Karl May


Erzählungen



Das Hamaïl / Leïlet / Die Both Shatters / Abdahn Effendi

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Klassiker als ebook bei RUTHeBooks, 2015


ISBN: 978-3-95923-108-4


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Das Hamaïl



1


Zwischen Bir el asuad und Ain tajib schwebte einer jener Sakrfalken, welche von den Beduinen vorzugsweise gern zur Jagd abgerichtet werden, hoch oben in der Luft.Seinen scharfen Augen wurde es nicht schwer, zwei Reiterzüge zu erkennen, welche in wohl stundenweiter Entfernung voneinander dem gleichen Ziele zuzustreben schienen.

Der im Osten sich südwärts bewegende Zug schien eine Kafila, eine Handelskarawane zu sein. Sie bestand aus vielleicht zwanzig Packkamelen und zehn berittenen Hedschahn. Acht der Reiter waren auf orientalische und zwei auf europäische Weise bewaffnet. Die ersteren trugen außer ihren dünnschaftigen Flinten noch lange Lanzen, deren breite, scharfe Stahlspitzen im Lichte der untergehenden Sonne glänzten. Der Schech el dschemali, welcher als Führer voranritt, war der dunkelste von ihnen und hatte fast negerartige, keineswegs vertrauenerweckende Gesichtszüge. Die letzteren beiden hätte man für Europäer halten können, und wenn sie das nicht waren, so stammten sie gewiß wenigstens aus dem Gharb, einem der nordafrikanischen Gestadeländer.

Der Falke stieß hoch oben in der Luft einen lauten schrillen Schrei aus. Als der Führer denselben vernahm, glitt ein befriedigtes Lächeln über seine bisher unbewegten Züge.

"Chabir, Führer, hast du den Vogel gehört?" rief ihm einer der beiden zu.

"Na'm, Sihdi, ja, Herr," antwortete er.

"Wäre der Falke ein zahmer, so müßten Menschen in der Nähe sein. Ich halte ihn für einen wilden."

"Hehk, so ist's!" antwortete der Führer kurz, indem es wie Schadenfreude um seine aufgeworfenen Lippen zuckte.

"Wann kommen wir zum Ruheplatz?"

"'an kharihb, bald."

"Und werden wir dort sicher sein?"

"S'lon bilamahn, wie in Allahs Schoß"

Der im Westen sich fast parallel bewegende Zug war jedenfalls eine Kafilat et tayyara, eine fliegende Karawane. Sie bestand aus vierzehn wohlbewaffneten dunkelfarbigen Männern, welche alle sehr gute Reitkamele ritten. Eins derselben war ein kostbares graues Bischarihnhedschihn. Derjenige, den es trug, schien der Anführer zu sein. Er hatte die Kapuze seines weißen Haïk zurückgeschlagen. Er war, wie seine Begleiter, ein Tedetu vom Stamme der Kra-an; doch zeigte sein kurzes wolliges Haar, daß Negerblut in seinen Adern floß, ein Umstand, dessen sich unter den Tibbu niemand zu schämen pflegt.

Auch er hörte den Schrei des Falkens.

"Ikh, ikh!" rief er, und auf diesen Befehl hielt sein Hedschihn an. Die anderen sammelten sich um ihn: "Hamdulillah, Allah sei Dank!" meinte er. "El Asward führt sie uns in die Hände. Es ist ihm gelungen, sie zu täuschen. Wenn wir uns nun gerade nach Osten wenden, werden wir ihre Darb (Spur) erreichen und dieselbe lesen können. Ich werde den Sakr rufen."

Er steckte einen Finger in den Mund und stieß einen durchdringenden Pfiff aus. Der Falke hörte ihn trotz der großen Entfernung und schwebte nach wenigen Augenblicken über den Reitern.

"Ta' ahl, komm her!" befahl der Reiter.

Der Vogel ließ sich gehorsam auf den hohen Knopf des Sattels nieder, wurde dort an einer Kette befestigt und erhielt eine lederne Haube aufgesetzt. Dann bogen die Reiter in einem rechten Winkel von ihrer bisherigen Richtung ab und hielten langsam gerade nach Osten zu, der Anführer immer an der Spitze des Zuges.

Als sie ungefähr eine halbe Stunde geritten waren, hielt er an, deutete in die Ferne und sagte nur das eine Wort:

"Hunahk, dort!"

Aus der Richtung, in welche er zeigte, sah man Lanzenspitzen schimmern. Die Vierzehn zogen sich vorsichtig hinter die Sanddünen, zwischen denen sie hielten, zurück und setzten erst nach einer Weile ihren Ritt fort. Bald erreichten sie die Spur der anderen Karawane. Der Anführer ließ sein Tier niederknien und stieg ab, um die Fährte zu untersuchen.

" Dreißig Hawawihn (Tiere)," sagte er. "Es sind die, welche wir verfolgen. Am Bir Fetna wird Allah sie in unsere Hände geben, und dann werden wir die Beute teilen und reicher sein als je zuvor. Laßt uns ihnen jetzt langsam folgen, damit El Aswad uns nicht so lange zu suchen hat!"

Es war klar: die vierzehn Reiter bildeten eine Gum, eine Raubkarawane, und El Aswad, der Führer der Handelskarawane, war ihr heimlicher Verbündeter. Er wollte diejenigen, welche sich ihm anvertraut hatten, in die Hände der Wüstenräuber liefern. Er hatte sich nur zu diesem Zwecke von den nichts ahnenden Reisenden als Chabir engagieren lassen. Daß die Räuber arabisch sprachen und nicht ihren Tedagadialekt, war ein Zeichen, daß sie ihre unheimlichen Züge weit über die Grenzen ihres Stammes hinaus zu unternehmen pflegten.

Während sie den Spuren folgten, erreichte die Sonne den Horizont; aber den Reitern fiel es gar nicht ein, anzuhalten, um das Abendgebet zu sprechen. Es wurde sehr schnell dunkel; dann stieg das Kreuz des Südens auf, und beim Scheine der Sterne wurde der Ritt fortgesetzt, bis die Kamele von selbst ihre Schritte beschleunigten; das deutete darauf hin, daß das Wasser der Oase in der Nähe sei. Der Anführer ließ halten. Seine Leute stiegen ab und lagerten sich im Sande. Da warteten sie mehrere Stunden lang, bis sich ganz in der Nähe das leise Bellen eines Fennek, eines Wüstenfüchschens, hören ließ. Der Anführer beantwortete dasselbe, und bald tauchte der Führer der anderen Karawane aus dem Dunkel auf. Der erstere empfing ihn mit den Worten:

" Seit einer Woche habe ich deine Stimme nicht vernommen, obgleich wir stets in deiner Nähe gewesen sind. Heute sind wir am Bir el amwat (Brunnen der Toten) angelangt, an welchem wir schon viele den Tod haben trinken lassen. Nun werden wir endlich erfahren, wer die Herren deiner Kafila sind."

" Es sind zwei reiche Tuggar (Kaufleute) aus Tarabulos el Gharb (Tripolis), welche Waffen, Seide und andere Kostbarkeiten nach Bornu bringen wollen. Sie sind begleitet von sieben Beni Riah, welche wir nicht zu töten brauchen, weil sie sich nicht verteidigen werden. Von Temissa habe ich sie über Wau gerade in die Wüste geführt und dir nach dem Duar (Lager) Nachricht geben lassen. Jetzt schlafen sie am Bir Fetna (Brunnen der Akazien), und ich werde euch zu ihnen führen."

" Welchen Namen tragen sie?"

" Der eine wird nur Abu el Hamaïl genannt, weil er zwei Kurans am Halse hängen hat, und der andere heißt Halef Ben Dschubar."

Hamaïl ist ein Kuran, welchen man sich in Mekka kauft und dann zum Zeichen, daß man ein Hadschi ist, sichtbar am Halse trägt.

" Zwei Hamaïls? So war er zweimal in der Stadt des Propheten und ist ein sehr frommer Mann. Aber er wird dennoch heute sterben müssen, denn wir brauchen seine Sachen. Allah wird ihm das ewige Leben geben, und ich werde ihm einen Ihram weihen, wenn ich selbst nach Mekka komme. Auch mein Vater war zweimal dort. Er hatte zwei Hamaïls. Eins davon hat er einem Manne geschenkt, welcher ihm das Leben rettete, als die Tuareg-Kel-Tinalkuhm ihn töten wollten. Allah danke es ihm im siebenten Himmel. Jetzt macht euch bereit, ihr Männer! El Aswad wird uns führen."

Die Männer hatten nicht nur einmal einen Überfall ausgeführt. Sie wußten, was sie zu tun hatten. Sie entledigten sich ihrer weißen Haïks, durch deren schimmernde Farbe das Anschleichen erschwert gewesen wäre, und ließen auch die Schußwaffen zurück. Nur die breiten, scharfen, dolchartigen Sekakihn nahmen sie zu sich. Dann folgten sie dem voranschreitenden Verbündeten nach der nahen Oase.

Da, wo der Brunnen aus der Erde quoll, war er von einem Gebüsch ägyptischer Akazien beschattet, daher sein Name Bir Fetna. Die Reisenden hatten sich von ihren Kamelpaketen eine Art Umwallung gebaut, innerhalb deren sie schliefen. Das von trockenem Kamelsmist genährte Feuer war fast am Verlöschen. Alle schliefen nach dem anstrengenden Ritte fest. Sogar die Wache, welche in einer Ecke kauerte, zwei Lanzen in der Hand, war vor Müdigkeit eingeschlafen. Der eben hinter den beweglichen Sanddünen aufgehende Vollmond beleuchtete die Szene mit südlicher Intensivität, vor welcher das Licht der Sterne verschwand. Er sollte den zwei Kaufleuten zum letzten mal leuchten.

Die Mitglieder der Raubkarawane legten sich zur Erde, von welcher ihre halb nackten, dunklen Leiber nicht zu unterscheiden waren, und schlichen sich unhörbar näher. Sie erreichten die Umwallung. Die Köpfe erhebend, blickten sie vorsichtig über dieselbe hinweg. Der Anführer wählte sich diejenige Stelle, an welcher die beiden Kaufleute lagen. Der eine derselben lag schnarchend auf dem Rücken in seinen Haïk gehüllt. Der andere lag auf der linken Seite und hielt selbst im Schlafe sein Gewehr fest in der Hand. Da bog sich der Anführer über die Umwallung und erhob seine Waffe zum tödlichen Stoße. Diesen Stoß erwarteten rundum seine Genossen, um dann unter fürchterlichem Geheul das übrige zu vollbringen.

Aber was war das? Der Tedetu hielt die Hand starr erhoben, stieß aber nicht zu. Sein Blick war auf ein Gepäckstück gerichtet, welches zu Häupten des Kaufmannes lag. Auf diesem wohlverschnürten Pack lagen zwei Bücher, zwei Hamaïls, welche der Schläfer vom Halse genommen hatte, um bequemer liegen zu können. Sie lagen nebeneinander, und dasjenige zur rechten Hand war an der Schnittseite des Buches mit einem starken, metallenen Schlosse versehen, dessen eigenartige Arbeit im hellen Mondenscheine deutlich zu erkennen war.

" Essuwal 'an ehsch, was gibt's denn?" fragte leise einer der beiden, welche hinter dem Zögernden kauerten. "Stoß doch zu!"

" Allah akbar, Gott ist groß!" antwortete er, indem er den Arm sinken ließ. "Das ist das Hamaïl meines Vaters. Allah hat verhüten wollen, daß ich den Retter meines Vaters töte."

" Waih! Willst du die große Beute fahren lassen? Ist er auch der Retter?"

" Ich werde es sogleich erfahren. Wenn er es ist, so Wehe einem jeden von euch, der es wagen sollte, einem dieser Leute ein Haar zu krümmen oder ihnen das kleinste Stäubchen ihres Eigentums zu rauben!"

Dann rief er laut:

" Hadschi Omar Ben Kuwwad Ibn Hanßari!"

Im Nu sprang der Schläfer auf.

"Wer ruft mich?"

"Bist du der, den ich nannte?"

Erst jetzt sah der Kaufmann, daß sein Lager von fremden Gestalten umringt war. Er nahm schnell sein Gewehr empor, antwortete aber:

" Ich bin es, wer seid Ihr?"

" Hast du dieses Hamaïl geschenkt erhalten?"

" Ja, von einem Scheik der Tibbu, Namens Arun es Saleta."

" Das war mein Vater. Ich bin Nowad Ben Arun es Saleta. Der Engel des Todes streckte bereits seine Hand nach dir aus und da ..."

" Allah kerihm, Gott ist gnädig!" rief der Kaufmann erschrocken.

" Ja. Allah ist gnädig. Er hat dich errettet. Wir sind die Gum, und du befindest dich am Brunnen des Todes. Bereits schwebte mein Messer über dir, da erblickte ich das Hamaïl. Jetzt nun bist du bei uns so sicher wie unter den Zelten der Seligen, du, deine Begleiter und dein Eigentum. Und wir werden dich begleiten über die Berge und durch die jenseitige Hammada. Sag' nur das Wort, welches du zu sagen hast!"

Die Angreifer standen draußen vor und die erschrockenen Glieder der Handelskarawane innerhalb der Umwallung. Der Kaufmann erkannte die Gefahr, aus welcher ihn nur dieses Wort erretten konnte. Er sagte es:

" Dakilah ya Scheik, ich bin der Beschütze, o Herr!"

" Dakilah ya Scheik!" riefen auch alle seine Gefährten.

"Ja, ihr seid die Beschützten!" antwortete der Räuber. "Ihr seid unsere Brüder. Das Hamaïl hat euch vom Tode errettet, und nun sagen wir euch den Gruß: Allah wa sahla wa marhaba, ihr sollt uns alle willkommen sein! ..."

 

 

Inhalt




Das Hamaïl


Leïlet


Die Both Shatters

Erster Teil
Zweiter Teil

Abdahn Effendi

 

 

 

Leïlet



Es war um die Zeit, in welcher die ägyptische Sonne ihre Strahlen mit der gesteigerten Glut auf die lechzende Erde sendet und Jeder, den nicht die Not hinaus unter den freien Himmel treibt, sich unter den Schutz seines Daches zurückzieht und nach der möglichsten Ruhe und Kühlung strebt. Auch ich lag auf dem weichen Divan meiner gemieteten Wohnung, schlürfte würzigen Mokka und schwelgte in dem Dufte des köstlichen Djebeli, welcher meiner Pfeife entströmte. Die starken, fast fensterlosen Mauern boten dem Sonnenbrande einigen Einhalt, und die aufgestellten porösen Gefäße, durch deren Wände das Nilwasser verdunstete, machten die Atmosphäre so erträglich, daß ich von der gewöhnlichen Abspannung des Menschen während der Mittagszeit wenig oder gar nichts bemerkte.

Da erhob sich draußen die scheltende Stimme Omar-Arha's, meines Dieners, der zugleich die Stelle eines Ministers aller inneren und äußeren Angelegenheiten bei mir vertrat, und mit einer Liebe und Ergebenheit an mir hing, die von einem Araber einem Christen gegenüber fast beispiellos genannt werden konnte. Er war früher Soldat seiner vizeköniglichen Majestät gewesen und nach langjähriger Dienstzeit in Folge seiner Invalidität ohne Weiteres fortgejagt und fast dem Hungertode in die Arme getrieben worden; damals nahm ich ihn zu mir, heilte ihn von seinen Gebrechen und fand mich in der Folge reichlich dafür belohnt. Er bekam gute Kleidung und trug ausgezeichnete Waffen, zwei Dinge, welche ihn mit unendlichem Stolze erfüllten, und als ich ihm später noch die Vollmacht gab, mit dem königlichen Firman (Reisepass, Empfehlung) in der Hand mich in den meisten geschäftlichen Angelegenheiten zu vertreten, da fühlte er die ganze Größe seiner Würde und wiederholte mir fast täglich die Beteuerung:

"Was war ich, o Herr, als Du mich fandest und Dich mein erbarmtest? Eine tote Ratte, ein Hund, den man von sich stößt! Und was bin ich bei Dir geworden? Ein Sihdi (Herr), vor dem sich der Fellah fürchtet und der Türke zittert. El hamdi lillahi, Gott sei Dank!"

Außer seiner Treue und Zuverlässigkeit besaß er noch eine ganz besonders schätzenswerte Eigenschaft in einem Humore, der nie zu versiechen schien, bei jeder Gelegenheit hervorsprudelte und selbst der ernstesten und schlimmsten Lage noch eine heitere Seite abzugewinnen wußte. "Mukle", Spaßvogel, wurde er deshalb von allen Denjenigen genannt, denen er eine solche Vertraulichkeit gestattete; und da er, wie die meisten Araber, bei jedem Selbstgespräche sich eine Person vorstellte, mit welcher er sprach, so hielt er oft unter seinen eigenen zwei Augen die köstlichsten Reden, über welche das Zwerchfell eines etwaigen Zuhörers in die größte Gefahr geraten wäre.

Jetzt freilich schien seine Stimmung nicht die beste zu sein, denn mit zornigem Tone hörte ich ihn rufen:

"Was? Den Effendi el kebihr, den großen Herrn und Meister willst Du stören, jetzt, in seinem Kef, in seiner Mittagsruhe? Hat der Teufel, Allah beschütze mich vor ihm, Dir den Kopf mit Nilschlamm gefüllt, so daß Du nicht begreifen kannst, was ein Effendi zu bedeuten hat, ein Mann, den der Prophet mit Weisheit speist, und der Alles kann, sogar die Toten wieder lebendig machen, sobald sie ihm sagen, woran sie gestorben sind!"

"Gott erhalte Deine Rede, Sihdi," ertönte die Antwort; "aber ich muß Deinen Effendi, den großen Arzt aus Frankhistan sehen, denn mein Herr, der mächtige und reiche Abrahim-Arha, Allah möge ihm tausend Jahre schenken, hat mich gesandt, ihn zu sich zu rufen."

"Abrahim-Arha? Zu sich rufen? Wer ist denn Abrahim-Arha, und wie hieß sein Vater? Von wem wurde er geboren und wo leben die, denen er seinen Namen verdankt? Niemand kennt ihn, selbst ich, Omar-Arha, der tapfere Freund und Beschützer meines Gebieters, habe noch nie die Spitze seines Tarbusch gesehen. Gehe fort und komme in drei Tagen wieder. Morgen reisen wir ab!"

"So höre, Du Mann mit dem verstockten Ohre, was ich Dir zu sagen habe! Der Effendi soll kommen zu" hier wurde die Stimme des Sprechers unhörbar und erst die letzten Worte seiner Rede konnte ich wieder verstehen: "Reicher Lohn wartet sein, wenn es ihm gelingt, den Tod von dem Hause meines Gebieters fern zu halten!"

"Allah akbar, Gott ist groß! Und ich, Omar-Arha Ben Afradin stehe da, mit der Nilpeitsche in der Hand, und vergesse doch, ihr Deinen Rücken zu zeigen. Bei dem Barte des Propheten, Dein Mund spricht solche Weisheit, als wäre der Verstand Dir bei der Fahrt in's Wasser gefallen. Weißt Du nicht, daß ein Weib gar keine Seele hat und deshalb auch nicht in den Himmel darf? Mein Herr kennt den Koran und verachtet die Frauen. Die schönste Perle des Harems ist ihm wie der Skorpion im Sande, und seine Hand hat noch nie das Gewand eines Weibes berührt, denn er weiß, daß ich es für ihn tue. Komme in drei Tagen wieder. Morgen reisen wir ab!"

"Du mußt wissen, o Unbarmherziger, daß er ihr Gewand nicht berühren und ihre Gestalt nicht sehen wird, denn die Gesetze des Harems sind streng. Er wird durch das Gitter mit ihr sprechen."

"Ich bewundere die Weisheit Deiner Rede und die Klugheit Deiner Worte, o Mann! Merkst Du denn nicht, daß die Gesundheit, welche der Effendi spendet, an dem Gitter hängen bleiben würde? Komme in drei Tagen wieder!"

"Ich darf nicht gehen; denn ich werde hundert Schläge auf die Sohlen bekommen, wenn ich den weisen Effendi nicht bringe!"

"Danke Deinem gütigen Herrn, Du Sklave eines Ägypters, daß er Deine Beine mit Gnade erleuchtet! Ich will Dich nicht um diese Seligkeit betrügen und Dich deshalb allein ziehen lassen. Wir reisen Morgen ab. Salehm aleïkum, der Herr sei mit Dir; er lasse Dir die Streiche wohl bekommen!"

"So laß Dir noch Eins sagen, tapferer Arha. Der Herr unseres Hauses hat mehr Beutel in seiner Schatzkammer, als Du jemals zählen kannst. Du solltest auch mitkommen, hat er mir befohlen, und Du wirst ein Bakschihsch haben, ein Geschenk, wie es selbst Hafihs-Pascha, der Diamantenspendende, niemals gegeben hat."

Jetzt wurde der Mann endlich klug und faßte meinen guten Omar bei dem Punkte, an welchem man den Morgenländer zu packen hat, wenn man ihn günstig stimmen will. Der geldlustige Haushofmeister änderte auch sofort den Ton seiner Stimme und gab die etwas weniger harte Antwort:

"Allah segne Deinen Mund, mein Freund! Aber ein Piaster in meiner Hand ist mir lieber als zehn Beutel in der Deinigen. Ich will mir es überlegen, ob ich den Herrn stören darf."

"Laß den Rat Deines Herzens nicht zögern; hier nimm die Gabe Deines Bruders!"

"Deine Hand ist mager wie der Schakal hinter der Schlinge und dürr wie die Wüste jenseits des Mokkadam. Wie kann das Feld Frucht bringen, wenn nur zwei Tropfen Tau vom Himmel fallen!"

Nach dieser sehr deutlichen Aufforderung vernahm ich zum zweiten Male den klimpernden Ton des Silbers, und nun erst war Omar bereit, "mich zu stören." Ich konnte ihm unmöglich bös sein. Er handelte nur nach der allgemeinen Unsitte, und übrigens sind hier oben in Nubien die deutschen Ärzte nicht so öfters zu finden, als daß ein reicher Türke, wie Abrahim jedenfalls war, mit einem kleinen Bakschihsch hätte knausern dürfen.

Was mich aber bei der Angelegenheit mit Verwunderung erfüllte, war der Umstand, daß ich, wie ja aus den Reden der Beiden zu ersehen war, nicht zu einem männlichen, sondern zu einem weiblichen Patienten verlangt wurde. Obgleich ich schon mehrere Jahre im Oriente verweilt hatte, besaß das Wort Harem doch immer noch den Reiz des Geheimnisvoll-Romantischen für mich, und wenn ich auch den Charakter der morgenländischen Frauen nicht achten konnte, so mußte ich doch ihre oft wirklich unvergleichliche Schönheit bewundern, von der ich schon öfters hinter einem fortgewehten Schleierzipfel eine kleine aber überzeugende Probe bemerkt hatte. Da aber der Muselmann die Bewohnerinnen seiner Frauengemächer sogar in den dringendsten Fällen nicht den Augen eines Fremden, auch nicht des Arztes freigibt, so handelte es sich hier jedenfalls entweder um eine alte Dienerin, oder ich bekam nichts weiter zu sehen, als die Fingerspitzen der Patientin. Deshalb sah ich dem Eintritte Omars mit ziemlicher Gleichgültigkeit entgegen.

"Herr, ein Mann will mit Dir sprechen, welcher draußen steht. Er hat ein Boot im Nil und sagte, ich müsse auch mit kommen!"

Fast hätte ich lachen müssen über die letzte Bemerkung, mit welcher sich der schlaue Bursche ein weiteres Trinkgeld sichern wollte. Doch mochte ich ihn nicht in Verlegenheit bringen und befahl im deshalb kurz, den Boten herein zu schicken.

Dieser verbeugte sich bei seinem Eintritte bis herab zur Erde, zog die Schuhe aus, trat um einige Schritte näher und begann unter wiederholter Verbeugung:

"Salem aleïkum, Allah sei mir Dir, oh Herr, und lasse Deine Ohren offen sein für die Bitte des geringsten Deiner Knechte."

Meine Antwort erwartend, schwieg er. Ich erwiderte seinen Gruß mit einem kurzen Nicken des Kopfes und befahl:

"Sprich!"

"Es ist großes Herzeleid gekommen über das Haupt Abrahim-Arha's, meines Gebieters, denn Leïlet, die Krone seines Herzens, schwindet hin in die Schatten des Todes und kein Arzt, kein Fakhir und auch kein Zauberer vermag die Schritte ihrer Krankheit aufzuhalten. Da hörte mein Herr, den Allah erfreuen mögen, von Dir und Deinem Ruhme, und daß der Tod vor Deiner Stimme flieht. Er sandte mich zu Dir und läßt Dir sagen: Komm und gieb mir meine Blume wieder; mein Dank soll süß und hell sein, wie der Glanz des Goldes!"

"Ich kenne diesen Ort und habe doch Deinen Herrn noch nicht gesehen. Wo wohnt er?"

"Er wohnt am Strome und sendet Dir ein Boot. In einer Stunde hast Du ihn erreicht."

"Ich komme!"

Er zog sich zurück und ich erhob mich, nicht ganz frei von einer erwartungsvollen Spannung, die sich während der kurzen Unterredung meiner bemächtigt hatte. Alt und häßlich war sie nicht, das wußte ich jetzt; ihr Name war Leïlet, d. h. Nacht, und da der Orientale den Namen gern den Eigenschaften anpaßt, so sah ich vor meiner lebhaften Einbildungskraft sofort eine jener mächtig-prächtig-nächtigen Erscheinungen stehen, wie sie sich vorzugsweise gern im Morgenlande entwickeln. Auch die Wohnung war nicht ganz ungeeignet zu einem Tummelplatz für die Erfindungen der Phantasie. Vor einigen Monaten hatte ich sie bei der Reise nach dem Süden im Vorüberfahren liegen sehen und damals gehört, daß sie von einem verbannten Großen des Reiches erbaut worden sei und nun seit dem Tode desselben verlassen liege. Wie kam der jetzige Besitzer dazu, den einsamen Ort zu bewohnen? Hatten auch ihn politische Gründe hergeführt, oder gab es sonstige Geheimnisse, die er zu verbergen suchte?

Ganz ungesucht traten diese Fragen an mich heran, und wenn ihre Beantwortung auch kein Interesse für mich haben konnte, so sah ich doch ebenso wenig Veranlassung, sie gewaltsam von mir abzuwehren, und ging dem Kommenden mit etwas mehr als gewöhnlicher Teilname entgegen.

In kurzer Zeit saßen wir bei den Ruderern im Kahne, ich in tiefe, wunderbare Gedanken versunken, Omar ernst und stolz, wie ein Pascha von drei Roßschweifen, im Gürtel die silberbeschlagenen Pistolen und den scharfen, glänzenden Dolch, in der Hand aber die unvermeidliche Nilpeitsche, das beste Mittel, sich unter der dortigen Bevölkerung Achtung und Berücksichtigung zu verschaffen. Zwar war die Hitze nicht angenehm, aber die stromabwärts gehende Bewegung unseres Fahrzeuges brachte uns mit einem kühlenden Luftzuge in Berührung, und bei der kurzen Dauer unserer Fahrt war dieselbe mehr eine Spaziertour, als eine Anstrengung zu nennen.

Es ging eine Strecke weit an Durrha-, Tabak-, Sesam- und Sennesfeldern vorüber, aus deren Hintergrunde schlanke Palmen emporragten; dann folgten unbebaute Flächen, über welche sich ein niederes Gestrüpp von Mimosen und Sykomoren hinstreckte, endlich nacktes Gestein, und mitten aus den wohl schon seit Jahrtausenden hier umhergestreuten Felsblöcken erhob sich die hohe quadratische Mauer, durch welche wir uns den Eingang suchen mußten.

Als wir anlegten, bemerkte ich, daß ein Kanal aus dem Flusse unter der Mauer hinführte, jedenfalls um die Bewohner mit dem nötigen Wasser zu versehen, ohne daß dieselben sich außerhalb ihrer Wohnung zu bemühen brauchten. Unser Führer schritt uns voran, führte uns um zwei Ecken zu der dem Wasser abgekehrten Seite und gab an dem dort befindlichen Tore ein Zeichen, auf welches uns bald geöffnet wurde.

Das Gesicht eines Schwarzen grinste uns entgegen; doch beachteten wir seine bis zur Erde herabgehende Reverenz gar nicht und schritten vorwärts. Architektonische Schönheiten durfte ich von einem orientalischen Privatgebäude nicht erwarten, und so fühlte ich mich auch gar nicht überrascht über die kahle, nackte und fensterlose Fronte, welche das Haus mir zukehrte, aber das Klima des Landes hatte doch einen etwas zu auffälligen Einfluß auf das alte Gemäuer geäußert, als daß ich es zur Wohnung eines jungen, schönen und dabei noch kranken Weibes hätte empfehlen mögen.

Die Zierpflanzen, welche den schmalen Raum zwischen Mauer und Wohnhaus früher geschmückt und den Bewohnerinnen eine Erholung geboten hatten, waren längst verwelkt und verdorrt; wohin das Auge nur blickte, fand es nichts als leere, kahle Öde, und nur Schaaren von Schwalben, welche in den zahlreichen Rissen und Sprüngen des borstenden Gebäudes nisteten, brachten einigermaßen Leben und Bewegung in die traurige, tote Szene.

Durch einen dunklen, niederen Torgang führte uns der voranschreitende Bote in einen kleinen Hof, dessen Mitte ein Bassin einnahm. Also bis hierher führte der Kanal, welchen ich vorhin bemerkt hatte, und der Erbauer des einsamen Hauses war klugerweise vor allen Dingen darauf bedacht gewesen, sich und die Seinigen reichlich mit dem zu versorgen, was in dem heißen Klima jener Länderstriche das Notwendigste und Unentbehrlichste ist. Zugleich bemerkte ich nun auch, daß der ganze Bau darauf gerichtet war, die jährlich wiederkehrenden Überschwemmungen schadlos aushalten zu können.

In diesen Hof herab gingen mehrere hölzerne Gitterwerke, hinter denen jedenfalls die zum Aufenthalte dienenden Räume lagen. Ich konnte ihnen jetzt keine große, zeitraubende Beachtung schenken, sondern gab Omar einen Wink, mit der Reiseapotheke, welche er umhängen hatte, hier des Weiteren zu harren und folgte dem Wegweiser in den Divan des Hausherrn.

Es war ein geräumiges, halbdunkles und hohes Zimmer, durch dessen vergitterte Fensteröffnungen ein wohltuendes Licht fiel. In Folge der aufgeklebten Tapeten, Arabesken und Ornamente hatte es einen wohnlichen Anstrich erhalten, und die in einer Nische stehenden Wasserkühlgefäße erzeugten eine recht angenehme Temperatur. Ein Geländer trennte den Raum in zwei Hälften, deren vordere für die Dienerschaft, die hintere aber für den Herrn und die ihn besuchenden Gäste bestimmt war. Den erhöhten Hintergrund zierte ein breiter Divan, welcher von einer Ecke bis in die andere reichte und auf welchem Abrahim-Arha, der "Besitzer von vielen Beuteln," mit untergeschlagenen Beinen saß.

Er erhob sich bei meinem Eintreten, blieb aber der Sitte gemäß vor seinem Sitze stehen. Da ich nicht die gewöhnliche Fußbekleidung trug, so konnte ich mich ihrer auch nicht entledigen, sondern schritt unbekümmert um meine Lederstiefel über die kostbaren Teppiche und ließ mich an seiner Seite nieder. Die Diener brachten den unvermeidlichen Kaffee und die noch notwendigeren Pfeifen, und nun konnte das Weitere folgen.

Mein erster Blick war natürlich nach seiner Pfeife gewesen; denn jeder Kenner des Orientes weiß, daß man an derselben sehr deutlich die Verhältnisse ihres Besitzers zu erkennen vermag. Das lange, wohlriechende und mit starkvergoldetem Silberdraht umsponnene Rohr hatte gewiß seine tausend Piaster gekostet. Teuer aber noch war das Bernsteinmundstück, welches aus zwei Teilen bestand, zwischen denen ein mit Edelstein besetzter Ring hervorschimmerte. Der Mann schien wirklich "viele Beutel" zu besitzen, nur war dies kein Grund, mich befangen zu machen, da mancher Inhaber einer Pfeife im Werte von zehntausend Piaster seinen Reichtum doch nur den geknechteten Untertanen entwendet oder geraubt hat. Lieber also einen Blick in das Gesicht!

Wo habe ich doch nur diese Züge schon einmal gesehen, diese schönen, feinen und in ihrer Mißharmonie doch so diabolischen Züge? Forschend, scharf, stechend, nein, förmlich bohrend senkt sich der Blick des kleinen, unbewimperten Auges in den meinen und kehrt dann kalt und wie beruhigt wieder zurück. Glühende und entnervende Leidenschaften haben dem Gesichte ihre immer tiefer eindringenden Spuren aufgraviert; die Liebe, der Hass, die Rache, der Ehrgeiz sind einander behilflich gewesen, eine großangelegte Natur in den Schmutz des Lasters zu reißen und dem Äußeren jenes undefinierbare Etwas aufzudrücken, welches der Reinheit ein sicheres Wahrnungszeichen ist. Wo bin ich diesem Manne begegnet? Ich muß mich besinnen, aber das fühle ich, unter freundlichen Umständen ist es nicht gewesen.

"Salem aleïkum!" tönte es langsam zwischen dem vollen, prächtigen, aber schwarzgefärbten Barte hervor. "Möge Allah Balsam wachsen lassen auf den Spuren Deiner Füße und Honig träufeln von den Spitzen Deiner Finger, damit mein Herz nicht mehr höre die Stimme seines Kummers!"

"Gott gebe Dir Frieden und lasse mich finden das Gift, welches an dem Leben Deines Glückes nagt," erwiderte ich seinen Gruß, da nicht einmal der Arzt nach dem Weibe eines Muselmannes fragen kann, ohne den größsten Verstoß gegen die Höflichkeit und Sitte zu begehen.

"Du bist ein weiser Arzt und Deine Hand ist mit Erfolg begabt, als hätte sie der Prophet gesegnet. Du wirst die Krankheit finden und besiegen."

"Der Herr ist allmächtig; er kann retten und verderben; nur ihm gebührt die Ehre. Doch wenn ich helfen soll, so sprich!"

Diese direkte Aufforderung, ein, und wenn auch unbedeutendes Geheimnis seines Harems preiszugeben, schien ihn unangenehm zu berühren, trotzdem er darauf vorbereitet sein mußte; doch versuchte er sofort diese Schwäche zu verbergen und befolgte meine Aufforderung.

"Du bist aus dem Lande der Ungläubigen, wo es keine Schande ist, von Der zu sprechen, welche die Tochter einer Mutter ist?"

Ich nickte zustimmend, innerlich sehr amüsiert über die Art und Weise, mit welcher er es umgehen wollte, von seinem Weibe zu sprechen.

"Auch der Gläubige darf ohne Ärgernis von den Frauen in Frankhistan sprechen. Erlaube, daß ich es tue!"

Ein zweites Neigen des Kopfes war meine Antwort.

"Wenn das Weib eines Franken keine Speise zu sich nimmt ..."

Er sah mich bei diesen Worten an, als ob er eine Bemerkung von mir erwarte. Ich winkte ihm nur, fortzufahren.

"Den Glanz ihrer Augen und die Fülle ihrer Wangen verliert, müde ist und doch den Gruß des Schlafes nicht mehr kennt, nur lehnend steht und langsam geht, vor Kälte schauert und vor Hitze brennt, nichts wünscht, nichts haßt und unter dem Schlage ihres Herzens zittert, nicht lacht, nicht weint, nicht spricht, kein lautes Wort der Klage hören läßt und ihre Seufzer selbst nicht mehr vernimmt ... "

Wieder blickte er mich an und in seinen Augen war deutlich eine Angst zu erkennen, welche sich von jedem der aufgezählten Krankheitsmerkmale zu nähren und zu vergrößern schien. Er mußte die Kranke mit der letzten, trüben Glut seines fast gänzlich ausgebrannten Herzens lieb haben und hatte mir, ohne es zu wollen und zu wissen, sein ganzes Verhältnis zu ihr offenbart. Ich mußte ihm die Strafe sofort zu kosten geben und antwortete schnell einfallend:

"So wird sie sterben!"

Kaum hatte ich die Worte ausgesprochen, so stand er hoch aufgerichtet vor mir. Der rote Fez war ihm vom kahlgeschorenen Kopf geglitten, die Pfeife seiner Hand entfallen; in dem Gesichte zuckte es von den widerstreitendsten Gefühlen, und das Auge ruhte mit einem Ausdrucke des Entsetzens auf mir, der sich nach und nach in einen zornigen und zuletzt in einen drohenden verwandelte.

"Giaur!" donnerte er ich an. "Wagst Du, mir das zu sagen, Hund? Die Peitsche soll Dir lehren, wer ich bin und daß Du tust, nur was ich Dir befehle. Stirbt sie, so stirb Du auch; doch machst Du sie gesund, so darfst Du gehen und kannst verlangen, was Dein Herz begehrt!"

Langsam und in tiefster Seelenruhe erhob auch ich mich, stellte mich in meiner ganzen Länge gerade vor ihn hin und sprach, auf den am Boden liegenden Fez deutend:

"Abrahim-Arha, was sagt der Prophet dazu, daß Du die Scham Deines Scheidels vor einem Ungläubigen entblößest?"

Im nächsten Augenblicke hatte er sein Haupt bedeckt und, vor Grimm dunkelrot im Gesicht, den Dolch aus der Schärpe gerissen. Doch ruhig, wie zuvor fuhr ich fort:

"Ich habe den Bären gejagt und bin dem Nilpferd nachgeschwommen, der Elephant hat meinen Schuß gehört und meine Kugel hat den Löwen, den "Heerdenwürgenden" getroffen. Danke Allah, daß Du noch lebst und bitte Gott, daß er Dein Herz bezwinge. Du kannst es nicht, Du bist zu schwach dazu und wirst doch sterben, wenn es nicht sofort geschieht!"