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Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

1.

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11.

12.

Glossar

Impressum

PERRY RHODAN – die Serie

 

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Nr. 2553

 

Die Stadt in der Mitte der Welt

 

Ein Frequenzfolger wird erschaffen – und ein Erfinder schüttelt seine Fesseln ab

 

Frank Borsch

 

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In der Milchstraße schreibt man das Jahr 1463 Neuer Galaktischer Zeitrechnung – das entspricht dem Jahr 5050 christlicher Zeitrechnung. Seit über hundert Jahren herrscht Frieden: Die Sternenreiche arbeiten daran, eine gemeinsame Zukunft zu schaffen.

Als aber die Terraner auf die sogenannten Polyport-Höfe stoßen, Zeugnisse einer längst vergangenen Zeit, tritt die Frequenz-Monarchie auf den Plan: Sie beansprucht die Macht über jeden Polyport-Hof.

Mit Raumschiffen aus Formenergie oder über die Transportkamine der Polyport-Höfe rücken die Vatrox vor, und anfangs scheinen sie kaum aufzuhalten zu sein. Dann aber entdeckt man ihre Achillesferse in ihrer stärksten Waffe: Die Vatrox verfügen mittels ihrer Hibernationswelten über die Möglichkeit der »Wiedergeburt«. Als die Terraner ihnen diese Welten nehmen und die freien Bewusstseine dieses Volkes einfangen, beenden sie die Herrschaft der Frequenz-Monarchie.

Allerdings sind damit nicht alle Gefahren beseitigt: Noch immer gibt es Vatrox, darunter den gefährlichen Frequenzfolger Sinnafoch, und mindestens zwei rivalisierende Geisteswesen, die mit dieser fremden Zivilisation zusammenhängen.

Sinnafoch hat es mit zwei Begleitern in einen unbekannten Raum und zu einer seltsamen Kultur verschlagen – es ist DIE STADT IN DER MITTE DER WELT …

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Sinnafoch – In einem fremden Land erinnert sich der Vatrox an die Zeit der ersten Wiedergeburt.

Deliachlan – In einer lang vergangenen Zeit kämpft der Soldat für die Frequenz-Monarchie.

Kruuper – Sein Glaube an das Schicksal treibt den Okrivar zu seltsamen Gedankengängen.

Philip – Auf seltsame Weise bekommt der Okrill immer mehr Sprachfähigkeit und Bewusstsein.

F'har – Als Erfinder und Erkunder ist der D'Tar ein besonderer Angehöriger seines Volkes.

1.

 

Es war später Nachmittag, als sie an das Tor kamen, das ihnen den Zugang zur Mitte der Welt versperrte.

F'har brachte die »Geschwungene Linie« mit einem entschlossenen Tritt in die Bremsen zum Halten. Die Zugmaschine gehorchte brav, wenngleich etwas zögerlicher als gewöhnlich. Der Anhänger, den der Erfinder und Kruuper der Zugmaschine verpasst hatten, war mit einer schweren Last beladen.

F'har musterte die ehrwürdigen alten Mauern, die im Licht der Nachmittagssonne in warmem Ocker leuchteten, holte tief Luft und brüllte dann herrisch: »L'hete, klopf an!«

»Jawohl, Meister!«

Der Assistent kletterte aus dem Heizerstand, rannte an das Tor und hämmerte mit der Faust gegen das Holz.

Nichts rührte sich.

L'hete ließ sich nicht beirren. Er wiederholte den Vorgang mit dem eisernen Schürhaken, den er aus dem Heizerstand mitgebracht hatte. Das Eisen schlug rußige Dellen in das Holz.

F'har war sicher, dass dieser unerhörte Vorgang Eingang in die Annalen finden würde, und er konnte sich bei dem Gedanken einer gewissen diebischen Freude nicht erwehren. Sie standen im Begriff, Geschichte zu schreiben. So oder so.

»Aufmachen!«, rief L'hete. »Macht sofort auf! Öffnet die Tore für Meister F'har, den größten Erfinder, den das Land D'Tarka je gesehen hat!«

In Augenhöhe öffnete sich eine Klappe im Tor. Das Gesicht eines Kreiswächters kam zum Vorschein. F'har las Empörung in ihm – und einen Anflug von Verblüffung über die Dreistigkeit L'hetes.

Der Wächter war F'har unbekannt. Eine Komplikation, aber eine, mit der sie gerechnet hatten. Unter der halben Tausendschaft von Kreiswächtern, die die Mitte der Welt beschützten, fand sich bestenfalls eine Handvoll, die F'har als heimliche Anhänger bezeichnet hätte. Es wäre ein glücklicher Zufall gewesen, wenn gerade in diesem Augenblick einer von ihnen Tordienst gehabt hätte. F'har hatte deshalb warten wollen und seine Kontakte spielen lassen, aber Kruuper hatte darauf bestanden, den Vorstoß so früh wie möglich zu unternehmen. Sie hatten keine Zeit. Der Fremde, der andere Gase als ein D'Tar atmete, würde sonst ersticken.

»Was wollt ihr hier?«, fragte der Wächter unfreundlich.

»Mein Meister muss mit den Kreiswahrern sprechen«, antwortete L'hete. »Umgehend!«

»Die Kreiswahrer ruhen zum Nachmittag«, beschied ihm der Wächter. »Dein Meister soll sich wie alle anderen gedulden und um eine Audienz bitten. Kommt dann wieder!«

Der Wächter wollte die Klappe zuschlagen, aber L'hete schob blitzschnell den Schürhaken in den Schlitz. »Dann ist es zu spät. Weck die Kreiswahrer auf!«

Es war nackte Häresie. Der Wächter sah den Assistenten mit aufgeklapptem Mund an – und F'har ertappte sich dabei, dass es ihm nicht anders erging. L'hete war wie verwandelt.

Anfangs hatte der Junge von Kruupers Vorhaben nichts hören wollen. F'har hatte ihn mit beiden Händen festhalten müssen, damit er nicht aus dem Keller floh und sich in seiner Kammer unter dem Bett verkroch.

Aber dann … das vorwitzige Straßenkind aus dem äußersten Kreis D'Tarms war in ihm wieder aufgelebt. Es ging gegen die da oben! Die, die ihm niemals im Leben etwas geschenkt hatten. Die ihn an den Rand der Welt geschickt hatten, damit er und andere Unglückliche eine neue, äußere Kreismauer errichteten. Die es nicht gekümmert hätte, wäre ihm dort wie vielen anderen der Verstand abhanden gekommen. Und nun kam eine Gelegenheit, es den Kreiswahrern heimzuzahlen, wie L'hete sie sich nicht einmal in seinen wildesten Träumen auszumalen gewagt hatte …

»Hast du den Verstand verloren?«, herrschte der Wächter den Assistenten an. Immerhin gewann er einen Teil seiner Fassung wieder. »Sag deinem Meister, er soll zurück in seinen Keller! Oder noch besser in das Nichts, in das er gehört!«

»Du wirst dein freches Maul noch bereuen, Wächter«, beschied ihm L'hete, als kanzele er einen Diener ab, der nicht wusste, was sich gehört. »Mein Meister hat eine Entdeckung gemacht, die über Wohl und Wehe des Landes D'Tarka entscheidet. Es ist seine Pflicht, den ehrenwerten Kreiswahrern unverzüglich Nachricht zu erstatten.«

»E… Entdeckung?«, murmelte der Wächter verblüfft. Ob über den Inhalt von L'hetes Worten oder über seine unerschütterliche Unverfrorenheit, vermochte F'har nicht zu entscheiden. Wahrscheinlich beides.

»Entdeckung! Du hast richtig gehört, Wächter! Und jetzt öffne endlich das Tor und wecke die Kreiswahrer – oder willst du die Schuld am Untergang des Landes D'Tarka tragen?«

Es verschlug dem Wächter buchstäblich die Sprache. Sein Mund stand offen, seine Augen weiteten sich.

»Wie heißt du, Wächter?«, herrschte L'hete ihn an.

»G… G'hirrat.«

»G'hirrat … was für ein schöner Name. Nur schade, dass auf ewig Schande an ihm kleben wird.«

»W… wie bitte? Wieso …?«

»G'hirrat, so wird es in den Annalen der Überlebenden heißen, der Einfaltspinsel. Die Leute werden dich abwechselnd verdammen und auslachen.«

»A… auslachen? Aber … aber …«

»… aber noch ist es nicht zu spät, G'hirrat! Öffne das Tor! Oder …«

»Oder?«

»Oder müssen wir uns mit Gewalt Zugang verschaffen?« L'hete gab F'har einen beiläufigen Wink, ganz in der Art, mit der ein Vornehmer aus dem vierten oder fünften Kreis einen Diener dazu anwies, ihm ein Getränk zu bringen.

Das ging zu weit. F'har nahm sich vor, sich L'hete hinterher – sollten sie diesen Tag überstehen – vorzuknöpfen und ließ die Zugmaschine aufheulen. Die Drohung war eindeutig. Entweder gab die Wache nach – oder die »Geschwungene Linie« würde durch das Tor brechen.

Der Wächter zuckte zusammen, als fürchte er, die Zugmaschine würde ihn im nächsten Augenblick überrollen, und brüllte: »Schon gut! Schon gut!«

Er schwang die Klappe zu. L'hete spurtete mit übermütigen Sprüngen zurück in den Heizerstand.

Dann öffnete sich das Tor. F'har gab Dampf, und die »Geschwungene Linie« fuhr hindurch.

Der erste Schritt von Kruupers Plan war getan. Sie waren zur Mitte der Welt vorgedrungen – zumindest in den Äußeren Kreis.

 

*

 

»Ehrenwerte Wahrer des Kreises, hört mich an!«

F'har benutzte den Führerbock der »Geschwungenen Linie« als Podest. So wurde er besser beachtet.

Vom Bock aus konnte F'har besser den Platz des Kreises übersehen, den Versammlungsort der Kreiswahrer. Ohne Ausnahme hatten sie sich an seinen Rändern versammelt, flankiert von der drei- oder vierfachen Menge an schwer bewaffneten Kreiswächtern.

Und vom Bock aus konnte F'har besser fliehen, sollte ihr Plan scheitern. Der Erfinder musste nur Dampf geben. L'hete war im Heizerstand geblieben und sorgte diskret dafür, dass der Kessel der »Geschwungenen Linie« unter Druck blieb.

»Ich bin heute in einer wichtigen Angelegenheit zu euch gekommen!«, rief der Erfinder. »Einer Angelegenheit, die unser aller Existenz gefährdet.«

F'har hielt inne, ließ den Blick über die Kreiswahrer wandern. Es waren zweiunddreißig, einen für jeden der Kreise der Stadt, ausgenommen der drei Kreise, die die Mitte der Welt bildeten. Sie waren die Weisesten der Weisen, die Lenker der Geschicke der D'Tar – so sagten es die Annalen aus. Und so hatte es F'har als Kind geglaubt.

Allerdings hatte es nicht lange gedauert, bis der aufgeweckte Junge nach seinen ersten, unbeholfenen Experimenten erkennen musste, um was es sich bei den Kreiswahrern tatsächlich handelte: um einen Haufen seniler Trottel, die sich in ihrer Verblendung für die klügsten Köpfe der D'Tar hielten.

Es geschah selten, dass ein Kreiswahrer die Mitte der Welt verließ. Im dritten Kreis bewohnte jeder Wahrer ein großes Haus. Dort wurde er von einer Schar fürsorglicher Diener umsorgt und umschmeichelt und verfügte über alle Muße der Welt, sich in die Annalen der D'Tar zu vertiefen. In den Annalen, so ihr unerschütterlicher Glaube, fand sich alle Weisheit der Welt. Man musste sie nur finden. Mit dieser Suche verbrachten sie ihre Tage und merkten nicht, dass sie sich immer weiter von der Welt entfernten, die sie zu ergründen vorgaben.

Ihre Anwesenheit beim Duell F'hars gegen Kritt'han war eine nahezu beispiellose Ausnahme gewesen. Sie hatte unterstrichen, als welche Bedrohung sie den Erfinder auffassten, der sich weder die Gedanken noch den Mund verbieten lassen wollte.

»Ich weiß«, fuhr F'har fort, »dass es in der Vergangenheit Differenzen zwischen uns gegeben hat. Ihr Wahrer habt in eurer Weisheit bestimmt, dass elektrisches Licht keinen Platz im Leben der D'Tar hat. Ebenso wenig wie der Fernsprechapparat, der es über eine bloße Schnur aus Kupfer ermöglicht, mit D'Tar zu sprechen, die in anderen Kreisen wohnen. Oder die illuminierten, bewegten Bilder, die den D'Tar Unterhaltung nach einem langen, schweren Arbeitstag zu bescheren suchten.«

Der alte Lha'kur, der oberste der Kreiswahrer, schwankte auf seinem Sitz und gähnte. F'har begann sein Publikum zu langweilen. Genau, wie vorgesehen. Es galt, die Kreiswahrer einzulullen – umso größer würde der Schock seiner Enthüllung sein.

»Aber ich will euch nicht mit Ereignissen aus der Vergangenheit langweilen!«, rief F'har. »Erst vor Kurzem trug sich vor den Toren der Stadt ein Zweikampf zu, bei dem ich geschlagen wurde. Es fällt mir schwer, aber ich muss es eingestehen. Ihr, ehrenwerte Wahrer, seid selbst Zeuge dieses Vorgangs geworden.«

F'har seufzte laut. »Es war nicht leicht, diese Niederlage zu verwinden. Ratlos brach ich in die Ebene auf, um schließlich in mein Heim zurückzukehren und meine Wunden zu lecken. Seitdem hat mich kaum ein Bürger gesehen. Ich litt. Aber der Weg des Leidens führt zur Läuterung, wie unsere Annalen berichten. Ich habe in den letzten Tagen etwas erkannt, ehrenwerte Kreiswahrer: Meine bisherigen Wege waren Irrwege. Ich bin deshalb zum Schluss gekommen, mein Leben zu ändern. Fortan will ich nur noch die richtigen Wege einschlagen.«

F'har gab seinem Assistenten ein Zeichen. L'hete nahm die Leine auf, die an der Spitze der schweren Decke befestigt war und den Blick auf die Ladefläche des Anhängers verwehrte.

»Doch was bedeuten Worte?«, wandte sich F'har an die Wahrer. »Ich will euch meine Läuterung handfest demonstr…«

Ein Ruf schnitt dem Erfinder das Wort ab. »F'har ist ein Verräter!«, brüllte jemand mit sich überschlagender Stimme. »Auf den Scheiterhaufen mit ihm!«

F'har wirbelte herum und sah eine Zugmaschine auf den Platz donnern. Es war die »Ruhm des Kreises« – und auf dem Führerbock saß F'hars Erzrivale Kritt'han.

 

*

 

Kritt'han vermochte, was F'har verwehrt geblieben war: Er riss die ehrenwerten Kreiswahrer von ihren Sitzen. Sie schnellten hoch, so gut es ihr Alter und ihr Übergewicht zuließen.

Nur einer blieb sitzen: der alte Lha'kur.

Nicht aus Trägheit, erkannte F'har in diesem Moment, sondern weil er Herr der Lage war. Vielleicht hatte er sich in ihm verschätzt.

Lha'kur hob einen Arm und sagte: »Setzt euch wieder. Euer Verhalten ist eures Amtes nicht würdig, Kreiswahrer!«

Die Wahrer sanken wieder auf ihre Plätze, verschämt, wie Kinder, die von einem Erwachsenen bei einer peinlichen Dummheit erwischt worden waren.

»Senkt die Gewehre!«, forderte er die Wächter auf, die einen zweiten Ring um die Wahrer gebildet hatten und auf F'har zielten.

Sie folgten seinem Befehl.

Dann wandte sich der alte Lha'kur an Kritt'han: »Du nennst diesen Mann einen Verräter. Du weißt, wie schwer der Vorwurf wiegt?«

F'har glaubte nicht recht zu hören. Der alte Lha'kur nahm ihn in Schutz?

»Das weiß ich«, sagte Kritt'han feierlich.

»Dann beweise ihn!«, forderte der alte Lha'kur ihn auf.

»Das werde ich!«

Kritt'han strich seine Kleidung glatt, verneigte sich vor den Kreiswächtern, die ebenso wie er selbst darum bemüht waren, den Moment der Würdelosigkeit vergessen zu machen.

»Ehrenwerte Kreiswahrer«, begann er. »Ihr wisst, dass ich in meinem Handeln ausschließlich das Wohl des Landes D'Tarka im Blick habe. Und ihr wisst auch, dass mich dies regelmäßig in Konflikt mit diesem Subjekt bringt.« Er zeigte auf F'har, ohne ihn eines Blickes zu würdigen.

»Ich gestehe, dass ich meinen wohlverdienten Sieg im Duell gegen F'har genossen habe. Doch blieb mein Genuss nicht lange ungetrübt. F'har war zu ruhig. Es passte nicht. Wir alle kennen F'har, wir alle wissen, dass er niemals Ruhe gibt. Anfangs befürchtete ich, er sei in seiner kopflosen Flucht vor der Schmach seiner Niederlage über den Rand der Welt gefahren und ins Nichts gestürzt, aber dann kehrte F'har in die Stadt zurück.«

Kritt'han drehte sich langsam auf dem Führerbock seiner Zugmaschine. »Natürlich war ich trotz aller unleugbaren Rivalität, die zwischen uns besteht, froh darüber, dass er wohlbehalten zurückgekehrt war. Ich beschloss, ihm meine Aufwartung zu machen. Doch was geschah? Er wollte meine guten Wünsche nicht annehmen, bat mich nicht einmal in sein Haus, wie es der guten Sitte entspricht!«

Kritt'han schüttelte sich vor gerechter Empörung. »Ich war, ich gebe es zu, enttäuscht. Und bald darauf, als ich zum Nachdenken kam, beunruhigt. F'har ließ niemanden ein, nicht einmal die wenigen, die sich seine Freunde nennen. Ich ahnte, dass er ein Geheimnis verbarg. Ein furchtbares Geheimnis. Wollte ich ihm auf den Grund gehen, erkannte ich, musste ich einen anderen Weg einschlagen. Er führte mich in das Land jenseits der Stadt. Doch ich ließ den Mut nicht sinken und folgte geschickt den Spuren, die F'har hinterlassen hatte.«

Ein feines Kunststück!, dachte F'har. Ein Blinder hätte die Schneise nachverfolgen können, die die »Geschwungene Linie« ins Gras geschlagen hat!

»Ehrenwerte Kreiswahrer«, rief nun Kritt'han, »schließlich fand ich heraus, was F'har zur Rückkehr in die Stadt bewegte!«

Kritt'han bückte sich. Als er sich wieder aufrichtete, hielt er eine Schale in den Händen. »Das hier!«, rief er. Er drehte die Schale um, ihr Inhalt wurde vom Wind erfasst und davongetragen.

Es war Asche.

»Ein Kreis war in das Gras gebrannt, so groß, dass selbst meine stolze ›Ruhm des Kreises‹ in seiner Mitte klein erschien. Ein Kreis aus zu Asche verbranntem Gras. Ihr, Kreiswahrer, wisst, was das bedeutet: An dieser Stelle war eine Lichtröhre entstanden! Es ist ein rares Ereignis, aber es kommt vor. Die Annalen berichten davon.«

F'har hatte sich eigentlich vorgenommen zu schweigen. Aber jetzt hielt er es nicht mehr aus. »Asche!«, rief er. »Ist das alles, was du vorzuweisen hast, Kritt'han?«

»Besser als nichts, F'har«, hielt Kritt'han mit einer Spitze dagegen. »Du weißt, was eine Lichtröhre bedeutet: Wesen aus einer anderen Welt sind mit ihrer Hilfe in das Land D'Tarka gekommen – und sie sind verschwunden. Das kann nur eines bedeuten: Du, F'har vom einunddreißigsten Kreis, hast sie mitgenommen! In unsere Stadt! Du hast sie versteckt! Ungeheuer von anderen Welten!«

Ein kurzer Moment der Stille lag über dem Platz, als Kritt'hans Anschuldigungen verhallten. Dann, als die Kreiswahrer das Ausmaß begriffen, schnellten sie von ihren Plätzen hoch. Sie schrien wütend, schüttelten drohend die geballten Hände. Die Wächter fummelten unruhig an ihren Gewehren, einige legten sogar wieder auf F'har an.

Die nächsten Augenblicke würden über Leben und Tod entscheiden.

F'har stellte verblüfft fest, dass jede Angst, jede Unruhe von ihm abgefallen war. Als schwebe er über dem Geschehen, wäre unverletzlich.

Er sah zu Kritt'han und sagte: »Ungeheuer? Du übertreibst maßlos …«

F'har gab L'hete einen Wink. Der Assistent zog mit einem festen Ruck an der Leine. Die Abdeckung aus schwarzem Stoff, die den Blick auf den Käfig verwehrt hatte, rutschte weg.

Das Ungeheuer kam zum Vorschein: Es war Philip.

Der Okrill öffnete langsam, fast genüsslich das Maul und entblößte sein Raubtiergebiss. Dann ließ er seine Zunge hervorschnellen. Sie war so schnell, dass sie an ein Geschoss erinnerte. Sie ringelte sich um die hölzernen Stäbe des Käfigs. Mit einem Blitz ging er in Flammen auf, explodierte förmlich unter der sprunghaften Erhitzung.

Und im nächsten Moment gellte der Angstschrei der Kreiswahrer und Wächter auf, beispiellos in den Annalen, und sie stoben in alle Richtungen davon.

2.

 

»Kontinuumswechsel einleiten!«, befahl Frequenzanwärter Sinnafoch. Er sprach in das Akustikfeld, dessen Projektor in den Kragen seines Kampfanzugs eingearbeitet war. Der Helm des Anzugs war geschlossen, und die Luft, die der Vatrox atmete, stank beinahe unerträglich nach Plastikverbindungen, Enge und Furcht.

Es war der Gestank des Krieges, der Gestank seines neuen Lebens.

»Wechsel in energetisch verschobenes Kontinuum«, bestätigte der Erste Offizier der DEKTEROM über Funk aus der Zentrale, und einen Augenblick später erfolgte der Wechsel.

Das von Fremdvölkern häufig als »Vektor-Phase« umschriebene »Abtauchen« erlaubte es den Schlachtlichtern, bei starkem Beschuss ohne jegliche Beeinträchtigung den Standort zu wechseln – bis die Bedrohung nicht mehr existierte. Im Schutz dieser Tarnung konnten allerdings auch Angriffsflüge stattfinden. Nur der Einsatz von Waffen war nicht möglich – dazu bedurfte es des Rücktauchens in das Standarduniversum.

Sinnafoch hätte am liebsten den Kopf zwischen den Händen verborgen, sich zusammengerollt und verkrochen, aber er widerstand der Versuchung. Im Frachtraum des Landungsboots, in dem er auf einer Bank inmitten der D'Tar kauerte, gab es kein Versteck. Jeder der Landungssoldaten konnte ihn sehen – und er, Sinnafoch, war ihr Anführer, ihr Vorbild, ihr neuer Okore.