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Teresa von Ávilas Schriften sind überraschend modern. Nicht nur, was sie sagt, sondern auch, wie sie es sagt. Sie schrieb spontan, ungekünstelt und nur über Dinge, die sie aus eigener Erfahrung kannte: über Alltagssorgen, zwischenmenschliche Probleme und über die Bewältigung geschäftlicher Unternehmungen. Ihre Schriften sprühen vor geistreichen Ausdrücken, Scherzen, humorvollen Anspielungen, kleinen boshaften Bemerkungen, eindringlichen Sprachbildern und sehr menschlichen Beobachtungen und Ratschlägen. Ihre wichtigste Botschaft aber – vor allem an Frauen – ist, sich selbst kennenzulernen, ein selbstbestimmtes und aktives Leben zu führen und die Spiritualität im Alltag zu leben – und so bedeutet Liebe auch, achtsam mit sich selbst zu sein.

 Alois Prinz hat aus dem umfangreichen Werk Teresa von Ávilas all die Gedanken ausgewählt, die uns auch heute noch als Wegweiser für ein erfülltes und zufriedenes Leben dienen können.

 

Teresa von Ávila, geboren am 28. März 1515 in Ávila, wird in der katholischen Kirche als Heilige und Kirchenlehrerin verehrt. In der anglikanischen und evangelischen Kirche erinnern Gedenktage an sie. Sie gilt als größte Mystikerin des Christentums und begründete den bekanntesten Nonnenorden der Karmeliten, die Unbeschuhten Karmelitinnen. Sie starb am 4. Oktober 1582 in Alba de Tormes.

 

Alois Prinz, 1958 geboren, studierte Literaturwissenschaft und Philosophie in München und lebt heute mit seiner Familie in Kirchheim bei München. Er veröffentlichte mehrere erfolgreiche Biographien, u. ‌a. über Georg Forster, Hermann Hesse, Ulrike Marie Meinhof, Franz Kafka und Jesus. Seine Hannah-Arendt-Biographie war monatelang auf den deutschen Bestsellerlisten. Er wurde für seine Bücher u. ‌a. mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis und dem Evangelischen Buchpreis ausgezeichnet. Zuletzt erschien im Insel Verlag seine Biographie der Teresa von Ávila (2014).

 

 

TERESA VON ÁVILA

»Was lieben heißt«

Gedanken für ein gutes Leben
Herausgegeben von Alois Prinz
Insel Verlag

 

 

eBook Insel Verlag Berlin 2015

Der vorliegende Text folgt der 01. Auflage der Ausgabe des insel taschenbuchs 4357.

© Insel Verlag Berlin 2015

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Satz: Satz-Offizin Hümmer GmbH, Waldbüttelbrunn

Umschlaggestaltung: ZERO Werbeagentur, München

Umschlagabbildung: Ajuga/Getty Images

 

eISBN 978-3-458-73824-4

www.insel-verlag.de

Inhalt

Einführung

Die Frau in Familie, Kirche und Gesellschaft

Über das Verlangen nach Prestige, Ehre, Besitz etc.

Tugenden des Alltags

Über wahre und falsche Demut

Was lieben heißt

Kontemplation, inneres Beten, mystische Erfahrungen

Teresa in ihren Briefen

Editorische Anmerkung

Einführung

»Eine große, eine einmalige und doch so menschliche und anziehende Persönlichkeit« nannte Papst Paul VI. sie, als er ihr 1970 als erster Frau den Titel »Lehrerin der Kirche« verlieh: Teresa von Ávila. Eine Auswahl ihrer Schriften, die heute zur Weltliteratur zählen, ist in diesem Band zusammengestellt. Diese Texte sind Zeugnisse des Lebens einer Frau, die nicht nur als größte Mystikerin des Christentums gilt, sondern bis heute mit ihrer Bodenständigkeit, ihrer Menschlichkeit und ihrer großen Tatkraft beeindruckt.

Teresa Sánchez de Cepeda y Ahumada, wie Teresa von Ávila mit vollem bürgerlichem Namen hieß, entstammt einer Familie, deren Vorfahren im Spanien des 15. Jahrhunderts vom jüdischen zum christlichen Glauben konvertieren mussten. Mit dem Makel, eine »Conversa« zu sein, war Teresa ihr Leben lang den Vorurteilen und dem Argwohn einer Gesellschaft ausgesetzt, für die »Ehre« und Ansehen untrennbar verbunden waren mit einer christlich-katholischen Herkunft. Teresa, die am 18. März 1515 geboren wurde und früh ihre Mutter verlor, war ein sehr hübsches und lebenslustiges Mädchen, das sich dagegen sträubte, verheiratet zu werden. Für unverheiratete Frauen blieb zur damaligen Zeit nur der Weg ins Kloster. Das Kloster der Menschwerdung in Ávila, in das Teresa mit zwanzig Jahren eintrat, glich mehr einem Mädchenpensionat, in dem zweitweise bis zu zweihundert Schwestern untergebracht waren. Teresa musste sich zu diesem Schritt zwingen. Zu einem geistlichen Leben fühlte sie sich nicht berufen, die Frömmigkeit ihrer Mitschwestern blieb ihr fremd. Was sie selber wollte, dass wusste sie allerdings auch nicht zu sagen. Es war wohl auch diese innere Zerrissenheit, die Teresa krank werden ließ, so krank, dass man schon mit ihrem Ende rechnete.

Von einer todähnlichen Lähmung erholte sie sich nur langsam, und es dauerte Jahre, bis sie erkannte, wohin sie ein innerer »Lockruf« zog. Angeregt durch Bücher spiritueller Autoren, entdeckte Teresa das »innere Beten«. Diese Form der Einkehr bedeutete für sie zunächst, sich ihrer Eigenheit bewusst zu werden. Was von ihr verlangt wurde, war nicht weniger, als sich nicht mehr »zu verhalten wie die vielen«. Vorgeschriebene Gebetstexte nachzuplappern, erschien ihr sinnlos. Und Gott erlebte sie nicht mehr als einen fernen Herrscher, den wir, wie sie einmal sagt, im Himmel suchen müssen, sondern als einen Freund, der »in unserem eigenen Haus« wohnt und mit dem sie völlig unbefangen reden konnte.

Dieser persönliche Umgang mit Gott war im Spanien des 16. Jahrhunderts eine gefährliche Angelegenheit. Die Heilige Inquisition wachte über die Einhaltung des rechten Glaubens. Wer behauptete, Gott im eigenen Innern zu erfahren, der entzog sich der Kontrolle, der kam vielleicht sogar auf den Gedanken, dass man keine Dogmen, keine Kirche brauche. Obwohl Teresa gegenüber ihren Erfahrungen und Visionen höchst skeptisch war und ihre Berater glaubten, dass sie vom Teufel besessen sei, hielt sie am inneren Beten fest. Sie, die im Grunde ein sehr ängstlicher Mensch war, wurde von einem unerschütterlichen Vertrauen erfüllt und gewann eine Stärke, die sie auch große Widerstände überwinden half. Ein Skandal war es, als sie beschloss, in Ávila ein eigenes Kloster zu gründen und den Karmelorden, dem sie angehörte, auf seine ursprünglichen Ideen zurückzuführen. Von den Bewohnern Ávilas wurden sie und ihre Mitschwestern mit Steinen beworfen.

Teresa ließ sich nicht beirren und gründete weitere Klöster in ganz Spanien. Diese Klöster waren nicht nur Orte der inneren Einkehr, sondern Schutzräume, in denen Frauen in einer von Männern dominierten Gesellschaft nach ihren Vorstellungen leben sollten. Teresa forderte ihre Mitschwestern dazu auf, sich keine Angst einjagen zu lassen, sich nicht einschüchtern zu lassen von den Vorstellungen, was Frauen zu tun und zu lassen haben. Sie sollten zeigen »was in ihnen steckt«, damit sie die »Männer in Erstaunen versetzen«.

Teresa ging mit gutem Beispiel voran. Obwohl geistliche Schriften in der Volkssprache verboten waren und sie mehrfach ins Visier der Inquisition geriet, verfasste sie ihre eigene Lebensgeschichte und beschrieb in mehreren Büchern ihre inneren Erfahrungen und ihre teilweise abenteuerlichen Reisen. Teresa hatte nie eine gründliche Schulbildung erfahren. Alles was sie wusste, hatte sie sich selbst angeeignet und in Gesprächen mit Gelehrten verfestigt. Nie redete sie über Dinge, die sie nicht durch eigene Erfahrungen verbürgen konnte. Ihre Sprache ist einfach, verständlich und mitreißend. Immer kreisen ihre Gedanken um ein Menschenbild, das nur vollständig ist, wenn es zwei Seiten zusammenbringt: Denn jeder Mensch ist für Teresa ein Wohnsitz des Göttlichen. Andererseits sind wir keine »Engel«, sind in Irrtümern und Eitelkeiten verfangen und von Krankheit und Tod bedroht. Wir sind von der Sehnsucht erfüllt, über unsere Grenzen hinauszugehen, und gleichzeitig warnt Teresa vor einer zu starken Sehnsucht, die uns vom Leben entfernt und uns von den Aufgaben in der Welt abhält. Dementsprechend war für Teresa der Glaube an Gott wertlos, wenn er nicht zu Taten führte. Im aktiven Leben sollte sich die innere Begegnung mit einem liebenden Gott entfalten. Sie selbst war eine große Mystikerin, eine leidenschaftlich Liebende und eine tatkräftige und lebenskluge Frau, die stolz war auf ihren Geschäftssinn und ihr Verhandlungsgeschick. Vor allem in ihren Briefen, die in die Tausende gehen, wird deutlich, mit welcher Klugheit, welchem Humor und mit wie viel diplomatischem Geschick sie ihre vielen Aufgaben bewältigte und wie es ihr gelang, mit der richtigen Mischung aus Liebe und Autorität ihre vielen Kontakte und Freundschaften zu pflegen. Diese Briefe haben ihren eigenen Hintergrund und ihren eigenen »Ton«. Ich habe deshalb eine Auswahl dieser Korrespondenz in einem gesonderten Kapitel zusammengestellt.

Noch in den letzten Tagen ihres Lebens schrieb Teresa Briefe. Da war sie immer noch auf Reisen, aber schon von Krankheit und Erschöpfung gezeichnet. Sich zur Ruhe zu setzen kam für sie nicht infrage. Ihre Pläne gingen weit in die Zukunft. Wir sollten uns, so meinte sie einmal, »nicht danach sehnen, unsere Ruhe zu haben«. Und immer noch konnte sie sich aufregen über Menschen, deren »Tage so ruhig dahinplätschern mit gutem Essen, Schlafen und der Suche nach Erholung und allen möglichen Abwechslungen«. Als sie am 4. Oktober 1582 starb, endete ein Leben, das bestimmt war von Mediation und unermüdlicher Wirksamkeit.

Teresa von Ávila, die es sich zu Lebzeiten verbat, heilig genannt zu werden, wurde 1622 heiliggesprochen. Nach ihrem Tod wurden viele ihrer Reformen wieder rückgängig gemacht und ihr Bild wurde verzerrt, weil vieles, was sie gemacht, gesagt und geschrieben hat, nicht zu den Vorstellungen passte, die man von einer Heiligen hatte. Erst eine moderne Geschichtsforschung und Textkritik machten es möglich, diese Verfälschungen zu korrigieren und die ursprüngliche Form ihrer Werke und Briefe wiederherzustellen. In diesen Texten werden auch heute die Persönlichkeit Teresas und ihr Geist wieder lebendig. Dazu soll auch diese Auswahl beitragen.

 

 

Anm.: Die nach dem Reformideal Teresa von Ávilas lebenden Frauen und Männer nannten sich auch Unbeschuhte Karmelitinnen oder Karmeliten, weil sie als Ausdruck ihrer Armut entweder barfuß gingen oder einfache Hanfsandalen trugen.

 

 

 

»Ich werde nichts sagen, was ich nicht vielfach selber erfahren hätte.« (BmL, 18,8; S. 267)

 

 

»Wenn ihr finden solltet, dass dies nicht wahr ist, dann glaubt mir überhaupt nichts mehr von all dem, was ich euch sage.« (WdV, 40,6; S. 218)