Oscar Wilde


Ein Granatapfelhaus

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Klassiker als ebook herausgegeben bei RUTHeBooks, 2016


ISBN: 978-3-945667-72-9


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Das Sternenkind



Es waren einmal zwei arme Holzhauer, die durch einen großen Fichtenwald nach Hause gingen. Es war Winter und eine bitterkalte Nacht. Der Schnee lag dick auf dem Boden und auf den Ästen der Bäume, und rechts und links, wo sie vorbeigingen, knarrten die kleinen Zweige vor Frost. Als sie zu dem Gebirgsbach kamen, hing er bewegungslos in der Luft, denn der Eiskönig hatte ihn geküßt.

So kalt war es, daß selbst die vierfüßigen Tiere und die Vögel nicht wußten, was sie dazu sagen sollten.

"Hu!" knurrte der Wolf und hinkte, den Schwanz zwischen die Beine geklemmt, durch das Unterholz. "Dies ist ein einfach scheußliches Wetter. Warum bekümmert sich die Regierung nicht darum?"

"Witt! witt! witt!" zwitscherten die grünen Hänflinge. "Die alte Erde ist tot, und sie haben sie in ihrem weißen Totenkleid aufgebahrt."

"Die Erde will sich verheiraten, und dies ist ihr Brautgewand," flüsterten sich die Turteltauben zu. Ihre kleinen, rosigen Füße waren ganz erfroren, aber sie hielten es für ihre Pflicht, die Lage von der romantischen Seite aufzufassen.

"Unsinn," heulte der Wolf. "Ich sage euch, nur die Regierung ist daran schuld, und wenn ihr mir nicht glaubt, freß ich euch auf." Der Wolf war durchaus Praktiker und nie um gute Gründe verlegen.

"Nun, was mich angeht," sagte der Specht, der ein geborener Philosoph war, "so kümmere ich mich um keine, noch so subtilen Erklärungstheorien. Wie etwas ist, so ist es, und augenblicklich ist es schrecklich kalt."

Schrecklich kalt war es wirklich. Die kleinen Eichhörnchen, die in den hohen Fichtenbäumen wohnten, rieben sich gegenseitig immerfort die Nasen, um sich warm zu halten, und die Kaninchen rollten sich in ihren Höhlen zusammen und wagten nicht einmal, aus ihren Türen zu blicken. Die einzigen Wesen, die an der Kälte Freude zu haben schienen, waren die großohrigen Eulen. Ihre Federn waren ganz hart vom Reif, aber das kümmerte sie nicht, und sie rollten ihre großen, gelben Augen und riefen sich durch den Wald hin zu: "Tuwitt! Tuhu! Tuwitt! Tuhu! Was haben wir doch für ein wundervolles Wetter!"

Immer weiter gingen die beiden Holzhauer, hauchten sich munter auf die Finger und stampften mit ihren großen, eisenbeschlagenen Schuhen auf den festen Schnee. Einmal versanken sie in einer tiefen Schneewehe und kamen so weiß heraus wie Müller, wenn die Steine mahlen; und einmal glitten sie auf dem harten, glatten Eise aus, als sie über gefrorenes Moorwasser gingen, und ihre Holzscheite fielen aus ihren Bündeln, so daß sie sie wieder auflesen und von neuem zusammenbinden mußten; und einmal glaubten sie, sie hätten ihren Weg verloren, und ein großer Schrecken überkam sie, denn sie wußten, wie grausam der Schnee gegen die ist, die in seinem Arm schlafen. Aber sie setzten ihr Vertrauen auf den guten Sankt Martin, der über allen Wanderern wacht. Sie gingen behutsam in ihren Fußstapfen zurück, und schließlich erreichten sie doch den Rand des Waldes und sahen tief unter sich im Tale die Lichter des Dorfes, in dem sie lebten. So überfroh waren sie ob ihrer Errettung, daß sie laut lachten, und die Erde erschien ihnen wie eine Blume von Silber und der Mond wie eine Blume von Gold.

Aber nachdem sie gelacht hatten, wurden sie traurig, denn sie erinnerten sich an ihre Armut, und einer von ihnen sagte zum andern: "Warum sind wir fröhlich geworden? Wir sehen doch, daß das Leben für die Reichen da ist und nicht für unsereinen. Besser, wir wären im Walde vor Kälte gestorben, oder ein wildes Tier hätte uns angefallen und getötet."

"Du hast recht," antwortete sein Gefährte. "Den einen wird viel, den andern wenig gegeben. Ungerechtigkeit hat die Welt verteilt, und in nichts sind wir gleich als im Leid."

Aber als sie so einander ihr Leid klagten, da geschah etwas Seltsames. Ein sehr heller und schöner Stern fiel vom Himmel. Er glitt von der Himmelswand herab und an den andern Sternen vorbei, und als sie ihn staunend beobachteten, schien es ihnen, als sei er hinter einer Gruppe von Weidenbäumen versunken, die dicht bei einer kleinen Schafhürde stand, kaum einen Steinwurf von ihnen entfernt.

"Wer ihn findet, stößt auf einen Topf voll Gold," riefen sie und begannen schnell dahinzulaufen, so begierig waren sie auf das Gold.

Und der eine von ihnen lief schneller als sein Gefährte und kam ihm zuvor. Er zwängte sich durch die Weiden und gelangte an die andere Seite, und siehe, da lag wirklich etwas Goldenes auf dem weißen Schnee. Da eilte er hin, beugte sich nieder und legte seine Hand darauf. Und es war ein golddurchwebtes Tuch, das seltsam mit Sternen bestickt und in viele Falten geschlagen war. Und er rief seinem Kameraden, er habe den Schatz gefunden, der vom Himmel gefallen sei, und als sein Kamerad herangekommen war, da setzten sie sich in den Schnee hin und öffneten die Falten des Tuches, um die Goldstücke zu teilen. Aber ach, kein Gold war darin und kein Silber, noch überhaupt irgendein Schatz, sondern nur ein kleines Kind, das schlief.

Da sprach der eine zu dem andern: "Das ist ein bitteres Ende unserer Hoffnung, und wir haben kein Glück, denn was nützt ein Kind einem Manne? Wir wollen es hier liegen lassen und unserer Wege gehen, denn wir sind arme Männer und haben selbst Kinder, deren Brot wir nicht einem andern geben können."

Doch sein Geführte antwortete ihm: "Nein, es wäre schlecht, das Kind hier im Schnee umkommen zu lassen, und wenn ich auch so arm bin wie du und viele Münder zu füttern und nur wenig im Topf habe, so will ich es doch mit nach Hause nehmen, und mein Weib soll dafür sorgen."

So nahm er denn ganz behutsam das Kind auf, wickelte das Tuch darum, um es vor der rauen Kälte zu schützen, und ging den Hügel hinab nach dem Dorfe, und sein Kamerad wunderte sich sehr über seine Torheit und Gutmütigkeit.

Und als sie zum Dorf kamen, sagte sein Kamerad zu ihm: "Du hast das Kind, darum gib mir das Tuch, denn es ist nur billig, daß wir teilen."

Aber er antwortete ihm: "Nein, das Tuch gehört weder dir noch mir, sondern nur dem Kinde."

Und er bot ihm Lebewohl, ging nach seinem Hause und klopfte. Und als seine Frau die Tür öffnete und sah, daß ihr Mann heil zurückgekehrt war, schlang sie ihre Arme um seinen Hals und küßte ihn. Sie nahm das Bündel mit Holzscheiten von seinem Rücken, fegte den Schnee von seinen Schuhen und bat ihn, hereinzukommen.

Aber er sprach zu ihr: "Ich habe etwas im Walde gefunden und habe es dir gebracht, damit du dafür sorgst." Und er rührte sich nicht von der Schwelle.

"Was ist es?" rief sie. "Zeige es mir, denn das Haus ist leer, und wir brauchen manches." Und er zog das Tuch zurück und zeigte ihr das schlafende Kind.

"O weh, Vater!" murmelte sie, "haben wir nicht eigene Kinder, daß du einen Wechselbalg mitbringen mußt, der am Herde sitzt? Und wer weiß, ob er uns nicht Unglück bringt? Und wie sollen wir ihn pflegen?" Und sie war zornig auf ihn.

"Es ist aber ein Sternenkind," antwortete er; und er erzählte ihr die seltsame Art, wie er es gefunden hatte.

Aber sie wollte sich nicht besänftigen lassen, sondern spottete über ihn und sprach ärgerlich: "Unsere Kinder haben kein Brot, und da sollen wir das Kind eines andern füttern? Wer sorgt für uns? Wer gibt uns zu essen?"

"Gott sorgt sogar für die Sperlinge und ernährt sie," antwortete er.

"Sterben nicht die Sperlinge im Winter vor Hunger?" fragte sie. "Und ist es jetzt nicht Winter?" Aber der Mann antwortete nichts und wich auch nicht von der Schwelle.

Und ein scharfer Wind drang aus dem Wald in die offene Tür, daß sie zitterte. Ein Schaudern überkam sie, und sie sprach zu ihm: "Willst du nicht die Türe schließen? Ein scharfer Wind dringt in das Haus, und mich friert."

"Kommt in ein Haus, wo ein hartherziger Mensch lebt, nicht immer ein scharfer Wind?" fragte er. Und die Frau antwortete ihm nicht, sondern schlich dichter an das Feuer.

Aber nach einer Weile wandte sie sich um und sah ihn an, und ihre Augen standen voll Tränen. Da trat er schnell hinein und legte das Kind in ihre Arme. Sie küßte es und barg es in einem kleinen Bett, wo das jüngste ihrer eigenen Kinder schlief. Und am Morgen nahm der Holzhauer das seltsame, goldene Tuch und legte es in eine große Truhe, und sein Weib nahm eine Bernsteinkette, die um den Hals des Kindes geschlungen war, und barg sie ebenfalls in der Truhe.

So wurde das Sternenkind mit den Kindern des Holzhauers aufgezogen, saß mit ihnen am gleichen Tisch und war ihr Spielgefährte. Und mit jedem Jahr wurde es schöner von Angesicht, so daß alle, die im Dorfe wohnten, darüber staunten. Denn, während sie dunkelhäutig und schwarzhaarig waren, war es weiß und zart wie geschnitztes Elfenbein, und seine Locken waren wie das Rund gelber Narzissen. Seine Lippen waren wie rote Blütenblätter, seine Augen wie Veilchen, die an einer Strömung klaren Wassers stehen, und sein Körper wie die wilde Narzisse des Feldes, wenn der Mäher nicht kommt.

Aber seine Schönheit machte es böse. Denn es wurde stolz und grausam und selbstsüchtig. Es verachtete die Kinder des Holzfällers und die andern Kinder aus dem Dorfe und sagte, sie seien von gewöhnlicher Herkunft, während es selbst vornehm sei, denn es stamme von einem Stern. Und es machte sich zum Herrn über sie und nannte sie seine Diener. Kein Mitleid hatte es mit den Armen, noch mit solchen, die blind oder lahm oder mit Gebresten behaftet waren. Es warf mit Steinen nach ihnen, trieb sie auf die Landstraße hinaus und hieß sie, ihr Brot anderswo zu erbetteln, so daß niemand außer den Geächteten zweimal in jenes Dorf nach Almosen kam. Es war ganz in die Schönheit vernarrt, spottete über die Schwachen und Häßlichen und machte sich lustig über sie. Aber sich selbst liebte es, und zur Sommerzeit, wenn kein Wind wehte, lag es bei dem Brunnen in dem Obstgarten des Priesters und blickte auf das Wunder seines Gesichts hinab und lachte vor Lust über seine Schönheit.

Oft schalten es der Holzhauer und sein Weib und sprachen: "Wir haben an dir nicht so gehandelt, wie du an denen handelst, die verlassen sind und keine Hilfe haben. Warum bist du so grausam gegen alle, die des Mitleids bedürfen?" Oft schickte der alte Priester nach ihm und suchte ihn die Liebe zu allem Lebendigen zu lehren und sprach: "Die Fliege ist dein Bruder. Tu ihr nichts Böses. Die wilden Vögel, die durch den Wald fliegen, haben ihre Freiheit. Fange sie nicht zu deinem Vergnügen. Gott schuf die Blindschleiche und den Maulwurf, und jedes hat seinen Platz. Wer bist du, daß du Schmerz in Gottes Welt bringst? Selbst das Vieh auf der Weide lobt den Herrn."

Aber das Sternenkind achtete nicht auf ihre Worte, sondern verzog seine Lippen und spöttelte. Und es ging zu seinen Gefährten und führte sie an. Und seine Gefährten folgten ihm, denn es war schön und flink von Füßen, und es konnte tanzen und pfeifen und Musik machen. Wohin sie das Sternenkind führte, dahin folgten sie ihm, und was ihnen das Sternenkind zu tun gebot, das taten sie. Und wenn es mit einem spitzen Ried die blinden Augen des Maulwurfs durchbohrte, lachten sie, und wenn es Steine nach den Aussätzigen warf, lachten sie auch. In allen Dingen beherrschte es sie, und sie wurden so hartherzig, wie es selbst war.

Nun kam eines Tages eine arme Bettlerin durch das Dorf. Ihre Kleider waren zerlumpt und zerrissen, ihre Füße bluteten von der harten Straße, die sie gegangen war, und sie befand sich in einem sehr elenden Zustand. Da sie müde war, setzte sie sich unter einen Kastanienbaum, um auszuruhen.

Aber als das Sternenkind sie sah, sagte es zu seinen Gefährten: "Seht, da sitzt ein schmutziges Bettelweib unter dem schönen, grünbelaubten Baum. Kommt, laßt uns sie forttreiben, denn sie ist häßlich und widerlich."

Und es näherte sich ihr, warf mit Steinen nach ihr und verspottete sie. Sie aber sah es mit Schrecken in den Augen an und wandte keinen Blick von ihm. Als nun der Holzhauer, der in der Nähe auf einem Holzplatz Scheite spaltete, sah, was das Sternenkind tat, lief er herbei, schalt es und sprach zu ihm: "Wirklich, du bist hartherzig und kennst kein Mitleid. Was hat dir denn diese arme Frau zuleid getan, daß du sie so behandelst?"

Und das Sternenkind wurde rot vor Zorn, stampfte mit dem Fuß auf den Boden und sagte: "Wer bist du, daß du mich fragst, was ich tue? Ich bin nicht dein Sohn, daß ich dir gehorchen muß."

"Das ist wahr," sprach der Holzhauer. "Aber ich bin mitleidig gegen dich gewesen, als ich dich im Walde fand."

Aber als die Frau diese Worte hörte, stieß sie einen lauten Schrei aus und fiel in Ohnmacht. Und der Holzhauer trug sie in sein Haus, und sein Weib mußte sich ihrer annehmen, und als sie aus der Ohnmacht, in die sie gefallen war, wieder erwachte, setzten sie Speise und Trank vor sie hin und baten sie, sich zu erquicken.

Aber sie wollte weder essen noch trinken, sondern sprach zu dem Holzhauer: "Sagtest du nicht, das Kind sei im Walde gefunden worden? Und geschah das nicht heute vor zehn Jahren?"

Und der Holzhauer antwortete: "Ja, ich habe es im Walde gefunden, und es werden heute zehn Jahre, daß es geschah." "Und welche Zeichen fandest du an ihm?" rief sie. "Trug es nicht an seinem Hals eine Bernsteinkette? War es nicht eingehüllt in ein Tuch von gewebtem Gold, mit Sternen bestickt?"

"Gewiß," antwortete der Holzhauer, "es war genau so, wie du gesagt hast." Und er nahm das Tuch und die Bernsteinkette aus der Truhe, wo sie lagen, und zeigte sie der Frau.

Und als sie sie sah, weinte sie vor Freuden und sprach: "Er ist mein kleiner Sohn, den ich im Walde verloren habe. Ich bitte dich, sende schnell nach ihm, denn ihn zu finden, bin ich über die ganze Welt gewandert."

Da liefen der Holzhauer und sein Weib hinaus, riefen nach dem Sternenkind und sagten: "Geh' in das Haus, dort wirst du deine Mutter finden, die auf dich wartet."

Da lief es, von Erwartung und großer Freude erfüllt, hinein. Aber als es die sah, die da wartete, lachte es verächtlich und sprach: "Nun, wo ist meine Mutter? Denn ich sehe hier niemand als dieses gemeine Bettelweib."

Und die Frau antwortete ihm: "Ich bin deine Mutter."

"Du bist wahnsinnig, so etwas zu sagen," schrie das Sternenkind zornig. "Ich bin nicht dein Kind, denn du bist eine häßliche und zerlumpte Bettlerin. Darum schere dich fort von hier und laß mich dein schmutziges Gesicht nicht mehr sehen."

"Nein, du bist wirklich mein kleiner Sohn, den ich in den Wald trug," rief sie und fiel auf die Knie und streckte ihre Arme nach ihm aus. "Die Räuber haben dich mir gestohlen und dich dann zurückgelassen, damit du sterben solltest," murmelte sie. "Aber ich erkannte dich, als ich dich sah, und die Zeichen habe ich auch erkannt, das goldgewebte Tuch und die Bernsteinkette. Darum bitte ich dich, komm mit mir, denn über die ganze Erde bin ich gewandert, um dich zu suchen. Komm mit mir, mein Sohn, denn ich brauche deine Liebe."

Aber das Sternenkind rührte sich nicht von seinem Platz, sondern verschloß die Tore seines Herzens vor ihr, und man hörte keinen Laut außer dem Schluchzen der Frau, die vor Schmerz weinte.

Schließlich sprach es dann zu ihr, und seine Sprache war scharf und bitter: "Wenn du wirklich meine Mutter bist," sagte es, "dann wärest du besser ferngeblieben, statt hierherzukommen und mir Schande zu bringen. Denn ich glaubte, ich sei das Kind irgendeines Sternes und nicht ein Bettlerkind, wie du es mir erzählt hast. Also mache dich fort und laß mich dich niemals wiedersehen."

"Ach, mein Sohn," rief sie, "willst du mich nicht küssen, bevor ich gehe? Denn ich habe viel durchgemacht, um dich zu finden."

"Nein," sagte das Sternenkind, "du bist widerwärtig anzusehen, und eher würde ich die Natter oder die Kröte küssen als dich."

Da erhob sich die Frau und ging bitterlich weinend in den Wald, und als das Sternenkind sah, daß sie gegangen war, wurde es froh und lief zurück zu seinen Spielgefährten, um mit ihnen zu spielen.

Aber als sie es kommen sahen, spotteten sie seiner und sprachen: "Du bist ja so widerwärtig wie eine Kröte und so ekelhaft wie eine Natter. Scher' dich fort von hier, denn wir dulden nicht, daß du mit uns spielst." Und sie vertrieben es aus dem Garten. Und das Sternenkind runzelte die Stirne und sprach zu sich: "Was bedeutet das, was sie mir sagen? Ich will zum Wasserbrunnen gehen und hineinsehen, er soll mir meine Schönheit zeigen."

Da ging es zu dem Wasserbrunnen und blickte hinein, und siehe, sein Gesicht war wie das Gesicht einer Kröte und sein Körper war geschuppt wie der einer Natter. Und es warf sich in das Gras und weinte und sprach zu sich: "Sicherlich ist dies durch meine Sünde über mich gekommen. Denn ich habe meine Mutter verleugnet und sie davongetrieben, ich war stolz und grausam gegen sie. Deshalb will ich mich aufmachen und in der ganzen Welt nach ihr suchen und nicht ruhen, bis ich sie gefunden habe."

Und da kam zu ihm die kleine Tochter des Holzhauers, legte ihre Hand auf seine Schulter und sagte: "Was macht es aus, daß du deine Schönheit verloren hast? Bleibe bei uns, und ich will nicht über dich spotten."

Aber es sprach zu ihr: "Nein, ich bin grausam gegen meine Mutter gewesen, und als Strafe ist mir dieses Übel gesandt worden. Deshalb muß ich hingehen und die Welt durchwandern, bis ich sie gefunden, und bis sie mir vergeben hat."

So lief es hinaus in den Wald und rief nach seiner Mutter, sie sollte zu ihm kommen, aber es fand keine Antwort. Den ganzen Tag über rief es nach ihr, und als die Sonne unterging, legte es sich aufs Laubbett schlafen. Aber die Vögel und das Wild flohen vor ihm, denn sie erinnerten sich seiner Grausamkeit, und niemand war bei ihm als die Kröte, die ihn bewachte, und die langsame Natter, die vorbeikroch.

Und des Morgens erhob es sich, pflückte ein paar bittere Beeren von den Bäumen und aß sie und wanderte schmerzlich weinend durch den großen Wald. Und wen es traf, den fragte es, ob er nicht zufällig seine Mutter gesehen habe.

Es sprach zu dem Maulwurf: "Du kannst unter die Erde gehen. Sage mir, ist meine Mutter dort?"

Und der Maulwurf antwortete: "Du hast meine Augen geblendet. Wie soll ich das wissen?"

Es sprach zu dem Hänfling: "Du kannst über die Wipfel der hohen Bäume fliegen und kannst die ganze Welt sehen. Sage mir, kannst du meine Mutter sehen?"

Und der Hänfling antwortete: "Du hast meine Flügel zu deinem Vergnügen beschnitten. Wie sollte ich fliegen können?"