Vielen Dank,

liebe Spinne! #5

 

 

 

von

Niklaus Schmid

 

 

 

 

 

 

 

Impressum

Cover: Karsten Sturm, Chichili Agency

Foto: Faisal Akram from Dhaka, Bangladesh

© 110th / Chichili Agency 2015

EPUB ISBN 978-3-95865-576-8

MOBI ISBN 978-3-95865-577-5

 

 

Urheberrechtshinweis:

Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotografie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Autors oder der beteiligten Agentur „Chichili Agency“ reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

 

 

 

INHALT

 

Italienische Maßarbeit

Der Schlitzer

Müntefering singt

 

KURZINHALT

 

Niklaus Schmid in Bestform! Immer 3 Top-Kurzkrimis.

 

ITALIENISCHE MASSARBEIT: Ein Geschäftsmann im Alter von 62 Jahren denkt noch lange nicht ans Aufhören. Obwohl seine Frau ihn davon gerne überzeugen möchte. Was soll er machen? Seine beiden Söhne sind Taugenichtse. Er kann sich nicht entscheiden. Da nimmt ihm seine Ehefrau mit einem besonderen Geburtstagsgeschenk die Entscheidung ab.

 

DER SCHLITZER: Henning Jansen, Pferdezüchter, wird Opfer eines Serientiermörders. Mehrere trächtige Stuten werden von einem Täter in ihrer Region aufgeschlitzt. Dann, eines Abends, hören er und seine Frau verdächtige Geräusche im Stall. Doch sie kommen zu spät. Ein Motorrad startet in der Nähe und Henning nimmt die Verfolgung auf.

 

MÜNTEFERING SINGT: Ellie hat einen Plan. Sie versucht ihren Ehemann zu überreden, Müntefering oder einen nahen Angehörigen von ihm zu kidnappen und Lösegeld zu fordern. Sie will, dass es ihnen endlich besser geht und sie auch einmal in Feinkostläden einkaufen könnten. Es kommt zur Entführung, und mit dieser treten sie etwas los, was sie niemals geahnt hätten.

 

ITALIENISCHE MASSARBEIT

 

Der Mann hinter dem Steuer des schweren Wagens trug einen Geschäftsanzug mit ausgesucht teurer Krawatte, sein graues Haar war militärisch kurz geschnitten, und um seinen Mund lag ein Zug, der Zufriedenheit mit sich selbst sowie Vertrauen in die Zukunft ausdrückte.

Gewiss, da war noch ein Nachklang von dem kleinen Streit, den er gestern Abend mit seiner Frau gehabt hatte. Wieder einmal war es um das alte Thema gegangen.

„Mit zweiundsechzig sollte man daran denken, sich langsam vom Geschäft zurückzuziehen“, hatte Carlotta gesagt.

„Aber ich fühle mich höchstens wie zweiundvierzig.“

„So fühlen sich alle Männer in deinem Alter. Das ist sogar ein typisches Anzeichen.“

„Und wie deutest du dieses Zeichen?“, hatte er gefragt und sie zu sich auf den Schoß gezogen, um ihr einen Beweis seiner Vitalität zu liefern.

Danach hatte er gut geschlafen, und am Morgen war er früh aufgestanden, ohne sie zu wecken. Doch in der Nacht musste sie heimlich aufgestanden sein. Denn als er um fünf Uhr den Wagen aus der Garage geholt hatte, lag auf dem Beifahrersitz das Geschenkpaket.

Immer wieder, wenn die Strecke übersichtlich war, fiel sein Blick auf den Zettel mit ihrer Handschrift: Herzlichen Glückwunsch, lieber Edgar, und gute Fahrt!

Die Fahrt ging an Fabriken, Hochhäusern und Grünflächen vorbei, durch Städte ohne sichtbare Grenzen. Dann lag die Industriekulisse des Ruhrgebiets hinter ihm und die Umgebung wurde ländlicher, hügeliger. Am Horizont brach die Sonne durch die Wolken.

Es würde ein schöner Tag werden. Von der Schnellstraße, die das Revier von Westen nach Osten durchzog, wechselte er auf die Autobahn. An der Auffahrt stand ein Anhalter. Einen Moment spielte der Mann mit dem Gedanken, den Jungen mitzunehmen. Doch dann entschied er sich dagegen. Er wollte allein sein mit seinen Gedanken.

Mit zweiundsechzig in den Ruhestand? Nicht wenigen seiner Angestellten war es in der letzten Zeit so ergangen. Doch das waren Maßnahmen gewesen, um den Betrieb von den zu hohen Lohnkosten zu entlasten. Er selber hingegen wurde ja noch gebraucht. Denn wer, außer ihm, sollte die Firma leiten? Seine Söhne etwa, wie Carlotta meinte? Silvio, der Ältere der beiden, kannte zwar die Ergebnisse aller Galopprennen, aber nicht die Produkte der Textilfirma; Crêpe de Chine würde er wahrscheinlich für einen Pferdenamen halten. Rico, zwei Jahre jünger als Silvio und Mutters Liebling, er reiste in der Weltgeschichte umher, tauchte nach Monaten abgerissen zu Hause auf, brachte aus Afrika eine Tanzmaske oder einen exotischen Käfer mit und ließ sich von seiner Mutter wieder hochpäppeln.

Nichtsnutze, alle beide, dachte der Mann bei sich.

„Gib Silvio und Rico eine Chance, und sie werden in die Aufgabe hineinwachsen!“, hatte Carlotta gesagt und lächelnd hinzugefügt: „Einst soll es bäuerliche Kulturen gegeben haben, in denen die Jungen die Alten mit der Hacke erschlugen, wenn sie nicht freiwillig Platz machten?“ Ein Wink mit dem Hackenstiel, sozusagen. Andererseits, überlegte er, hat sie ja vielleicht gar nicht so unrecht.

Er klappte das Handschuhfach auf, entnahm ein Diktiergerät und stellte den Schalter des eingebauten Mikrofons auf eine Stellung, die dafür sorgte, dass das Band allein durch seine Stimme eingeschaltet wurde. So konnte er mit beiden Händen den Wagen lenken.