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Alfred Bekker

Mission Space Opera

Fünf Weltraum Abenteuer: Cassiopeiapress Science Fiction





BookRix GmbH & Co. KG
80331 München

Missio Space Opera

Das große Buch der Space Opera

 

Alfred Bekker

 

 

 

© der Digitalausgabe Alfred Bekker CASSIOPEIAPRESS

Ein Cassiopeiapress E-Book

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Aliens bedrohen die Existenz der Menschheit.

Raumschlachten, der Kampf zwischen Sternenreichen und Abenteuer im fernen Weltall – darum geht es in den Romanen und Erzählungen dieses Buches.

 

 

Dieses Ebook enthält folgende Romane und Erzählungen:

 

Avalon Space Fighter – Weltraumkrieg

Terrifors Geschichte

Erstes Kommando

Mega Killer Reloaded

Wurmloch Passage

 

 

 

Avalon Space Fighter - Weltraumkrieg

von Alfred Bekker


Ein CassiopeiaPress E-Book

© by Author

© der Digitalausgabe 2014 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen

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www.postmaster@alfredbekker.de



Kapitel 1: Wettflug im All

Rhon schaltete auf die höchste Beschleunigungsstufe. Ein dumpfer, brummender Laut, verbunden mit einem leichten Zittern, durchlief den Raumjäger AVALON-22. Rhons Gesicht wirkte angespannt. Er schaltete die automatische Steuerung ab und musste sich nun auf das Höchste konzentrieren – denn vor ihm lag die Davis-Wolke: Ein Gebiet voller Asteroiden, Kleinplaneten und frei durch das All schwebender Brocken aus Gestein und Eis. Um diese Wolke schnell genug zu durchqueren, hatte er alle automatischen Steuerungssysteme, die den Raumpiloten normalerweise unterstützten, abgeschaltet. Er flog jetzt nur noch per Hand.

Ein Steuerknüppel wurde dazu aus den Armaturen ausgefahren.

Auf dem Hauptbildschirm des kleinen Ein-Mann-Raumjägers vom AVALON-Typ sah Rhon nun einen zweiten Jäger auftauchen. Es war ein baugleicher Jäger – geformt wie ein dreieckiger Keil mit einem kleinen, kuppelartigen Aufbau und nur für eine Person gedacht. Es gab zwar einen zweiten Sitz in den AVALON-Jägern, aber der war nur für Notfälle – etwa wenn ein verunglückter Pilot gerettet werden musste.

Rhon schaltete den Funk ein.

„Hier Rhon. Da bist du ja endlich! Ich dachte schon, du willst dich vor dem Rennen drücken!“

Auf einem kleinen Nebenbildschirm war das Gesicht von Erric zu sehen, dem Piloten des zweiten Raumjägers.

„Hi, Captain!“

„Willst du das Rennen jetzt noch, oder hast du es dir anders überlegt, Erric?“

„Natürlich will ich es! Was denkst du denn?“

„Naja, die Davis-Wolke ist keine einfache Strecke...“

„Wenn sie dir zu schwierig ist, Rhon... Also ich habe hier in letzter Zeit des öfteren trainiert, deswegen dürfte das für mich kein Problem sein!“

Rhon grinste. „Alles klar, dann gehen wir jetzt in Startdistanz. Startzeitpunkt ist exakt in sechzig Sekunden von meinem Signal an. Zielpunkt: Asteroid X456.“

„Mit Höhlendurchflug bei Mantop 6677?“, hakte Erric nach.

„Na, willst du ein interessantes Rennen oder im Cockpit einschlafen, Erric?“



Errics Raumjäger ging auf Startdistanz, was bedeutete, dass er nicht mehr als zehntausend Kilometer von Captain Rhons AVALON-22 entfernt war. Das war eine Strecke halb um den Äquator eines Planeten der erdähnlichen Klasse – aber im All nicht mehr als ein Katzensprung.

Errics Raumjäger flog also bis auf 10 000 Kilometer an Rhons Maschine heran, dann flogen beide Raumschiffe für einige Augenblicke synchron nebeneinander.

„Signal“, sagte Rhon und betätigte dabei eine Schaltung auf dem Touchscreen in seinem Cockpit. Sechzig weitere Sekunde mussten sie nun synchron fliegen – mit gleichbleibendem Abstand und gleicher Geschwindigkeit. Danach konnte das Rennen starten.

Als das Rennen startete, gingen beide Maschinen sofort auf höchste Beschleunigungsstufe. Rhon wurde förmlich an den Sitz gedrückt. Mit beiden Händen hielt er den Steuerknüppel. Sein Blick war auf den Hauptschirm gerichtet. Wenn er sich nur auf das verlassen hätte, was man durch die Sichtfenster des Jägers sehen konnte, dann hätte das ganz schnell ins Auge gehen können, denn die Ortungssysteme der AVALON-22 konnten sehr viel mehr erkennen. Rhon hatte sie vor dem Start noch einmal gründlich überprüft und das System zusätzlich noch durch ein paar kleine Änderungen verbessert.

Zumindest hoffte er, dass es Verbesserungen waren.

Aber falls nicht, würde er das bald merken.

Haarscharf schnellte die AVALON-22 an einem Ball aus schmutzigem, grauweißem Eis vorbei. Dieser Zwergplanet hatte in seinem Inneren allerdings einen Kern aus Gestein und Metall, weswegen seine Anziehungskraft vergleichsweise hoch war. Rhon nutzte sie aus, um sich damit wie mit einer Schleuder fortschießen zu lassen und noch mehr zu beschleunigen, als es das Triebwerk gestattet hätte. Einem Felsbrocken von nur wenigen hundert Metern Durchmesser musste er allerdings wenig später etwas ausweichen und verlor dabei wieder an Tempo.

Unzählige Objekte schwebten in der Davis-Wolke, die sich über ein Raumgebiet von zehn Astronomischen Einheiten erstreckte. Man konnte die Bahnen dieser Brocken, die wie ein gewaltiges Trümmerfeld wirkten, nicht exakt vorausberechnen. Dazu stießen sie zu häufig gegeneinander, was dann zur Folge hatte, dass sie sich völlig anders durch das All bewegten, als man es ursprünglich hätte erwarten können. Die Instrumente registrierten die Anziehungskraft eines weiteren Objektes. Aber es war nicht rund, sondern wie eine Hantel geformt und bestand aus festem, granitähnlichem Gestein. Außerdem drehte es sich völlig chaotisch um den eigenen Schwerpunkt und hatte dadurch Ähnlichkeit mit einem torkelnden Kreisel. Dass dieses Objekt sich so unkontrolliert bewegte, musste wohl daran liegen, dass es erst vor kurzem eine Kollision mit einem mindestens gleichgroßen Himmelskörper hinter sich gehabt hatte. Ein paar kleine Gesteinsbrocken waren bei diesem Zusammenstoß offenbar abgesprungen und umkreisten jetzt den hantelförmigen Asteroiden. Für Captain Rhon waren das in erster Linie gefährliche Geschosse, auf die er achten musste. Manche waren nur so groß wie ein Fußball, umkreisten die Steinhantel aber so schnell, dass sie wie eine Granate gewirkt hätten, wenn sie auf die Außenhaut des Raumjägers getroffen wären.

Die automatische Steuerung der AVALON-22 hätte jetzt eigentlich das Tempo vermindert und einen Kurs berechnet, bei dem darauf geachtet wurde, dass keiner dieser kleinen Brocken, die allesamt von der Ortung angezeigt wurden, dem Raumjäger zu nahe kamen.

Aber Rhon hatte diese Automatik ja abgeschaltet.

Genau das wollte er nämlich vermeiden, weil es ihn aufgehalten hätte. Erric war ihm mit seiner AVALON-11 ohnehin schon dicht genug auf den Fersen. Und daran, auf welche Weise der Raumjäger seines Verfolgers durch dieses kosmische Trümmerfeld raste, konnte Rhon sofort erkennen, dass auch Erric jede Automatik abgeschaltet hatte und per Hand flog.

Mit Höchstbeschleunigung raste Rhon an der dünnsten Stelle der Steinhantel vorbei, die aussah wie eine Wespentaille.

Plötzlich gab es einen Ruck. Ein Alarmsignal schrillte. Etwas hatte die AVALON-22 am Heck getroffen. Rhon blickte auf die Instrumente. Irgendeinen der unzähligen Gesteinsbrocken hatte er wohl unterschätzt. Und nun klaffte ein etwa ein Meter großes Loch in der rechten Tragfläche des Jägers.

Halb so schlimm, dachte Rhon. Schließlich brauchte man die Tragflächen des keilförmigen Raumjägers ohnehin nur dann, wenn man in die Atmosphäre eines erdähnlichen Planeten eindrang und dort landen wollte.

Rhon riss den Steuerknüppel zur Seite und ließ den Raumjäger einen Schwenk nach links machen, um einem weiteren, kartoffelförmigen Gesteinsbrocken auszuweichen, der allerdings bereits die Größe eines kleinen Mondes hatte. Es hatte hier sogar mal eine vollautomatisch betriebene Station gegeben, die die Aufgabe gehabt hatte, Strahlungskonzentrationen zu messen, aber man hatte sie aufgegeben. Beim Vorbeiflug war der Kuppelbau der Station allerdings noch in einem der Krater zu sehen, von denen der Kartoffel-Asteroid vollkommen übersät war.

Captain Rhon hielt sich dicht an der Oberfläche des Asteroiden. An einigen Stellen traten Gase aus dem Inneren in kleinen Fontänen aus und bildeten Nebelwolken, die die Sicht etwas behinderten. Die Gaskonzentration reichte bereits aus, um die AVALON-22 etwas abzubremsen.

Rhon bemerkte jetzt, dass Erric mit seinem Jäger vom Ortungsschirm verschwunden war. Die Instrumente zeigten ihn einfach nicht mehr an. Als ob die Schwärze des Weltraums ihn mitsamt seinem Raumjäger verschluckt hatte!

An den Tragflächen der AVALON-22 bildeten sich Funken. Flammen blitzten auf. Das kam durch die Reibung an den Gasen.

Harmlos, dachte Rhon. Offenbar war bei den aus dem Kartoffel-Asteroiden austretenden Gasen der Sauerstoffanteil recht hoch. Und Sauerstoff entzündete sich nun einmal schnell. Aber ein AVALON-Raumjäger war dagegen gut gerüstet. Solange der Hitzeschutz intakt war, konnten da draußen die Flammen ruhig hochschlagen. Von der Oberfläche des Himmelskörpers sah das dann wohl wie eine Sternschnuppe aus.

Dann ließ er den Asteroiden hinter sich.

Von links schoss Etwas dicht an ihm und der AVALON-22 vorbei. Flammen blitzten grell auf und die Sichtfenster verdunkelten sich automatisch, damit Rhon nicht geblendet wurde.

Die Flammen verloschen und im nächsten Moment zeigten die Instrumente an, um was für ein brennendes Geschoss es sich da handelte.

Es war Erric mit seinem Raumjäger.

Er hatte den kartoffelförmigen Asteroiden offenbar auf der andere Seite umrundet. Und nun schoss er um Haaresbreite an Rhons Raumjäger vorbei und gewann die Führung in diesem rasanten Rennen. Die Flammen verloschen, als Erric aus dem Einflussbereich der Gase geriet – genau wie bei Rhons Jäger.

„Na, was sagst du nun“, meldete sich Erric über Funk. „Haarscharf vor der Nase deiner Maschine her! Das machst du mir so schnell nicht nach!“

„Glück gehabt. Das hätte ins Auge gehen können“, gab Rhon zurück.

„Ach Quatsch, du bist doch sonst auch nicht so zimperlich! Oder bist du plötzlich zum Angsthasen geworden?“

Rhon schaltete auf Höchstbeschleunigung. Er wurde erneut an seinen Sitz gepresst und versuchte nun, sich die Führung zurückzuholen. „Abgerechnet wird am Schluss, Erric!“, ließ er seinen Konkurrenten über Funk wissen.

Erric musste unterdessen ein paar kleineren Eisbrocken ausweichen und verlor dadurch etwas an Geschwindigkeit. Rhon gelang es, mit seinem Jäger gleichzuziehen. Das Triebwerk lief mit voller Kraft und alles im Cockpit vibrierte jetzt leicht. Beide Raumfahrzeuge jagten dicht nebeneinander und fast gleichauf durch das All.

Dann tauchte Mantop 6677 vor ihnen auf. Der Zwergplanet war annähernd kugelförmig und einer der größten Himmelskörper in der gesamten Davis-Wolke. Aber er hatte nicht viel Masse, denn er war so löchrig wie ein Schweizer Käse. Das Gestein, aus dem er bestand, hatte eine geringe Dichte und Höhlengänge zogen sich durch den Zwergplaneten. Eine davon war groß genug, um hindurchzufliegen. Man kam dann auf der anderen Seite von Mantop 6677 wieder heraus.

Wer als erster in diese tunnelartige Höhle flog, hatte das Rennen schon so gut wie gewonnen. Innerhalb des Höhlengangs war es nahezu unmöglich, den anderen zu überholen und wenn man mit dem Raumjäger auf der anderen Seite wieder herausgeschossen kam, war da nur noch eine sehr kurze Strecke bis zum Zielpunkt zurückzulegen. Zu kurz, um da noch einmal für ein Überholmanöver ausreichend beschleunigen zu können.

Beide Raumjäger rasten mit höchster Beschleunigung auf den Eingang der Höhle zu.

Rhon erreichte mit seiner AVALON-22 den Eingang des Höhlengangs nur ganz knapp vor seinem Konkurrenten.

„Tut mir leid, Erric. Aber diesmal gewinnst du nicht“, ließ Rhon seinen Kontrahenten über Funk wissen.

„Das war Glück – sonst gar nichts“, knurrte Erric.

Captain Rhon sah Errics angestrengtes, konzentriert wirkendes Gesicht auf dem kleinen Nebenbildschirm.

Das Rennen war gelaufen – so dachte zumindest Rhon. Niemand konnte so wahnsinnig ein und jetzt noch versuchen, ihn zu überholen.

Nicht einmal Erric – und der war für seine tollkühne Waghalsigkeit bekannt.

Doch Rhon sollte sich getäuscht haben.

Erric versuchte trotz allem Risiko noch innerhalb des Höhlenganges zu überholen, denn er wusste ganz genau, dass es danach zu spät sein würde, um das Rennen noch gewinnen zu können.

Erric beschleunigte und holte auf. Dann versuchte er, vorbeizuziehen. Eine der Tragflächen seines Raumjägers geriet dabei an die Höhlenwand. Funken sprühten, und dann gab es eine Explosion.

Die Druckwelle schleuderte Rhon mit seiner AVALON-22 förmlich aus dem Höhlenausgang – wie eine Kugel aus einer riesigen Kanone.

Eine Feuersbrunst wallte hinter der AVALON-22 her und flammte aus dem Höhlenausgang heraus. Trümmerteile von Errics Jäger wurden durch das All geschleudert und glühten kurz auf.

„Erric!“, rief Rhon über Funk. „Erric!“ Rhon schlug der Puls bis zum Hals. Er konnte noch kaum fassen, was gerade geschehen war, und es dauerte ein paar Sekunden, ehe er begriff, dass er von Erric wohl keine Antwort mehr bekommen würde.



Kapitel 2: Der Raumkreuzer

Rhon bremste seinen Raumjäger ab. Es hatte jetzt keinen Sinn mehr, zum Zielpunkt zu fliegen. Stattdessen drehte Rhon ab und ließ die AVALON-22 einen Halbkreis fliegen. Noch immer flog er die Maschine mit der Hand. „Bordrechner, bitte die Umgebung des Explosionsherdes nach Lebenszeichen aller Art absuchen“, sagte er dann laut.

„Negativ“, meldete die Kunststimme des Bordcomputers. „Es ist nicht möglich, irgendwelche Lebenszeichen anzumessen.“

Rhon schluckte.

Nach dem, was er von der Explosion mitbekommen hatte, war eigentlich auch nichts anderes zu erwarten gewesen. Rhon blickte auf die Ortungsanzeige. Mehrere Dutzend Trümmerstücke des explodierten Jägers waren eindeutig zu sehen. Aber nicht Erric. Die Raumanzüge waren mit Sendern ausgestattet und eigentlich hätte Rhon daher ein entsprechendes Signal längst auf dem Schirm haben müssen, falls Erric doch wider Erwarten überlebt hatte. Ganz ausgeschlossen war das selbst bei einer so gewaltigen Explosion und der völligen Zerstörung des Schiffes nicht. Die Raumanzüge waren Feuer- und Druckfest und wenn die Explosion selbst den Raumpiloten nicht zerfetzte, sondern er nur von der Druckwelle erfasst wurde, musste er noch irgendwo im All schweben. Aber war war nichts. Kein Sender. Keine Biozeichen gar nichts.

„Erric, was hast du für einen Mist gemacht!“, schimpfte Rhon. „Kein Mensch versucht in dieser Höhle zu überholen.“ Er schüttelte fassungslos den Kopf. Offenbar war Erric doch von der Explosion zerrissen worden – und zwar so gründlich, dass nicht einmal einzelne Teile seines Raumanzug noch orten ließen, die aus einem Material waren, das sich eigentlich von den Sensoren erkennen ließ. Erric war immer schon sehr draufgängerisch gewesen, aber dass er bei einem Rennen so weit gehen würde, in der Höhle von Mantop 6677 ein derart riskantes Manöver zu fliegen, hatte Captain Rhon nicht erwartet. Obwohl sie immer Rivalen gewesen waren, wenn es darum ging, zu bestimmen, wer der bessere Raumjägerpilot von ihnen war, so hatten sie sich doch auf der anderen Seite sehr nahe gestanden. Rhon hatte einen Freund verloren. Eine Flut von Gedanken überkam ihn jetzt und er biss sich dabei auf die Lippen.

Ein letztes Mal wiederholte er die Suche, schaltete erneut sämtliche Ortungssysteme auf Höchstleistung und vergrößerte das abzusuchende Gebiet um die Hälfte.

Das Ergebnis blieb jedoch dasselbe.

Null.

Erric, du Wahnsinniger!, ging es ihm durch den Kopf. Das hätte nicht passieren dürfen.

Rhon war innerlich so gefangen, dass er das Signal auf dem Touchscreen übersah. Die Computerstimme war von ihm abgestellt worden, die ihn sonst auf das Signal hingewiesen hätte. Aber deren Gequatsche konnte er im Moment nicht ertragen.

Das blinkende Signal bedeutete, dass jemand ihn über Funk zu erreichen versuchte.

Rhon öffnete die Verbindung.

„Hier Rhon“, meldete er sich.

„Hier AVALON Raumkreuzer. Habt ihr dort ein Problem? Ich habe hier eine ziemlich üble Explosion geortet.“

Auf dem Nebenbildschirm erschien ein Gesicht: Jung, weiblich, sehr ebenmäßig, meergrüne Augen. Das lange schwarze Haar war zu einem streng wirkenden Knoten zusammengefasst.

Ausgerechnet die, dachte Rhon.

Ihr Name war Tabeja und sie stammte von einem Planeten, dessen Siedler von der Philosophie des Ya-don geprägt waren, deren höchster Wert die Beherrschung aller menschlichen Leidenschaften durch Gedankendisziplin war. Das gab ihr oft ein für Außenstehende recht kühl und zurückhaltend wirkendes Auftreten. Ihr Gesicht zeigte selten Regungen und wirkte völlig gleichmütig.

Erric hatte Tabejas Ya-don-Gläubigkeit nie davon abgehalten, sie ständig anzubaggern und manchmal schien es so, als würde nur Tabejas strenge Erziehung im Geist des Ya-don sie daran hindern, darauf einzugehen.

„Erric hat versucht, mich in der Höhle von Mantop 6677 zu überholen und das ist schief gegangen“, berichtete Rhon knapp und mit belegter Stimme.

„Oh“, sagte Tabeja leise und auf ihrer ansonsten stets vollkommen glatten Stirn erschien eine ganz leichte Falte, die von der Nasenwurzel etwa zwei Fingerbreit die Stirn hinaufreichte. Für ihre Verhältnisse war das ein Gefühlsausbruch.

„Erric kommt nicht zurück“, erklärte Rhon.



Captain Rhon steuerte seinen Raumjäger auf schnellstem Weg aus der Davis-Wolke heraus. Danach schaltete er sogar die Computersteuerung wieder ein und lehnte sich zurück.

Sein Bildschirm zeigte eine Übersicht des gesamten Systems. Zehn Planeten kreisten um den Stern, den man vor langer Zeit nach dem berühmten Raumkapitän und Entdecker James Armando Davis benannt hatte. Das war in einer Zeit gewesen, als Raumfahrt nicht nur ein Zeitvertreib für Jugendliche, sondern ein wichtiges Verkehrsmittel für Wirtschaft, Forschung und Militär gewesen war. Die Planeten Davis-3 und Davis-4 waren erdähnlich und besiedelt. Und vor allem gab es dort Transmitter-Stationen über die man sich innerhalb von Augenblicken auf jeden besiedelten Planeten in der Galaxis beamen lassen konnte. Die Galaktische Netzrepublik umfasste hunderttausende von Planeten – aber so weit entfernt sie auch sein mochten – Waren und Personen ließen sich ohne Zeitverlust überall hinbeamen, sofern es dort einen Transmitter gab. Dass die Raumfahrt nach der Erfindung des Transmitters so gut wie ausgestorben war, konnte niemanden verwundern. Schon seit Jahrhunderten wurden kaum noch Raumschiffe gebaut. Die Schiffe der alten Raumflotte waren abgewrackt worden und schwebten in riesigen Weltraumschrottplätzen.

Zu den wenigen, die sich für diesen Schrott interessierten waren die sogenannten Spacer – Jugendliche, die sich die alten Schiffe wieder herrichteten und sie unter anderem dazu benutzten, in abgelegenen Gegenden der Galaxis Rennen zu fliegen. Es gab sie überall – und man ließ sie gewähren, solange sie niemandem Schaden zufügten, außer vielleicht sich selbst.

Abgesehen davon gab es auch gar nicht mehr genug Raumfahrzeuge in der Hand der Behörden, mit denen man die Spacer von ihrem Hobby hätte abhalten können.

Rhon flog auf Davis-10 zu, einen himmelblauen, kalten Gasriesen, dessen Durchmesser dreißig mal so groß war wie der Durchmesser der Erde. 67 Monde umkreisten Davis-10 und außerdem ein ehemaliges Kriegsschiff der galaktischen Kriegsflotte. Wie so viele andere Schiffe war es auch abgewrackt worden, nachdem die Transmitterverbindungen ein richtiges Netz aus Beam-Straßen über die Milchstraße gespannt hatte. Fast die gesamte Milchstraße gehörte zur Galaktischen Netzrepublik. Wer hätte diesen Verbund schon angreifen sollen?

Bis zur nächsten Galaxis klaffte ein sternenloses Nichts von vielen hunderttausend Lichtjahren.

Der Raumkreuzer hieß AVALON und war geformt wie ein langgezogenes Y. An Bord gab es eine Flotte von hundert Raumjägern, die mit den Bezeichnungen AVALON-01 bis AVALON- 100 durchnummeriert waren. Allerdings waren die Maschinen nicht alle einsatzfähig und die Spacer hatten viele der Jäger ausgeschlachtet, um damit den verbleibenden Rest wieder herzurichten.

Die Spacer der AVALON hatten Rhon zu ihrem Captain gewählt. Er hatte Erric bei der entscheidenden Abstimmung geschlagen, wenn auch nur knapp. Genauso knapp wie Rhon ihn bei den meisten Rennen besiegt hatte, die sie gegeneinander geflogen waren.

Nur selten war Erric als erster ins Ziel gelangt – und offenbar war es ihm enorm wichtig gewesen, Rhon diesmal zu schlagen. Jedenfalls hatte Erric dafür alles auf eine Karte gesetzt – und verloren.

So ein dummer sirianischer Dreikopfhund!, dachte Rhon. Er selbst war zwar auch risikobereit, aber für ein einfaches Übungsrennen sein Leben zu riskieren, wäre ihm nicht eingefallen.

Erric schien das hingegen gleichgültig gewesen zu sein.

Deinen Ruf als Mann ohne Nerven hast du jetzt jedenfalls für die Ewigkeit, dachte Rhon voller Bitterkeit.



An der AVALON öffnete sich ein Außenschott und Rhon bremste den Raumjäger stark ab. Dann ließ er die AVALON-22 in die Luftschleuse einfliegen. Das Schott schloss sich wieder. Ein paar Augenblicke dauerte es noch, in denen Luft in die Schleuse gepumpt wurde.

„Atmosphäre ist hergestellt“, meldete schließlich die Computerstimme.

Rhon öffnete das Jägercockpit und kletterte heraus. In dem etwas klobigen Raumanzug, den er sicherheitshalber bei Rennen trug, war das gar nicht so einfach. Er setzte den Helm ab, stieg aus dem Anzug und warf ihn ins Cockpit, bevor er es wieder schloss. Eigentlich sollte man das so nicht machen und zu seinen Aufgaben als gewählter Captain gehörte es unter anderem auch, darauf zu achten, dass mit den Ausrüstungsgegenständen von allen ordentlich umgegangen wurde. Schließlich waren viele davon nicht mehr zu ersetzen. Raumanzüge wurden kaum noch hergestellt. Allenfalls noch für Forscher, die Welten unter die Lupe nehmen wollten, auf denen es keine Transmitter-Stationen gab. Aber diese Anzüge waren Einzelstücke und kosteten ein Vermögen. In den Kleiderkammern der AVALON hatten die Jugendlichen hunderte von voll funktionsfähigen Raumanzügen vorgefunden. Alle aus unverrottbaren Materialien, die sich unter günstigen Umständen Jahrtausendelang halten konnten. Aus diesen Kleiderkammern stellten sich die Spacer auch ihre Uniforme zusammen. Uniformen, die inzwischen von niemandem mehr getragen wurden. Dazu hatten sie sich von der bordeigenen Roboter-Werkstatt eigene Embleme anfertigen lassen. Ein Erkennungszeichen, das nur für die Spacer der AVALON galt und in das außerdem noch ein Kommunikator eingebaut war, sodass jeder von ihnen andauernd über Funk erreichbar war.

Zumindest so lange er sich in der AVALON aufhielt.

Über die bordeigenen Transmitter konnte man nämlich von hier aus jederzeit auf seine Heimatwelt zurück. Rhon selbst stammte von der Erde und die lag zwanzigtausend Lichtjahre vom gegenwärtigen Standort der AVALON entfernt. Aber über das Transmitternetz konnte man sich innerhalb von nicht einmal zehn Sekunden dorthin – oder an jeden anderen zur galaktischen Netzrepublik gehörenden Ort – beamen lassen.

Tabeja zum Beispiel kehrte in den Zeiten, da sie an Bord war, fast täglich nach Hause auf den Ya-don-Planeten zurück, um dort unter Anleitungen eines Ya-don-Meisters ihre geistigen Übungen zu machen.

Rhon ging die wenigen Schritte durch die Korridore.

Ein Vibrationssignal zeigte ihm an, dass jemand ihn über den Kommunikator, den er an der Schulter trug, zu erreichen versuchte. Aber Rhon reagierte nicht darauf. Zu sehr hatte ihn Errics Tod aufgewühlt. Und dass man ihn zum Captain gewählt hatte, hieß ja schließlich nicht, dass er kein Recht auf ein paar Minuten Privatleben hatte und allen jederzeit zur Verfügung stehen musste.

Immer noch ziemlich aufgewühlt erreichte er die Zentrale der AVALON. Dort gab unzählige Bildschirme. Alle in Drei-D-Qualität.

Auf dem Hauptschirm war die blaue Oberfläche des Gasriesen Davis-10 zu sehen und davor die Schatten von drei seiner Monde, die den Planeten auf unterschiedlichen Bahnen umkreisten. Im Hintergrund konnte man allerdings kaum Sterne erkennen.

Das lag daran, dass das Davis-System ganz am Rande der Milchstraßen-Galaxis lag. Dort war die Sternendichte schon sehr gering. Man nannte das den Halo oder auch einfach den galaktischen Rand. Dahinter gähnte das Nichts des Leerraums. Hunderttausende von Lichtjahre weit war dort kein einziger Stern zu finden. Geschweige denn besiedelbare Planeten.

„Was ist passiert?“, fragte Tabeja, als Rhon die Zentrale betrat. Sie saß an der Konsole, von der aus man Funk und Ortung bediente und drehte sich auf ihrem Stuhl halb herum.

Auch die anderen in der Zentrale hatten jeweils ihre Posten eingenommen. Aber jetzt sahen sie alle fragend in Rhons Richtung.

„Ich kann euch nicht mehr sagen, als ich schon über Funk mitgeteilt habe!“, erklärte Rhon düster und ließ sich in den Sitz des Captains fallen. Sein Blick fiel auf die Konsole, an der normalerweise Erric seine Instrumente bediente. „Abgesehen davon habe ich nichts dagegen, wenn ihr euch die automatischen Aufzeichnungen anseht, die der Bordcomputer meiner AVALON-22 angefertigt hat.“ Er atmete tief durch. „Und wenn ihr jetzt einen anderen Captain wollt, dann von mir aus! Ich weiß ehrlich gesagt nicht, ob ich irgendwann noch einmal in einen Raumjäger steige, um ein Rennen zu fliegen.“

Augenblicke herrschte Schweigen.

Dann meldete sich Annn zu Wort. Sie schrieb sich mit drei n, was sie für cool hielt und das in der gesamten Netzrepublik geltende Bürgerrecht auf freie Wahl des Namens erlaubte das.

„Es macht dir niemand einen Vorwurf, Rhon“, sagte sie und ihre Stimme klang angenehm sanft dabei. Ihr Haar war blond und kinnlang, die Augen so blau wie die Oberfläche von Davis-10. Annn war eine weltraumbegeisterte Individualistin, die sich vor allem für Lebensformen auf Welten interessierte, auf denen es keine Transmitter gab und die daher auch nie besiedelt werden würden. Die Raumfahrt begeisterte sie deshalb, denn anders konnte man diese Welten gar nicht erreichen. Von Raumrennen wie Erric und Rhon sie sich geliefert hatten, hielt sie dagegen gar nichts. Und daraus hatte sie auch nie einen Hehl gemacht.

„Ich mache mir selbst einen Vorwurf“, sagte Rhon. Er zuckte die Schultern. „Jedenfalls war ein Sieg in diesem verfluchten Rennen auf jeden Fall nicht Errics Leben wert!“

„Erric kannte das Risiko“, mischte sich nun eine krächzende Stimme von links ein. Sie gehörte Xorr, einem vogelähnlichen Zirpanier. Dessen Heimatwelt gehörte auch zur Netzrepublik. Xorr war etwa ein Meter achtzig groß, hatte einen falkenähnlichen, von Gefieder umkränzten Kopf und einen federlosen, von einem Gewand verhüllten Körper. Die nach hinten geknickten Vogelbeine ließen ihn ungeschickt erscheinen, was aber täuschte. Die Flügel waren bei den Zirpaniern verkümmert und zu Armen geworden, an deren Enden ein zweites paar handähnlicher Klauen wuchs.

Mit seinen sechzig Jahren war Xorr ganz gewiss der Älteste an Bord und eigentlich viel zu alt, um noch ein Spacer zu sein. Aber die Lebenserwartung von Zirpaniern war sehr viel höher als die von Menschen und mit sechzig Jahren war man bei den Vogelartigen gerade erst in der Pubertät.

„Das beste, was man über ihn sagen kann ist, dass er ein blöder Schwächling war!“, dröhnte nun eine tiefe Bassstimme durch den Raum. Sie gehörte dem 2,50 Meter großen Sirak, der zum Volk der Ampanor gehörte. Vier ungemein kräftige Arme zeichneten ihn aus und zwei säulenartige Beine.

Seine Haut war grün und geschuppt – und außerdem vollkommen haarlos. Die Facettenaugen wirkten blicklos und wenn er seinen breiten, froschähnlichen Mund öffnete, konnte man sehen, dass er keinen einzigen Zahn hatte.

Die bekam man bei den Ampanor erst nachdem man seine volle Größe erreicht hatte und das bedeutete, dass Sirak noch einen ganzen Meter zulegen musste.

Alle sahen etwas irritiert zu dem riesenhaften Ampanor hinüber, der wohl merkte, dass seine Bemerkung aus irgendeinem Grund nicht so sonderlich gut bei den anderen angekommen war.

„Tu mir einen Gefallen und benutze deinen Übersetzungscomputer, wenn du dir nicht ganz sicher bist!“, meinte Tabeja etwas säuerlicher als man es sonst von ihr kannte. Errics Tod schien sie doch mehr mitgenommen zu haben, als es ihr die Ya-don-Lehre zu zeigen gestattete.

Sirak schien etwas ratlos zu sein. „Habe ich etwas Falsches gesagt?“, fragte er. „Erric war der blödeste Schwächling, den ich kenne! Er war blöd genug, mir das Cockpit der AVALON-99 so umzubauen, dass ich hineinpasse...“ Er brach ab, sah auf das Display seines Armbandcomputers, öffnete dann sein zahnloses Breitmaul und rülpste laut.

Rülpsen war unter Ampanor ein Ausdruck der Scham.

„Tut mir leid“, meinte er. „Ich dachte, ich beherrsche eure Sprache gut genug... Aber in sensiblen Momenten sollte ich vielleicht wirklich nicht auf den Übersetzer verzichten. Ein blöder Schwächling ist die wörtliche Übersetzung für das, was ihr vielleicht einen allerbesten Freund nennen würdet...“

„Wieso nennt ihr einen guten Freund einen blöden Schwächling?“, fragte Xorr und bewegte dabei ruckartig seinen Vogelkopf.

„Ganz einfach: Ein Ampanor freundet sich lieber mit denjenigen an, die blöd und schwach sind!“

„Ein seltsames Verhalten“, meinte Xorr.

„Ganz und gar nicht!“, widersprach Sirak. „Solche Freundschaften halten länger! Denn wer blöd und schwach ist braucht deine Hilfe dringender!“

Xorr stieß einen Krächzlaut aus, von dem niemand wusste, was er bedeuten sollte – und Xorr selbst verriet es nicht.

„Also ich bin jetzt ehrlich gesagt nicht in der Stimmung für irgendwelche Besonderheiten der Ampanor-Kultur!“, meinte Annn ziemlich giftig.

Rhon hingegen hatte die ganze Zeit überhaupt nicht zugehört. Er saß in sich gekehrt im Sessel des Captains.

Das Leuchtsignal an der Sessellehne, an der sich auch ein kleiner Touchscreen befand, über den man Zugang zum Bordrechner hatte, übersah er.



Kapitel 3: Ein lebender Toter

Im nächsten Augenblick glitt die Schiebetür zur Seite und ein junger Mann trat ein, dessen Kopf wie eine Krake aussah. Ein unterdrückter Laut war zu hören – unverkennbar eine menschliche Stimme.

Der Krakenmann griff sich das achtarmige Gebilde, nahm es von seinem Kopf und warf es auf den Boden.

Klonxx findet das gar nicht nett!“, schrillte jetzt in den Köpfen aller Anwesenden eine Stimme. Keiner von ihnen hörte diese Stimme wirklich mit seinen Ohren. Es war eine telepathische Gedankenstimme, die direkt in das Gehirn hineinwirkte. „Klonxx ist sehr ärgerlich! Warum wird Klonxx nicht weiter getragen?“

„Weil Klonxx selber laufen kann!“, sagte der junge Mann, der das Krakenwesen auf den Boden geworfen hatte.

„Erric!“, entfuhr Tabeja, die wohl für einen Moment sämtliche Lehren über Gedankendisziplin, die ihre Ya-don-Lehre predigte, vergessen hatte.

Die anderen starten den Ankömmling einfach nur fassungslos an und als Rhon den Sessel des Captains herumdrehte, wirkte er für einige Augenblicke wie vom Schlag getroffen.

„Ja, ich bin's wirklich!“, sagte Erric. „Und ich versichere hiermit feierlich, dass ich keineswegs ein Gespenst bin, wie manche jetzt vielleicht glauben!“

„Wie... wie kommst du hier her?“, stammelte Rhon.

„Tut mir leid wegen dem Jäger. Ich denke die AVALON-11 ist jetzt wohl hin... Da werden nicht einmal mehr ein paar Einzelteile übrig geblieben sein, die man noch verwenden könnte...“

„Verdammt, der Jäger ist mir völlig gleichgültig!“, rief Rhon. „Ich habe gesehen, wie du explodiert bist!“

„Ich zum Glück nicht“, gab Erric zurück. „Tja, ich weiß nicht, ob ich das mal erwähnt hatte, aber wenn ich euch mit diesen technischen Details komme, dann hört ihr mir ja meistens nicht zu und verdreht nur die Augen... Also ich habe schon seit längerem versucht, mir einen kleinen Transmitter ins Cockpit zu bauen. Ehrlich gesagt hatte ich ihn noch nie ausprobiert, ob die automatische Auslösung auch wirklich funktioniert. Soweit war ich nämlich noch nicht. Scheint aber so zu sein.“

„Das heißt... du hast dich einfach weggebeamt!“, stellte Rhon ziemlich fassungslos fest.

Erric nickte. „Ganz genau. Der Transmitter war so eingestellt, dass ich direkt in einer der Beam-Stationen unseres Raumkreuzers gelandet bin...“

„Und dann hältst du es nicht für nötig, mal einen Ton zu saqen?“, fragte Rhon. „Wir haben alle gedacht, du wärst nicht mehr unter den Lebenden und bei der Explosion zerrissen worden.“

„Ich hab's ja versucht“, meinte Erric. „Also erstmal musste ich natürlich aus meinen Raumanzug herauskommen und dann ist mir ein kleines Missgeschick mit dem Kommunikator passiert!“

„Alles Ausreden!“, meinte Rhon. „In Wahrheit ist es dir nur vollkommen egal, was in den Köpfen von anderen vor sich geht!“

„Nein, so war das nicht! Als ich das Problem gelöst hatte, habe ich sofort Kontakt mit dir aufzunehmen versucht. Erst über Funk mit deinem Jäger, dann mit deinem Kommunikator und jetzt auf dem Weg zur Brücke auch noch mit dem Sprechgerät im Sessel des Captains!“

Erric deutete auf das gut sichtbare Leuchtsignal auf dem Touchscreen der Armlehne.

„Also, ich wusste ja nicht...“, murmelte Rhon.

„Na, bitte, ich hab's doch gesagt! Also bei mir geht ja sicher mal das eine oder andere daneben, aber an allem bin ich nun auch nicht schuld!“

Klonxx denkt, dass da ein paar der Anwesenden ärgerliche Gedanken über Erric hegen!“, meldete sich das Krakenwesen mit einem seiner doch manchmal ziemlich aufdringlichen Gedanken zu Wort.

„Halt die Klappe und misch dich da nicht ein!“, wandte sich Erric an das Krakenwesen namens Klonxx.

Klonxx hat doch gar nichts gesagt. Alles nur Gedanken! Aber die Wahrheit kommt immer heraus...“

Niemand wusste, woher Klonxx kam, von welchem Planeten er stammte oder was für einem Volk er angehörte. Und bisher hatte nicht einmal Annn, die sich ja sehr für solche Fragen interessierte, mehr darüber herausbekommen können.

Als sich Rhon und die anderen Spacer die AVALON auf dem Raumschrottplatz in Besitz nahmen und wieder flott machten, war Klonxx bereits an Bord.

Und so geschwätzig er mit seinen Gedankenbotschaften ansonsten auch sein mochte – darüber, wie er an Bord gelangt war, hatte das Krakenwesen nichts verlauten lassen.

„Vielleicht hättest du trotzdem irgendeinen Weg finden können, uns nicht so im Unklaren zu lassen“, meinte Tabeja.

„Zum Beispiel hättest du uns vor deinem Flug darüber informieren können, dass du dir eine Möglichkeit zum beamen in den Jäger gebaut hast!“, sagte Rhon.

„Hey, Mann! Ich rede den ganzen Tag über meine Konstruktionsideen und keiner hört mir zu! Aber wenn ich dann mal aus lauter Rücksichtnahme etwas nicht erwähne, ist es auch wieder nicht richtig.“

Klonxx glaubt nicht, dass dies eine hilfreiche Bemerkung war, der von deinen Gesprächspartnern gut aufgenommen wird!“, drängte sich das Krakenwesen wieder mit einem seiner Gedanken auf. Auf seinen Tentakeln kroch es über den Boden und legte dabei eine Geschwindigkeit vor, die man ihm auf den ersten Blick gar nicht zutraute. „Klonxx möchte nicht, dass aus seiner Geschwindigkeit der Schluss gezogen wird, dass er nicht mehr getragen werden müsste...“

„Manchmal frage ich mich, ob das Biest nicht nur Gedanken senden, sondern auch lesen kann!“, meinte Erric. Er atmete tief durch. „Also es tut mir leid, ich habe niemanden von euch in eine verfrühte Trauer stürzen wollen!“

Klonxx glaubt, dass deine Worte bei den anderen arrogant und unangemessen erscheinen!“

„Und Erric glaubt, dass Klonxx seine Gedanken für sich behalten sollte!“, reagierte Erric nun ziemlich gereizt auf den Gedanke des Krakenwesens.

Klonxx kletterte inzwischen eine der Wände der Zentrale empor. Aufgrund der Saugnäpfe an den Tentakeln war das für das Krakenwesen auch kein Problem. Er kroch über einen der großen Panorama-Bildschirme und hatte schließlich seinen Platz unter der Decke erreicht.

Immer wieder konnte man Klonxx irgendwo im Schiff unter der Decke klebend finden. Manchmal, wenn jemand vorbei kam, ließ er sich dann einfach fallen, um ein Stück getragen zu werden.

Das musste wohl Erric auf seinem Weg zur Zentrale passiert sein.

Aber das empfanden die Spacer keineswegs als die nervigste Eigenschaft des Krakenwesens. Das war zweifellos die absolute Offenheit und Respektlosigkeit, mit der er seine Gedanken äußerte – ohne Rücksicht darauf, ob er damit jemanden beleidigte oder ob es vielleicht jemandem peinlich war. Inzwischen waren sich alle ziemlich sicher, dass er Gedanken zumindest teilweise auch lesen konnte, auch wenn er anscheinend nicht alles, was in den Gehirnen von Menschen, Zirpaniern oder Ampanor vorging richtig begriff.

Klonxx fand allerdings nichts dabei, auch peinliches einfach auszusprechen – so wie es ihm in den Sinn kam.

Manchmal war das lustig – aber längst nicht immer.

Erric ging zu seiner Konsole in der zentrale. Durch einen Knopfdruck aktivierte er sie. „Hey, jetzt seht mich nicht so an! Das Ganze hat auch etwas Positives!“

„Ehrlich gesagt ist mir das entgangen“, meinte Annn.

„Na, der Cockpit-Transmitter hat funktioniert! Besser als ein altmodischer Schleudersitz ist er auf jeden Fall! Es ist doch besser, sich direkt auf das Mutterschiff in Sicherheit beamen zu lassen, wenn mal was so richtig schiefgeht, als in der Nähe eines explodierenden Raumschiffs durch das All zu schweben und darauf hoffen zu müssen, dass irgendwer da ist, der einen findet.“

„Da ist was dran“, stimmte Sirak zu. Der riesenhafte Ampanor hatte das untere seiner beiden Armpaare vor dem flachen Bauch verschränkt. „Was meinst du, könntest du so etwas auch in meine AVALON-99 einbauen? Das würde meine Elternfünfheit sehr beruhigen.“

Bei den Ampanor gab es nicht nur zwei, sondern fünf Geschlechter, was für den Nachwuchs den Nachteil hatte, dass man unter den Ampanor dazu neigte, überfürsorglich zu sein. Schließlich gab es immer fünf Elternteile, die sich um ein einziges Kind kümmerten. Trotz ihres sehr kriegerisch wirkenden Äußeren waren Ampanor-Eltern eher überängstlich und Sirak hatte oft genug davon erzählt, wie mühsam er sich seine Freiheiten hatte erkämpfen müssen. Und zwar jede einzelne! Dass er sich regelmäßig vom Ampanor-Planeten aus auf ein viele tausend Lichtjahre entferntes ausrangiertes Kriegsraumschiff beamte, um sich mit anderen Spacern zu treffen, fanden vier seiner fünf Eltern überhaupt nicht gut. Und dass Erric ihm die AVALON-99 so umgebaut hatte, dass sein massiger Körper ins Cockpit passte und Sirak auf diese Weise an den Rennen teilnehmen konnte, hatte der junge Ampanor seiner Elternfünfheit überhaupt nicht erzählt. Es war besser, wenn sie das gar nicht erfuhren, sonst machten sie sich nur unnötig Sorgen und hätten ihm vielleicht sogar sein Spacer-Leben verboten. Die Elternfünfheit ging noch immer davon aus, dass ein Ampanor in Siraks Alter einfach schon viel zu groß und umfangreich war, um sich noch ins Cockpit eines Raumjägers quetschen zu können.

„Man könnte das mit einem Transmittersitz im Cockpit noch verbessern“, meldete sich nun Xorr zu Wort. Der vogelartige Zirpanier bewegte dabei ruckartig den Schnabel in Errics Richtung.

„Immer her mit guten Vorschlägen!“, meinte dieser. Offenbar war Erric froh, dass inzwischen über etwas anderes gesprochen wurde, als über seine vermeintliche Wiederauferstehung und die Tatsache, dass er sich nicht schnell genug gemeldet hatte, was zumindest Tabeja und Rhon doch erkennbar verärgert hatte.

„Wie wäre es, wenn ich mich zum Beispiel gleich vom Pilotensitz in eine Zirpanier-Klinik auf meinem Heimatplaneten beamen lassen könnte! Denn es könnte doch sein, dass ich mich trotzdem verletzt hätte und dann wäre es doch besser...“

Ein durchdringendes Pfeifen ertönte.

„Ich glaube, das kommt von deiner Konsole, Annn“, stellte Rhon fest.

Annn wandte sich an ihre Anzeigen. „Ein Objekt im Leerraum. Ich hatte schon vor einiger Zeit den Verdacht, dass da etwas sein könnte, und eine Alarmfunktion eingeschaltet, die mir anzeigen sollte, wenn sich da wieder etwas tut...“

„Ein Objekt im Leerraum?“, fragte Erric. „Was sollte das sein?“

„Es gibt einzelne Sonnen und Planeten da draußen“, meinte Tabeja. „Die wirken zwar wie Sandkörner in einem Ozean, aber...“

„Nein, so was ist das nicht“, widersprach Annn. Ihre Finger glitten über den Touchscreen. Auf dem großen Bildschirm wurde der Raumsektor herangezoomt, indem das Objekt geortet worden war.

Aber da war nur Schwärze zu sehen – und im Hintergrund ein paar sehr ferne Galaxien.

„Ich sehe nichts“, sagte Erric. „Du vielleicht, Xorr? Zirpanier haben ja angeblich sehr viel bessere Augen als Menschen.“

Xorr stieß einen Krächzlaut aus, der wohl seiner eigenen Sprache entstammte.

Klonxx meint, dass hieß nein, ich erkenne auch nichts“, drängte das immer noch an der Decke klebende Krakenwesen sich mit einem seiner Gedanken auf.

„Das Objekt sendet Energie aus. Ich werde die Position markieren“, erklärte Annn und ließ erneut ihre Finger über den Touchscreen tanzen.

Drei rote Punkte blinkten im nächsten Moment.

„Es ist nicht nur ein Objekt – es sind drei“, stellte Annn fest.

„Den Energieausstrahlungen nach sind das Raumschiffe oder Sonden oder irgend etwas in der Art“, glaubte Erric, der sich die Daten inzwischen auch auf seine eigene Konsole geholt hatte.

„Könnten das ein paar Spacer-Kollegen von uns sein?“, fragte Rhon.

„Wir können sie ja anfunken“, schlug Tabeja vor.

Rhon nickte. „Dann mach das doch!“

„Hier Raumkreuzer AVALON per Überlichtfunk. Bitte um Antwortsignal!“, versuchte es Tabeja. Einige Momente vergingen, ohne dass eine Antwort eintraf.

„Versuchs nochmal“, sagte Rhon.

„Ich schicke jetzt ein Dauersignal. Die sollen sich melden, aber ich glaube, das wollen die gar nicht...“, meinte Tabeja nachdenklich.

„Spacer wie wir – so weit draußen im Leerraum. Das ist ungewöhnlich“, meinte Annn.

Rhon nickte nachdenklich. Annn hatte recht. Da draußen gab es nichts, was für Spacer interessant war. Keine Planeten oder Asteroiden, die als interessanter Hindernisparkur in einem Raumrennen fungieren konnten. Nicht einmal Annn mit ihrer Vorliebe für exotische unbesiedelte Planeten wäre da auf ihre Kosten gekommen, denn da draußen gab es buchstäblich nichts. Die wenigen Sonnensysteme, die da einsam in dieser endlosen Leere existierten, waren zigtausend Lichtjahre voneinander entfernt und taugten nicht als Markierungspunkte für ein Raumrennen.

„Die Signale, die von diesen Objekten ausgehen, sind irgendwie seltsam“, meinte Annn. „Jedenfalls sind sie anders als bei den Raumschifftypen, die man so auf den Raumschrottplätzen in der Galaxis zuhauf findet!“

„Vielleicht waren das ja begabte Bastler, die einiges an ihren Raumern verbessert haben!“, schlug Erric eine Erklärung dafür vor.

„Oder es sind keine Spacer....“, gab Annn zurück.

„Wir sollten uns das mal aus der Nähe ansehen“, sagte Rhon. „Ist lange her, dass wir zuletzt ein Stück in den Leerraum hinausgeflogen sind. Und aus der Nähe bekommen wir vielleicht bessere Daten herein!“