Judith Allert

Sternstraße, die Vierte

Mit Illustrationen von Joëlle Tourlonias

Impressum

Alle Bände mit »Paula und Lou«

1. Wirbel in der Sternstraße

2. Tiger, Sterne und ein Kroko-Mann

3. Alle lieben Rüdiger

4. Sternstraße, die Vierte

Die ganze Welt der Sternstraße auf www.arsedition.de/​paulaundlou

Vollständige eBook-Ausgabe der Hardcoverausgabe

© 2013 arsEdition GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten

Text: Judith Allert

Cover- und Innenillustrationen: Joëlle Tourlonias

Lektorat: Maraike Sörensen-Knoop

Umsetzung eBook: Zeilenwert GmbH

ISBN eBook 978 - 3 - 7607 - 9848 - 6

ISBN Printausgabe 978 - 3 - 7607 - 8756 - 5

www.arsedition.de

Alle Rechte vorbehalten. Unbefugte Nutzungen, wie etwa Vervielfältigung, Verbreitung, Speicherung oder Übertragung können zivil- oder strafrechtlich verfolgt werden.

Inhalt

Cover

Titel

Impressum

Übersicht

über die Bewohner in der Sternstraße Nummer 7

Prolog

in dem ein Schaukelpferd ein Rätsel aufgibt

1. Kapitel

in dem das Sternchen schwarz-weiß ist, Schwimmbad ins Wasser fällt und eine Sternschnuppe dringend nötig ist

2. Kapitel

in dem ein Name mehr hält, als er verspricht, der Dachboden zum Dschungel wird und eine Suppe womöglich die Ferien rettet

3. Kapitel

in dem ein komischer Vogel vor die Kamera flattert und ein Gurgelkonzert stattfindet

4. Kapitel

mit einem sprechenden Kamel, einer Fata Morgana und Trubel im Doppelpack

5. Kapitel

in dem Rapunzel ihren Text vergisst, ein Orang-Utan für Schrecken sorgt und viel geflüstert wird

6. Kapitel

in dem Idefix und Obelix im Sternchen einchecken, zwei Ameisenbanden eine einsame Insel bevölkern und Hausaufgaben die Lösung sind

7. Kapitel

in dem nur der Kojote nicht ganz überzeugt, ein Spaziergang zum Tagesmarsch wird und eine Duschel alles vermasselt

8. Kapitel

in dem Paula und Lou auf Momos Spuren wandeln und den Sternen der Sand zwischen den Zehen knirscht

9. Kapitel

in dem sich die Wilden ihr Wurmragout schmecken lassen und etwas streng Geheimes vor sich geht

10. Kapitel

in dem zwei Sterne aus der Reihe tanzen, Paula und Lou sich in die Höhle des Löwen begeben und eine leere Schublade mehr sagt als tausend Worte

11. Kapitel

mit Raubtieren und tollkühnen Akrobaten. Die Tarnung wird zur Zwickmühle und die Sterne leuchten ganz besonders.

12. Kapitel

in dem Lukas Ski fährt und Füße zu Filmstars werden. Außerdem hat eine Tasche einen besonderen Auftritt und Paula und Lou haben Zwillinge im Bett.

13. Kapitel

in dem sich Lou 1000 Ausreden ausdenkt und als blinder Passagier verreist. Die Babyritis geht um und eine Sternschnuppe kommt gerade recht.

14. Kapitel

in dem die Sterne fast schmelzen, zwei Einbrecher den Wald sehen und Paula im Rekordschmollen verliert

15. Kapitel

in dem zwei Sterne geheimnisvolle Beobachtungen machen und der rote Teppich ausgerollt wird. Am Ende sind die Kartons leichter als erwartet.

Epilog

in dem Hund und Katz zwei Buchstaben und dem Schaukelpferd noch immer ein paar Pinselstriche fehlen

Lesehappen aus Band 5

Die Autorin

Die Illustratorin

Prolog,

in dem ein Schaukelpferd ein Rätsel aufgibt

Die Sonne stand wie eine glühende Pampelmuse über den Dächern der Sternstraße. Die Markise des Café Schnack war ausgerollt und leuchtete rot-grün-gelb gestreift. Darunter stand ein einsames Schaukelpferd. Von der Schnauze bis zum Bauch war es frisch gestrichen – in Kastanienbraun. Aber am Hinterteil bis zum Schweif fehlte der Anstrich und das Pferd war schmutzig grau. Ein Pinsel lag daneben auf dem Boden, die Farbe war schon fast angetrocknet.

»Hmgrrr«, schnurrte die schwarz getigerte Katze, die auf dem warmen Pflaster vor sich hin döste. Dösen war (neben Fressen) ihre Lieblingsbeschäftigung. Das hatte sie mit dem weißen Zottelhund, der neben ihr lag, gemeinsam. »Hmgrrr« hieß: »Seit wann geht Johann so achtlos mit seinem geliebten Trödel um?«

Er hätte nie eine Arbeit unerledigt gelassen. Geschweige denn sein Werkzeug nicht aufgeräumt!

Als Antwort zuckte der Hund mit den Ohren und brummte. Das bedeutete: »Und warum ist es eigentlich noch so still? Mein Magen knurrt schon seit Stunden!«

Die Tür des Schnack war noch fest verschlossen. Und das um neun Uhr morgens! Dabei waren Johann und Emma, die Café-Schnack-Besitzer, eiserne Frühaufsteher.

Hätten Hund und Katz das Schild lesen können, das an diesem Juni-Tag – dem bisher heißesten Tag des Jahres – neben dem Schriftzug Trödel und andere nutzlose Dinge hing, hätten sie gewusst, was hinter dem Schaukelpferd-Rätsel steckte. Aber so mussten sie sich noch eine Weile gedulden.

Schließlich fügte der Hund noch ein leises »Bou« hinzu. Und das hieß: »Ach, was soll’s. Schlafen wir lieber noch ein Ründchen. Mit der Ruhe ist es sowieso bald vorbei!«

Denn heute war ein besonderer Tag. Jedenfalls für zwei der Sternstraßenbewohner.

1. Kapitel,

in dem das Sternchen schwarz-weiß ist, Schwimmbad ins Wasser fällt und eine Sternschnuppe dringend nötig ist

Zwei Stockwerke über dem Café Schnack, gegenüber dem Hotel Sternchen mit seinem brombeerfarbenen Anstrich, war noch alles ruhig. Nur wer ganz genau lauschte, konnte ein leises Knarzen hören. Es kam aus dem Zimmer mit dem Radio-Regenbogen-Sticker an der Tür. Und wer noch bessere Ohren hatte, hörte auch ein Rascheln. Das kam aus dem Zimmer mit dem Erwachsene-verboten-Schild an der Tür, und das Geraschel war Lous Bettdecke. Im Gegensatz zu Paula war sie schon eine ganze Weile wach (also Lou, nicht die Bettdecke). Durch die Ritzen der Jalousien bahnten sich Sonnenstrahlen ihren Weg in das Mädchenzimmer und malten den Sommer auf den Teppich. Lou kroch aus dem Bett.

»Paula?«, flüsterte sie.

Keine Antwort von oben.

Sie schob Paulas Decke beiseite und kitzelte sie an den Zehen.

»Grpf«, grunzte die und drehte sich zur Wand.

Da räusperte sich Lou und rief mit verstellter Stimme auf Ronja-Art: »Paula Wilde, sofort aufwachen. Du kommst zu spät zur Schule!« Paula schoss von der Waagerechten in die Senkrechte.

»Nicht schon wieder, die Weinbeer verdonnert mich zum Nachsitzen!«

»Reingefallen«, kicherte Lou. »Es sind doch Ferien!«

Sie zog die Jalousien hoch. Die Orangensonne ließ das Zimmer leuchten und Paula die Augen zusammenkneifen.

»Blöde Kuh«, knirschte sie und versteckte den Kopf unter ihrem Kissen.

Aber dann dachte sie noch mal genauer über Lous Worte nach.

Moment mal – Ferien?

Im Bad spritzte sich Paula etwas kaltes Wasser ins Gesicht. Lou schrubbte sich ordentlich mit dem Waschlappen – auch am Hals und hinter den Ohren. Seit Lous Mutter Ronja und Paulas Vater Lukas sich verknallt hatten, waren die Mädchen so etwas wie Schwestern. Was nichts daran änderte, dass sie völlig verschieden waren. Paula hatte wuschelige braune Haare, Lou lange blonde. Paula war Morgenmuffel, Lou Frühaufsteherin. Paulas Lieblingsessen war Käse-Pizza mit extra Zwiebeln, das von Lou Apfelstrudel. Und Paula brauchte drei Minuten im Bad, Lou dreißig.

»Matschohin« (zu Deutsch: Nun mach schon hin), nuschelte Paula beim eiligen Zähneschrubben, während Lou dazu überging, verschiedene Frisuren auszuprobieren.

»Ach, aber erst kommst du nicht aus dem Bett«, patzte Lou und entschied sich für einen extra hohen Pferdeschwanz – für den sie sich extra viel Zeit ließ.

Paula spuckte den Schaum aus, spülte ihren Mund und verschwand mit einem tatenfrohen Türknallen. Es brachte das Kaspertheater zwischen Waschbecken und Klo zum Erzittern. (Das Kaspertheater diente in der Wilde-Kleine-Wohngemeinschaft als Raumteiler. Wie es dazu kam, ist eine andere Geschichte.)

Lou zupfte sich ein paar Strähnen zurecht und folgte ihrer Freundin-Querstrich-beinahe-Schwester.

Im Flur öffnete sich die Tür mit dem Radio-Regenbogen-Sticker und Lukas’ Lockenkopf tauchte im Spalt auf.

»Könnt ihr bitte etwas leiser sein, ich muss denken!«, meckerte er.

»Denken? Leiser sein? Es sind Ferien!«, protestierte Paula entrüstet.

»Nicht für mich, ich muss eine Reportage vorbereiten.« Mit den Worten schlug Lukas die Tür zu. Paulas Vater war Reporter beim Sonnensteiner Radiosender und meistens mächtig im Stress, weil er mal wieder einen Termin vergessen oder sein Notizbuch verlegt hatte.

Dann erklang wieder das Knarzen von vorhin. Das kam von Lukas’ nachdenklichem Auf-und-ab-Laufen. Vom Fenster zur Tür und wieder zurück.

»Komm, wir verziehen uns schnell ins Sternchen«, sagte Paula.

Ganz so schnell ging es aber doch nicht. Lou musste sich noch zwischen drei Sommerkleidern entscheiden. Paula hatte es da einfacher. Shorts und T-Shirt. Immer das, was ganz oben auf dem Klamottenstapel lag.

Das Hotel Sternchen gehörte Lous Mutter Ronja. Sie hatte es vor einigen Monaten von ihrem Großonkel Hugo geerbt und vor ein paar Wochen hatte es eröffnet. Es war ein Familienhotel. Kinder und Hunde willkommen lautete das Motto.

Aber an diesem ersten Ferienmorgen machte das Hotel Sternchen seinem Leitspruch keine Ehre.

»Pssst«, empfing Ronja die Mädchen, den Zeigefinger an den Lippen.

In der Empfangshalle standen eine Reihe runder Bistrotische, an jedem lehnten zwei Männer – schweigend – und starrten vor sich auf die Tischplatte. Genauer gesagt, auf das Schachbrett, das auf der Tischplatte lag. Das einzige Geräusch war ein Klackern, wenn jemand eine Schachfigur über das Spielfeld rutschte. Ansonsten war es, als ob die Mädchen ein leises Knistern hörten – weil die Schachspielerköpfe wegen der anstrengenden Grübeleien schon vor sich hin kokelten.

Paula und Lou sahen sich an. Natürlich, der Schachclub! Der nahm für das Wochenende fast das ganze Hotel in Beschlag. Ausgerechnet am ersten Ferienwochenende!

»Könnt ihr bitte ins Schnack und das Frühstück holen? Johann hätte es längst bringen müssen.« Ronja drückte Lou die Liste mit den Bestellungen in die Hand.

»Null problemo«, sagte Lou und vergaß dabei zu flüstern. Die Schachspieler warfen ihr mahnende Blicke zu.

Normalerweise sah die Empfangshalle so aus: tobende und kichernde Kinder, Spielzeug, das auf dem Boden lag, und überall Krümel. Alles kunterbunt und voller guter Laune.

Heute aber war das Hotel Sternchen schwarz-weiß.

Nichts als gähnende Langeweile.

Im Gegensatz zu Muhackl, dem Sternstraßenhund, und Stella, der schwarz getigerten Katze, konnten Paula und Lou das Schild am Café Schnack lesen: Wegen Krankheit geschlossen.

Sie rüttelten an der Glastür. Vergeblich. Und auch der Hintereingang im Treppenhaus war verschlossen.

Also drückte Paula auf die Klingel. Drrrrrrrrrrrrrrr.

Stille.

Paula drückte noch mal: Drrrrrrrrrrrrrrr.

Schlurfende Schritte erklangen. Dann öffnete sich langsam die Tür.

»Auweia«, murmelte Lou.

Johann sah zum Fürchten aus. Der Besitzer des Café Schnack war ein Gentleman. Immer trug er einen Anzug, war geschniegelt, gebügelt und hatte Manieren wie aus einer Benimmschule. Heute war er zerknautscht von den Fußspitzen bis zu den Haaren, die sonst immer aalglatt gekämmt waren.

Paula zog sich ihr T-Shirt über die Nase.

»Steck uns bloß nicht an! Wir haben Ferien!«

Lou gab Paula einen Knuff. Dass die immer so ruppig sein musste, dachte sie. »Geh schnell wieder ins Bett. Wir kümmern uns ums Sternchen-Frühstück. Wollen du und Emma auch was?«, fragte Lou freundlich.

Johann schlurfte zurück in Richtung Schlafzimmer.

»Tee«, krächzte er. »Mit viel Honig.«

Die Schnack’sche Küche war eine richtige Hexenküche. Klein, etwas unordentlich, aber alles da, was man brauchte. Und gehext wurde hier normalerweise auch. Emmas Kekse und Kuchen hatten eine magische Wirkung. Sie zauberten jedem ein Lächeln ins Gesicht. Aber Emma lag flach und die Mädchen waren heute für den Frühstücks-Hokuspokus zuständig.

Lou überflog Ronjas Liste: »Kräutertee, Butterbrote und weich gekochte Eier. Ihr Frühstück ist genauso langweilig wie die Schachspieler selbst!«

»Wie wäre es mit ein paar Extras?«, schlug Paula vor. »Das Schachspieler-Spezial

»Klasse!«

Erst durchwühlten sie alle Schränke und Schubladen, bis eine quadratische Servierplatte gefunden war. Auf die klecksten sie Nutella und Frischkäse – im Schachbrettmuster. Leider war der Frischkäse mit Kräutern, aber trotzdem war das Endergebnis spitze. Darüber waren sich Paula und Lou einig. Ronja sah die Sache anders. Die stürmte nämlich nach einer Weile ungeduldig in die Küche.

»Wo bleibt ihr denn? Meine Gäste verhungern!«

Ihr Blick fiel auf das Schachspieler-Spezial, das eher wie ein Nutella-Frischkäse-Tohuwabohu aussah.

»Habt ihr nur Flausen im Kopf«, stöhnte sie.

Ronja schnappte sich Brot, Butter und die Teekanne. »Ihr bringt das Geschirr!« Und schon wirbelte sie über den Hof, zurück ins Hotel Sternchen. Und das bei der Hitze!

»Bitte. Und danke«, knurrte Paula.

»Kinderarbeit«, murmelte Lou. »Das ist doch verboten.«

Als Nächstes band sich Paula ein Geschirrtuch um den Mund. »Nur kein unnötiges Risiko eingehen«, erklärte sie Lou und servierte Emma und Johann Tee mit Mundschutz.

Viren sind Ferien nämlich egal.

»Ist das heiß«, stöhnte Paula. »Warum gehen wir nicht ins Schwimmbad?«

»Vergiss es, Ronja lässt uns nicht alleine gehen.« Lou wischte sich den Schweiß von der Stirn.

Sie saßen im Schatten des Kastanienbaums, aber auch dort war es wie in der Sauna.

»Dann fragen wir doch einfach die zwei, ob sie mitkommen!«

Laura und Martin kamen gerade aus dem Wohnhaus. Genau wie Johann und Emma gehörten sie zu den »Sternen«, wie sich die Bewohner der Sternstraße 7 nannten. Außer ihnen gab es noch drei Studenten oben in der Dachgeschoss-WG, Julius, Kai und Anna – (aber die verbrachte ein Studiensemester im Ausland), und Tom und Ben, zwei nette Herren, die verheiratet waren – und zwar miteinander. Die beiden waren allerdings gerade im Frankreich-Urlaub.

Laura und Martin führten, wie Paula und Lou immer sagten, ein Doppelleben. Tagsüber arbeiteten sie in einer Bank und trugen schicke Klamotten. Kostüm und hohe Schuhe für Laura, Krawatte und Sakko für Martin. In dem Aufzug machten sie auch immer sehr ernste Gesichter und schauten zehn Jahre älter aus. Nach Feierabend sah man sie allerdings nur noch im Jogging-Anzug und sie waren für jeden Unfug zu haben.

So wie jetzt. Das heißt, so wie es jetzt eigentlich hätte sein sollen.

»He, kommt ihr mit ins Schwimmbad?«, fragte Lou.

»Wir können ja wieder einen Arschbombenwettbewerb machen, wie letzten Sommer«, versuchte Paula sie zu locken.

Laura und Martin sahen sich an.

»Keine Zeit«, sagten sie im Chor.

»Wieso denn? Ist doch Samstag?«, wunderte sich Lou.

»Äh … «, stotterte Martin.

»Seid doch nicht immer so neugierig!«, erwiderte Laura. Dann verschwanden sie durch den Torbogen aus dem Hinterhof.

»Kinder müssen neugierig sein! Nur so lernt man was!«, rief Paula ihnen beleidigt nach.

Bei allen hieß es »keine Zeit«– und Schwimmbad war damit gestrichen. Die Studenten mussten lernen, Johann und Emma schlafen, Ronja die Gäste bewirten und Lukas grübeln. Und bei den Hotelgästen war natürlich auch nichts zu holen. Die waren so langweilig, dass man schon beim Gedanken an das Klackklackklack der Schachfiguren gähnen musste.

»Geht doch Rad fahren«, schlug Ronja vor, natürlich im Flüsterton. Die Schachspieler veranstalteten gerade ein Turnier. Ronja brütete währenddessen über dem Reservierungsbuch. Die nächsten Wochen war das Hotel Sternchen ziemlich ausgebucht. Das war gut so, bedeutete aber auch, das Ronja tagein, tagaus durch die Sternstraße wirbeln würde, ohne Zeit für Paula und Lou zu haben. Und Urlaub fiel natürlich auch ins Wasser.

»Oder ihr könnt mal die Fotos am Kühlschrank sortieren. Ich hab extra ein Album gekauft«, war Ronjas nächste Idee.

Der Kühlschrank in der Wilde-Kleine-Wohngemeinschaft war vollgepflastert mit Schnappschüssen. In der Sternstraße passierte regelmäßig etwas, das festgehalten werden musste. Obwohl das meistens auch ohne Foto unvergesslich war.

»Langweilig«, murmelten die Mädchen – natürlich wieder viel zu laut.

Von den Schachspielern klang vorwurfsvolles Geräusper herüber.

»Warum können wir nicht alleine ins Schwimmbad?«, startete Paula den zigsten Überredungsversuch.

»Weil ihr erst neun seid und Schwimmbad ohne Aufsicht viel zu gefährlich ist!«

Wieder räusperten sich die Schachlangweiler – pardon, Schachspieler. Diesmal war Ronja zu laut geworden.

Lou und Paula saßen in den Ästen des Kastanienbaums und lugten durch die Blätter in den Himmel. Die Pampelmusen-Sonne war für heute wieder hinter den Dächern versunken, nur ihr roter Glanz hing noch dort oben. Außerdem leuchtete ein kleiner heller Punkt. Der Abendstern.

»Wir bräuchten eine Sternschnuppe«, sagte Lou und ließ ihre Beine baumeln, die seit dem Morgen unter dem Sommerkleid hervorguckten. Es war noch immer warm. »Dann könnten wir uns neue Gäste wünschen. Für das eine Zimmer, das noch frei ist.«

Paula nickte. »Aber bitte keine Schachspieler. Oder Briefmarkensammler. Und es müssen natürlich Kinder sein!«

»Und älter als neun«, fügte Lou hinzu.

Eine Fledermaus sauste vorbei.

»Oder fliegen müsste man können. Dann könnten wir mal da rüberschauen.« Paula deutete mit einem Nicken zum Abendstern. »Oder meinst du, auf dem leben auch nur solche Schnarchnasen?«

Lou hob ratlos die Schultern.

Der erste Ferientag war ganz und gar nicht das gewesen, was sie sich vorgestellt hatten. Aus Verzweiflung und weil es oben in der Küche einigermaßen kühl war, hatten sie tatsächlich Fotos sortiert. Leider hatten ihnen die ganzen Schnappschüsse nur vor Augen geführt, wie toll es in der Sternstraße hätte sein können. Sie hatten hier schon einen echten Verbrecher überführt, Katzenbabys aufgezogen, Gespenster gejagt und einen Kroko-Mann blöd aussehen lassen.

Und jetzt? Nach wie vor nur gähnende Langeweile.

Apropos gähnende Langeweile:

»Uaaah«, gähnten die Mädchen und warfen einen letzten Blick zum Himmel.

Keine Sternschnuppe weit und breit.