MARC HOFMANN

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ROMAN

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Tropen

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© 2015 by J. G. Cotta’sche Buchhandlung

Nachfolger GmbH, gegr. 1659, Stuttgart

Alle Rechte vorbehalten

Umschlaggestaltung und Motiv:

Hauptmann + Kompanie Werbeagentur, Zürich

Datenkonvertierung: le-tex publishing services GmbH, Leipzig

Printausgabe: ISBN 978-3-608-50149-0

E-Book: ISBN 978-3-608-10807-1

Dieses E-Book basiert auf der aktuellen Auflage der Printausgabe.

Für Irene. Danke.

Die Zukunft ist auch nicht mehr das, was sie mal war

Im Zimmer meiner achten Klasse herrschen vierzig Grad. Alle Fenster sind geschlossen und das offenbar schon seit mehreren Tagen. Ich bin auf Höhe des Pultes angekommen, als eine Art Unterdruck meinen Brustkorb zusammenpresst. Der Sauerstoffgehalt liegt deutlich unter dem zulässigen Grenzwert. Um mich herum wabert ein ungutes Gemisch aus billigem Deo, Hormonschweiß und Grippebazillen. Es gibt nicht viele Lebensformen, die in einer Umgebung wie dieser länger als zwei Minuten überleben können. Das eine sind Grottenolme, das andere Pubertierende. Ich wanke zum Fenster und reiße es auf. Ich weiß gar nicht, ob das arbeitsrechtlich überhaupt erlaubt ist, sich derart toxischen Bedingungen auszusetzen.

»He, du Knecht, betatsch mich nicht!«

Gierig sauge ich Frischluft in meine Lungen.

»Herr Millford, der Jan, der Napf, malt dauernd Penisse auf mein Heft.«

Mach etwas Vernünftiges, habe ich mir damals überlegt, studiere auf gymnasiales Lehramt, das ist ein sinnvoller Beruf, da kann man noch etwas bewegen. Das sind Kinder, die wollen lernen, die sind neugierig, haben Fragen an sich und die Welt, die ich ihnen kompetent beantworten kann.

»He, Yalcin, du Lappen, was heißt Döner-Zombie auf Türkisch?«

»Das wird kalt, wollen Sie mal das Fenster zumachen?«, quengelt eine Schülerin. Ich lüfte noch keine zwanzig Sekunden.

»Buch raus, Seite achtzig. Lies du gleich mal vor«, sage ich zu ihr, bevor ich etwas tue, was mich zu einem Fall für die Staatsanwaltschaft macht.

Stephen King im Lehrerzimmer

Das Gewicht meiner Umhängetasche zieht mir die Schulter nach unten. Vor dem Lehrerzimmer hat sich ein unüberwindlicher Knoten aus mehr als fünfzehn Schülern gebildet. Eine junge Kollegin steht mit wirrem Gesichtsausdruck in der Tür und wird mit einem Potpourri von Fragen bombardiert.

»Ist Frau Schmelzer-Schmelzer da?«

»Wollen Sie das Herrn Heizmann ins Fach legen?«

»Schreiben wir jetzt diesen unangekündigten Test bei Herrn Schröder?«

Es gibt kein Durchkommen. Zum Glück läuft Sport-Gerber vor mir. Der versucht, das Problem mit der nötigen Sportlehreraggression zu lösen.

»So, ihr Moschtköpf. Jetzet lasset uns emol bitte durch«, ruft er in breitestem Schwäbisch.

Keiner rührt sich. Sport-Gerber, der mit einem unmittelbaren Reiz-Reaktions-Effekt gerechnet hat, läuft frontal in die hinterste Schülerreihe.

»Jetzt hauet emol ab! Mir Lehrer henn jetzet au Pause!«, schreit er und schiebt beidhändig die zähe Schülermasse zur Seite, wodurch sich ein schmaler Gang öffnet. Ich stelle mir ein englisches Internat vor, an dem die Schüler dem Lehrer die Tür aufhalten und Good Morning, Sir sagen, und schlüpfe schnell durch die Gasse, bevor sie sich wieder schließt.

Ich schleppe mich zu meinem Platz, wo schon mein Nebensitzer Heizmann mit einem Kaffee in der Hand vor einer Gruppe Referendare und Praktikanten steht und wie jedes Jahr um diese Zeit darüber doziert, dass die Fastnacht im südbadischen Raum von den Nazis wiederbelebt wurde und seither in ihrer ganzen Unsäglichkeit floriert.

Heizmann ist so eitel, ich nenne ihn insgeheim GröFaZ, größter Fatzke aller Zeiten. Unterrichtet Latein und Geschichte und hält alle anderen Fächer für unnötigen Ballast, der vom Wesentlichen ablenkt.

Die Referendare, die um ihn herumstehen, sind natürlich die ärmsten Schweine an der Schule. Erst kürzt man ihnen das Referendariat um ein halbes Jahr, nachdem man ihnen schon an der Uni nicht beigebracht hat, wie man in diesem Job überlebt, und jetzt müssen sie auch noch Heizmanns Sermon anhören und so tun, als interessiere sie das. Aber sie dürfen sich keine Blöße geben, sie müssen allzeit hellwach sein und jeden Scheiß mitmachen.

Wir bräuchten noch Helfer für den Tag der offenen Tür, vor allem beim Aufbau, während der Veranstaltung und beim Abbau. Oder: Beim Oberstufenball fehlen für die Schicht von 23:30 bis 1:00 noch Aufsichtspersonen, könnten Sie nicht…?

Sie dürfen niemals Nein sagen, denn am Ende lauert das Schulleitergutachten, in dem sie, wenn sie immer schön Ja zu allem gesagt haben, am Ende vielleicht eine Zwei erhalten. Warum, werden sie natürlich niemals erfahren.

»Du, sag mal«, unterbreche ich Heizmann, »das ist ja total interessant. Wie war das eigentlich noch mal genau mit den Nazis und der Fastnacht?«

Heizmann glotzt mich an. Die Referendare wissen nicht, ob sie über meinen Witz lachen dürfen oder nicht. Sie wissen nicht, dass ich in der kollegiumsinternen Hierarchie keine Rolle spiele. Heizmann schon eher, der ist im Personalrat der Schule und außerdem im Kreisvorstand des Philologenverbands, daher tun sie gut daran, nicht zu lachen.

Ich schmeiße meine Tasche auf den Boden, mache ein paar Schulterdehnübungen und gehe Richtung Kaffeemaschine.

»Harry«, ruft eine Frau mit schriller Stimme hinter mir. Ich brauche mich nicht einmal umzudrehen, um zu wissen, dass es Kollegin Schmelzer-Schmelzer ist, die in meiner Klasse Latein und Religion unterrichtet.

»Harry!«

Sie baut sich vor mir auf, die Hände in die Seiten gestemmt.

»Also, deine Klasse war also heute wieder … Also, das gibt es doch gar nicht … Unmöglich, echt! Dieser Poneder und dieser Julius, also, was diese beiden, so etwas Unverschämtes … Sagt der doch zu mir, also nein, das will ich gar nicht … Das ist mir ja noch nie untergekommen!«

Was will sie mir sagen? Dass das Verhalten dieser pubertierenden Gehirnnotstandsopfer irgendwie meine Schuld ist? Oder ich auch nur den geringsten Einfluss darauf haben könnte? Außerdem, was heißt hier meine Klasse? Ich habe mich nicht darum gerissen, bei diesen Spinnern Klassenlehrer zu werden. Ich sehe, dass die Schlange vor dem Kaffeeautomaten immer länger wird.

»Ich rede mit ihnen, okay? Aber jetzt muss ich weiter.«

»Ich bitte darum«, ruft sie mir nach.

Es würde natürlich helfen, wenn sie zum Beispiel weniger Flecken und Krümel auf ihren Fleece-Oberteilen hätte und eventuell auch, wenn sie ein wenig an ihrer Syntax arbeiten würde. Es könnte sicher auch nicht schaden, etwas weniger weltfremd zu sein und sich zum Beispiel mal den Unterschied zwischen E-Mail, Facebook und YouTube erklären zu lassen, und vor allem würde ich ihr raten, dass sie irgendwann einfach akzeptieren sollte, dass sie mit Latein und Religion nur verlieren kann. Aber erstens bin ich nicht weisungsbefugt, und zweitens habe ich gerade Wichtigeres zu tun.

Als ich bei der Kaffeemaschine ankomme, stehen schon fünf Leute vor mir. Eine einzige Gesprächskarawane. Zwei Religionskollegen sprechen über Erlösung und halten den ganzen Laden auf, weil der eine nicht merkt, dass sein Kaffee schon lange fertig ist. Er fuchtelt mit den Händen. So sehr ich sie thematisch verstehen kann, Zeit ist jetzt keine für so ein Gepenne.

»Ihr wisst schon, dass Trägheit auch eine Todsünde ist«, rufe ich nach vorne.

Sie machen entschuldigende Gesten und räumen das Feld.

»Guten Tag! Herr Milford, richtig?«

Ich zucke zusammen. So schneidig wird man in diesem Laden normalerweise nicht angesprochen. Vor mir steht eine Frau, die viel zu jung und klein ist, um sich hier im Lehrerzimmer aufhalten zu dürfen.

»Geh du mal nach draußen, was fällt dir eigentlich …?«

»Mein Name ist Mareike Selig. Ich bin Referendarin und habe die Fächer Deutsch und Englisch.«

Sie streckt mir ihre Hand entgegen und strahlt mich an. Ich schrecke ein wenig zurück vor so viel Enthusiasmus. Sie macht eine kurze Pause.

»Genau wie Sie!«

»Ja, herzliches Beileid auch.«

»Ja, gell?«

Sie kichert richtiggehend. Was ist mit der los? Ist die nicht ganz richtig im Kopf? Außerdem ist die doch viel zu klein für diesen Beruf. Die ist doch höchstens eins sechzig. Aber vielleicht wächst sie ja noch, wer weiß. So jung, wie sie aussieht. 23, älter bestimmt nicht. Mit siebzehn Abitur gemacht und dann gleich zügig durchstudiert, damit bloß keine Lücke im Lebenslauf entsteht. Und jetzt will sie Jugendlichen etwas über die Welt erzählen. Und kann 45 Jahre arbeiten bis zur Pensionierung. Glückwunsch auch.

»Na ja, jedenfalls«, fährt sie ungerührt fort, »sind Sie ja offenbar mein Mentor und …«

Was?, denke ich, während sie weiterplappert. Mentor? Ich? Das kann ja wohl nur ein Missverständnis sein.

»Wer sagt das?«, unterbreche ich sie unwirsch.

»Na, Frau Gallwitzer-Merkensorg.« Sie stutzt. »Ja wissen Sie das denn gar nicht?«

Die Gallwitzer-Merkensorg, diese Natter! Sie ist die stellvertretende Schulleiterin. Ich mache, wenn möglich, einen weiten Bogen um sie. Und nicht nur ich. Selbst Heller, der Schulleiter, wird unruhig, wenn sie in seine Nähe kommt. Sie ist einfach zu verkrampft. Verbissen. Fanatisch geradezu. Aber heute muss es nolens volens zu einer Begegnung kommen. So nicht, Frau Gallwitzer-Merkensorg!

»Was ist denn da vorne?«, brüllt es von hinten.

Ich will gerade zurückschreien, als ich merke, dass ich schon lange an der Reihe gewesen wäre.

»Jaja«, sage ich und beginne, an der Kaffeemaschine herumzuhantieren.

Das Gerät hat jetzt laut Display diverse Probleme: Wasserbehälter leer, Satzbehälter leeren. Ich starre es fassungslos an. Es mag psychologische Erklärungen dafür geben, dass man sich rote Ampeln, wenn man es eilig hat, eher merkt als grüne, und man daher immer glaubt, dass das Schicksal einem vor der Nase die Ampeln rot stellt, aber im Fall dieser Kaffeemaschine glaube ich davon kein Wort. Sie hasst mich. Wie dieses Auto bei Stephen King. Ich weiß es genau.

Eine neue Meldung erscheint im Display: Die Pause ist sowieso um, Sie haben gar keine Zeit mehr für einen Kaffee.

Ich mache, dass ich wegkomme. Soll sich der Nächste um den Wasserbehälter kümmern.

Willkommen im Dschungel

Ich greife gerade meine Tasche, da steht schon wieder diese kleine Person vor mir.

»Ich habe einen Anschlag auf Sie vor!«

»Gute Einleitung«, erwidere ich. »Sie werden es sicher weit bringen in diesem Beruf.«

Sie lächelt verwirrt. »Ich weiß, das ist sehr kurzfristig …«

»Hören Sie, wenn Sie bei mir hospitieren wollen, kein Problem, aber das mit dem Mentor vergessen Sie mal ganz schnell. Das kläre ich jetzt stante pede! Sie warten hier!«

Ich und Mentor? So weit kommt’s noch.

Ich eile zum Büro der Konrektorin. Was soll ich denn noch alles machen? Ich kann mich doch nicht um so eine unreife Göre kümmern, der noch nie jemand gesagt hat, dass sie sich einen anständigen Beruf suchen soll. Zumal bei der Körpergröße.

Ich stürme ins Sekretariat und auf die Tür der Gallwitzer zu.

»Halt!«

Frau Keil, der alte Wachhund mit Helmfrisur, springt von ihrem Platz auf und will sich mir in den Weg stellen. Frau Keil ist unsere Sekretärin und äußerst beliebt im Kollegium. Sie gilt allgemein als nett. Ich kann das nicht bestätigen.

»Was machen Sie denn da? Sie müssen sich einen Termin geben lassen!«

»Gehen Sie weg, Frau, und kümmern Sie sich um …«

Da öffnet sich schon die Tür und Frau Gallwitzer-Merkensorg tritt heraus. Sie trägt einen Hosenanzug. Was glaubt die, wo sie arbeitet? Bei der Deutschen Bank?

»Herr Milford, so in Eile?«, fragt sie, betont arglos.

»Wann hatten Sie eigentlich vor, mich zu fragen, ob ich Mentor einer Referendarin sein möchte? Haben Sie das vergessen? Dann haben Sie hier trotzdem meine Antwort: Nein, will ich nicht! Suchen Sie sich einen anderen Idioten.«

Ich meine zu erkennen, dass ein spöttisches Lächeln ihren Mund umspielt.

»Herr Milford, hier geht es eigentlich nicht darum, dass wir Sie fragen müssen. Ich meine, wir könnten, aber letztlich gehört das zu Ihren Dienstpflichten. Da gibt es wenig Spielraum. Für Sie!«

»Spielraum?«, schreie ich und blicke von der Gallwitzer zu Frau Keil, die mich triumphierend angrinst, und wieder zurück. Diese Xanthippen!

Ich drehe mich und erwäge kurz, Heller um Hilfe zu bitten.

»Herr Heller sieht das übrigens genauso«, keift es hinter mir.

Ich mache, dass ich rauskomme.

Vor der Tür wartet schon die kleine Referendarin.

»Und?«, fragt sie.

»Ja, äh, was weiß ich. Ich muss jetzt in den Unterricht.«

»Ja, ich weiß, kann ich mit?«

Ich überlege kurz, wie ich sie abschütteln kann, aber andererseits, soll sie halt mit. Mir doch egal.

»Na dann kommen Sie mal. Aber eines sag ich Ihnen gleich: Das ist keine Vorführstunde!«

Ich weiß zwar nicht genau, was sie sich davon verspricht, bei mir zu hospitieren, dafür weiß ich, was ich ihr jetzt demonstrieren werde. Willkommen in der Realität. Folge 1: Wovon Ihnen an der Uni und am Lehrerseminar niemand etwas gesagt hat 

Wir machen uns auf den Weg durch die endlosen Flure unserer Lehranstalt. Zeit, ihr gleich einmal ein paar Tipps für den Anfang zu geben.

»Sie wissen schon, dass Sie sich einen Beruf ausgesucht haben, der laut Umfragen zu den unbeliebteren in Deutschland zählt? Die Reaktionen, die man – zumindest in gewissen Kreisen – bei der Nennung dieses Berufs erntet, sind eine Mischung aus Abscheu und Mitleid, mitunter gesellt sich eine Portion Spott dazu.«

Sie blickt mich aus großen Augen an.

»Und wenn Sie einmal drin sind in diesem Job, dann kommen Sie nie mehr raus. Niemand will Sie mehr. Sie sind für den Arbeitsmarkt auf alle Zeiten verloren. Ich zum Beispiel unterrichte seit fünfzehn Jahren. Dunkel erinnere ich mich, dass ich mir anfangs vorgenommen hatte, nach zehn Jahren zumindest die Schule zu wechseln, um nicht eines dieser Fossilien zu werden, die man noch aus der eigenen Schulzeit kennt. Aber dann kauft man ein Eigenheim, bekommt Kinder … Sie wissen ja, wie das ist.«

Obwohl, so jung, wie sie aussieht, weiß sie das wahrscheinlich nicht. Egal.

»Und plötzlich«, fahre ich fort, »sind fünfzehn Jahre um oder mehr, und man ertappt sich dabei, wie man andauernd Dinge sagt wie In diesem Sinne, frohes Schaffen und vor dem Vertretungsplan steht und mit sich selbst spricht, und dann ist man auf einmal nicht mehr satisfaktionsfähig und trägt sogar im Sommer einen veritablen Gesichtsherbst durch die Gegend. Und es gibt nicht viel, was man dagegen tun könnte.«

Ich sehe, wie ihr die Gesichtszüge zu entgleisen drohen.

»Aber«, fahre ich fort, »natürlich gibt es einen Ausweg. Dazu müssen Sie allerdings ein paar Jahre durchhalten. Ich sage nur: Frühpensionierung.«

Ich drehe mich zur Seite. Sie ist weg.

»Hallo? Ah, da.«

Offenbar kam sie mir mit ihren kurzen Beinen nicht hinterher und ist etwas zurückgefallen. Ich bleibe kurz stehen.

»Sehen Sie, ein beträchtlicher Teil der Lehrer leidet unter Burn-out, etliche lassen sich aus gesundheitlichen Gründen frühpensionieren. Aber nichts mit dem Darm oder der Prostata! Ein Bandscheibenvorfall, zum Beispiel, ist eine prima Sache. Amtsärztlich eindeutig und unverdächtig fürs Umfeld. Verstehen Sie, was ich Ihnen sage?«

»Äh, ja.« Kreidebleich hoppelt sie mir auf ihren kurzen Beinchen hinterher.

»Nun fragt man sich, was mag die Ursache für diesen Verschleiß sein? Ich kann es Ihnen sagen: Unkündbarkeit und die Verbeamtung auf Lebenszeit sind es nicht. Und auch nicht die vierzehn Wochen Ferien im Jahr. Na ja, bei letzterem kommt es natürlich auf die häusliche Situation an. Ich sehe an den Augenringen regelmäßig vor sich hin karnickelnder Jungkollegen durchaus, dass die Schule für die erholsamer zu sein scheint als die Ferien. Nein, ich glaube, das Hauptproblem sind die Schüler. Und nicht selten auch deren Eltern. Ganz zu schweigen von den Kollegen und der Schulleitung. Die Politik mit ihrem unausgegorenen Aktionismus sowieso. Aber sonst? Dieser Beruf wäre ein Träumchen.«

Vor dem Klassenzimmer bleiben wir kurz stehen.

Der Referendarin steht der Schweiß auf der Stirn. Sie hat hektische Flecken im Gesicht und scheint auch etwas kurzatmig zu sein.

»So, nun aber frisch daran ist schnell vorbei. Wir lesen Homo Faber. Sie kennen den Roman, nehme ich an?«

»Äh, ja«, sagt sie, und ich habe das Gefühl, meine Einführungsrede hat ein paar Spuren hinterlassen.

Gut, denke ich.

Homo Faller

Wir betreten die Klasse. Ich schreie laut »So!« und lasse wie immer erst einmal meine Tasche aufs Pult knallen, gefolgt von meinem riesigen Schlüsselbund.

Ich lege eine Folie auf den Projektor, aber der ist immer noch kaputt. Klar, der Hausmeister hatte ja schließlich auch Ferien.

Die Tür geht auf. Eine Schülerin schlendert lässig ins Zimmer. Dass sie zwei Minuten zu spät kommt, scheint für sie kein Grund für eine Entschuldigung zu sein. Dann muss ich wohl aktiv werden.

»Verzeihung?«

Sie blickt mich erstaunt an. Ich tippe mit dem Zeigefinger auf meine Uhr und mache eine fragende Geste.

»Ach so … Ich hab verschlafen.« Sie setzt sich hin in der Gewissheit, dass der Fall damit erledigt ist.

»Soso«, erwidere ich, »dann komm du doch nach der Stunde direkt mal zu mir.«

»Boah, das ist ja wohl voll unfair!«

Mein Blick bleibt am Dekolleté einer Schülerin in der zweiten Reihe hängen. Es ist eine Frechheit. Wer will das denn sehen? Ich wollte gerade noch etwas Maßgebliches zu der Zuspätkommerin sagen, aber ich habe vergessen, was es war. Ich wünsche mich in eine andere Zeit oder in ein anderes Land. Eines mit Schuluniform oder wenigstens einem Mindestmaß an textiler Contenance.

Ich reiße mich zusammen und entdecke Lukas Meier, der mit dümmlichem Gesichtsausdruck ins Leere starrt.

»Lukas, du Flitzpiepe, kannst du mir sagen, wieso der Roman Homo Faber heißt?«

Lukas Meier könnte im richtigen Leben vielleicht ein gar nicht so unsympathischer Kerl sein, aber als Schüler würde man gern auf ihn verzichten.

»Also Homo heißt ja, äh … Mensch«, beginnt er seine profunden Ausführungen, aber er wird von Pascal Faller unterbrochen, der mit übertrieben tuckiger Stimme Homo! durch den Raum ruft.

Pascal Fallers Familie ist eine bildungsferne Schicht für sich. Ich habe schon seine beiden älteren Brüder unterrichtet, das waren genau die gleichen Dummbatze. Seit der fünften Klasse bildet Faller auf jeder Versetzungskonferenz einen eigenen Tagesordnungspunkt.

Ich starre ihn an.

»Was genau willst du damit sagen?«

»Nichts.«

»Du unterbrichst deinen Klassenkameraden und zerrst an meinen Nerven, um nichts zu sagen, ist es das, was du mir hier erzählst?«

»Äh, ja«, sagt er und grinst.

Ich will gerade zu einer Tirade anheben, da fällt mir auf, dass die Referendarin immer noch mitten im Zimmer steht, weil sie keinen Stuhl hat. So, Bursche, jetzt bist du fällig.

»Faller, komm doch mal her!«, sage ich. Pascal Faller hampelt nach vorne und zieht eine kleine Show für seine Kumpane ab, indem er läuft wie die Karikatur eines Rappers. Ich frage mich, was sein Friseur wohl beruflich macht.

Die Jungs in der letzten Reihe sitzen alle mit den Händen unter den Tischen da, den Blicke scharf nach unten gerichtet. Ich entscheide mich, ihren Plants versus Zombies-Wettbewerb nicht zu unterbrechen, so sind sie wenigstens ruhig.

Die Tür geht auf. Zwei Schülerinnen betreten kichernd den Raum. Sie sehen keine Veranlassung, mich zu beachten. Ich blicke ihnen nach und warte darauf, dass sie merken, dass zu wenige Stühle im Raum sind. Sie schauen sich ratlos um.

»Die Damen, was mag wohl die Ursache für dieses dreiste Zuspätkommen sein?«

»Wir hatten Führerscheintheorie«, sagt die eine und geht mit der Stimme am Ende des Satzes zickig hoch.

»Prüfung?«

»Äh, nee, Unterricht.«

»Morgens um neun?«

»Ja, hallo? Können wir doch nichts für?«

Die Schüler grinsen in sich hinein.

Am Rand meines Sichtfeldes irritiert mich etwas Unangenehmes.

Es ist Faller, der immer noch neben mir steht.

»Faller, meinst du, ich käme damit durch, wenn ich deine Eltern auf Schmerzensgeld verklage, dafür, dass ich dich unterrichten muss?«

»Äh, was?«, fragt er.

»Vergiss es! Frau … nehmen Sie sich Fallers Stuhl!«

»Selig«, sagt die Referendarin leise.

»Und wir?«, fragen die beiden Führerscheinexpertinnen.

»Mir doch egal«, antworte ich wahrheitsgemäß.

Ein Handy klingelt. Die Schüler kichern. Ich bin gespannt, ob ich irgendwann noch erleben darf, dass mal tatsächlich ein Schüler während des Unterrichts drangeht. Ich überlege, ob ich den Schuldigen ermitteln soll, aber es ist mir zu aufwendig. Ich blicke streng über den Rand meiner Brille. Dann wende ich mich wieder Faller zu.

»So, du Vogel! Willkommen im 21. Jahrhundert. Du schreibst mir jetzt bis morgen folgenden Satz zwanzig Mal von Hand: Ich mache mich nie mehr über Homosexualität lustig, und ich werde nie mehr sprechen, wenn ich nichts zu sagen habe. Kannst du dir das merken?«

Er meint, ich scherze.

»Und wo soll ich mich jetzt hinsetzen?«

»Frag nebenan nach einem Stuhl! Lukas, wo waren wir noch gleich, ehe man uns so jäh unterbrach?«

Lukas Meier, der gerade damit beschäftigt war, seinem Nachbarn mit dem Lineal Schmerzen zuzufügen, blickt mich verwirrt an.

»Äh …«

Die beiden Fahrschülerinnen, die Faller gefolgt waren, kommen mit Stühlen zurück. Sie plappern und kichern miteinander.

»Schnauze!«, herrsche ich sie an.

Bevor sie empört reagieren können, sage ich: »So! Heute schauen wir uns Herrn Fabers Beziehungen zu den Frauen näher an.«

Draußen herrscht plötzlich ein Wahnsinnsradau. Alle paar Sekunden klopft es an die Tür. Eine Klasse läuft durch den Gang und schreit, als wären sie im Fußballstadion. Ich öffne vorsichtig die Tür und spähe hinaus. Ein Schüler hämmert im Vorbeilaufen gegen die Tür des Nebenzimmers. Ich schleiche ihm hinterher, packe ihn am Kragen und schreie: »Los, komm mit, du Kasper!«

Damit hat er nicht gerechnet. Entsetzt starrt er mich an.

»Wir haben doch gar nichts gemacht«, sagt einer seiner Kumpane allen Ernstes.

»Na dann ist doch alles tippitoppi, oder?«, sage ich und ziehe den Klopfer an seinem Sweatshirt ins Zimmer der Elfer.

Pascal Faller hat sich einen Stuhl besorgt und will sich gerade wieder in die letzte Reihe setzen.

»Faller! Deinen Stuhl, schnell«, schreie ich.

»Was soll das denn jetzt?«

»Los, mach, oder willst du nachsitzen?«

»Das können Sie doch nicht …«

»Leg’s drauf an!«, schreie ich ihn an. In der Klasse herrscht Totenstille.

Er bringt mir seinen Stuhl.

»Los, hol dir einen neuen«, sage ich zu ihm.

Ich stelle den Stuhl neben die Tafel und bedeute dem Türenklopfer, sich zu setzen, mit dem Gesicht zur Klasse.

»Also, ihr Experten«, frage ich in die phlegmatische Runde, »wie heißen die Frauen in Fabers Leben?«

Die Blicke der meisten Schüler verlieren sich in imaginären Weiten. Trotz ihrer unzweifelhaften körperlichen Anwesenheit versuchen sie, so zu tun, als seien sie es nicht.

Und irgendwann meldet sich Julia Weber. Julia Weber meldet sich immer. Hin und wieder nehme ich sie absichtlich nicht dran, in der leeren Hoffnung, andere könnten sich dadurch animiert fühlen, auch mal etwas beizusteuern. Ich warte dann auch gerne mal, bis die Spannung nicht mehr auszuhalten ist.

Es ist ein seltsames und unwürdiges Spiel, das wir da spielen: Auf der einen Seite die Mittel- oder Oberstufenschüler, von denen jeder hofft, irgendjemand würde sich erbarmen und endlich die Scheißantwort geben (bei den Kleinen ist es eher das Gegenteil, da melden sich immer alle, um einem von ihren Kaninchen zu erzählen, auch wenn man sie gerade nach dem Präteritum von backen gefragt hat), und auf der anderen Seite ich, der sie zappeln lässt.

Am Ende gibt es zwei Möglichkeiten. Man verschafft den Schülern einen angenehmen Lernschlaf, das heißt, der Lehrer stellt Fragen und beantwortet sie gleich selbst, oder Julia Weber rettet allen den Tag. Den Schülern, die wieder ein paar Minuten Zeit bis zur nächsten Frage gewonnen haben, und mir, weil ich mir einreden kann, ich hätte meine Unterrichtsziele auf schülerzentrierte Weise erreicht.

»Sabeth, Hanna …«, sagt Julia Weber.

Es klopft an der Tür.

»Was?«, belle ich genervt. Eine dieser engagierten Jungkolleginnen, die einfach noch nicht lange genug da ist, als dass ich mir ihren Namen hätte merken können, steht im Türrahmen. Sie fällt mir immer mal unangenehm auf, weil sie in jeder Gesamtlehrerkonferenz eine Schülerumfrage vorschlägt: Doppelstundenmodell? Klingelton abschaffen? Cafeteriapreise? Fragen wir doch einfach die Schüler, was die davon halten.

Wollt ihr in Religion jede oder nur jede zweite Stunde Mandalas ausmalen?

Sollen wir die Schule vielleicht gleich ganz abschaffen?

Damit eines klar ist: Schule ist etwa so demokratisch wie Nordkorea. Schülerumfragen sind vergleichbar mit Wahlen in Russland. Sie bedeuten nichts. Alles, was die Schüler entscheiden können, ist, ob das Schul-T-Shirt rot oder blau sein soll. Und das ist auch verdammt gut so!

»Herr Milford, Sie haben einen meiner Schüler entführt!«, sagt sie streng.

Ich schüttle den Kopf.

»Ja, und?«

»Das dürfen Sie gar nicht. Kann ich ihn bitte wiederhaben?«

Das ist so eine ganz Verständnisvolle, Schülernahe, Oberliberale. Ich glaube, die ist sogar Vertrauenslehrerin. Oder Verbindungslehrerin. Oder wie das heißt.

»Ich unterziehe ihn gerade einer pädagogischen Maßnahme, die sein Leben verändern wird«, sage ich.

»Aber nicht in meinem Unterricht!«

»Jetzt gehört er mir. Nichts zu machen, Frau Kollegin!«

»Ich geh zum Schulleiter«, sagt sie und stürmt davon.

»Nur zu!«, rufe ich ihr nach.

»Lukas, welche anderen Frauen spielen in Fabers Leben eine Rolle?«

Ich suche meine Kreide und kann sie nicht finden, sehe aber stattdessen, wie Lukas Meier gerade rechtzeitig seinen Nachbarn aus dem Schwitzkasten entlässt, um sich auf die Antwort zu konzentrieren.

»Äh, also«, sagt er.

»Julia?«

»Ivy.«

»Sabeth, Hanna, Ivy. Was wissen wir über die? In welchem Verhältnis stehen sie jeweils zu Faber?«

Ich will die Ergüsse der Schüler, beziehungsweise die von Julia Weber an die Tafel schreiben, aber ich habe offenbar meine Kreidebox irgendwo liegengelassen.

Pascal Faller kommt zur Tür herein.

»Faller, lauf doch mal schnell ins Lehrerzimmer und hol mir ein Stück Kreide, sei so gut.«

Faller starrt mich an.

Ich starre zurück.

»Wieso immer ich?« Faller klingt nun einigermaßen verzweifelt.

»Fragst du das im Ernst?«

Er blickt ins Leere.

»Nein, eigentlich nicht.«

»Siehst du.«

Er schlappt davon mit seinen Runterhänghosen. Er trägt karierte Shorts. Weinrot.

Ich muss die Klasse etwas beschäftigen, bis die Kreide da ist. Ohne Kreide bin ich völlig verloren. Der Türklopfer kämpft mit den Tränen. Da muss er jetzt durch.

»Meier!«, rufe ich und sehe, wie Lukas Meier unter dem Tisch hervorkommt, wo sein Nebensitzer offenbar versucht hat, ihm in die Weichteile zu schlagen.

»Wie sieht’s aus?«

»Mit was, Herr Milford?«

»Na mit den Frauen?«

»Gut so weit.«

»Also, dann, ich höre?«

»Äh …«

Ich stelle mich absichtlich blöd, ich weiß natürlich, dass das letzte Buch, das Meier in der Hand hatte, das Pixibuch war, das er von seiner Patentante zu seinem vierten Geburtstag bekommen hat. Alles, was der liest, sind die Cliptitel auf Youporn, und die versteht er vermutlich noch falsch.

»Herr Milford, kommen Sie doch gerade mal schnell nach draußen.«

Die Nervkollegin hat tatsächlich den Schulleiter geholt. Von allen Pfeifen an dieser Schule ist er die größte. Hans-Heinz Heller. So heißt er wirklich. War bis vor drei Jahren ein ganz gewöhnlicher Kollege. Ist seither krampfhaft und extrem erfolglos um Autorität bemüht. Siezt jetzt alle, die er früher geduzt hat. Wir duzen ihn weiterhin.

»Frau … äh, übernehmen Sie doch gerade, ich bin gleich wieder da«, sage ich und registriere gerade noch den panischen Ausdruck im Gesicht der Referendarin.

»Sie haben doch studiert, oder?«, rufe ich ihr zu und gehe nach draußen auf den Gang.

»Das können Sie doch so nicht machen, das geht doch so nicht!«, empfängt mich Heller.

»Mensch, Hans-Heinz«, sage ich, »das ist eine äußerst sinnvolle pädagogische …«

»Das ist demütigend und menschenverachtend!«, quietscht die Kollegin dazwischen. »Dann machen wir gleich noch mit Waterboarding weiter, oder wie?«

»Gute Idee«, sage ich, »vielleicht nennt er uns dann noch die Namen seiner Gehilfen.«

»Kollegen«, sagt Heller, »jetzt mal ganz ruhig …«

Die Klassenzimmertür wird aufgestoßen und trifft Heller im Kreuz, der keuchend zu Boden geht.

Die Referendarin stürmt mit rotem Kopf heraus und verschwindet Richtung Toilette. Ich starre ihr nach.

»Aua«, wehklagt Heller unter mir.

»Jetzt stehen Sie doch nicht so blöd rum, helfen Sie mir mal!«, schreit mich die Kollegin an, während sie vergeblich versucht, dem nach Atem ringenden Heller aufzuhelfen.

Das Brokkoli-Attentat

»Gestern war übrigens unser Hochzeitstag!«

Meine Frau Karen empfängt mich mit einem Blumenstrauß. Um mich zu beschämen, kein Zweifel.

»Oh.«

Und dabei hatte ich mir so fest vorgenommen, ihn dieses Jahr nicht zu vergessen.

»Ach du …«, lächelt sie milde-säuerlich. »Das macht doch nichts. Denkst du halt nächstes Jahr dran, ja?«

Sie knallt die Blumenvase auf den Tisch und geht in die Küche. Was soll ich mir denn eigentlich noch alles merken?

Rein statistisch gehören Karen und ich zu den fünfzig Prozent der Verheirateten in Deutschland, die sich noch nicht getrennt haben. Immer öfter frage ich mich, ob das wirklich vernünftig ist. Ob unsere beiden pubertierenden Kinder – der unausgesprochene Hauptgrund gegen eine Trennung – wirklich so viel schlechter dran wären. Wie könnten sie noch seltsamer sein als im Moment? Und sie sind nicht einmal scheidungstraumatisiert!

Vielleicht sind wir einfach schon zu lange zusammen. Unsere Ehe ist mittlerweile ein Abnutzungskampf. Familientherapeuten hätten ihre Freude an uns. Die könnten mir dann vielleicht auch erklären, wie es so weit gekommen ist. Ich habe doch alles gemacht, was von mir verlangt wurde. Die Kohle herbeigeschafft. Über Gefühle geredet. Mit zu Ikea gegangen. Es hat wohl nicht gereicht.

Manche Männer bemühen sich lebenslang, das Wesen einer Frau zu verstehen. Andere befassen sich mit weniger schwierigen Dingen, zum Beispiel der Relativitätstheorie. Wusste schon Albert Einstein.

Heute hat Karen mal wieder etwas Asiatisches gekocht. In letzter Zeit aber immer öfter ohne Fleisch. Nur noch Reis und Gemüse. Aber wenn ich das thematisiere, bin ich wieder der Fünfziger-Jahre-Chauvi, das muss nicht sein. Für sie mag veganes Essen die Erlösung ihrer Seele sein, für mich ist es ein Fegefeuer chronischer Grundbedürfnisverweigerung.

»Und, wie war’s heute?«, fragt sie und schaut mich mit einem Blick an, den arglosere Gemüter als ich vielleicht als interessiert bezeichnen würden. Mich macht so was eher misstrauisch. Es gibt mittlerweile zu viele Minenfelder in unserer Ehe, und das Blöde ist, ich weiß nie, wo sie sind. Sage ich, es war die Hölle in der Schule, bin ich ein Jammerlappen und Weichei, sage ich, es war alles supi, muss ich sicher den Abfluss reparieren, einkaufen gehen oder eines der Kinder irgendwo hinfahren. Es ist ein Strategiespiel, dessen Regeln mir nie jemand erklärt hat.

»Und bei dir?«, frage ich stattdessen zurück, nicht, dass es mich interessieren würde, aber in der Schule stelle ich ja auch andauernd Fragen, deren Antworten mir egaler nicht sein könnten.