Rudolf Gerhardt

Des Widerspenstigen Zähmung
oder: Kabbeleien und Liebe

Variationen über ein neuzeitliches Rollenspiel

Mit Zeichnungen von Imma Setz und einem Vorwort von Helmut Markwort.

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Impressum

Rudolf Gerhardt: Des Widerspenstigen Zähmung oder: Kabbeleien und Liebe. Mit Zeichnungen von Imma Setz und einem Vorwort von Helmut Markwort.

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1. digitale Auflage: Zeilenwert GmbH 2015

ISBN 978-3-95457-123-9

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Inhaltsverzeichnis

Cover

Titel

Impressum

Vorwort

Was gestern geschah

Die neue Zuständigkeit für die Pantoffeln

Ein Macho, oder was?

Eine leise Läuterung

Gleichberechtigung am Tisch

Männer und Mode

Ratsuche bei der Frau Mama

Man ist, wie man isst

Schnupfen mit Todesahnung

Einkaufen als Männersache

In der Modeboutique

Und jetzt bist du dran

Die Schlüsselgewalt im Auto

Erneute Ratsuche bei Mama

Der Kampf um die Blumen

Weiter im Auto

Beim Essenkochen

Rücksprache von Mann zu Mann

Als Lehrling in der Küche

Von Kindern und Hunden

Die pünktliche Verspätung

Die ordentliche Unordnung

Der Blick auf die Umwelt

Flirten, oder was sonst?

Die Welt im Rauch

Schlussakkord bei der Mutter

Ausklang

Beichte unter Freunden

Von Rudolf Gerhardt und Imma Setz bereits erschienen

Vorwort zu Rudolf Gerhardts Ironeske

von Helmut Markwort

Das Liebespaar sinkt sich in die Arme oder aufs Bett. Endlich haben die beiden sich gefunden. Im Kino wird die Leinwand hell. Im Theater fällt der Vorhang. Das Publikum applaudiert zufrieden.

Keiner fragt, was die berauschten Liebenden im Alltag miteinander erleben. Darüber hat der große Kurt Tucholsky ein melancholisches Gedicht geschrieben mit dem Titel „Danach”. Es endet mit dem Vers: „Und darum wird beim happy end im Film jewöhnlich abjeblendt.”

Im vorliegenden Werk hat der Autor Rudolf Gerhardt diese Gewöhnlichkeit nicht beachtet. Im Gegenteil: er hat aufgeblendet. Neugierig will er wissen, wie eine berühmte Geschichte weitergeht. Zwar lässt er nicht erkennen, ob er die weltberühmte Lovestory im Kino gesehen hat oder auf einer Theaterbühne, und er kann uns auch nicht täuschen, indem er die Namen von Heldin und Held und Zusatzpersonal bis zur Kenntlichkeit verändert, aber die literarisch-investigative Analyse ist eindeutig: gemeint ist „My fair Lady”.

Rudolf Gerhardt hat dem Liebesleben von Professor Higgins und seiner umdressierten Blumengöre Eliza nachspioniert. Und es hat sich gelohnt. Die beiden kabbeln sich auf höchstem Niveau, und der Leser hat seine Freude dran. Geistreich duelliert sich das Paar um die Dominanz in der neuen Beziehung. Aus der fair Lady ist eine freche Lady geworden, aber der ehemalige Hagestolz-Professor genießt es, wie sein einstiger Zauberlehrling sein Leben und seine Gedanken durcheinander wirbelt. Wenn zwei sich streiten, freut sich der Leser.

Dem Autor ist die Fortsetzung so amüsant gelungen, dass man glaubt, die beiden auf einer Bühne vor sich zu sehen. An einigen Stellen könnte sogar ein Song zwischen die Dialoge passen.

Wenn der Professor und seine Schülerin mit so viel Vergnügen weitersticheln, haben sie noch eine abwechslungsreiche Zukunft vor sich. Mit originellen Reizereien und schmusigen Versöhnungen.

Diesen Kontrast vertiefen die schönen Zeichnungen von Imma Setz. Die spitzen Texte ergänzt sie mit weichen Szenen.

Was gestern geschah

„Eliza, wo zum Teufel sind meine Pantoffeln?“: Das sind die inzwischen sprichwörtlichen, letzten Worte, die jener Professor Higgins dem inzwischen arrivierten Blumenmädchen vor die Füße wirft. Zutiefst enttäuscht von der Gefühllosigkeit dieses Supermachos hatte das gesellschaftlich aufgepäppelte Mädchen dessen großbürgerliches Haus verlassen und ihren geduldigen Anbeter Freddy getroffen, dann aber buchstäblich die Kurve gekratzt, um zu „ihrem“ Professor zurückzukehren. Mit ungewisser Zukunft, zunächst einmal, um sich um dessen Pantoffeln zu kümmern.

So jedenfalls die Geschehnisse in dem weltberühmten Film „My fair Lady“, deren Gestaltung als Musical-Verfilmung auf der Komödie „Pygmalion“ von George Bernhard Shaw aufbaut. Shaw hatte das Ende des Ganzen, sagen wir einmal, etwas bürgerlicher gesehen. Nach einem heftigen Wortwechsel mit Higgins sagt Eliza, sie werde Freddy heiraten, „sobald er im Stande ist, mich zu erhalten“. Und wie alles dann weitergeht, bleibt der Fantasie der Zuschauer überlassen.

Das Theaterstück stammt aus dem Jahre 1913, der Film trägt das Datum des Jahres 1964, und es scheint an der Zeit, endlich einmal dieses veraltete Weltbild zu modernisieren – wenn man so will mit den Augen eines zeitgemäßen Mannes, aber aus emanzipatorischer Sicht und unter strenger Beachtung des Gleichberechtigungsgebots in Artikel 3 GG.

Der Film endet mit der berühmten Szene: Reumütig kehrt Eliza spätabends zu Professor Higgins zurück, der, wie gewohnt, in seinem gemütlichen Sessel sitzt, seine Freude über ihre Rückkehr nur mühsam verbergen kann und dann lospoltert: „Eliza, wo zum Teufel sind meine Pantoffeln?“

Auch in dieser neuen Geschichte kehrt Elvira zu Herkins zurück und findet diese Pantoffeln, gibt aber zu erkennen, dass so etwas in Zukunft die eigene Aufgabe des Professors sein wird. Das Stück spielt in der Gegenwart und irgendwo hierzulande.

Die neue Zuständigkeit für die Pantoffeln

„Du meinst also, Elvira, dass es die Sache eines Mannes sein soll, sich selbst um seine Pantoffeln zu kümmern?“

„Ich meine“, sagt sie zögernd, „dass ein Mann nicht alle Aufgaben auf eine Frau übertragen kann. Auch nicht ein Professor wie Sie.“

„Und du wagst es, mir das zu sagen, nachdem ich dir den aufrechten Gang beigebracht habe.“

„Diesen Gang habe ich gefunden, obwohl Sie es waren, der mich immer so klein gemacht hat.“

„Ohne mich wärst du, ehm, ehm, auf einem Straße verendet.“

„Einer Straße, heißt das, lieber Herr Professor, und ,verendet‘ könnte man vielleicht von einem Hund sagen, aber niemals von einer Dame – geendet, meinetwegen.“

Professor Herkins blickte fassungslos drein: „Du willst mir doch nicht die richtige Sprache beibringen, nachdem ich es war, der dir die Reden beigebracht hat.“

„Das Reden, meinen Sie wohl. Im korrekten Reden bin ich Ihnen inzwischen ja wohl gewachsen.“ Und dann mit einem tastenden, charmanten Schmunzeln:„Aber wenn es nötig ist, kann ich Ihnen ja gern ein bisschen aushelfen.“

Jetzt sah Frau Birkl, die jahrelange Haushälterin, hilfsbereit zu Herkins herüber. Der aber zog sich zu der langen Reihe der Buchrücken zurück, die für ihn so etwas war wie der Ausblick aus einem offenen Fenster.

Die Zeit ist ein sonderbar Ding, – das weiß auch die Marschallin in Richard Strauss’ Rosenkavalier: Wenn man so hinlebt, spürt man rein gar nichts. Aber auf einmal spürt man nichts als sie. Sonderbar wurde sie schon, die Zeit im feudalen Haus des Professor Herkins, aber alle spürten zugleich, dass da etwas geschah. Während Professor Herkins Elvira bislang abfällig behandelt, zu einem ihm zugelaufenen Stück des Straßengesindels erklärt und sie herumkommandiert hatte, ließ er sich mit ihr nun tatsächlich zu so etwas wie Gesprächen herab.

„Lieber Herr Professor“, sagte sie dann, „Sie haben in Ihrer Selbstherrlichkeit einfach verschlafen, dass wir Frauen den Männern längst ebenbürtig sind – mindestens.“

„Und wie sollte das geschehen sein, so hinter unserem Rücken?“

„Weil es im Gesetz steht, und in vielen Gerichtsurteilen.“ Und mit einem maliziösen Lächeln fügte sie hinzu: „Dass Sie lesen können, hat sich doch inzwischen herumgesprochen.“

Ein Macho, oder was?

Nun suchte Herkins Rat bei Oberst Pöcking, mit dem ihn seit einiger Zeit eine echte tiefe Freundschaft verband.

„Ich verstehe zwar nicht viel von den Frauen“, sagte der, „aber wie man hört, sind die Zeiten des Machos vorbei.“

„Was soll denn das sein, ein Macho?“

Bevor Oberst Pöcking sich zu einer Antwort durchrang, nahm er einen Schluck von dem bereitstehenden Cognac: „Es tut mir wirklich leid, Ihnen das zu sagen, aber es muss heraus: Das sind Sie!“

„Ich?“, sagte Herkins und sah mit einem Mal aus, als hätte er soeben erfahren, dass er ausgebürgert worden ist. Dann nahm auch er einen Schluck vom Cognac und sah hinüber zu Frau Birkl: „ Und was meinen Sie, was ich bin?“

„Also, was ein Majo oder Mancho ist, weiß ich nicht: Aber wenn das heißt, dass Sie jede Frau unter Ihrer Fuchtel halten, dann wären Sie so etwas.“

Nun kam Professor Herkins doch ins Grübeln. Wie ist das eigentlich mit der Emanzipation, auch der des Mannes, und wo könnte darüber etwas zu lesen sein – im Gesetz oder in diesen vielen Gerichtsurteilen?

Eine leise Läuterung

Herkins ging in sich. Als ihm Elvira eines Tages beiläufig sagte, sie könne von nun an auch ohne ihn auskommen, wurde ihm richtig mulmig. Er erkundigte sich immer öfter nach ihrem Befinden, reichte ihr einmal das Taschentuch, als sie niesen musste, und machte sogar Anstalten, mit dem Staubtuch den antiken Esstisch abzuwischen.

Auch seine Garderobe geriet in ihr Blickfeld: „Müssen Sie sich eigentlich immer so, na, so klassisch anziehen? Das macht doch irgendwie alt.“

Ihm fiel zunächst keine Antwort ein, aber Frau Birkl traute ihren Augen nicht, als er vor dem großen Wandspiegel plötzlich die Schultern straffte und seinen sich anbahnenden Bauch einzog. Und als sei dies etwas Selbstverständliches, trug er plötzlich ein offenes Hemd unter einem farbigen Pullover, als er zum Abendessen Platz nahm.

„Wollen wir nicht ‚du‘ sagen?“, fragte er Elvira, nachdem die Suppe abgetragen war.

„Warum nicht, Herkins, denn das tun Sie, ehm, das tust du doch schon von Anfang an“, sagte sie, hob ihr Weinglas und sah hinein in das fassungslose Gesicht von Frau Birkl.