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08. August – 8:15 Uhr

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So also klingt der Tod.

Basti presst seinen Kopf an die kalte Wand. Er spürt die Vibration und hört das Brummen der schweren, todbringenden Maschine nur zweieinhalb Meter über ihren Köpfen.

Lächerliche zweieinhalb Meter.

Unüberwindbare zweieinhalb Meter.

Ausgerechnet hier werden sie sterben. In diesem lichtlosen, stinkenden Bunker, der vor fast einem Jahrhundert erbaut worden ist, um Menschen zu retten.

Zu retten!

Und niemand wird es je wissen. Sie werden einfach als verschollen gelten. Ein ewiges Rätsel, begraben unter unzähligen Tonnen Beton, bis der letzte Mensch, der sich an sie erinnert, auch stirbt und sie endgültig zum Reich der Vergessenen gehören.

Ein tastendes Geräusch neben ihm, dann spürt er, wie Nics Finger über seine Hand huschen, sie ergreifen, drücken. Offenbar hat er das Brummen auch gehört. Basti erwidert den Druck. Sie haben noch nie Worte gebraucht, um sich zu verständigen. Ein Blick. Ein Nicken. Ein Händedruck.

Sterben.

Bis gestern war das nichts als ein Wort.

Bis vor etwa siebzehn Stunden, als sie freiwillig in ihr stinkendes Grab gestiegen sind.

Siebzehn Stunden Kampf gegen das, was nun unweigerlich kommen wird.

Nic wusste von Anfang an, dass sie scheitern würden. Trotzdem hat er alles mitgemacht. Weil Nic der große Bruder ist. Der Vernünftige. Der Aufpasser - bis zum letzten, giftigen Atemzug.

Sie werden ersticken.

Wie wird es sein? Wird sein Leben an ihm vorbeiziehen? Eine eilige Bilderflut im Schnelldurchlauf? Oder werden die wichtigen Bilder länger verweilen? Wird er den Moment erkennen, als sein Schicksal die falsche Abzweigung genommen hat?

Vielleicht, als er sich in Luzie verliebt hat?

Er schließt die Augen, obwohl es in der Schwärze des Bunkers egal ist, ob die Augen geschlossen oder offen sind. Aber mit geschlossenen Augen kann er Luzie besser sehen. Sie deutlicher in seinen Kopf zurückholen - den Duft von Pfirsich, für immer untrennbar mit ihrer warmen Haut verbunden, das Gefühl ihrer Hände auf seinem nackten Oberkörper, die Fingerkuppen, die vorsichtig die Kreuzform seiner Narbe nachfahren, die Weichheit ihrer Lippen, ihr erster Kuss ...