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Dritter Band der Polychora-Trilogie

 

Versprengte der Unendlichkeit

 

von Dennis Mathiak

 

 

 

 

Pabel-Moewig Verlag KG, Rastatt

Kleines Who is Who

 

Aliken Hantoon – die Terranerin kann ihrer Vergangenheit nicht entkommen

Angen-Math – der Wanderer erfährt, wer er wirklich ist

Atlan – der Lordadmiral der USO trägt eine schwere Verantwortung

Brody Bernsing – das »Walross« schätzt Atlans Zeitabenteuer

Cornelia Karsyk – der kesse Korporal gefällt nicht nur dem Salipir

Damika Milano – die alte Dame wird zur Mutter einer neuen Nation

Das Orakel – die Bewusstseinskopie kommt noch einmal davon

Faun Malkovoch – Tipa Riordans Erster Wesir findet den kalten Mann

Galverin Schmidt – der Herr des Quantenschaums gibt nicht auf

Ganus a That – Tipa Riordans Wissenschaftler riskiert viel

Harl Dephin – der Chef des Thunderbolt-Teams vertraut einem Greenhorn

Harlon Darter – der Hyperphysiker wird zum Kämpfer

Jamie Olmos – der Kommandant der Dreadful Three ist in »so etwas« einfach nicht gut

Jensen und Perez – die Soldaten haben Grund zum Schmunzeln

June McCarthy – der Leutnant gehört zu einem Psycho-Team, ohne es zu ahnen

Korbinian Yun – der Kommandant der VESPER ist stets die Ruhe selbst – zumindest nach außen hin

Korporal Meyer – der Shift-Pilot hat den Tunnelblick

Krzycho Seppelt und Bogdan Alabuks – die Piraten tragen ihre Chefin auf Händen

Lemut Halet – der junge ertrusische USO-Kadett wird zum Straßenbauer

Lea Long – der Oberleutnant der USO ist eine Smilerin

Naron Falton – der tiefgekühlte Arkonide sieht sich am Ziel seiner Träume

Persher Gust und Satran Kalandaar – die Mitglieder der »Fünf« müssen sich neu orientieren

Rulan Karkeron – der Chef der Abteilung A912 kann sein Misstrauen nicht überwinden

Saken Dasch und Ainut Hernason – das Duumvirat muss über seinen Schatten springen

Silana tar Kosh – die misshandelte Frau verrennt sich in eine Wahnidee

Tipa Riordan – die Piratin sorgt sich um den Arkoniden-Scheich

TRÄNE EINES ERSCHRECKTEN SONNENAUFGANGS – ein lebendes Schiff braucht einen neuen Namen

Vernil Grosz – der Leutnant und seine Männer beweisen Organisationstalent

Prolog

 

Ich bebte vor Zorn. Sprachlos starrte ich auf den Leichnam Tarquoschs. Die Arme des toten Zwergs standen weit von seinem hutzeligen Körper ab; die dürren Finger waren zu Klauen verkrampft. Ein Loch prangte inmitten der schmalen Brust. Aus den ausgefransten, fleischigen Rändern ragten an einigen Stellen Knochensplitter der Brustwirbel. Anders als thermische Waffenstrahlen hatte der herausgeschossene Glitter die Wundränder nicht kauterisiert. Dunkles Blut quoll daraus hervor und sammelte sich in dem exakt kreisförmigen Loch.

Der Angriff hatte ganz klar mir gegolten. Nur durch einen warnenden Impulses meines Extrasinns war es mir gelungen, rechtzeitig auszuweichen. Mein Herz schlug immer noch hart unter den Knochenplatten des Brustkorbs. Ich sah dem Tarquosch ins Gesicht. Die pergamentartige Haut spannte sich über den ausgeprägten Wangenknochen und die ohnehin schon blasse Farbe war vollständig aus ihr entwichen. Den schmallippigen Mund hatte der Tote zu einem stummen Ruf geöffnet. Dunkelgelbe Zähne lugten daraus hervor. Seine aufgerissenen Augen zeugten von der schmerzhaften Überraschung, die der Gnom in seinem letzten Moment verspürt haben musste. Niemand ahnte, dass er die mir geltende Waffe in sich trug, nein, dass er selbst diese Waffe war.

Tarquosch hat dich nicht in Schmidts Sphäre gelotst, sondern gelockt, warf mein Extrasinn ein. Der Angriff war von vornherein geplant, und Schmidt hat es mit ansehen wollen, nachdem er dir seine Macht demonstriert und dich gedemütigt hat!

Ich ging zu dem Kleinwüchsigen und kniete mich neben ihn in den Sand. Dann legte ich meine Hand auf seine Stirn. Der hutzelige Körper war noch warm. Einen letzten Gruß murmelnd schloss ich ihm die Augen. Er hatte sich zwar von Schmidt einspannen lassen, doch ich bezweifelte, dass Tarquosch wirklich verstanden hatte, in was für eine Auseinandersetzung er hineingeraten war.

»Vorsicht Sir«, rief einer der mich begleitenden USO-Spezialisten. Ich zuckte zusammen.

Angriff von rechts!, signalisierte mein Extrasinn, der um einiges schneller, als es mir möglich war, die auf mich einprasselnden Sinneseindrücke auswertete.

Ich warf mich nach hinten. Rücklings rutschte ich die niedrige Düne hinunter, auf der Tarquosch und ich gestanden waren, um die Attacken des Paladins auf Galverin Schmidts Turm zu beobachten. Durch den aufgewirbelten Sand hindurch erkannte ich ein flirrendes Geschöpf, das genau an jener Stelle einschlug, an der ich mich soeben noch befunden hatte. Staub und Felsen verschwanden mit einem Prasseln aus der Realität. Und mit ihnen der Leichnam des Gnoms.

Glitter! Galverin Schmidt war wieder dabei, den Quantenschaum zu manipulieren.

Instinktiv griff ich an meine Hüfte. Der Waffenholster registrierte meine Bewegung und stieß mir den Strahler in die Hand. Ich setzte auf den Glitter an, bevor er mir zu nahe kam, und schoss. Eine giftgrüne Strahlenbahn drang auf die Erscheinung ein, die aussah, als würde man die Landschaft durch ein billiges Prisma beobachten. Die flirrende Wolke verharrte auf der Stelle, kontrahierte … und zog sich zurück.

Ich atmete auf. Doch zu früh. Erneut raste etwas auf mich zu. Täuschte ich mich oder nahm dieser angreifende Glitter die Form eines Wurms an? Noch während ich meinen Blick über den röhrenförmigen, segmentierten Leib aus gebrochenem Licht schweifen ließ, löste ich erneut den Desintegrator aus. Die Molekülverbindungen aufspaltenden Strahlen hatten sich bislang als einzig wirksame Waffe gegen den Glitter erwiesen. Wieder traf ich, wieder zog sich der Angreifer zurück. Doch unverzüglich folgten weitere Feinde.

Ich vernahm das Zischen mehrerer Strahlenwaffen hinter mir und sah grüne Energielanzen auf die unterschiedlich geformten Gegner zuschießen.

Es handelte sich mittlerweile um regelrechte Glitterkonstrukte! Bislang hatten sie uns lediglich durch die Wüstenlandschaft dieser Sphäre gejagt und uns von Schmidts schwarzen Turm ferngehalten, der sich in einigen Kilometern Entfernung drohend in den Himmel erhob.

»Sind sie in Ordnung, Sir?« Es rauschte in meinem Helmempfänger, dennoch erkannte ich die Stimme eines der fünf USO-Spezialisten.

Ich warf einen Blick über die Schulter und rief: »Ja! Bringen Sie sich in eine gesicherte Position! Ich komme klar!«

Ich ballte die Hände. Wenn das hier Schmidts Vorstellung eines Spiels war, musste es um seine Psyche schlimmer stehen, als ich befürchtet hatte. Allein der riesige Turm inmitten der Wüstenei war Sinnbild seiner Hybris.

Hundertvierzig Jahre im Besitz grenzenloser Macht durch die Schaumphasentechnologie korrumpieren den tadellosesten Menschen. Und zu dieser Gattung gehörte Schmidt schon bei eurem Aufbruch nicht.

Der Extrasinn hatte recht. Fieberhaft überlegte ich, wie wir uns aus der misslichen Lage befreien konnten.

Denk nach! Was sind seine Schwächen?

Ich vergegenwärtigte mir, was mir Aliken Hantoon über ihren ehemaligen Partner berichtet hatte. Deutlich erinnerte ich mich an ihre Schilderungen seiner Wutausbrüche …

Jähzorn!, schoss es mir durch den Kopf. Schmidt ist leicht zu provozieren, ein cholerischer Charakter. Und am empfindlichsten trifft es ihn, wenn man seine Leistungen herabsetzt.

Die Situation schien ausweglos. Die Angriffe des Paladins trugen keine Früchte. Es ging lediglich darum Zeit zu gewinnen – nur, wofür? Wer sollte uns zu Hilfe kommen? Die Stadt aus Eis und Stahl war weit entfernt. Wir mussten Schmidt aus der Reserve locken und eine Entscheidung herbeiführen.

Deshalb stellte ich die Außenlautsprecher meines Anzugs auf volle Lautstärke und rief in Richtung des schwarzen Turms: »In Ordnung Schmidt, ich gebe Ihnen eine letzte Chance. Ergeben Sie sich! Ihre kleinen Kunststücke beeindrucken mich kein bisschen!«

Augenblicklich verharrten die Glitterkonstrukte für einen kurzen Moment. Ich erkannte in meiner Helmprojektion, dass die fünf Spezialisten die Gelegenheit nutzten, zu mir vorzudringen. Dann vernahm ich ein wütendes Lachen, das die trockene, heiße Luft in Schwingung versetzte. Der Glitter griff den Paladin wieder an. Heftiger als zuvor.

Es scheint zu funktionieren, raunte der Extrasinn.

Einige der flirrenden Konstrukte rasten auf mich zu. Zunächst gestaltlos, bündelten sie sich und nahmen das Erscheinungsbild eines Haluters an. Von einem leisen, gläsernen Singen begleitet, stürzte die Gestalt auf den Boden zu und landete, ohne eine Erschütterung zu verursachen. Sie verharrte für den Bruchteil einer Sekunde. Dann ruckte der halbkugelförmige Kopf in die Höhe. Der Glitter fuhr die Stielaugen seines Haluterkörpers aus, riss das kegelzahnbewehrte Maul auf und kreischte wie tausend zerspringende Gläser. Er ließ sich auf die Handlungsarme fallen und galoppierte los.

Er verspottet dich, indem er deine wirksamste und gefährlichste Waffe imitiert, raunte der Extrasinn.

Ich aktivierte den Antigrav meines Kampfanzugs und flog in die Höhe. Der Glitter-Haluter preschte unter mir hindurch. In ungezählten Trainingseinheiten und Kampfeinsätzen geübte Bewegungsmuster griffen, ließen mich meinen Kombistrahler auf das Konstrukt aus Schaumphasentechnologie richten und feuern. Der Desintegratorstrahl traf das Geschöpf Galverin Schmidts. Es zuckte zusammen. Ich ließ den Auslöser nicht los. Der Angreifer verlor seine Form, zog sich zusammen und floh. Ich gönnte mir einen kurzen Moment der Erholung und sog die heiße, sandige Luft in meine Lungen.

Vorsicht!

Instinktiv schoss ich noch höher in die Luft, dem blaugrauen Himmel der Hohlsphäre entgegen. Unter mir raste ein weiterer Glitter-Haluter hindurch. Er bremste, wirbelte Sand auf, sah zu mir hoch und – und sprang!

Ich feuerte, was mein Kombistrahler hergab. Noch mehr Konstrukte stürmten auf mich zu.

Sie agieren unüberlegt und übereilt, analysierte der Extrasinn. Schmidt muss außer sich vor Wut sein und die Kontrolle verlieren. Deine Strategie scheint aufzugehen. Hör nicht auf damit! Das schafft dem Paladin Lücken in der gegnerischen Defensive!

Ich tat das Einzige, was mir spontan in den Sinn kam: Ich lachte Galverin Schmidt aus.

»Mehr hast du nicht zu bieten?«, rief ich.

Ein Vibrieren erfüllte die Luft, griff auf meinen Körper über und bereitete mir Übelkeit. Ich krümmte mich und ächzte, immer weiter lachend, um den Terraner zu provozieren.

»Major Dephin«, krächzte ich in mein Funkgerät und blickte zu dem schrundig-schwarzen Turm. Nur an den Siganesen gewandt sagte ich: »Ich denke, es wird Zeit, Mr. Schmidts Phallus-Ersatz den einen oder anderen Kratzer zu verpassen.«

Ich lächelte gequält. Eine sämige, warme Flüssigkeit tropfte mir aus der Nase auf die Oberlippe. Blut.

Dephins Stimme vibrierte trotz der heiklen Lage vor Belustigung. »Ich verstehe, Sir. Aye!«

Kapitel 1

 

15. September 3126

Gainbal-System, Ultraschlachtschiff VESPER,

Captain Jamie Olmos

 

Die beiden Menschen, die sich an Bord des Superschlachtschiffes VESPER auf den Rettungseinsatz vorbereiteten, waren eines der Psycho-Teams, derer sich die USO gerne bediente. Auch, wenn ihnen das nicht bewusst war. Die Ausbilder und Psychologen hatten sich entschieden, Einsatzteam darüber im Unklaren zu lassen, um die Dynamik ihrer sozialen Interaktion nicht zu bremsen. Das war durchaus Usus. Psycho-Teams konnten mit den verschiedensten Voraussetzungen und in den unterschiedlichsten Konstellationen mit höchster Effizienz funktionieren.

Im Gegensatz zu Duos wie Ronald Tekener und Sinclair M. Kennon bestand ihr Einsatzgebiet jedoch nicht in der verdeckten Ermittlung und Kriminologie, sondern in handfester Soldatenarbeit. Captain Jamie Olmos war Leiter der Abteilung Drei der Raumlandetruppen des USO-Superschlachtschiffes VESPER, Leutnant June McCarthy seine rechte Hand.

Die Dreadful Three genannte Einheit galt als furchtlos und risikofreudig. Innerhalb einer Organisation wie der USO, die nicht eben den Ruf besaß ihre Reihen mit Feiglingen und Hasenfüßen zu bestücken, war das durchaus bemerkenswert. Hundert Soldaten – Männer und Frauen, Terraner und Kolonialterraner sowie Mitglieder weiterer galaktischer Völker – unterstanden dem Kommando des Terraners Jamie Olmos.

Es entbehrte nicht einer gewissen Ironie, dass gerade die Dreadful Three zu Hilfe eilen sollte. Ihre Alleingänge waren berüchtigt und bei Vorgesetzten nur zähneknirschend geduldet.

»Das ist unser Tag«, murmelte June. Sie saß neben Jamie in der vorderen Reihe des Besprechungsraums ihrer Einheit, strich sich durch die fingerlangen blonden Haare und überprüfte nebenbei die Systeme ihres Kampfanzuges. June schien seinen Blick bemerkt zu haben, denn sie blickte ihn an und runzelte die Stirn. »Was ist?«

Er räusperte sich.

June seufzte. »Ich meine: Kann ich Ihnen behilflich sein, Captain, Sir?«

Jamie Olmos schüttelte den Kopf und fragte sich zum tausendsten Mal, was June und ihn seit ihrer gemeinsamen Ausbildung aneinander band. »Ich überlege nur gerade, weshalb dies unser Tag sein sollte.«

June grinste. »Die bösen Buben und Mädels der Dreadful Three hauen den Lordadmiral und die Musterknaben der A192 raus. Wenn das nicht ein Tag ist, der in die Geschichte der USO eingehen wird.«

»Erstens«, insistierte Jamie, »denke ich nicht, dass wir an diesem Tag noch Geschichte schreiben werden.« Er deutete auf die im Präsentationsdisplay eingeblendete Zeitanzeige.

Der 15. September neigte sich dem Ende zu. »Zweitens sind Captain Karkerons Leute keine Musterknaben, sondern bestens ausgebildete USO-Spezialisten.«

June grinste schief. »Sag ich ja!«

»Obwohl man sie im Vergleich zu dir durchaus als solche bezeichnen könnte.« Jamie schüttelte wieder den Kopf.

Das wiederum veranlasste sie, noch breiter zu grinsen. »Und genau aus diesem Grund bist du so scharf auf mich, Tiger.«

»Leutnant!« Jamie blickte durch das offenstehende Schott des spartanisch eingerichteten Besprechungsraums in das angrenzende Zimmer hinein. Zwei seiner Männer waren zu sehen, doch sie schienen darauf konzentriert, ihre Kampfanzüge für den bevorstehenden Einsatz zu überprüfen.

Leiser fuhr er fort: »Du könntest dich wenigstens umsehen, ob wer mithört, bevor du solche Sprüche raushaust. Hinterher glaubt noch irgendwer den Unsinn, den du von dir gibst.«

Junes Grinsen wich nicht aus ihrem Gesicht. Langsam führte sie ihre Lippen an sein Ohr und flüsterte: »Gib zu, du willst es auch. Du vermisst es doch, mir zu zeigen, dass du der Tiger bist.«

Jemand räusperte sich.

Jamie sah auf. Er hatte nicht gehört, dass eine Person den Raum betreten hatte.

»Genug geflirtet, Sir.« Korporal Meyer trat schmunzelnd zu ihnen. Er hatte einen recht klein gewachsenen Mann im Schlepptau. Die runzlige Haut und eine vorgewölbte Tonnenbrust wiesen ihn als Marsianer aus. Er trug weite, beigefarbene Hosen und einen schlabberigen Pullover.

»Darf ich vorstellen: Ganus a That. Er wurde uns von Oberst Yun als wissenschaftlicher Berater zugeteilt.«

Jamie verkniff sich die Zurechtweisung, die ihm ob der Respektlosigkeit Meyers auf der Zunge lag, sondern strafte den Korporal mit einem bösen Blick. Er wusste, dass die lockeren Sprüche zu den Soldaten der Dreadful Three gehörten, wie der Rüsselreiniger zum Unither. Letztendlich genoss Jamie bei seinen Leuten den höchsten Respekt, den sich ein Vorgesetzter nur wünschen konnte. Das hatte sich in den letzten zehn Jahren in ungezählten Einsätzen gezeigt. Nur deshalb, dessen war sich Jamie sicher, war ihre Gruppe nicht längst auseinandergerissen und diszipliniert worden: Es gab nichts zu disziplinieren; die schreckliche Drei mochte ungehobelt wirken, doch wenn es drauf ankam, war an ihrer Effizienz nicht zu zweifeln.

»Mister a That, es freut mich, Sie kennenzulernen. Ich nehme an, Sie sind über das Ziel unseres Einsatzes ausführlich unterrichtet worden.« Er stand auf und reichte dem Marsianer die Hand.

A Thats Händedruck war angenehm fest, zumindest für einen Wissenschaftler. Noch dazu für einen, der bei der prominentesten Verbrecherin der Milchstraße angestellt war. Manche Vorurteile erwiesen sich eben doch als das, was sie waren.

»Ihre Vorgesetzten und Spezialisten haben mich sozusagen mit Informationen vollgestopft«, jammerte a That. »Mir steht der Kopf sonst wo.«

June stand ebenfalls auf. Sie grinste immer noch. Oder schon wieder. »Gut, Sandfloh, dann wissen Sie ja bereits, wie schwer wir einfaches Volk es mit dem übrigen USO-Personal haben.« Sie klopfte dem Marsianer auf die Schulter, worauf dieser ächzend in die Knie ging.

»Einfaches Volk … Pah!«, murmelte er.

June stieß ein glockenhelles Lachen aus und ließ die Männer allein.

 

»Müssen wir wirklich all den Krempel mitschleppen?«, mäkelte June.

Jamie schenkte ihr nur einen unwilligen Blick. Dann konzentrierte er sich wieder auf seine Datenfolie. Er wischte darüber hinweg. Die nächste Seite des Inventars erschien.

»Ganz im Ernst: Mit den Sachen könnten wir ja eine ganze Stadt notversorgen.«

Im Hangar A5 der VESPER beluden Transportroboter soeben die Frachträume der fünf Spezial-Shifts, mit denen vierzig Soldaten aus Jamie Olmos’ Abteilung zu einer Erkundungsmission aufbrechen sollten. Hinzu kamen ebenso viele GLADIATOR-Roboter vom Typ R3 – Kampfmaschinen der neusten Bauart – und jede Menge Ausrüstungs- und Nothilfematerial. In den Hangars der übrigen fünf Raumlandeabteilungen sah es nicht anders aus, wie Jamie wusste.

Es war auf den oberen Decks heftig und bitter diskutiert worden, ob sie diese Rettungsmission für Lordadmiral Atlan, die Abteilung A192 und die Besatzung der WAV-E in Angriff nehmen sollten. Die Erkundungssonden und -drohnen waren allesamt vom Glitter attackiert und in den meisten Fällen zerstört worden, bevor sie hatten abdrehen können. Tiefer als zweihundert Meter unterhalb der Magmakammer, in der die Forschungsstation Tipa Riordans lag, hatten sie nicht vordringen können. Letztendlich hatte man beschlossen, einen Vorstoß zu wagen.

Jamie faltete die Datenfolie zusammen und steckte sie in eine Tasche seines Kampfanzugs. Dann drehte er sich zu June um, die nicht aufhörte, sich über den verschwendeten Platz zu beschweren. Sie hätte lieber Waffen geladen, um die Flüchtlinge gegen den Glitter auszurüsten. Vollgepackt mit sieben Sachen, die humanitäre Hilfe leichter machten, fühlte sie sich angreifbar.

»June, wir wissen nicht, wie viele Menschen tatsächlich auf unsere Unterstützung angewiesen sind. Denk daran, dass Galverin Schmidt laut Riordans Angaben um Jahrzehnte gealtert schien. Offensichtlich existieren in diesem Polychora unterschiedliche Zeitabläufe. Die WAV-E-Besatzung hat sich angeblich über mehrere Generationen vermehrt. Der letzte Funkspruch, der uns von Karkeron erreichte, sprach von über fünfhundert Flüchtlingen. Und das war erst der Beginn der Evakuierungsmaßnahmen.«

Jamie spielte auf die Hyperboje an, die den Übergang zwischen der Störungszone und dem Polychora genannten Gebilde durchflogen hatte, in dem die Menschen verschollen waren. Zunächst hatte sie ein Datenkonvolut gesendet, das sie auf den neuesten wissenschaftlichen Stand bezüglich der Zone und Polychoras gebracht hatte. Die Daten waren an das Orakel, Tipa Riordans Wissenschaftler und die USO gegangen. Geheimniskrämerei hatte in dieser Notsituation keinen Sinn, weshalb alle Parteien auf dem ungefähr gleichen Wissensstand waren. Mit dem Unterschied, dass Riordans Wissenschaftler Erfahrungen aus mehreren Jahren Forschung mitbrachten. Deshalb war Jamie auch Ganus a That als Berater zur Seite gestellt worden. Aus dessen Bericht ging hervor, dass die bisherigen Erkenntnisse viele Vermutungen seines Teams bestätigt und ergänzt hatte. Man bewegte sich zwar immer noch auf dem dünnen Eis des Spekulativen. Jedoch übersprang man durch die von Aliken Hantoon übermittelten Erfahrungen mit der Schaumphasentechnologie mehrere Jahre Forschungsarbeit.

Die humanitäre Situation hingegen, die Karkeron in seinem letzten Funkruf geschildert hatte, schien katastrophal. All ihr Wissen über den Quantenschaum und die damit verbundenen Möglichkeiten nützten kaum etwas bei der Durchführung der Rettungsmission. Zuletzt hatte der Oxtorner von Angriffen des Glitters berichtet. Das war in den frühen Morgenstunden des 15. September gewesen. Seitdem war kein Funkkontakt mehr zustande gekommen. Man befürchtete, dass der Übergang geschlossen worden war.

Das Orakel hingegen – das Maschinenbewusstsein eines uralten Lemurer-Roboters, das sich in die Positronik der Station transferiert hatte – beteuerte, dass die Passage weiterhin durchquert werden könne. Man hatte sich letztendlich dazu durchgerungen, mehrere Kommandos zu entsenden. Zusätzliche Sorgen bereitete der zum Standarduniversum verschobene Zeitablauf in der Blase. Es war völlig unklar, ob er sich durch die Verbindung zur Milchstraße dem des Normalraums angepasst hatte oder nicht.

»Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste«, meinte Jamie deshalb. »Wir müssen damit rechnen, dass sich die Zahl der Flüchtlinge weiter erhöht hat, während wir unsere Mission vorbereiteten.«

June seufzte. »Die Mutter der Porzellankiste, ja? In Ordnung. Pack die Medoroboter, Notfall-OPs, Zelte, Thermodecken und was weiß ich ein. Stapel sie ruhig zwischen unseren Füßen bis zur Decke. Aber bitte – irgendwer muss unbedingt ein Medikament gegen eure anachronistischen Vergleiche erfinden. Das ist ja nicht auszuhalten.«

Kapitel 2

 

15. September 3126

Gainbal-System, Störungszone innerhalb des Mondes Nacht

Ganus a That

 

»Nehmen Sie bitte auf dem Notsitz Platz, Mr. a That«, wies ihn der Captain in der engen Pilotenkanzel des Shifts an.

Olmos war ein USO-Offizier, wie ihn sich Ganus a That stets vorgestellt hatte. Die mokkabraunen Haare trug er militärisch kurz. Seine Stimme klang nicht hart und rau, jedoch unerbittlich ernst. Aus jeder Pore seiner feinen Haut dünstete der Offizier das Pflichtbewusstsein regelrecht aus. Kurzum: A That wunderte sich, wie Olmos es in einer derart verlotterten Gruppe aushalten konnte.

»Ihre Männer«, versuchte sich der Marsianer an etwas Small Talk, »haben eine … nun, nennen wir es eine eigensinnige Art von Humor.«

Gelächter drang aus dem hinter ihnen liegenden Raum, in dem sich die Soldaten des Raumlandetrupps aufhielten. Derbe Scherze schwirrten durch die Luft, wie a That sie eher von Tipa Riordans Söldnern erwartet hätte. Vor allem die rechte Hand des Captains, Leutnant June McCarthy, tat sich als besonders einfallsreich hervor, was das gestenreiche Vortragen möglichst zotiger Witze anging.

Olmos nickte lediglich knapp, murmelte etwas und konzentrierte sich unbeirrt auf die Schaltungen seiner Konsole.

A That zwängte sich daher in den ihm zugewiesenen Notsitz. Der Kampfanzug, den man ihm angelegt hatte, passte gerade so zwischen die Lehnen. Der Wissenschaftler fühlte sich eingepfercht wie ein marsianischer Sandläufer in seinem Fahrgestell, die den Nachfahren terranischer Dromedare bei den alljährlichen Kutschrennen auf dem Pounder Desert Circuit aufgezäumt wurden.

Er seufzte und verfluchte seine Entscheidung, die USO bei der Rettungsmission für Atlan, Captain Karkerons Gruppe und die Besatzung der WAV-E zu unterstützen. Aber wer wagte es schon, Tipa Riordan einen Wunsch abzuschlagen?

»Ich möchte, dass zumindest ein vernunftbegabter Mensch bei diesem Himmelfahrtskommando dabei ist und den USO-Lümmeln auf die Finger schaut, Ganus«, hatte Riordan gesagt und mit der Spitze ihres Stocks auf seinen Brustkorb gedrückt. »Passt man nicht auf, jagen diese Kretins noch ganz Polychora in die Luft und reißen damit die gesamte Milchstraße in den Abgrund.«

Die Chefin hatte ihn natürlich nicht gezwungen. Sie war sich der Gefahr bewusst, die dieser Einsatz barg. Doch was wäre die Alternative gewesen?

Denzen Hesper gehen zu lassen. Diesen Frischling!

Sein ›Kollege‹ war ganz wild darauf gewesen, die Mission zu begleiten. Selbstverständlich hatte a That also zugesagt. Seine Aufgabe sollte es nun sein, Captain Olmos wissenschaftlich zu beraten …

Wissenschaftlich beraten. Ha! Was gibt es da schon zu beraten?, dachte a That in einem Anflug von Fatalismus.

Er starrte über Olmos Schulter in die Weite der Magmakammer. Unter ihnen lagen die Kuppeln der Forschungsstation. Graublaue Gasschwaden waberten durch die Kammer, von der aus Springer einst ihre Bergbauarbeiten begonnen und Schächte in die Tiefe des Mondes getrieben hatten, eines Trabanten des Gasriesen Nancanor.

A Thats Gedanken verloren sich im Anblick der Schwaden und drifteten in die Vergangenheit ab, in eine Zeit, da die vor ihm liegende Magmakammer noch mit einem atembaren Stickstoff-Sauerstoff-Gemisch gefüllt gewesen war. Mit was für einem Enthusiasmus war er damals der Einladung der Piratenlady Tipa Riordan gefolgt, als sie ihm von ihrer Entdeckung berichtet hatte – eine Störung des Universums hatten es ihre Wissenschaftler genannt. Nun, Jahre später, waren sie klüger. Und auch wieder nicht.

Er seufzte leise. Bei der vor ihnen liegenden Zone, in der es unaufhörlich wetterleuchtete, handelte es sich um einen Durchgang zu dem von Riordan angesprochenen Quantenschaumgebilde namens Polychora. Dieses war, so vermutete zumindest der darin verschollene Lordadmiral Atlan, eine Arche, die aus unzähligen Lebensblasen bestand.

A That fröstelte, wenn er nur daran dachte, welche Macht derjenige besaß, der über diese unfassbare Technologie verfügen konnte. Eine Technologie, die Materie, Energie und Raumzeit auf der Ebene der Planck-Länge manipulierte. Die kleinsten Bausteine der Realität wurden durch die Anwendung der Schaumphasentechnologie beeinflusst. Die Möglichkeiten schienen unbegrenzt, denn die dafür benötigte Energie wurde quasi aus dem Quantenschaum geborgt.

Was dies ermöglichte, hatte a That mit eigenen Augen sehen müssen. Galverin Schmidt, der einstige Korporal der Solaren Flotte, hatte Gebilde namens Glitter geschaffen, die beinahe die Forschungsstation auf Nacht zerstört hätten. Dabei handelte es sich um flirrende Strukturen, die aussahen, als würde man den hinter ihnen liegenden Raum durch ein Prisma beobachten. Wenn er angriff, bildete der Glitter regelrechte Tentakel aus, die Verderben brachten. Dort wo sie auf Materie trafen, löste sich diese einfach auf. Menschen verschwanden, wie vom Erdboden verschluckt, oder quälten sich unter undenkbaren Schmerzen.

Wie schlimm mochten diese Leiden wirklich sein? A That hatte von einem Kollegen gehört, der Opfer des Glitters geworden war. Bislang war er unansprechbar, ein zitterndes und sabberndes Wrack, das sich einnässte vor Angst. Auch Faun Malkovoch, der erste Wesir Tipa Riordans, hatte Bekanntschaft mit dem Glitter gemacht, als er versucht hatte, Galverin Schmidt anzugreifen. Der Hüne schien es besser verkraftet zu haben. Zumindest sah es nach außen hin so aus.

Captain Olmos räusperte sich. »Mister a That?«

»Ja?« Der Marsianer schüttelte die trüben Gedanken ab und sah Olmos an. Er schauderte, als er des Ausdrucks in dessen Augen gewahr wurde. Mit einem Mal verstand er, weshalb dieses Muster eines Offiziers an der Spitze der Dreadful Three genannten Einheit stand. Wenn jemand diese Bande in Zaum halten konnte, dann er.

»Ich habe so eben unseren Marschbefehl empfangen. Sie waren bereits einmal in dieser Zone.« Olmos hatte sich in seinem Kontursessel zu ihm gedreht und deutete nun mit dem Daumen über seine Schulter, hinter der das Wetterleuchten der Störungszone blitzte. Nur die Kontrolle der Hochleistungspositronik, die Riordan einst von der USO erhalten hatte und in die sich das unausstehliche Orakel, die Bewusstseinskopie Calipher-SIMs transferiert hatte, verhinderte bislang, dass der Übergang zu Polychora kollabierte und den Mond womöglich in den Untergang riss. Genau konnte niemand sagen, was in diesem Falle geschah.

A That schluckte bei der Erinnerung an seinen ersten Ausflug und die Bergung Galverin Schmidts. Keiner hatte zu diesem Zeitpunkt ahnen können, was für ein Unglück der ehemalige Korporal über sie bringen würde.

»Ja, ich berichtete bereits mehrmals von meinen Erfahrungen.«

Olmos nickte. »Ich habe den Bericht eingehend studiert. Dennoch eine letzte Frage: Was, denken Sie, erwartet uns dort? Auf was sollen wir uns einstellen? Ich kenne den Ruf meiner Truppe, wir seien waghalsig. Aber glauben Sie mir, trotz allem hasse ich es, ins Ungewisse aufzubrechen.«

Ein bedauerndes Kopfschütteln war a Thats spontane Reaktion. »In der Zone ist nichts festgeschrieben. Kein Objekt, keine Realität hat Bestand. Ich kann Ihnen nur einen sehr unwissenschaftlichen Rat geben, Captain Olmos.«

»Und der wäre?«

Ganus a That faltete die Hände. »Sollten Sie an irgendwelche Götter glauben, dann beten Sie zu ihnen.«

 

Leutnant June McCarthy

 

»Es geht los, Leute«, rief Jamie aus der Pilotenkanzel. Neben ihm fungierte Meyer als Pilot. Der Wissenschaftler Ganus a That zwängte sich in den rechten der zwei Notsitze, die hinter den Pilotensesseln an den Wänden angebracht waren. Die leichten Seitwärtsbewegungen verrieten seine Unruhe. Hätte die wuchtige Konstruktion des gepanzerten Kampfanzugs ihn nicht in seiner Bewegungsfreiheit eingeschränkt, wäre er sicherlich auf dem Sitz hin- und hergerutscht.

June lächelte schmallippig. Zivilisten!

Allmählich erstarben die Gespräche der übrigen fünf Soldaten, die gemeinsam mit ihr im Personenraum saßen. Das Licht dimmte herunter und die Geräuschkulisse veränderte sich geringfügig. Der Boden vibrierte leicht, als Meyer ihren Spezial-Shift beschleunigte und auf die Störungszone zusteuerte, die inmitten der Magmakammer aus dem Untergrund gestiegen war. Angeblich hatte sie sich vor kurzer Zeit noch unter dem Felsgestein in den ehemaligen Bergbauschächten befunden, ihr Zentrum in acht Kilometern Tiefe.

Es war ein Himmelsfahrtskommando mit ungewissem Ausgang. Selbst für die krisenerprobten Männer und Frauen ihrer Abteilung war dies keine Alltäglichkeit. June merkte es an Nuancen. Die Lautstärke der knappen Bemerkungen war etwas höher, die Lider und Mundwinkel zuckten öfter. Ihr gegenüber saß Perez und mahlte mit den Zähnen, dass seine Wangen bebten. Jensen neben ihm tippte nacheinander den Daumen auf die vier Finger der rechten Hand; mit der Linken klopfte er in einem unruhigen Rhythmus auf seinen Oberschenkel.

»Kommen Sie auf keinen Fall den Glitterkonstrukten zu nahe«, mahnte soeben Ganus a That. Widerwillig musste June dem Zivilisten Respekt zollen. Er war bereits einmal in die Störungszone aufgebrochen und wusste um die darin lauernden Gefahren. Dennoch begleitete er sie auf ihrer Mission. Und das, obwohl er nicht einen Einzigen der Menschen, denen die Rettung galt, persönlich kannte.

June klappte das Visier ihres Helms halb herunter und legte sich die Bilder der Außenbeobachtung auf das Display. Der Shift durchpflügte in zwanzig Metern Höhe graublaue Gasschwaden. Steuerbord in der Ferne erkannte June die Positionslichter der sie begleitenden Flugpanzer. Es waren vier an der Zahl, ausgerüstet mit dem Feinsten, was die USO zu bieten hatte. Paratron-, HÜ- und Deflektor-Schirme sowie ein verbesserter Anti-Ortungsschutz bildeten das Rückgrat der Defensivbewaffnung; hinzu kamen die empfindlichsten Ortungssysteme, die derzeit zur Verfügung standen. Die Offensivbewaffnung wies die größten Veränderungen auf; Paralysatoren als auch Thermo- und Impulsgeschütze waren größtenteils von Desintegratoren ersetzt worden. Der Glitter hatte bislang nur auf Beschuss durch die Molekülverbindungen zersetzenden Strahlenwaffen reagiert.

June schaltete auf die bauchseits liegenden Kameras um. Einige der unter ihnen daherhuschenden Kuppeln der Forschungsstation waren bereits von Glitterkonstrukten übernommen worden. Die Gebilde wüteten darin wie Derwische und lösten die Gebäude aus Terkonit, Panzertroplon und Stahlplastik aus der Realität, als seien es Seifenblasen, die man mit einem Fingerstich zum Platzen brachte. Die Soldatin erkannte die befallenen Segmente an der desaktivierten Beleuchtung; kein Schimmer drang durch die Sichtluken. Man nutzte die infolge der Abschaltung aller Systeme in diesen Bereichen gesparte Energie, um die noch nicht betroffenen Teile der Station besser schützen zu können. In erster Linie galt es, die Hochleistungspositronik zu unterstützen. Denn nur aufgrund ihrer Rechenleistung wurde die Störungszone inmitten der Magmakammer stabilisiert, wusste June aus dem Missionsbriefing. Eine Kopie des Lemurer-Roboters Calipher-SIM, die zu Tipa Riordan gehört hatte und deren Träger bei einem Angriff Galverin Schmidts zerstört worden war, existierte fortan in der Rechenmaschine. Das Orakel genannte Maschinenbewusstsein war es auch, das die Hyperfunkbojen steuerte. Diese sollten auf ihrer Mission dafür Sorge tragen, dass der Kontakt unter den Abteilungen der Raumlandetruppen und zur Station nicht abbrach.

»Achtung, wir erreichen die Ausläufer der Zone«, meldete Jamie. Er klang ruhig und gefasst, wie immer. Doch June kannte ihn seit über zwanzig Jahren. Sie registrierte im Timbre seiner Stimme die Sorge um das Wohlergehen der ihm anvertrauten Männer und Frauen. Zwar handelte es sich vorerst nur um eine Erkundungsmission, doch brannte ihnen die Zeit unter den Nägeln. Sollte sich die Möglichkeit ergeben, nach Polychora durchzubrechen, würden sie diese nutzen.

June schaltete wieder auf die Bugkameras um. Die Gasschwaden waren einer irrealen Szenerie gewichen. Es schien, als flogen sie durch ein riesiges Höhlensystem, dessen Wände aus grünlich-gelbem Marmor bestanden. Gleich imposanten Kalmaren trieben Glitterkonstrukte umher. Aus etlichen Felskammern lugte insektoid geformter Glitter, krabbelte daraus hervor und, einer Ameisenkolonne ähnelnd, in Reih’ und Glied die Höhlenwände entlang.

Sekunden später passierte ihr Shift eine unsichtbare Barriere. Das Höhlensystem wich einem purpurnen Tal. Ein ockerfarbener Strom floss träge daher. Am violetten Firmament schwebten weiterhin die Glitter-Kalmare. Die Ameisenkolonnen erklommen die Steilwände der das Tal begrenzenden Berge und ließen die Grenze der an Zypressen erinnernden Kristallbäume hinter sich.

»Ist das schon Polychora?«, fragte Jamie den Wissenschaftler. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Übergang sich als derart problemlos erweist.«

»Ich denke nicht. Auch bei unserer ersten Expedition, auf der wir Galverin Schmidt entdeckten, wurden uns fremde Realitäten vorgegaukelt. Beziehungsweise existierten sie tatsächlich. Zwar sind diese … Schaumphasenrealitäten mittlerweile um einiges komplexer, glaubt man aber Schmidts Erzählungen, besteht Polychora aus unzähligen, auf eine gewisse Größe begrenzten Lebensblasen. Ich messe jedoch keine klare Begrenzung dieses Bereichs an. Er gleicht eher einer Wolke. Wir befinden uns folglich noch in der Störungszone. Allerdings ermittle ich eine Verdichtung des Quantenschaums. Einige Kilometer von unserer derzeitigen Position entfernt. Sie entspricht genau den Koordinaten, an denen wir vor bald acht Tagen Schmidt entdeckten und bargen.«

»Dann nichts wie hin«, sagte June.

Jamie warf ihr einen prüfenden Blick zu. In diesem Moment wandelte sich ihre Umgebung ein weiteres Mal. Die Berge implodierten regelrecht. Meyer betätigte ein Befehlsfeld und übertrug die Töne der Außenbordmikrofone. Ohrenbetäubendes Donnern erschallte. Noch bevor die Geräuschlawine verstummte, entstanden aus den Trümmern kristallene Türme. Anstatt in die Höhe zu wachsen, schossen sie in alle Himmelsrichtungen. Erde und Himmel verblassten und machten einem wesenlosen schwarz-blauen Wallen Platz, ähnlich dem Abstrahlfeld eines Transmitters. Die silberweißen Kristallsäulen spannten darin ein unentwirrbares Netz.

»Irrsinn«, raunte Jensen. »Sieh dir das nur an, McCarthy.« Dem bulligen Olymp-Geborenen hing die Kinnlade herab. Wie ein kleines Kind bestaunte er die auf sein Display projizierten Bilder.

»Reiß dich zusammen«, zischte sie. »Das ist alles nur Illusion.« June interessierte viel mehr, wo der Glitter abgeblieben war.

»Keineswegs«, schaltete sich a That ein. June sah in die Pilotenkanzel. Der Marsianer hatte sich ihnen zugewandt. Schweißperlen standen ihm auf der Stirn, doch seine Stimme klang wissenschaftlich nüchtern. »Was Sie sehen, ist real. Fragen Sie mich nicht, wer das hier wieder und wieder erschafft. Aber es muss einen lenkenden Geist geben. Die Schaumphasentechnologie wirkt durch die Manipulation des Quantenschaums. Alles scheint denkbar. Doch die erschaffenen Objekte und Realitäten benötigen einen konstruktiven Einfluss, der sie aufrecht hält.«

»Galverin Schmidt?«, riet June.

»Möglich«, antwortete a That. »Vielleicht sind wir es aber auch selbst; alle gemeinsam.«

»Wie soll das denn gehen?«, fragte Jensen.

»Das ist eines der quantenmechanischen Gesetze«, erklärte a That. »Ein Beobachter beeinflusst das Ergebnis seiner Beobachtungen.«

»Aha.« Perez runzelte die Stirn.

June grinste. »Zerbrich dir nicht dein hübsches Köpfen über …«

»Glitter!« Meyers Stimme schrillte durch den Shift.

Da ist er also geblieben, durchzuckte es Junes Verstand. Gerade passierten sie eine der Kristallsäulen in nur wenigen Metern Entfernung, da preschte ein Kalmar genau auf sie zu.

June krallte sich instinktiv in die Lehnen ihres Sitzes. Dann schüttelte es den Shift durch.

Jensen fluchte.

Meyer riss den Flugpanzer in eine steile Linkskurve.

Für einen Moment reagierten die Andruckabsorber zu träge, und die Fliehkraft presste June in ihren Sitz. Keuchend rang sie nach Luft.

»Desintegratorfeuer …«, krächzte Meyer.

June drehte ihren Kopf in Richtung Pilotenkanzel. Wie durch einen roten Schleier sah sie Jamie, der Schaltungen vornahm. Erneut erschütterte ein Schlag den Shift. June rebellierte der Magen. Sie hatte plötzlich das Gefühl zu fallen.

Dann war es vorbei. Der freie Fall endete. Die Absorber nahmen wieder ihre Tätigkeit auf. Die Last wich von ihrer Brust. Mit einem tiefen Stöhnen saugte June Luft ihn ihre Lungen. Tränen rannen ihr die Wangen hinab.

»Scheiße! Ich bring den Idioten um, der diesen Shift für einsatzbereit erklärt hat!« Perez Gesicht glühte rot. Ächzend griff er sich an die Stirn. Eine dicke Beule wölbte sich darauf.

Allmählich bekamen die Männer und Frauen wieder Luft. Weitere Flüche und Drohungen wechselten die Besitzer.

»Das … war … der Glitter.« Ganus a That rang nach Luft. Mit einer fahrigen Bewegung wischte er sich den Schweiß von der Stirn. Mittlerweile klebten die Haare des Marsianers an seinem schmalen Schädel. »Er hat uns fast erwischt.«

»Klappe halten!«, rief Jamie. Er drehte seinen Sessel um und funkelte sie an. Sein Gesicht war aschfahl. »Abteilung Eins und Zwei wurden ebenfalls angegriffen. Sie haben Verluste erlitten.«

Jamie hielt den Kopf schräg, lauschte sicherlich dem Funkverkehr. Seine Wangenmuskulatur zuckte. In diesem Augenblick war ihm June dankbar, dass er es ihnen ersparte, die Funksprüche mit anhören zu müssen.

Mit einem Mal herrschte Stille. Niemand sprach ein Wort.

Dann explodierte neben ihnen der Shift S-V-31.

Kapitel 3

 

15. September 3126

Gainbal-System, Asther/Perya

Tipa Riordan

 

Der 8. September 3126 würde Tipa Riordan wohl für ewig als ein schwarzer Tag in Erinnerung bleiben. In den letzten Stunden hatte sie sich mehr als einmal gefragt, was geschehen wäre, hätte sie sich nicht dafür entschieden, Ganus a That in die Störungszone fliegen zu lassen, um die verschollenen Wissenschaftler ihres Teams zu suchen. Sie hätten nicht Galverin Schmidt gefunden und geborgen, so viel stand fest. Aber hätte das auch bedeutet, dass dieser dort geblieben wäre, wo er war? Hätte ihre Entscheidung wirklich bedeutet, dass die Leben der im Kampf verstorbenen Männer und Frauen verschont worden wären? Hatte Riordan sie mit der damaligen Entscheidung auf dem Gewissen?

Konjunktive!

Sie schüttelte den Kopf und führte die mit feinen Goldmustern geschmückte Porzellantasse zu ihren Lippen. Der Kaffee dampfte. Ein Duft nach Zimt und Cognac mischte sich unter das herbe Aroma. Riordan seufzte, nippte an dem Getränk und genoss den bitter-scharfen Geschmack einen Augenblick lang auf der Zunge, bevor sie schluckte.

»Ich hoffe, es mundet«, sagte Oberst Korbinian Yun. Der Kommandant des USO-Schlachtschiffs VESPER hatte um eine ›Audienz‹ bei ihr gebeten. Eines musste man dem streng wirkenden Mann zugestehen – er hatte Humor.

»Vorzüglich«, antwortete sie und trank dem Konterfei des Obersts zu, das ihr vom Hauptbildschirm ihrer Zimmerflucht auf Asther entgegenblickte.

Die letzten Tage und Stunden waren entbehrungsreich gewesen. Deutlich spürte Tipa Riordan das Pochen des Zellaktivators auf ihrer Brust, die schon viel zu lange auf die Zuwendung eines knackigen Burschen hatte verzichten müssen.

»Legen Sie los, Oberst Yun. Was liegt Ihnen auf der Seele?«, eröffnete sie den ernsten Teil des Gesprächs. »Sie melden sich bestimmt nicht, um mit mir zu plauschen.«

»Selbstverständlich nicht, Madam. Vielmehr geht es mir darum, Ihnen die dringliche Bitte vorzutragen, dem Triumvirat Asthers die Unaufschiebbarkeit eines offiziellen Hilfegesuchs an die USO deutlich zu machen.«

»Duumvirat«, korrigierte Riordan. »Vergessen Sie nicht, dass meine Leute den Naat Tirfin ›Blackfinger‹ Surget an die USO übergeben haben, weil er in die Machenschaften des Kults der feurigen Wiedergeburt involviert war.«

»Verzeihen Sie meinen Fauxpas. Ich ging davon aus, dass das Dreigestirn baldmöglichst einen Nachfolger ausfindig machen würde.«

»Warum so förmlich, Oberst? Vergessen Sie doch mal die Etikette der Diplomatie und sprechen Klartext: Die USO macht sich in die Hose, dass ihr Einsatz im Gainbal-System bei dem Triumvirat – von solchen Führungstrios scheint es in der Milchstraße derzeit zu wimmeln – des Carsualschen Bundes auf wenig Gegenliebe stoßen wird, sollte es erst einmal Wind davon bekommen.«

»Die diplomatischen Verwicklungen, die das nach sich ziehen würde, insbesondere eine militärische Auseinandersetzung als finale Reactio, sind unsererseits nicht erwünscht«, bestätigte Yun.

Erst vor ein paar Stunden war er mit der VESPER unweit des Mondes Nacht aus dem Linearraum aufgetaucht. Unversehens hatte sich das Ultraschlachtschiff über den Schacht zur Magmakammer und damit über ihrer Forschungsstation positioniert. So weit Riordan durch ihre Informanten, die noch innerhalb der Station weilten, in Kenntnis gesetzt war, liefen bislang Erkundungsmissionen mit Hilfe von Sonden und Drohnen, die jedoch bis dato allesamt in der Vernichtung der Aufklärer geendet hatten.

Wieder führte Riordan die Tasse zu ihren Lippen. Einen Moment lang beobachtete sie den Terraner über den mit Gold besetzten Tassenrand. Dann trank sie einen Schluck, noch einen, setzte die Tasse auf dem Unterteller ab und übergab das Porzellangedeck einem Servorobot.

»Ich habe hier noch einiges zu erledigen, Oberst. Aber ich anerkenne die Priorität Ihres Ansinnens. Selbstverständlich werde ich mit Saken Dasch und Ainut Hernason sprechen und Ihren Vorschlag vehement unterstützen.«

Yun nickte.

»Ich danke Ihnen, Madam.«

»Mir war es wie immer eine Freude, mit einem feinen Herr der USO zu parlieren, Colonel. Adieu.« Sprach’s und trennte die Verbindung.

»Sie werden also mit den beiden reden?«

»Faun!« Riordan hatte nicht mitbekommen, dass ihr Erster Wesir den Raum betreten hatte. Er trat hinter den in Rottönen gefärbten Seidentüchern hervor, die ihren Diwan umgaben. Neben ihr blieb er stehen und neigte grüßend seinen Kopf.

»Du sollst dich nicht so anschleichen«, schimpfte Riordan. Mit gut hinter ihrer runzligen Haut verborgener Sorge betrachtete sie den hünenhaften Terraner, der ihr stets zur Seite stand und der für sie diejenige Person in dieser Galaxis war, die einem Freund am nächsten kam. Er würde für sie durch die Hölle gehen, das hatte er bewiesen, als er sich Galverin Schmidt entgegen geworfen hatte und fast dem Angriff des Glitters zum Opfer gefallen war. Tipa Riordan machte sich eine geistige Notiz, Faun Malkovoch diese Tat zu entlohnen. Es wurde Zeit, ihm einmal zu sagen, wie sehr sie ihn schätzte. Aber vorerst mussten die sentimentalen Gespräche zurückstehen.

»Pardon, Ma’am. Ich bin losgeeilt, sofort als ich informiert wurde, dass Sie von der Forschungsstation auf Nacht zurückgekehrt seien.«

»Ich beschwerte mich nicht darüber, dass du unpünktlich seiest, du tumber Klotz! Aber sei’s drum. Ich werde vielleicht noch einmal zur Station zurückkehren müssen. Aber ich hoffe, die Evakuierung geht mittlerweile ihren geregelten Gang. Leider werden wir nicht all das teure Gerät bergen können.«

»Aber wir können alle Wissenschaftler und Techniker retten«, tröstete ihr Erster Wesir.

»Ja.« Die Miene der Piratin verfinsterte sich. »Zumindest diejenigen, die diesem verdammten Schmidt nicht schon zum Opfer gefallen sind.« Sie stand auf und klatschte in die Hände. »Faun, du hast es mitbekommen: Unser lieber Gast von der USO hat um Hilfe gebeten. Jemand muss versuchen, die Präsenz der USO im Gainbal-System politisch zu legitimieren. Ich werde mit Dasch und Hernason reden. Die Plophoserin wird uns keine Probleme bereiten. Ich hoffe zum einen auf ihre erkaufte Verbundenheit zu mir, zum anderen auf ihren gesunden Menschenverstand. Asther und Perya ist es nicht damit gedient, wenn der Carsualsche Bund galaktopolitische Zwistigkeiten in das Gainbal-System trägt. Saken Dasch ist auch nicht dumm. Ich bin zuversichtlich, das Thema rasch erledigen zu können.«

»Ich werde Sie begleiten, Ma’am«, bot Malkovoch an.

»Nein, das wirst du nicht.« Riordan schüttelte den Kopf, dass ihr Haarnest wackelte. Mit der Plophoserin und dem Akonen würde sie allein fertig werden. Zwar war vor allem Saken Dasch auf das Äußerste verstimmt, da die USO mit ihrer Hilfe mittlerweile die Schlüsselpositionen auf der zur Raumstation umgebauten Springerwalze übernommen hatte. Doch sie würde ihm schon die Vorzüge der Hilfsaktion begreiflich machen. Bislang hatte sich die USO noch immer als großzügig erwiesen, wenn man ihr Unterstützung geleistet hatte.

Letztendlich würde er nicht erfahren, dass Tipa Riordan bereits vor einigen Monaten dafür gesorgt hatte, dass der kriminelle Ara Gorken Tansith ›kaltgestellt‹ worden war. Der vom Wissenschaftler Naron Falton gegründete Kult der feurigen Wiedergeburt hatte endzeitgläubigen Idioten die Reinkarnation in einer besseren Welt versprochen. Angeblich hatte Falton eine Schwächung des Universums ausgemacht, die der Übergang zu einer anderen Ebene darstellte. Aufgrund dessen war Riordan einst auf das System aufmerksam geworden und hatte die Störungszone auf Nacht entdeckt. Falton hingegen hatte die Anomalie innerhalb des Gasriesen Nancanor vermutet. Mit viel Geld oder durch Frondienste hatten einige geistig Schwache dafür bezahlt, in Kryostase versetzt zu werden und in Nähe des Übergangs auf ihre ›feurige Wiedergeburt‹ warten zu dürfen. Irgendwann war der Ara Tansith in der Sekte aufgetaucht und dazu übergegangen, unschuldige Menschen zu entführen, lebendig einzufrieren und ihre Angehörigen um Lösegeld zu erpressen. Tante Tipa schätzte ›ehrliche‹ Gaunereien. Aber was Tansith verbrochen hatte, machte sie nun doch rasend. Mittlerweile hatten Angehörige der USO den von ihren Leuten ebenfalls in Kryostase versetzten Ara verhaftet und erste Entführungsopfer entdeckt.

Rätselhaft blieb, wo der arkonidische Wissenschaftler Falton abgeblieben war. Riordan vermutete, dass Tansith ihn in gleicher Weise auf Eis gelegt hatte.

»Der Übergang zu Polychora scheint alles andere als einfach begehbar zu sein«, reagierte Riordan auf Malkovochs fragenden Blick, warum er sie nicht begleiten solle. »Du erinnerst dich sicher an den Namen Naron Falton.«

Faun Malkovoch nickte. »Ich verstehe. Sie versprechen sich von ihm, dass er uns zu einem weiteren Übergang führt, den er in der Atmosphäre Nancanors vermutete.«

Riordan nickte. Ihr Erster Wesir wirkte tumb. Er war aber alles andere als das. »Oder dass er mehr über den Durchgang weiß, als man annimmt. Dann könnte er das Orakel dabei unterstützen, die Störungszone zu stabilisieren und den Durchgang passierbar zu halten.«

»Dafür müssten wir ihn aber erst einmal ausfindig machen.«

»Ich baue auf dich, Faun. Finde mir das Weißhaupt und taue es auf. Dann soll es dem Orakel helfen oder uns zu seiner Schwächung des Universums führen.«

»Falton wurde ob seiner Theorie verlacht«, wandte Malkovoch ein.

»Vielleicht ist er nur ein Wirrkopf. Aber wir haben tatsächlich eine Störungszone auf Nacht entdeckt. Wahrscheinlich ist derjenige, der am meisten verlacht wurde, letztendlich mal wieder auch derjenige, der zuletzt lacht.«

 

Tipa Riordan seufzte. Natürlich hatte ihr Erster Wesir nicht darauf verzichtet, ihr zwei Leibwächter von Bord der BUTTERFLY hinterherzuschicken. Unauffällig – zumindest glaubten die beiden Männer das wohl – folgten sie ihr durch die schmuddeligen Gänge Asthers. Mit Hilfe des in ihrem Haarnest verborgenen Ortungsgeräts, das seine Messdaten über eine Schwingungsflachsonde direkt in Riordans Gehirn übertrug, hatte sie die beiden schnell identifiziert. Es waren der aus einer Modelaune heraus Brille tragende Krzycho Seppelt und Bogdan Alabuks, der von den Frauen Schatz gerufen wurde und dessen ganzer Stolz sein gepflegter, von einigen grauen Haaren durchsetzter Schnurrbart war.

Liebevoll tätschelte Tante Tipa, wie der Arkon-Scheich sie einst getauft hatte, ihren Spazierstock. Wann würde Faun endlich kapieren, dass sie sich selbst zu beschützen wusste? Sie seufzte. Er meinte es ja nur gut. Also tat sie ihm den Gefallen und schickte die zwei Piraten nicht weg.