Buchcover

Anne-Marie Donslund und Inez Gavilanes

Das Magische Buch 2
„Liebesmagie“

 

 

Saga

Verlassen

Vor meinem inneren Auge sehe ich Julies glänzendes Haar und Helenas hübsches Lächeln. Ich kenne sie so gut. Ich weiß, wie sie riechen - und am Klang ihrer Stimmen weiß ich, wie sie sich fühlen. Ich weiß, worin sie gut sind und worin ihre heimlichen Schwächen liegen. Sie müssen nicht bei mir sein, damit ich sie vor mir sehen kann. Aber das sind sie auch nicht. Überhaupt nicht.

Ich sitze in meinem Schrank, kneife die Augen fest zusammen und versuche, mich zu konzentrieren. Seit einer Woche tun sie so, als würde ich nicht existieren. Dabei sind sie meine besten Freundinnen. Meine einzigen Freundinnen. Mein Magen ist eingeschrumpelt wie eine olle Rosine. Ich bin blass im Gesicht und habe schwarze Ränder unter den Augen. Ich kann nicht essen. Ich kann nicht schlafen. Ich kann mit niemandem reden.

Deshalb sitze ich alleine in meinem Schrank, mit dem Magischen Buch auf dem Schoß. Das Buch, das eigentlich gar nicht meins ist. Ich habe es einfach aus dem Kult-Laden mitgenommen.

Mir ist schon klar, dass es falsch war. Aber ich wusste einfach nicht, was ich sonst hätte tun sollen. Das Buch ist voll mit magischen Formeln und meine letzte Chance, denn Helena und Julie antworten nicht, wenn ich ihnen schreibe und sie gehen nicht ran, wenn ich sie anrufe.

Im Magischen Buch steht, wie man Freundschaften reparieren kann. Eine Sache, die hilft, ist Gedankenübertragung. Dabei kann man eine Nachricht direkt in den Kopf der anderen transportieren. Und das muss mir helfen! Im Buch heißt es:

Schließe die Augen fest. Konzentriere dich auf die Person, die du erreichen willst. Spüre, wie die Kraft deiner Gedanken zu Energie wird, die in Wellen den Raum durchdringt…

Ich kneife die Augen fest zusammen und murmle.

„Helena und Julie! Ihr seid meine besten Freundinnen. Kommt zurück zu mir! Ohne euch ist das Leben grau und leer. Ihr seid alles für mich. Versteht ihr nicht, wir drei gehören zusammen, wir können nicht ohne einander leben! Ich kann jedenfalls nicht ohne euch!“

Mamas hysterisch euphorische Stimme dringt in meine Ohren und macht alles kaputt. Sie redet unten in der Küche, über all die ach so tollen, gratis Sommerferienerlebnisse, die wir dieses Jahr mitmachen und sie versucht, sie dabei so aufregend klingen zu lassen, wie überhaupt möglich. Aber eigentlich ist es nur, weil wir überhaupt nichts unternehmen. N-I-C-H-T-S. Also hat sie sich an diesen gratis Angeboten festgebissen und einen Haufen an Broschüren von der Gemeindeverwaltung mit nach Hause geschleppt. Es ist zum Heulen.

Ich mache die Augen auf und wische mir die Tränen von den Wangen. Ein langer, senkrechter Sonnenstrahl lacht mich aus. Über mir hängt Helenas Kleid; es riecht nach teurem Parfüm. Wer weiß, vielleicht hat sie mein H&M Kleid schon in Fetzen gerissen, so wie sie auch - ohne zu zögern - meine Kasperpuppe aufgeschnitten hat. Morgen fliegt sie in die USA und Julie reist nach Portugal. Ich werde also niemanden haben, mit dem ich zu diesem schwedischen Mittsommerfest im Park gehen kann, niemanden, mit dem ich die Ferien verbringen kann.

Aber das hätte ich ja sowieso nicht.

Ich habe es schon seit einigen Tagen mit Gedankenübertragung probiert und sogar mehrmals das Freundschafts-Reparatur-Ritual gemacht. Aber, es scheint irgendwie nicht zu reichen, denn sie gehen immer noch nicht ans Telefon. Oder antworten wenigstens auf meine SMS.

Vielleicht haben sie sich darauf geeinigt, dass ich das Letzte bin und sie nie wieder mit mir sprechen werden. Vielleicht haben sie auch einen Zauber gegen mich gemacht und deshalb wirkt meine Magie nicht bei ihnen. Aber nein, so ist es bestimmt nicht, denn sie reden ja auch nicht miteinander. Es wurde eine Bombe mitten in unsere Freundschaft geschmissen und jetzt hassen sich alle.

Es klappert an der anderen Seite der Schranktür.

„Hey Cille, was ist das denn?“ Malthe hat die Tür aufgemacht und nach dem Magischen Buch gegriffen. Mein kleiner Bruder ist unglaublich neugierig.

„Nur was langweiliges aus der Schule. Biologie!“ Ich klappe das Buch zusammen, stecke es unter ein paar Kleiderbügel und krabbele aus dem Schrank. „Was willst du denn?“

„Es gibt Vogelspinnen im Wald!“, ruft er und hüpft aufgeregt auf und ab.

„Ihh, wie eklig.“ Mein Fuß ist eingeschlafen, also stampfe ich etwas auf dem Boden. Malthe stampft auch.

„Ja, und die essen Menschen.“ Er macht seine Finger zu krallen und faucht zwischen seinen Zähnchen hindurch. Ach, dieser Hosenscheißer. Jetzt musste ich doch lachen. Und er muss jetzt einfach durchgekitzelt werden. Ein riesiger Kitzelangriff, bis er laut quietscht und Papa uns zum Kuchenessen ruft. Das ganze Haus riecht nach Schokolade.

Sonnenaufgangstour

„Ich habe die Sonnenaufgangstour bestellt.“ Mama wedelt mit einer Broschüre und nimmt einen Schluck Kaffee. „Für Mittwoch um halb drei – nachts!“

Papa sieht nicht wirklich begeistert aus, Malthe dafür umso mehr. Er hat sich schon vor Freude den halben Kuchen in die Haare geschmiert.

„Yippie, dann sehen wir Vogelspinnen“, ruft er.

„Auf jeden Fall Vögel. Das ist ja so aufregend. Ich war noch nie nachts im Wald“, zwitschert Mama.

Papa und ich verstehen die Welt nicht mehr. Mama ist also wirklich nicht der Typ für Gummistiefel und Outdoor-Adventures. Sie ist mehr der Highheels, Lippenstift und Tussityp.

„Ich will lieber in den Urlaub. Fliegen!“, murmle ich und sehe zu Papa. Er guckt weg und stopft sich ein großes Stück Kuchen in den Mund. Warum sagt er nichts?

„Wie kannst du nur so etwas sagen? Wir müssen lernen, Verantwortung für die Welt zu tragen. Überleg mal, wie viel CO2 so ein Flugzeug in die Atmosphäre pustet!“ Mama versucht, nett zu klingen, aber ihre Stimme ist gestochen scharf.

Es ist einfach nichts daran zu rütteln. Wenn sich Mama und ihre Frauenrunde eine fixe Idee in den Kopf gesetzt haben, sind sie nicht mehr zu bremsen.

Früher hat der „Ladies Circle“, wie sich der Frauenverein nennt, nur den Flohmarkt auf dem Platz vor dem Rathaus organisiert, aber der wird jetzt umgebaut.

Und nun ist das Klima ihr großes neues Thema und das müssen anscheinend alle Familien der „Ladies Circle“ – Frauen ausbaden. Hier im Haus bedeutet das, dass wir Wasser sparen, unseren Müll sortieren und alles Mögliche wiederverwenden. Naja, und natürlich das Auto. Das soll so wenig wie möglich benutzt werden - und mit dem Flugzeug zu verreisen, ist natürlich ganz ausgeschlossen.

Aber das haben wir eh erst ein Mal gemacht. Wir sind sicher keine von den Familien, die am meisten zum CO2-Verbrauch beigesteuert haben. Und das werden wir jetzt auch niemals werden.

Papa findet sich mit allem ab, was Mama sich so einfallen lässt, obwohl er viel lieber ins Warme fliegen, Steaks grillen, Autorennen fahren und alles andere machen würde, was „CO2-Verbot“ hat. Dabei stört mich am meisten, dass er versprochen hatte, wir würden dieses Jahr in den Süden fliegen. Aber das hat er anscheinend vergessen.

Und es ist wirklich nicht so, als hätte ich Lust auf Mamas Sonnenaufgangstour. Erstmal interessiere ich mich gar nicht für Natur und dann bin ich mir sicher, dass sie super peinlich sein wird und Papa und ich so tun müssten, als würden wir sie nicht kennen.

Magie gegen Wut

Zurück in meinem Zimmer krame ich wieder das Buch hervor. Es beinhaltet viel über Liebe und Freundschaft. Wie bekommst du deine Freunde zurück, wenn du sie verloren hast? Solche Sachen halt.

Wir waren schon immer zusammen, also fast. Das Dreigestirn, sagt Hinkeheiner. Das ist unser Lehrer. Er ist ein komischer Kauz. Und in der letzten Woche hat von der Dreierbande jeder in seiner eigenen Ecke gesessen. Und als es zu den Sommerferien geklingelt hat, hat sich keiner eines Blickes gewürdigt.

Oder doch, schon. Ich habe sie angesehen und Gedanken gesandt.

Aber sie haben nicht zurück geguckt. Kein Blickkontakt, auch nicht zwischen den anderen beiden; dass tröstet wenigstens etwas.

Eigentlich müsste Julie den ersten Schritt machen, denn sie war ohne Zweifel die Schlimmste. Sie hat mich beschuldigt, hinter Helenas Rücken eine Kasperpuppe, also eine Liebespuppe mit einem Stück von Kaspers T-Shirt drin, gemacht zu haben, obwohl sie selbst kein bisschen besser war und es auch gemacht hat. Und an Helenas Party hat sie Kasper 10 Euro dafür gegeben, dass er mich fragt, mit ihm zu tanzen. Sicher war es Helenas Geld und Helenas Idee, aber Julie hat ihn gefragt und bezahlt.

Es macht mich so unglaublich wütend, wenn ich daran denke. So wütend und sauer, dass die ganze Gedankenübertragungssache darin untergeht, wenn ich es versuche. Deshalb funktioniert es bestimmt auch nicht. Zur Gedankenübertragung braucht man die strahlende Energie der Liebe, heißt es im Buch. Aber das geht halt nicht, wenn man wütend ist. Jedenfalls nicht bei mir. Vielleicht könnte man es mit irgendeiner Magie gegen Wut versuchen… Dazu steht auch was im Buch.

Wut bei Liebeskonflikten:

Male einen Kreis auf den Boden. Schreibe den Namen oder die Namen der Person(en) rein, auf die du wütend bist. Schreie und Fluche und klopfe mit einem Schuh 108 Mal in den Kreis. Werfe dann den Schuh über die linke Schulter und sieh dich nicht um.

Wie eigenartig! Ich suche ein Stückchen Kreide aus meiner Federtasche. Es ist eins von denen, die Kasper mal nach mir geworfen und die ich aufgehoben habe. Das ist jetzt aber auch ganz egal. Ich hasse ihn irgendwie, nach allem, was passiert ist.

Wo soll ich denn bloß einen Kreis malen? Sicher nicht draußen auf dem Bürgersteig, wo es alle sehen können!

Ich gehe ins Badezimmer und mache die Dusche an, damit man mein Schreien nicht hören kann. Dann male ich einen Kreis auf die Fliesen und schreibe Helena und Julie rein. Ich ziehe meinen einen Schuh aus und haue ihn auf den Boden, während ich laut schreie:

„Ahhhhh!“

Es fühlt sich völlig bescheuert an. Trotzdem werfe ich den Schuh über die Schulter und drehe ihm den Rücken zu.

Es poltert gegen die Tür. „CILLLLLEEEEE!“ Es ist Malthe. „Wir wollen um den Krokodilsee radeln.“

Ok, viel Spaß“, rufe ich zurück. Der Türgriff bewegt sich wild hoch und runter. Gut, dass ich abgeschlossen habe und der kleine Terrorist nicht rein kommt. Es ist beinahe unmöglich, irgendetwas zu machen, ohne dass er angetanzt kommt.

„Was machst du denn?“ Malthe hämmert wieder gegen die Tür.

„Ich spiele Pirat.“

„Kann ich mitmachen?“

„Nein!“

„Sag mal, hast du das Wasser laufen, ohne unter der Dusche zu sein?“ Es ist die Klimapolizei. Mamas Stimme klingt böse, während sie schnelle, kleine Klopfer gegen die Tür schlägt. „Ist dir klar, wie viel Geld du da verpulverst? Und wie viel Wasser einfach verschwendet wird? Das sind mal eben 20 Liter pro Minute!“

„Ja, ja, ich mache schon aus!“

Ich bin langsam wirklich dabei, zu viel von ihr zu kriegen; eine Überdosis. Wenn ich mich nie wieder mit Helena und Julie vertrage und für immer und ewig hier im Haus sitze, drehe ich noch durch.

Oh man, wie ich meine Freundinnen vermisse. Ich muss sie einfach erreichen. Ich bin überhaupt nicht mehr sauer, kein Stück. Ich betrachte mich im Spiegel. Die Falte auf meiner Stirn hat sich geglättet und ich kann im ganzen Körper spüren, wie meine Wut verflogen ist. Wie krass. Die Magie funktioniert!

Das Buch liegt auf meinem Bett und ich bin endlich alleine zu Hause. Es gibt ein Kapitel über Kontakte. Ich muss rausfinden, wie ich Julie dazu bringe, sich zu melden.

Kontakt mit Geistern. Kontakt mit Verstorbenen. Kontakt zu dir selber. Kontakt mit Menschen.

Kontaktmagie:

Zeichne mit blauer Tinte einen Engel auf ein Stück Papier. Nimm das Papier in die Hand und sage: „Geehrtes Element Luft, ich möchte, dass (Name der Person) mit mir Kontakt aufnimmt. Hilf mir, diese Nachricht zu übermitteln.“

Schließe dann die Augen und stelle dir vor, wie die Person dir schreibt.

Ich male einen Engel mit großen Flügeln. Fuck, sieht der hässlich aus. Ich kann überhaupt nicht malen. Aber das macht bestimmt nichts. Ich schließe meine Augen und sage:

„Geehrtes Element Luft, ich möchte, dass Julie mit mir Kontakt aufnimmt. Hilf mir, diese Nachricht zu übermitteln.“

Ich habe die Augen noch nicht einmal wieder auf, bevor eine SMS von Julie mein Handy piepsen lässt. Sie ist an Helena und an mich. Julie sagt, sie will, dass wir alle zu ihr nach Hause kommen. Sie vermisst uns und sie liebt uns und kann nicht ohne uns leben. Sie sagt, sie ist sich sicher, sie wird in Portugal eingehen, wenn wir uns nicht vertragen, bevor sie abreist.

Mein Herz schlägt aufgeregt. Ich lege meine Hände auf das Magische Buch und sehe auf den Engel. Es ist unfassbar. Vollkommen unwirklich, dass ich so ein Buch habe. Aber auch grausam, dass ich es gestohlen habe. Irgendwann muss ich es zurückbringen. Aber nicht genau jetzt, nicht heute.

Wiedersehen

Ich fahre auf den letzten 100 Metern vor Julies Haus langsamer. Wie es wohl wird, die beiden wieder zu sehen? Ich weiß nicht genau, ob ich ihnen freudig an den Hals springen oder mich eher etwas zieren sollte.

Helenas Fahrrad ist noch nicht da. Sie stellt es sonst immer in die Einfahrt.

Also bin ich die erste. Die Tür geht auf und Julie steht in einem neuen Outfit da. Ein tolles, weißes Strandkleid mit Bikini drunter.

„Ohh, Cille! Komm schnell her“, sagt sie mit Hundeaugen und ausgebreiteten Armen. Sie ist bereit für eine Mega-Umarmung.

Ich drücke sie fest an mich, sauge den Duft ihrer Haare ein und schließe meine Augen. Ich bin kurz davor, zu heulen, aber ich kann mich gerade noch so zurückhalten. Ich habe keine Lust, hier rumzuschluchzen.

Aber ich gebe Julie ein Küsschen auf die Wange und sie drückt mir auch eins auf, bevor sie mich mit in ihr Zimmer zieht. Fuck. Es ist so unglaublich gut, dass alles wieder in Ordnung ist!

Julie hat den Tisch mit Tee und solchen super leckeren Keksen gedeckt, die ihre Mutter backt. Sie hat auch Kerzen angemacht und es riecht nach… Ja, nach was eigentlich?

„Riechst du es?“, fragt Julie mit großen Augen. Sie ist so hübsch. „Das ist Lavendel. Hab´ ich aus dem Kult.“

„Habe ich mir schon gedacht… Es riecht so gut“, sage ich und frage mich, ob es wohl normal ist, fast ganz verliebt in seine Freundin zu sein. Also, es ist ja nicht so, wie bei Kasper. Es ist bestimmt nur, weil ich so fertig war wegen dem Streit.

„Ich habe das Lavendelöl gekauft und das hier…“ Julie schwingt ein kleines Pendel. Es hängt an einer Silberkette und hat eine Perle am Ende. „Es ist aus Bergkristall“, sagt sie fröhlich und reicht es mir.

Es gibt auch ein Kapitel über Pendel im Buch, aber so weit habe ich noch nicht gelesen. Ich weiß nur, dass man dem Pendel Fragen stellen kann und es dann antwortet, indem es auf die eine oder andere Art schwingt.

Aber das mit dem Buch sage ich noch nicht. Wir müssen uns erst wieder richtig vertragen, 100 Prozent und für eine ganze Weile. Vielleicht hält sie mich auch für einen Dieb. Und das bin ich ja auch, irgendwie. Doch ich werde das Buch ja zurückbringen. Oder sparen und es bezahlen, das habe ich mir geschworen. Aber ob Julie das versteht?

„Was ist mit Helena?“, frage ich.

Julie zuckt mit den Schultern. „Ich habe nichts von ihr gehört.“

„Auch keine SMS?“

„Nope.“

Wir setzen uns an den Tisch und Julie schenkt Tee ein. Sie macht auch einen Löffel Zucker in jede Tasse. Wir haben ihn von zwei Löffeln reduziert. Helena nimmt natürlich gar keinen Zucker mehr.

„Glaubst du, sie ist schon weg?“ Ich verbrenne mir die Zunge am Tee. Typisch.

„Nee, erst Morgen.“

„Vielleicht wurde es verschoben“, schlage ich vor. Ich halte den Gedanken, dass Helena sich nicht vertragen will, einfach nicht aus.

„Oder, sie hat einfach keine Lust.“ Julies Unterlippe zittert etwas.

„Julie, du bekommst Besuch!“, ruft Julies Mutter aus der Küche. Sie sieht alles durch das große Küchenfenster.

Julie und ich stürzen in den Flur. Julie reißt die Tür auf, bevor Helena überhaupt vom Fahrrad gestiegen ist.

Sie lächelt uns verhalten zu.

„Helena!“, ruft Julie und nimmt sie fest in den Arm. Helena drückt sie nicht richtig zurück und hat beide Hände am Fahrradschloss.

„Mhh, es ist so schön, dich zu sehen!“, sagt Julie mit geschlossenen Augen und ohne sie loszulassen.

Ein eigenartig leeres Gefühl schleicht sich bei mir ein. So eine Begrüßung hatte ich nicht bekommen. Julie hat Helena mehr vermisst, als mich….

„Los, komm, komm, komm!“, sagt Julie und hält Helena bis zu ihrem Zimmer an der Hand. Helena setzt sich an ihren üblichen Platz. Endlich sind wir alle drei wieder zusammen. Es ist fast wie immer. Aber nur fast.