wie nach dem besten Schlaf aller Zeiten, und sie hat wunderbar geträumt. Ich kann’s kaum erwarten, dass ich sechzehn werde. Dann kann ich einem Beruf nachgehen, kriege ein Armband und erlebe auch den Zahltag.«

»Was ist ein Zahltag?«, fragte Kirk.

»Ich weiß es nicht genau«, antwortete Tandy. »Aber alle sind der Meinung, dass es einfach nichts Schöneres gibt. Es ist wohl schwer zu beschreiben, weil es so herrlich ist. Alle sind ganz verrückt danach. Ich kann’s kaum erwarten, dass ich es endlich auch mal erlebe.«

Dies waren mehr Worte, als Kirk seit seiner Ankunft aus Tandys Mund gehört hatte, und er schaute sie an, als wolle er verstehen, was hinter dem mädchenhaften Enthusiasmus lag, der sich in seiner Erinnerung früher nur auf Erwachsenenkleidung, private Verkehrsmittel oder Beziehungen zu Jungen beschränkt hatte.

»Wo ist deine Mutter?«

»Im Wohnzimmer«, sagte Tandy. Sie schenkte ihm ein Lächeln und ging hinaus.

»Zahltag?«, murmelte Kirk. Er ging ins Wohnzimmer zurück, wo Marouk allein auf ihn wartete.

Er saß in einem Schaukelstuhl am Kamin. Eine Mischung aus Müdigkeit und Frustration huschte über sein Gesicht. »Jetzt hast du gesehen, was zu beschreiben mir unmöglich gewesen wäre.«

»Ich habe zwar etwas gesehen«, sagte Kirk, »aber ich verstehe es nicht.« Er nahm Marouk gegenüber auf dem Sofa Platz.

»Seit du zuletzt auf Timshel warst, ist eine Menge passiert. Es hat schließlich zu unserer Abschottung und dem geführt, was du Dannie hast erleben sehen.«

»Ich kann es noch immer nicht glauben. Dannie ist ganz anders als früher.«

»So ist es nun auch wieder nicht«, widersprach Marouk. »Man kann nur das sein, wozu man die Anlagen hat. Was du gesehen hast, war eindeutig Dannie; aber eine Dannie, die Glückseligkeit erfährt.«

»Glückseligkeit?«, fragte Kirk.

Marouk nickte. »Absolute, unverfälschte, vollkommene Glückseligkeit. Ungetrübter Genuss.«

Kirk saß schweigend da und ließ das, was Marouks Aussage beinhaltete, auf seinen Geist einwirken.

»Vor sechs Jahren sagte ein timshelischer Philosoph namens Emanuel De Kreef, das Leben hier sei zu einfach, eine hedonistische Existenz führe nur dazu, den Charakter des Menschen zu verderben. Er behauptete, Timshel habe keine Zukunft – außer einem langsamen Verfall.«

»Im Lauf der Jahrhunderte haben viele Menschen genau das Gleiche über die eine oder andere Gesellschaftsform gesagt«, erwiderte Kirk. »Manchmal aus gutem Grund. Aber Timshel war anders als alle anderen.«

»Zugegeben. Wir haben zwar ein gutes Leben geführt, aber wir haben uns mit ihm beschäftigt und nicht in ihm geschwelgt. De Kreef hat es jedoch nicht so gesehen, und die Heftigkeit, mit der er unsere Lebensweise anprangerte, war beispiellos. Er beharrte darauf, Timshel benötige eine Rückkehr zu den alten Werten. Er hat uns sogar gedrängt, auf einen anderen, weniger bequemen Planeten auszuwandern, wo man als Mensch schwer arbeiten und ums Überleben kämpfen muss.«

»Ich wette, man hat ihn massenhaft unterstützt.«

»Man hat ihn, wo er auch sprach, vom Rednerpult gebuht«, sagte Marouk. »Er wurde schließlich auf seiner eigenen Welt zu einem Exilanten. Aber das feuerte ihn nur noch mehr an.«

»Er hat das Verfahren vervollkommnet, das ich Dannie habe erleben sehen«, vermutete Kirk.

»Stimmt. Es war vor etwa zwei Jahren.«

»Wie aber passt es zusammen mit De Kreefs Zielen – der Rückkehr zu den alten Werten und dem Überlebenskampf?«

»Die Glückseligkeit ist da, man muss sie sich nur verdienen«, erklärte Marouk. »Wenn man die einem zugewiesene Arbeit erledigt, sammelt man Punkte, die man am Zahltag erhält. Haben die Punkte eine bestimmte Höhe erreicht – sie sind von Beruf zu Beruf unterschiedlich –, erhält man eine Nachricht über das Armband und legt sich auf das nächste erreichbare Zahltagssofa.«

Kirk sprang erregt auf. »Das ist ja entsetzlich.«

»Wir kennen keine Verbrechen«, sagte Marouk. »Bei uns begeht man nicht mal eine Sünde.«

Kirk machte eine abfällige Handbewegung. »Arbeit wird sinnentleert – sie ist nur ein Mittel, den Zahltag zu erleben. Es ist ein Teufelskreis: Arbeit, Zahltag, Arbeit, Zahltag …«

»Und wir sind darin gefangen«, stimmte Marouk zu. »Andererseits unterscheidet es sich aber nicht von dem Zyklus, in dem die meisten Menschen seit Anbeginn ihrer Geschichte gefangen sind.«

»Es gibt nur einen großen Unterschied«, sagte Kirk. »Die Menschen hatten immer eine Chance, aus dem Zyklus auszubrechen, und der allgemeine Trend war für die Menschheit eine Aufwärtsspirale. Hier hat niemand irgendeinen Anreiz, etwas zu verändern. Das kann doch nicht De Kreefs Absicht gewesen sein.«

»Die Lösung war vielleicht zu vollkommen«, gab Marouk zu. »Aber du musst das Problem verstehen: Auf Timshel war das Leben so angenehm, dass er den Leuten etwas noch Besseres bieten musste. Und er hat es gefunden – Glückseligkeit ohne Vermittler, einen Endorphinschock ohne Nebenwirkungen. Tatsächlich drillt es den Körper, stärkt den Stoffwechsel und verbessert die Durchblutung.«

»Und warum der künstlich hervorgerufene Schlaf?«, fragte Kirk.