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Dirk Müller

Bismarck





BookRix GmbH & Co. KG
80331 München

Bismarck

 

Dirk Müller

 

 

Vorbemerkung – »Dämon« oder »Überkanzler«?



Doch einer noch. Alldeutschlands Schafe bähen,
der Schaefer vorneweg: »Ein Bismarck fehlt!«
Wer weiß, wenn sie ihn heut regieren sähen ...


Kurt Tucholsky


Verehrt, gefürchtet und gehasst: Bismarck als Reichstagsredner


Für die einen war er der größte Kanzler, den Deutschland jemals hatte, andere stilisierten ihn zum »Dämon«, der direkt oder indirekt für nahezu alles mitverantwortlich gemacht wurde, was in der deutschen Geschichte später schief ging.


Dass die Wahrheit – besser: die bestmögliche Annäherung an sie – irgendwo dazwischen liegen muss, dürfte klar sein. Wo genau, will dieses Buch seinen Lesern nicht vorschreiben. Es soll vielmehr Fakten und Deutungen liefern, die Grundlage dafür sein können, sich ein fundiertes eigenes Bild von dieser schillernden Persönlichkeit zu machen.

Paradies und Prügel: das Kind


In der Schule streng erzogen: Otto von Bismarck als etwa 11-Jähriger


Der Vater: alter Adel, die Mutter: eine Bürgerliche.

Im Deutschland des 19. Jahrhunderts ist das eine ungewöhnliche Herkunft. Sie hat Bismarck sicher geprägt, inwiefern sie seine politischen Ziele bestimmt hat, ist unklar. Sein Bruder führte mit gleichem Hintergrund ein unspektakuläres Leben. Dennoch weist auch Bismarck selbst in seinen Erinnerungen ausdrücklich auf diese Konstellation hin, im Bestreben, seinen liberalen Kritikern von vornherein ein wenig den Wind aus den Segeln zu nehmen – galt er ihnen doch zeitlebens als engstirniger preußischer Junker und adliger Reaktionär. Indessen gibt er selbst zu, dass seine Mutter von seiner Politik nicht begeistert gewesen wäre.

Preußen (blau) um 1815

Geboren wurde er am 1. April 1815 im Schloss Schönhausen nahe der Elbe bei Stendal in der preußischen Provinz Sachsen als Sohn des Rittmeisters Karl Wilhelm Ferdinand von Bismarck (1771–1845) und dessen Ehefrau Luise Wilhelmine, geb. Mencken (1790–1839). Die Familie Mencken hatte in der Vergangenheit Gelehrte und Beamte hervorgebracht.


1816 übersiedelte die junge Familie, ohne Gut Schönhausen aufzugeben, nach Gut Kniephof im Landkreis Naugard in Hinterpommern. Kniephof bezeichnete Bismarck später als Paradies seiner Kindheit, ein Paradies, das nicht auf Dauer währte. Im Park des Gutshofs begründete sich seine Liebe zur Natur, die ihm sein Leben lang erhalten blieb.



Verlorenes Paradies: der heruntergekommene Gutshof bei Naugard 2012 (Bild: Shrink)


Vom Vater erbte er den Stolz auf seine adlige Herkunft, darüber hinaus natürlich auch die ständischen Privilegien und die entsprechenden Güter; die Mutter gab ihm nicht nur den blendenden Intellekt mit, sondern wahrscheinlich auch den Wunsch (oder Druck), seinem Herkunftskreis, dem bodenständig-biederen Landadel, zu entkommen. Bismarck hatte es seiner Mutter zu verdanken, dass er eine Bildung genoss, die für einen Landedelmann sehr intellektuell war. Ihre Söhne sollten nicht nur »Junker« sein, sondern in den gehobenen Staatsdienst eintreten. Bismarcks Weg dahin war jedoch nicht geradlinig, wegen einer Liebesaffäre wäre er beinahe nie Politiker geworden.

Im Alter von sechs Jahren endete des jungen Bismarcks Kindheitsglück.

Denn es begann seine schulische Ausbildung – auf Wunsch der Mutter in der preußischen Hauptstadt Berlin, und zwar in der Plamannschen Erziehungsanstalt. Dieses Internat, in das hohe Beamte ihre Söhne schickten, war ursprünglich im liberalen Geist von Johann Heinrich Pestalozzi gegründet worden. Zur Zeit Bismarcks war diese Reformphase jedoch beendet – und die Erziehung geprägt von eisernem Drill. Den Übergang erlebte das Kind als Katastrophe. Bismarck hat das später selbst deutlich gemacht. Wie ein »Zuchthaus« sei ihm die Anstalt vorgekommen, seine Kindheit habe sie ihm »verdorben«. Das sollte festgehalten werden: Ausgerechnet der »eiserne« Kanzler, eine Ikone des Preußentums, beklagt sich bitter über seine allzu strenge Erziehung!


In dieser Zeit prägte sich wahrscheinlich sein Unwillen aus, Autoritäten anzuerkennen. Allerdings waren es seiner Aussage nach auch gerade bürgerliche, adelskritische Autoritäten, die ihn drangsaliert haben sollen. Wird hier schon der spätere »weiße« (adelige) Revolutionär (Gall) vorgeprägt? Es ist zumindest nicht unwahrscheinlich.


1827 wechselte Bismarck nach Auflösung der Plamannschen Anstalt auf das Berliner Friedrich-Wilhelms-Gymnasium, ab 1830 besuchte er bis zum Abitur 1832 das bekannte humanistische Berlinische Gymnasium zum Grauen Kloster. Außer in Bezug aufs Altgriechische, das Bismarck überflüssig fand, zeigte er sich in der Schule als ausgesprochen sprachbegabt, seine Französisch- und Englischkenntnisse waren zeit seines Lebens sehr gut. Es waren die lebenden Fremdsprachen, die Sprachen der internationalen Diplomatie, die es ihm angetan hatten.

Den lutherischen Religionsunterricht erhielt er von Friedrich Schleiermacher, der den Sechzehnjährigen in der Berliner Dreifaltigkeitskirche auch konfirmierte. Einen besonderen Eindruck hat der berühmte Theologe bei Bismarck jedoch nicht hinterlassen. Er las Spinoza und David Friedrich Strauss, bezeichnete sich rückblickend eher als Deist oder Pantheist denn als konventionell gläubiger Christ. Ein Atheist war er allerdings nie, auch wenn seine Verwandten und Bekannten ihn oft dafür hielten.



Der Student und Referendar




Bismarck als junger Student in Göttingen (aus dem Gedächtnis gezeichnet von Christian Wilhelm Allers, 1893)


Eigentlich wollte Bismarck in Heidelberg studieren. Doch dagegen hatte seine Mutter etwas: Sie fürchtete, ihr Sprössling könne sich dort das grässliche Biertrinken angewöhnen. Wider einmal setzte sich die Frau Mama durch. Nach dem Abitur nahm Bismarck als Siebzehnjähriger das Studium der Rechtswissenschaften auf (1832–1835), zunächst an der Universität Göttingen (1832–1833). Die politischen Unruhen im Gefolge der Julirevolution (Hambacher Fest, Frankfurter Wachensturm) lehnte er zwar ab, ohne sich allerdings sonderlich hervorzutun. Er schloss sich nicht den damals noch oppositionellen Burschenschaften, sondern der schlagenden, konservativen Studentenverbindung Corps Hannovera Göttingen an. Er blieb zeitlebens dem Corps verbunden. Er galt als guter Fechter – so wie später mit Worten.


An den Burschenschaften kritisierte er ihre angebliche »Weigerung, Satisfaktion zu geben, ihr[en] Mangel an äußerlicher Erziehung und an Formen der guten Gesellschaft, bei näherer Bekanntschaft auch die Extravaganzen ihrer politischen Auffassungen, die auf einem Mangel an Bildung und an Kenntnis der vorhandenen, historisch gewordenen Lebensverhältnisse beruhten«. So formuliert ein konservativer Aristokrat.

Andererseits bezeichnete er sich selbst als keineswegs nur monarchisch oder gar absolutistisch gesinnt. Kontrolle des Monarchen durch das Parlament und Pressefreiheit, so beteuert er lange Zeit später in seinen Memoiren, seien immer Bestandteil seiner politischen Vorstellungen gewesen, schon um den Einfluss von Hofschranzen und »Weibern« auf den Monarchen zu begrenzen.


Allerdings: Diese Äußerungen sind alle aus späterer Zeit überliefert. Kolb merkt an, es sei erstaunlich, dass aus dieser Studentenzeit keinerlei Zeugnisse über sein politisches Denken erhalten sind.


Geschichte und Literatur interessierten ihn, das Jurastudium allenfalls als Mittel zum Zweck. Er sagte, er studiere »Diplomatie«. Der gutgemeinte Versuch der Mutter, den Sohnemann vom Alkoholkonsum fernzuhalten, muss allen Zeugen zufolge als gescheitert angesehen werden. Völlerei wird später noch zu einem ernsthaften gesundheitlichen Problem Bismarcks werden (und bei den besiegten Franzosen nach 1871 Anlass für spitze Bemerkungen).

Der einzige akademische Lehrer, der ihn tief beeindruckte, war der Historiker Arnold Hermann Ludwig Heeren, der in seinen Vorlesungen die Funktionsweise des internationalen Staatensystems beschrieb. Man darf davon ausgehen, dass Bismarck hier tatsächlich etwas fürs Leben lernte und der Geschichtsforscher insofern die spätere Geschichte mitbestimmte.


Im November 1833 setzte Bismarck sein Studium an der Berliner Friedrich-Wilhelms-Universität fort. 1835 schloss er es mit dem Ersten Staatsexamen ab – mit mäßigen Noten, aber zum frühestmöglichen Termin.

Zunächst scheint Bismarck schnell Karriere zu machen, doch bald kommt es anders.

Er wird Auskultator beim Berliner Stadtgericht. Von morgens acht bis abends acht sei er fleißig, berichtet er einem Freund, danach begebe er sich in Gesellschaft. Er sei zudem zwar dauernd »exzessiv verliebt, wechsele aber häufig den Gegenstand« seiner Neigung. Bismarck hat außerdem Geldprobleme, seine »Alten« seien knauserig, und er hat noch Schulden aus seiner Studienzeit zu begleichen.

Auf eigenen Wunsch wechselte er vom Justiz- in den Verwaltungsdienst. Der Grund: Bismarck wollte gehört haben, dass der preußische Außenminister wenig von »ostelbischen Junkern« im diplomatischen Dienst halten solle. Um in die Verwaltung zu gehen, muss er Prüfungen bestehen. Diesmal wird der Faule fleißig: Er »schlafe nur sechs Stunden und finde große Freude am Studieren, zwei Dinge, die ich lange Zeit für unmöglich hielt«. Seine Noten sind nun deutlich besser.

Der Büroalltag eines Regierungsreferendars im damals recht mondänen Kurort Aachen füllt ihn allerdings nicht aus. Er sucht Zerstreuung; und er beginnt kostspielige Liebeleien mit englischen Ladies.

Die 17-jährige Isabella Smith verdreht ihm so sehr den Kopf, dass er nicht nur um Urlaub bittet, um der schönen Britin und ihrer Familie auf Reisen folgen zu können. Er überschreitet die Urlaubsfrist auch, und zwar gewaltig. Die Folge: Bismarck fliegt von seinem Referendarsposten.


Nicht nur das: Er macht zusätzlich durch den Besuch von Spielkasinos Schulden. Die Angebetete wird ihm unterdessen von einem Herrn mit mehr Geld abgejagt. Sein Fazit: »Arm im Beutel, krank im Herzen, kehrte ich nach Pommern heim.« Der spätere Realpolitiker, der Forderungen demokratischer Gegner schon mal als Mondscheinbetrachtungen diffamierte, begann also selbst als scheiternder Romantiker, Tunichtgut und verlorener Sohn.


Er versuchte später, seine Referendarausbildung in Potsdam fortzusetzen, das Gesuch wurde ihm gewährt, nicht ohne feine Ermahnung, nun doch zu einer »angestrengteren« Arbeitsweise zurückzufinden … Man darf das amüsant finden, sollte sich aber vergegenwärtigen, dass einem Kandidaten aus weniger gehobenen Kreisen solche Eskapaden wahrscheinlich nicht verziehen worden wären.

Allerdings kehrte Bismarck dem Verwaltungsdienst nach einigen Monaten den Rücken. Er erklärte diesen Schritt später damit, dass er lieber »befehlen als … gehorchen« wolle: »Ich will aber Musik machen, wie ich sie für gut erkenne, oder gar keine.« Ein anderer, ebenso wichtiger Grund: seine Schulden. Er war überzeugt, dass er vom »rein materiellen Standpunkt aus« in der Landwirtschaft mehr als in der Verwaltung erreichen könne.


Unterdessen überließ der Vater seinen Söhnen die Güter um Kniephof zur Verwaltung. Bismarck kehrte also in sein Kindheitsparadies zurück, diesmal jedoch nicht, um zu träumen, sondern um etwas materiell-praktisch zu bewegen. Der um fünf Jahre ältere Bruder Bernhard startete seine politische Karriere vor Otto, wurde Landrat und später Abgeordneter im pommerschen Provinziallandtag.

1838 leistete Bismarck als Einjährig-Freiwilliger seinen Militärdienst ab, zunächst beim Garde-Jäger-Bataillon. Im Herbst wechselte er zum Jäger-Bataillon Nr. 2 nach Greifswald in Vorpommern. 1839 starb die Mutter.


Trinkfest und erfolgreich: der Gutsverwalter

 

Nachdem Bernhard von Bismarck 1841 zum Landrat gewählt worden war, kam es zu einer vorläufigen Teilung. Bernhard bewirtschaftete nun Jarchlin, Otto hingegen Külz und Kniephof. Nach dem Tod des Vaters im Jahr 1845 übernahm Otto zusätzlich die Bewirtschaftung des Familienbesitzes Schönhausen bei Stendal.

 

Die Güter waren nicht sonderlich gut verwaltet worden, bevor Otto sie unter seine Fittiche nahm. Bismarck erwarb schnell gute Kenntnisse in rationaler landwirtschaftlicher Betriebsführung. In den etwa zehn Jahren, in denen er als Verwalter des elterlichen Besitzes arbeitete, gelang es ihm nicht nur, die Güter zu sanieren, sondern auch die eigenen Schulden zurückzuzahlen. Der Plan war aufgegangen. Nicht unerwähnt sollte bleiben, dass unbeschadet seines verwalterischen Geschicks diese positive Wende nicht zuletzt den treuen und gering bezahlten Landarbeitern zu verdanken war.

 

Bismarck gewann unterdessen an Selbstbewusstsein. Der romantische Schwerenöter war passé, nicht aber der Bonvivant.

 

Sicherlich gefiel es ihm, sein eigener Herr zu sein, andererseits füllten ihn die landwirtschaftliche Tätigkeit und das Leben als Landjunker nicht aus. Er beschäftigte sich nebenher intensiv, wenn auch unsystematisch mit Philosophie, Kunst, Religion und Literatur. Zwischenzeitlich hielt er – wiederum erfolglos – um die Hand einer Gutsbesitzertochter an. Daraufhin unternahm er eine Studienreise nach Frankreich und England sowie in die Schweiz. Seine »Freiersfüße« seien ihm »gänzlich erfroren«, schrieb Bismarck.

 

Das Bestreben, in den Staatsdienst zurückzukehren, gab er 1844 auf – erneut aufgrund seines Widerwillens gegen alles Bürokratische. In diesen Jahren war er gern gesehener Gast bei vielen gesellschaftlichen Ereignissen in der Region. Im pommerschen Landadel hieß das: Jagd, noch mehr Jagd, mal eine Theateraufführung und … ausschweifende Zechgelage. Bei den Landjunkern habe er an Ansehen hinzugewonnen, bemerkte Bismarck später süffisant, weil er dazu fähig sei, seine »Gäste mit freundlicher Kaltblütigkeit unter den Tisch zu trinken«. Solche Anekdoten und die Fähigkeit (oder der Drang), bei gesellschaftlichen Ereignissen meist im Mittelpunkt zu stehen, brachte ihm den Ruf des »tollen Bismarck« ein. Ansonsten las er viel: Goethe, Schiller, Jean Paul, Heine. Und: Landkarten.

 

Was er seinen Nachbarn nicht sagen konnte: Er fand die Landgesellschaft zunehmend schal und »unersprießlich«.

 

Johanna



Die Frau, die ihm stets den Rücken stärkte: Johanna von Bismarck, geb. von Puttkamer, 1857


Nach der letzten Frustration hatte Bismarck gesagt, er könne sich keine Frau mehr vorstellen, um die er sich bemühen würde. Doch es kam anders. Durch Moritz von Blanckenburg, einen Schulfreund aus Berlin, kam Bismarck in Kontakt mit dem pietistischen Kreis um Adolf von Thadden-Trieglaff. Blanckenburg war mit der Tochter Marie von Thadden-Trieglaff verlobt. Marie von Thadden und Bismarck fühlten sich als verwandte Seelen, aber für die junge Frau kam eine Auflösung ihrer Verlobung nicht in Frage. Ihre Liebe blieb unerfüllt, sogar unausgesprochen. Im Oktober 1844 heiratete sie Blanckenburg. Bei der Hochzeitsfeier wählte sie ihre zwanzigjährige Freundin Johanna von Puttkamer als Tischdame für Bismarck aus. Das kann durchaus aus Verkupplungsbemühung gewertet werden.


Im Sommer 1846 reisten das Ehepaar Blanckenburg, Bismarck und Johanna von Puttkamer gemeinsam in den Harz. Marie starb im Herbst 1846 nach schwerer Krankheit. Bismarck war tief erschüttert. Doch hielt er bald darauf in einem Brautbrief an Heinrich von Puttkamer um die Hand Johannas an. Der Gutsbesitzer antwortete hinhaltend. Bismarck reiste daraufhin in die Höhle der Löwen und überzeugte die Eltern Johannas in einem persönlichen Gespräch. Die Heirat fand im Jahr 1847 in Reinfeld, Landkreis Rummelsburg in Pommern, statt.


Die Kontakte zu den Pietisten brachten ihm nicht nur den Kontakt zu seiner Frau ein. Sie veränderten auch seine bis dahin sehr freidenkerische Haltung zur Religion,

wenngleich er kein Pietist wurde. Doch seit dieser Zeit spielte der Glaube an einen persönlichen Gott für Bismarck eine zentrale Rolle.

Aus der Ehe mit Johanna von Bismarck gingen drei Kinder hervor:


Marie (1848–1926), ∞ Kuno Graf zu Rantzau

Herbert (1849–1904), ∞ Marguerite Gräfin von Hoyos

Wilhelm (1852–1901), ∞ Sibylle von Arnim-Kröchlendorff


Man sieht: Bismarcks Kinder heirateten standesgemäß.


Johanna ordnete, dem noch wenig angefochtenen Ideal der Zeit entsprechend, ihre Bedürfnisse denen ihres Mannes weitgehend unter und bot ihm zugleich – wohl anders als seine Mutter – eine feste emotionale Bindung. Daran änderten auch diverse Affären Bismarcks nichts. Er hatte sich nicht getäuscht, als er sie vor der Heirat nicht nur als liebenswürdig, sondern auch als »facile à vivre« bezeichnete. Was nicht heißt, dass er sie nicht ernst genommen hätte. Die Briefe, die die beiden austauschten, gehören nach Meinung mancher zu den Höhepunkten der Briefliteratur des 19. Jahrhunderts. Die Ehe war wahrscheinlich im Wesentlichen glücklich und jedenfalls stabil. Vor allem aber: Johanna unterstützte ihren Mann bedingungslos. Das galt auch für seine späteren politischen Fehden. Bismarcks »eisernes« Selbstbewusstsein ist somit ein Stück weit seiner Frau und ihrer getreuen Erfüllung des weiblichen Rollenbildes des 19. Jahrhunderts zuzuschreiben.


Bismarck geht in die Politik


Wie die meisten politischen Karrieren begann auch diejenige Bismarcks recht bieder auf kommunaler Ebene. In seiner Zeit auf Gut Kniephof war er Deputierter des Kreises Naugard, wurde 1845 Mitglied des Provinziallandtags von Pommern und unterstützte gelegentlich seinen Bruder bei dessen Tätigkeit als Landrat. Über seinen pietistischen Freundeskreis kam er um 1843/1844 in Kontakt zu konservativen Politikern, insbesondere zu den Brüdern Ernst Ludwig und Leopold Gerlach. Er verpachtete 1845 auch, um diese Verbindung auszubauen, den Kniephof und zog nach Schönhausen. Sein Geburtsort lag näher bei Magdeburg, dem damaligen Dienstsitz von Ludwig von Gerlach. Bismarck erhielt sein erstes öffentliches Amt 1846: Deichhauptmann in Jerichow.


Bismarck begann als Konservativer, er wollte die Vormachtstellung des landbesitzenden Adels in Preußen bewahren helfen. Er war somit, was man heute vielleicht »Besitzstandswahrer« nennen würde, aber nicht nur das: Die Konservativen lehnten den aus ihrer Sicht zu »modernen« absolutistisch-bürokratischen Staat ab und träumten von einer Wiedereinführung der Mitregierung der Stände, vor allem natürlich des Adels. Zusammen mit den Brüdern Gerlach trat Bismarck auch beispielsweise für die Bewahrung der Patrimonialgerichtsbarkeit ein. Es war eine aus dem Mittelalter stammende Tradition: Der Grundherr war zugleich auch Richter über seine Pächter. Ein immenses Privileg, das in mehreren kleineren deutschen Ländern Anfang des 19. Jh. abgeschafft wurde. In Preußen fiel es im Zuge der Revolution 1849.