cover

Mit Unterstützung

des Museums für Kunst und Geschichte Freiburg

der Loterie Romande

der Schweizer Kulturstiftung Pro Helvetia

der Claire Sturzenegger-Jeanfavre Stiftung

der Stiftung für die Schweizerische Landesausstellung 1939

der Kantonalen Gebäudeversicherung Freiburg

Dieses Buch ist nach den neuen Rechtschreiberegeln verfasst. Quellenzitate werden jedoch in originaler Schreibweise wiedergegeben. Hinzufügungen sind in [eckige Klammern] eingeschlossen, Auslassungen mit […] gekennzeichnet.

Übersetzung des dritten Teils: Hubertus von Gemmingen

Lektorat: Sandra Monti, hier + jetzt

Gestaltung: Christine Hirzel, hier + jetzt

Bildverarbeitung: Humm dtp, Matzingen

©2006 hier + jetzt, Verlag für Kultur und Geschichte GmbH, Baden

www.hierundjetzt.ch

eBook-ISBN 978-3-03919-703-3

eBook-Herstellung und Auslieferung:
Brockhaus Commission, Kornwestheim

www.brocom.de

 

 

 

 

 

Inhalt

 

 

 

 

Prolog: Ein Leben ohne Rast und Ruh

Erster Teil: Die Erfahrung der Welt

1. Vorspiel in Venedig

2. Ein junger Draufgänger im Familienkreis

3. Freiburg im Üchtland – ein Stadtstaat um 1600

4. Intermezzo in Mailand

5. Collalto

6. Eine Karriere in stürmischen Zeiten

7. Neueste Nachrichten nach Hause

8. Zeitgeschehen aus Augenhöhe

9. Meyritz

10. Der Bruder

Zweiter Teil: Das Kriegshandwerk

1. Der Adjutant des Generalfeldmarschalls

2. Exkurs: Ein Kriegsunternehmer

3. Exkurs: Das Kontributionswesen

4. Zwei Kugeln im Leib

5. Ein Feldzug nach Italien

6. Lindau oder die Härte des Gouverneurs

7. Kempten

8. Der Sturz

Dritter Teil: Geld, Ruhm, Macht

1. Ein Oberst auf Stellensuche

2. Salz und Pulver

3. Kleiner Herr auf grossem Fuss

4. Unter Patriziern

5. Ein Zepter aus schwarzem Holz

6. Der Schultheiss auf Reisen

7. Seine Güter, sein Leib, seine Seele

Anhang

Abkürzungsverzeichnis

Anmerkungen

Bibliografie

Abbildungsnachweis

Dank

Personen- und Ortsregister

Ausführliches Inhaltsverzeichnis

 

 

 

 

 

Prolog

Ein Leben ohne Rast und Ruh

 

 

 

 

Aufgezwirbelter Schnurrbart, spitzer Kinnbart, üppige Haarpracht: Herausfordernd blickt der fesche Musketier hoch zu Ross auf uns nieder. Das Pferd, ein Rappe mit dichtem Fell, wehender Mähne und prachtvollem Schweif, bäumt sich auf und bringt seinen Herrn vor wolkigem Himmel aufs Schönste zur Geltung. Am Zaumzeug glänzen Gold und Edelsteine. Der Reiter trägt einen Harnisch aus schwarzem Stahl, einen weissen Spitzenkragen und eine quer über Schulter und Brust gelegte rote Seidenschärpe; seine Füsse stecken in Stiefeln aus falbem Wildleder. In schneidiger Haltung stützt er die behandschuhte Rechte auf den Kommandostab. Wir stehen vor dem frühesten Reiterbildnis der Schweizer Malerei, obwohl die Darstellungsweise 1631 – das Datum steht in der Bildecke links unten – bereits seit längerem zum Repertoire der höfischen Kunst gehört. Zu Pferd hatte Tizian 1548 Kaiser Karl V. wiedergegeben. Dieselbe Inszenierung wird Gaspar de Guzmán, Graf von Olivares und allmächtiger Premierminister Philipps IV. von Spanien, wählen, um sich gegen 1634 von Velázquez malen zu lassen.

König lässt sich porträtieren, als er mit dem Titel eines Freiherrn geadelt wird. Bei dem monumentalen Gemälde handelt es sich um das früheste Reiterbildnis der Schweizer Malerei.

Samuel Hofmann: Porträt des Franz Peter König, genannt von Mohr, 1631. Öl auf Leinwand. Museum für Kunst und Geschichte Freiburg.

Das Modell hat einen Maler mit dem Bildnis beauftragt, der am Rhein und in Schwaben hoch angesehen ist: den St. Galler Samuel Hofmann.1 Später sollte dieser Künstler zahlreiche Honoratioren der Eidgenossenschaft malen – Söhne der Familien Merian und Wettstein in Basel, der Familien Bräm, Hirzel und Werdmüller in Zürich. Zur Zeit unseres Porträts sucht er seine Kunden bei den Ostschweizer Seidenhändlern und süddeutschen Duodezfürsten, aber auch unter den Heerführern am Bodensee, ohne dabei parteiisch zu sein. Neben den Kaiserlichen konterfeit er die Schweden und zumindest einen – erlauchten – Franzosen: Herzog Henri de Rohan. Von bescheidener Herkunft und ständig auf Reisen (in Holland ausgebildet), steigt Hofmann zielstrebig die Sprossen der gesellschaftlichen Leiter empor; er hat das gleiche Alter und eine vergleichbare Laufbahn wie der Reiter im schwarzen Harnisch, der sich von ihm wie ein König darstellen lässt.

König heisst er denn auch, zumindest bei seinen deutschen Soldaten und den Standesgenossen in Freiburg. Die Bauern seiner mährischen Herrschaft nennen ihn «Král», doch scheut er sich nicht, bei Gelegenheit auch mit «Rex» zu unterzeichnen. Vom Kaiser zum Freiherrn ernannt, ist er Grundherr dreier Dörfer im Freiburgischen und Mitglied des Rats seiner Geburtsstadt. Warum sollte er nicht die Pose eines Karl V. oder Olivares einnehmen? Derart insistent zur Schau getragen, wird Unverfrorenheit zu Kunst. Doch König hat Geschmack, wie seine Wahl des Künstlers Hofmann beweist. Der Maler besitzt Talent, sein Modell hingegen die Begabung, sich vorteilhaft in Szene zu setzen. So will es der Geist der Zeit. Der Barockstaat wird regiert, als sei er ein Welttheater; und die Protagonisten führen ihr Leben, als sei es eine öffentliche Aufführung, ein Schauspiel für sie selbst («um der Ehre willen») und für die anderen.

Das Leben des Franz Peter König (1594–1647) gleicht einem Abenteuerroman, dessen Verfasser unablässig mit einer neuen Situation, einer überraschenden Wende aufwartet. Er treibt es bis zum Exzess, zum Masslosen, zum Unglaublichen; bald ist der Held oben, bald unten. Ein misslungener und ein gelungener Mord. Zu Hause zwei solide Ehen, eine Tochter, die den Schleier nimmt, und ein Sohn, der Mönch wird; daneben vielerorts Geliebte und uneheliche Kinder. Gestern bei Hofe noch angesehen – der Kaiser unterhält sich mit ihm auf der Jagd –, heute ins Verlies geworfen und der Bestechung, des Mordes und des Hochverrats bezichtigt. Doch stets auf der Hut, bereit zum Gegenschlag, zu kühnen Überraschungscoups und waghalsigen Ausfällen. Er handelt sich ein Todesurteil ein? Es braucht mehr, um ihn zur Strecke zu bringen. Im Übrigen gelingt ihm die Flucht. Gegen Unglück ist er resistent wie gegen Schmerz. Bleikugeln haben ihm einen Arm zerschmettert. Er wird sich erholen.

König ist aber nicht nur ein Hartschädel, sondern auch recht gebildet, wie es in dieser Zeit einem Mann seines Ranges geziemt. Er hat Latein gelernt, spricht neben seiner französischen Muttersprache auch Deutsch und Italienisch. Daneben radebrecht er vielleicht das eine oder andere slawische Idiom; nicht umsonst ist er jahrelang durch Zentraleuropa und die Randregionen des Habsburgerreiches gezogen. Die Geografie ist ihm in Fleisch und Blut übergegangen. Sein Hinterteil ist gegerbt von den unzähligen Stunden im Sattel auf Pferderücken, ohne Rast und Ruh unterwegs von Mailand nach Brüssel und von Wien nach Frankfurt. Die Geschichte? Er liest jene der Alten und versucht die, welche rund um ihn stattfindet, zu verstehen; der politischen und diplomatischen Konsequenzen von militärischen Operationen ist er sich bewusst. Als Offizier der Infanterie, Kavallerie und Artillerie kennt er sein Handwerk aufs Beste: eine Truppe werben, ausrüsten, ausbilden und führen; eine Festung angreifen oder verteidigen; die Versorgung sicherstellen. Als Kriegsunternehmer versteht er die Funktionsweise der kapitalistischen Wirtschaft, die sich damals herausbildet – seine Investitionen in das Salzgeschäft beweisen es zur Genüge. König ist alles andere als ein bornierter Militär oder ein unbedarfter Haudegen.

Er schreibt viel und ist ein einnehmender und wertvoller Zeitzeuge, da er sich auf der richtigen Höhe befindet: weder zu nahe am Boden noch zu hoch in den Wolken. Dadurch erlebt er die Einfachheit der Ereignisse und sieht die Komplexität der Ursachen (wie auch jene der Folgen und Deutungen). Seine Zwischenstellung entspricht seiner gesellschaftlichen Position. Entgegen seinen eigenen Behauptungen kommt König aus eher bescheidenen Verhältnissen und bringt es nicht sehr weit – ausser unter seinesgleichen. Obwohl ihn die Sprösslinge älterer Familien in Freiburg hochnäsig und herablassend behandeln, steigt er hier ins höchste Staatsamt auf. Doch in Wien ist ein Freiherr kein hohes Tier, selbst wenn ihn der Kaiser gelegentlich mit «lieber König» anspricht. Ähnlich steht es um seinen militärischen Rang. Er steht weit unter den grossen Heerführern wie Tilly oder Wallenstein, selbst wenn er mit ihnen zu tun hat, doch hoch über Pikenieren und Musketieren. Aus seinen Briefen tritt uns ein Mensch von echtem Schrot und Korn entgegen, der uns fesselnde Einblicke in seine Zeit gibt. In seinem Leben ist die lokale Geschichte mit der europäischen verwoben. Zusammen mit seinen Landsleuten nützt er die Umwälzungen des Dreissigjährigen Kriegs in Europa aus, um Freiburg in einen modernen Kleinststaat zu verwandeln – zur grösseren Ehre Gottes und zum grössten Gewinn der regierenden Schicht.

Auslöser für das vorliegende Buch war noch vor der Begegnung mit seiner Person jene mit seinem Bild: dem Reiterporträt von Samuel Hofmann.2 Nachdem es mehr als 20 Jahre lang auf ein Lattengerüst gerollt und unter ungünstigen Bedingungen in einem Depot des Museums für Kunst und Geschichte Freiburg gelagert hatte, wurde das Riesengemälde (272 x 299 cm) in einer langen, schwierigen und kostspieligen Rettungsaktion restauriert. Während der achtmonatigen Arbeit des Museumsrestaurators Claude Rossier bemühte sich die Vizedirektorin des Museums, Verena Villiger, das Werk umfassend zu dokumentieren, indem sie auf der Suche nach Königs Spuren systematisch die Archive durchforschte3 und dabei immer wieder neue und überraschende Funde machte. In Freiburg, Bern, Luzern, Lindau, Wien, Prag, Brno, Venedig und Turin spürte sie den Quellen nach und liess nicht locker, bis schliesslich nahezu 800 Dokumente vereint waren. Die Transkription dieser Schriftstücke und die Erstellung einer elektronischen Datenbank beschäftigte ein Forscherteam unter der Leitung von Daniel Bitterli. Arbeit und Mühe haben sich gelohnt: Sie führten zu einem Quellenband für das wissenschaftliche Publikum4, einer Ausstellung5 und der vorliegenden Biografie.

Nun aber genug der Worte. Auf in den Sattel!

 

 

 

 

 

Erster Teil

Die Erfahrung der Welt

Verena Villiger

 

 

 

 

Ein junger Haudegen sucht das Abenteuer fern der Heimat in Grenzregionen, wo es gegen uskokische Piraten, türkische Janitscharen und rebellische österreichische Bauern zu kämpfen gilt. Da das Kriegsgeschehen rasch andere Länder erfasst und Hauptmann Rex sich auf die Kriegskunst versteht, galoppiert er kreuz und quer durchs Habsburgerreich und erklimmt im Eiltempo die Sprossen der Gesellschaftsleiter. Mit 30 Jahren ist er Oberstleutnant und Schlossherr in Mähren. Zu diesem Erfolg haben der illustre Graf Collalto, sein Schirmherr, und der geheimnisvolle Albrecht Nikolaus König, sein Bruder, beigetragen.

 

 

 

 

 

1. Vorspiel in Venedig

Die Karriere Franz Peter Königs beginnt mit einem Faux-Pas. Erzherzog Ferdinand protegiert ein Piratenvolk. Der Krieg in einem entfernten Winkel Italiens wirkt sich auf ganz Europa aus.

Am Anfang steht ein Brief in scharfem Ton. Die Regierung von Freiburg befiehlt einem jungen Mitbürger, unverzüglich seine derzeitige Anstellung zu quittieren. Es ist dies Franz Peter König, der sich mit mehreren Landsleuten als Söldner der Republik Venedig im Friaul befindet, im äussersten Nordosten Italiens. So der Brief: «Es ist uns von vornehmen und glaubwürdigen Herren geklagt worden, dass Ihr Euch in den Dienst der venezianischen Regierung begeben habt. Venedig steht aber mit dem Hause Österreich, mit dem wir seit alters durch einen Vertrag verbunden sind, im Krieg. Euer Unternehmen ist für uns daher inakzeptabel, und zwar umso mehr, als andere eidgenössische Orte, die im selben Verhältnis zu Österreich stehen, ihre Leute bereits zurückbeordert haben. Wir befehlen Euch und den andern Freiburgern deshalb bei den Eiden und Pflichten, die Euch an uns binden, beim Empfang dieses Schreibens Euern Dienst aufzugeben und fortzuziehen. Ansonsten drohen wir Euch den Verlust Eures Bürgerrechts und Eures Vermögens an und werden nicht zögern, womöglich schwerere Strafen ins Auge zu fassen. Wenn Ihr weiter in den Krieg ziehen und Eure Tapferkeit beweisen wollt, so tut dies bei jenen Fürsten, mit denen wir verbündet sind: wir haben ja schon zwei Fähnlein1 in Frankreich und hoffen, dass es noch mehr werden. Ihr könnt anderswo Erfahrung im Kriegshandwerk suchen; es gibt genügend Raum für Eure Ambitionen. Deshalb befehlen wir Euch nochmals ernsthaft, mit den Soldaten und Amtsleuten, die aus unserer Stadt oder den zugehörigen Gebieten stammen, sofort und ohne abermalige Mahnung heimzukehren. Andernfalls werden wir nicht abwarten, die angedrohte Strafe über Euch, Eure Frau und Euer Kind zu verhängen und gemäss unserer öffentlichen Verordnungen gegen Euch vorzugehen. Mit dieser Warnung erwarten wir von Euch Gehorsam. Seid Gott befohlen. Beschlossen am 3.März 1617.»2 Eine knappe Woche später wird nachgedoppelt. Schultheiss und Rat von Freiburg richten sich auf Lateinisch an die venezianische Obrigkeit: Mit Ärger habe man vernommen, dass mehrere Freiburger unter der Führung eines gewissen Petrus Rex (lateinisch für König) im Friaul gegen das Haus Österreich kämpften, dem man durch die Erbeinung verpflichtet sei. Man bittet um Entlassung dieser Männer, um dem Skandal ein Ende zu setzen.3

Woher dieser Zorn? Seit dem späten Mittelalter ist Freiburg als Ort der Eidgenossenschaft mit dem österreichischen Herrscherhaus durch die so genannte Erbeinung verbunden, einen Vertrag, der eine Nichtangriffsklausel enthält und dem vom Hause Habsburg als Zeichen guter Nachbarschaft grosse Bedeutung beigemessen wird.4 Welcher Konflikt ist es, in dem sich Venedig und Österreich hier feindlich gegenüberstehen? Venedig hat sich auf der Weltbühne bis vor kurzem politisch möglichst neutral verhalten. Handel und Handwerk blühen in der Lagunenstadt, und die Regierung ist bestrebt, das fragile Gleichgewicht unter den Wirtschaftspartnern, eine der hauptsächlichsten Voraussetzungen für den immensen Reichtum der Serenissima, nicht zu gefährden. Seit längerem hat die Republik jedoch die Vormachtstellung unter den Seemächten eingebüsst, und neuerdings machen sich besonders unter den jüngeren Mitgliedern ihres Patriziats (der vornehmen Familien) Stimmen laut, die für eine verstärkte militärische Präsenz Venedigs plädieren. Diese Geisteshaltung kristallisiert sich in einem Konflikt, der auf den ersten Blick eher abseitig erscheint, die Lage jedoch eskalieren lässt.

Seit dem 16.Jahrhundert steckt den Venezianern nämlich ein Stachel im Fleisch. Es ist ein kleines Volk, das sich seit kurzem an der kroatischen Küste, besonders um die Stadt Zengg (Senj) und in ihr, niedergelassen hat. Seine Angehörigen nennt man Uskoken, was auf Kroatisch Flüchtlinge bedeutet; es handelt sich dabei vornehmlich um Migranten, die aus türkisch besetzten Gebieten weiter südöstlich auf dem Balkan in solche unter vorerst ungarischer, dann österreichischer Herrschaft gewandert sind und dort eine Art Grenzschutz für das Habsburgerreich bilden.5 In der unwirtlichen Gegend von Zengg versuchen sie anfänglich, sich durch Handelsbeziehungen eine Lebensgrundlage zu schaffen. Als aber Raubzüge von Korsaren die Gewässer vor Zengg unsicher machen und die Geschäfte so stark gefährden, dass sie zum Erliegen kommen, werden auch viele Uskoken selbst zu Piraten. Sie überfallen nicht nur Schiffe von Türken und Juden – in ihrer Sicht Ungläubige –, sondern auch solche von Venezianern und beeinträchtigen dadurch den Seehandel der Lagunenstadt schwer. Um die Schifffahrt als Grundlage ihres Wohlstands sicherzustellen, ergreift die venezianische Regierung im Gegenzug umfangreiche Massnahmen, wie den bewaffneten Geleitschutz für Schiffe, den Bau von Wachttürmen längs der Küste und schliesslich die Ernennung eines eigens zur Abwehr von Uskokenüberfällen bestimmten Kommandanten, des «capitano contro gli uscocchi». Die Kosten dieser Schutzvorkehrungen steigen jedoch mit der Zeit dermassen an, dass man sich schliesslich zu einem Kriegszug entscheidet, um den Attacken der Piraten ein Ende zu setzen. Der Einfluss der jungen Patrizier und eines Rechtsberaters der venezianischen Regierung, des Servitenmönchs Paolo Sarpi, tun ihre Wirkung. Sarpi weist in fünf Schriften zur Herrschaft über das adriatische Meer das diesbezügliche Vorrecht Venedigs nach.6 Ein grausiges Ereignis trägt ausserdem dazu bei, das Fass zum Überlaufen zu bringen: Der venezianische Kommandant Cristoforo Venier wird im Jahr 1613 mit seiner Besatzung von den Uskoken gefangen genommen und umgebracht. Venier sei enthauptet worden, und die Angreifer hätten bei einem barbarischen Fest sein Herz verzehrt und ihr Brot in sein Blut getunkt, erzählt man sich schaudernd in Venedig.

Nun richtet sich die Intervention gegen das kleine Piratenvolk, jedoch auch gegen dessen Protektor, den habsburgischen Erzherzog Ferdinand von Steiermark. Bereits seit längerem haben die Venezianer vom Erzherzog gefordert, seinen rauen Schützlingen das Räuberhandwerk zu verbieten. Entsprechende Massnahmen des Österreichers fruchten jedoch nichts und werden von der Serenissima als halbherzig empfunden. Vielleicht hat Ferdinand auch gar kein Interesse an der Sicherstellung der venezianischen Schifffahrt, denn ihm – wie ja auch der Republik – geht es letztlich um nichts Geringeres als um die Vorherrschaft im Gebiet der Adria. Seit 1382 besitzt das habsburgische Österreich mit der Stadt Triest einen Zugang zum Meer, der durch österreichische Gebiete im Friaul und in Istrien Rückendeckung erhält. Die Spannungen zwischen den beiden Nachbarmächten in dieser Gegend, der Republik Venedig und dem habsburgischen Erzherzog, verstärken sich seit der Mitte des 16.Jahrhunderts und finden zu Beginn des 17.Jahrhunderts ihren Niederschlag in den Schriften des erwähnten Paolo Sarpi, der nicht nur die Beibehaltung der venezianischen Kontrolle über das adriatische Meer fordert, sondern auch die über die Zuflüsse Po und Isonzo. In diesem Zusammenhang erscheinen die Uskoken als der Funke, der zur Explosion führt. Unter dem (willkommenen?) Vorwand ihrer Raubzüge fallen im Dezember 1615, kurz nachdem der Patrizier Giovanni Bembo zum Dogen von Venedig gewählt worden ist, venezianische Truppen – grossteils Söldner7 – unter Franceso Erizzo und Pompeo Giustiniani in die habsburgischen Gebiete im Friaul ein. Nach anfänglichen Erfolgen wie der Eroberung der Städte Cormon und Aquileia werden die Venezianer durch die erzherzogliche Festung Gradisca auf dem rechten Ufer des Isonzo angehalten. Um Gradisca entspinnt sich nun ein zermürbender Kampf. Ferdinand verfügt nur über rund 4000 Mann und riskiert dadurch eine Niederlage. Da ihm der Kaiser, sein Vetter Matthias, weder finanzielle Mittel noch Soldaten zur Verfügung stellen kann, wendet er sich nach mittelalterlichem Brauch um Unterstützung an seine Lehensleute. (Einer, der seinem Aufruf im April 1617 mit einem kleinen Trupp Folge leisten wird, ist der damals noch wenig bekannte Albrecht von Wallenstein, später einer der Protagonisten des Dreissigjährigen Kriegs.) Ausserdem appelliert Ferdinand an den spanischen König, seinen habsburgischen Verwandten. Von ihm erhält der Erzherzog eine Million Taler. Spanien hat nämlich ein handfestes Interesse an einer starken habsburgischen Präsenz an der Adria: Eine solche würde das Herzogtum Mailand schützen und die Handelsmöglichkeiten des Königreichs Neapel fördern, die beide unter spanischer Herrschaft stehen. – Aus dem Krieg um Gradisca geht keiner der beiden Gegner siegreich hervor. Am Ende des Konflikts im Lauf des Jahres 1618 arrangiert sich Venedig mit Ferdinand: Viele Uskoken werden hingerichtet, von den überlebenden die meisten ins Landesinnere verbannt. In Zengg stationiert man eine permanente habsburgische Garnison. Die vorausgegangenen Friedensverhandlungen haben zum Teil in Paris und Madrid stattgefunden; denn abgesehen von Spanien ist auch Frankreich am Ausgang dieses nur scheinbar nebensächlichen Konfliktes interessiert.

Kehren wir zu Franz Peter König zurück. Wir wissen nicht, wie lange er schon im Dienste Venedigs steht, als ihn der Brandbrief seiner Regierung erreicht. Möglicherweise handelt es sich bloss um eine kurze Zeitspanne, und sobald die Freiburger davon erfahren, kommandieren sie ihn zurück. Vielleicht ist er hier aber schon länger engagiert, denn nach eigenem Bekunden steht er seit den Jahren 1609/10 im Kriegsdienst.8 Bereits im Herbst 1616 gilt er in seiner Heimat wegen Kontakten zu Venedig als suspekt.9 Richtig heikel wird seine Anstellung gegen März 1617. Von diesem Moment an zeichnet sich nämlich die spanische Unterstützung für Erzherzog Ferdinand ab, und zwar nicht nur im Uskokenkrieg, sondern auch im Hinblick auf die nun bevorstehende Wahl eines Nachfolgers für Kaiser Matthias. Dadurch bleibt der Konflikt um Gradisca auf habsburgischer Seite nicht das ausschliessliche Problem eines Erzherzogs, sondern wird zum Anliegen eines künftigen Kaisers. In Anbetracht ihrer späteren Kontakte zum Herrscher dürfte die Freiburger Regierung höchste Vorsicht walten lassen. Auch Spanien gegenüber möchte man nicht negativ auffallen, denn die Freigrafschaft, aus der die Stadt das lebenswichtige Salz bezieht, steht unter spanischer Herrschaft.

Unbekannt sind uns überdies Anzahl und Namen derer, die mit König nach Venedig gezogen sind und die im Brief der Regierung als nicht näher umschriebene Gruppe erwähnt werden. In einem einzigen Fall wird aufgrund späterer Ereignisse ein Name genannt: Hans Jakob von Pontherose, der damals Fähnrich Königs gewesen sein soll und den ermordet zu haben dieser fünf Jahre später angeklagt wird.10 Möglicherweise befindet sich auch Franz Rudella, der Sohn eines Ratsherrn aus Murten, bei der Schar.11 Gerne wüssten wir auch, was die jungen Männer nach Venedig gelockt hat. Für fremde Fürsten in den Krieg zu ziehen ist in der damaligen Schweiz als Verdienstmöglichkeit höchst verbreitet. Je nach politischer und konfessioneller Ausrichtung des jeweiligen Heimatkantons haben dabei bestimmte Machthaber Präferenz. So ist Freiburg zum Beispiel bereits seit dem vorangegangenen Jahrhundert an Frankreich gebunden; im Brief an «Hauptmann Rex» kommt ja deutlich zum Ausdruck, dass man ihn gerne dort sähe – ein paar Jahrzehnte später werden Königs Landsleute nahezu ausschliesslich in den Dienst des französischen Königs treten. Nach Venedig, dessen Truppen aufgrund der Handelstätigkeit der Republik einen besonders hohen Anteil an Söldnern aufweisen, ziehen hauptsächlich Männer aus protestantischen Kantonen, allen voran Zürich und Bern.12 Die Kontakte, dank welchen sich Franz Peter König in einen für Freiburger atypischen Dienst begibt, könnte er möglicherweise über Berner Waffengenossen geknüpft haben; denn obschon Bern damals als mächtiger Nachbar, der zudem protestantisch ist, in seiner Heimatstadt als potenzieller Feind gefürchtet wird, pflegt König dort offensichtlich Beziehungen: Dies beweist sein Testament.

Gänzlich unserer Phantasie überlassen bleibt, ob der junge Mann jemals bis nach Venedig selbst gelangte. Was könnte er dort gesehen, welche Eindrücke aus der Stadt am Schnittpunkt von Orient und Okzident mitgenommen haben? Stand er vor dem Dogenpalast, besuchte er die Messe im Markusdom, erlebte er das üppige Raffinement des venezianischen Lebens, die Farbenpracht und die Gerüche der Märkte? Vielleicht hörte er bereits damals von einem venezianischen Lehensmann, einem Adligen, welcher der Serenissima abtrünnig geworden war, um sich in den Dienst des Kaisers zu begeben, und der ein paar Jahre später zu Königs bewundertem Patron werden sollte: Rambald von Collalto. Als Untergebener Collaltos wird unser Freiburger seine venezianische Episode allerdings tunlichst verschweigen.13

 

 

 

 

 

2. Ein junger Draufgänger im Familienkreis

Ein Bursche aus dem Dorf kommt in die Stadt und wird Notar. Ein Apotheker aus Holland kauft an der Freiburger Reichengasse ein Haus. Franz Peter und seine Geschwister lernen schreiben und rechnen. Der 20-Jährige heiratet ein erstes Mal, und anderes mehr.

Er entstamme einem Schweizer Adelsgeschlecht – «nobili apud Helvetios familia» –, behauptet der junge Franz Peter, der so ungestüm in unser Blickfeld gerät, von sich selbst in einer lateinisch verfassten Bittschrift an den Kaiser.1 Hochstapelei? Offenbar, denn seine Herkunft nimmt sich eher bescheiden aus: Der Vater heisst Jean Rey und wächst in Ménières, einem Dorf im Broyetal südwestlich von Payerne, auf. Ein älterer Bruder dieses Jean, Pierre Rey, wirkt ab 1574 als Priester teils in Solothurn und Umgebung, teils im elsässischen Altkirch. Im Jahr 1600 lebt er in Olten, wo er seinen Namen eindeutscht und sich fortan König nennt; 1609 kehrt er als Pfarrer in seinen Heimatort Ménières zurück.2 Beim zuständigen Kirchherrn und dem Freiburger Rat empfohlen hat ihn Jean, der sich damals bereits seit zwei Jahrzehnten in Freiburg niedergelassen hat.3 Dort arbeitet er als Notar; unter den Amtseid, den er 1595 auf Französisch vor dem Rat der Stadt ablegt, setzt er sein noch mittelalterlich anmutendes Zeichen.4 Die Geschäfte laufen wohl gut; Jean Rey kauft sich erst ein Haus an der Murtengasse, später eines im Platzquartier und erwirbt 1606 das städtische Bürgerrecht.5 Zeitlebens aber wird er den Kontakt zu Ménières beibehalten, sei es, dass er in der Kirche des Dorfes Messen stiftet, sei es, dass er oder sein Sohn Anton dort bei Kindstaufen Pate stehen.6 Im letzteren, zweimal auftretenden Fall gehört die Patin übrigens der Familie Moret an, mit der die Reys offenbar verwandt sind. Sie nennen sich deshalb «Rey dit de Moret» – was später auf Deutsch zu «König genannt von Mohr» wird.7 Somit hängt dieser klingende Name, den unser Held und seine Brüder stolz tragen werden, im Gegensatz zu früheren Vermutungen8 nicht mit Expeditionen ins ferne Morea (Peloponnes) zusammen, obschon der Kopf eines Mohren im Wappen fremdländische Aventüren suggeriert. Ein ähnlicher Mohr schmückt nämlich auch das Wappen der Moret.9 Die Herkunft der König von Mohr aus Ménières erklärt ihre Beziehungen zum Städtchen Estavayer-le-Lac, das unweit vom Heimatdorf am Ufer des Neuenburgersees liegt: kein Zufall, dass mehrere Frauen der Familie hier ins Kloster eintreten oder dass Franz Peter König mit verschiedenen Angehörigen des hiesigen Adelsgeschlechts Pontherose zeitlebens (teils spannungsgeladene) Geschäftsbeziehungen führt.

Im zweisprachigen Freiburg wird der Notar Jean Rey allmählich zu Hans König. Er heiratet verschiedene Male und hat aus diesen Ehen mehrere Kinder. Ein Junge, 1591 auf den Namen Johannes getauft, dürfte ein älterer Bruder von Franz Peter sein.10 Dieser selbst kommt, wie es scheint, Anfang August 1594 zur Welt; Taufpaten sind der Ratsherr Peter Känel und Barbara Python; die Mutter heisst Anna Bendicht.11 Sie stirbt offenbar kurz nach der Geburt, und der Witwer heiratet hierauf die Tochter des Apothekers Albrecht Lapis, als dessen Schwiegersohn er 1596 bezeichnet wird.12 Doktor Lapis stammt aus Utrecht und wohnt seit 1580 in Freiburg, wo er 1590 das Bürgerrecht erwirbt und zu einer bekannten Persönlichkeit wird.13 Acht Jahre später gründet er hier zusammen mit Franz Werro und dem Buchdrucker Wilhelm Mäss einen Verlag, um die Werke von Petrus Canisius und weiteren zeitgenössischen Autoren herauszugeben.14 Canisius, der Gründer des Freiburger Jesuitenkollegiums, stammt aus derselben Gegend wie Lapis, nämlich aus Nimwegen, und ist 1580, im gleichen Jahr wie dieser, nach Freiburg gekommen.

Hans König, anscheinend abermals Witwer, vermählt sich bald darauf erneut, diesmal mit einer Frau namens Claudia Richard. Sie schenkt ihm drei Kinder: Albrecht Nikolaus, Anton und Elisabeth, die als Halbgeschwister Franz Peters eine wichtige Rolle in seinem Leben spielen werden. Pate des kleinen Albrecht, der zu Beginn des Jahres 1600 getauft wird, ist Albrecht Lapis.15 Wie der Bruder Anton, welcher anderthalb Jahre später zur Welt kommt, wird Albrecht Nikolaus nach seinem zehnten Geburtstag ins neue Jesuitenkollegium zur Schule geschickt.16 Möglicherweise hat Lapis für sein Patenkind auf einer zeitgemässen Ausbildung bestanden. Von Franz Peter hingegen finden wir in den Schülerlisten des Kollegiums keine Spur. Wo lernt er wohl Schreiben und Rechnen – Fertigkeiten, die ihm in seiner späteren Laufbahn grosse Dienste erweisen werden? Vielleicht beim eigenen Vater, dem «Schreiber» oder Notar. Die Handschrift unseres Protagonisten, die wir aus zahlreichen seiner Briefe kennen, weist nicht den akkuraten Duktus der Jesuitenschüler auf. Sie wirkt elastisch, grosszügig, schnell hingeworfen, manchmal etwas fahrig.

Es ist anzunehmen, dass die Kinder von Hans König Albrecht Lapis als ihren Stiefgrossvater gut kennen – er stirbt erst 1613 –, denn sie gehen in seinem Haus an der Reichengasse ein und aus.17 Zur Tochter Albrechts, Dorothea, haben sie ein besonders enges Verhältnis; viele Jahre danach, 1640, wird Franz Peter deren Tochter Anna Maria in zweiter Ehe heiraten. Ein erstes Mal ehelicht er, ungefähr 20-jährig, eine wohlhabende Witwe namens Marie Chassot, die zuvor mit dem Landvogt und Venner Peter Wild vermählt gewesen war.18 Sie ist wahrscheinlich älter als König und stirbt 1638 oder 1639, wenige Jahre nach der endgültigen Rückkehr ihres Manns, mit dem sie vorher nur selten über längere Zeitspannen zusammengelebt hat: Während er seiner Söldnerkarriere nachging, schaute sie in Freiburg nach dem Rechten. Hat sie bereits Kinder in die Ehe mitgebracht? Wahrscheinlich eine Tochter namens Anna; diese heiratet später jenen Daniel Daguet, den König als seinen Schwiegersohn oder «Tochtermann» bezeichnet und der seine Geschäfte führt. Auch ihrem zweiten Mann, also Franz Peter König, schenkt Marie Chassot (zumindest) eine Tochter, die 1616 zur Welt kommt und 1633 als Ursule Colombe König im Dominikanerinnenkloster von Estavayer-le-Lac den Schleier nimmt. Ein lebensgrosses Porträt im Museum für Kunst und Geschichte in Freiburg zeigt die junge Nonne mit ernstem Blick. (In dasselbe Kloster ist drei Jahre zuvor bereits ihre Tante Suzanne Pélagie Berche eingetreten, die früh verwitwete Frau von Anton König; eine weitere Tante, Françoise Chassot, und deren Töchter folgen nach.)19

Königs Tochter, Ursule Colombe, nimmt mit 17 oder 18 Jahren im Dominikanerinnenkloster von Estavayer-le-Lac den Schleier.

Porträt der Ursule Colombe König, um 1633. Öl auf Leinwand. Museum für Kunst und Geschichte Freiburg.

In einem Brief Kardinal Mazarins an Franz Peter König ist lange Zeit danach auch von einem Sohn die Rede, der in den 1620er-Jahren geboren sein muss.20 Ob Marie Chassot dessen Mutter ist, bleibt fraglich; vielleicht handelt es sich hier auch um einen unehelichen Nachkommen – es wäre nicht der einzige unseres lebenslustigen Protagonisten. Neben einer kleinen Anna Maria, die 1637 wohl als Tochter einer Dienstbotin in Grangettes getauft wird, zeugt Franz Peter vermutlich auch ein Kind mit der Freifrau von Eltz, bei der er 1635 während seines Hausarrests in Regensburg wohnt. Überdies bedenkt er in seinem Testament grosszügig ein Fräulein Anna Magdalena («Magdle») von Roth, für uns eine Unbekannte, die aber, nach der ihr zugedachten Summe zu schliessen, in seinem Leben eine beachtliche Rolle gespielt haben muss.21 Handelt es sich vielleicht um die Frau, mit der er in Lindau zusammenlebte?22 Kinder aus dieser Verbindung erwähnt die Quelle zwar nicht, aber sie dürfte jedenfalls auf Königs Hang zu Liebeleien hinweisen. Seine lockere Moral wird von sittenstrengeren Zeitgenossen als unanständig angeprangert. Er wisse nicht, ob man den neuesten Nachrichten über des Obersten Verhandlungen mit Frankreich Glauben schenken dürfe, schreibt 1635 zum Beispiel der Landvogt von Baden an Beat Zurlauben in Zug: «Ich verkehre nicht mit ihm, er vergnügt sich mit einem Weibsbild im Bad.»23

Mit Anna Maria Boccard, seiner zweiten Frau, vermählt sich Franz Peter König wahrscheinlich auch aus Zuneigung. Vor allem aber ist ihr Vater Martin ein langjähriger Kumpan des Bräutigams. Über nahe Blutsverwandtschaften hinaus kann Franz Peter nämlich auf einen Kreis von Männern zählen, die mit ihm entweder entfernt verwandt beziehungsweise versippt oder aber durch Freundschaft und Geschäftsbeziehungen verbunden sind. Die wichtigsten darunter heissen Martin Boccard, Daniel Daguet, Hans Wilhelm Gottrau und Johann Daniel von Montenach. Letzterer, den König als seinen «Cousin» bezeichnet und dessen Vater, der Stadtschreiber Anton von Montenach, Taufpate von Franz Peters jüngstem Bruder ist, gilt als Anführer der spanischen Partei in Freiburg und gehört über nahezu vier Jahrzehnte der Regierung an. Auf einem Bildnis erscheint er uns mit 51 Jahren als eine ernste Gestalt von nobler Eleganz, mit hoher Stirn und scharf geschnittener Nase.24 Zusammen mit andern Getreuen setzt er sich 1634 mit grossem persönlichem und finanziellem Aufwand für die Rettung Franz Peters ein. Wie schätzt er diesen wohl ein? Er selber ist ein Patrizier aus altem Geschlecht, dazu Ritter vom Heiligen Grab und streng gläubig; den sechs Jahre jüngeren König empfindet er sicher oft als prahlerisch und übermütig. Grosszügig und verschwenderisch (beileibe nicht nur auf eigene Kosten!) kann unser Held zornig aufbrausen, wenn man seine Empfindlichkeit berührt. Wird seinen Pferden der Hafer vorenthalten? Er droht mit ewiger Feindschaft. Fühlt er sich von einem Heeresgenossen beleidigt? Der Streit, den er deshalb vom Zaun bricht, führt zu einem zweijährigen Prozess. Zum Todesurteil, das 1634 über ihn gefällt wird, hat letztlich einer seiner explosionsartigen Wutausbrüche geführt.25 Rittlings zu Pferd erscheint er 36-jährig auf dem monumentalen Porträt im Freiburger Museum: Mit herausforderndem Blick, gezwirbeltem Schnurrbart und schwarzem Haar, von untersetzter, doch wohlproportionierter Statur – ein sanguinisches Temperament. Er hat früh lernen müssen, sich durchzusetzen, denn nicht nur in Freiburg wird er wegen seines allzu jungen Adels oft herablassend behandelt.

«Da ich seit meiner Kindheit im Kriegsdienst unterschiedlicher hoher Potentaten und Fürsten die Waffen getragen und es durch Gottes Hilfe, meine ritterliche Faust und meine adligen Taten zur Karriere gebracht habe, in der ich mich nun im Dienste des Kaisers befinde…», schreibt unser Held im Juni des Jahres 1629 aus Frankfurt am Main an die Regierung zu Hause.26 Und in einer Quelle aus dem Jahr 1632 erinnert er daran, dass er nun bereits seit 23 Jahren im Kriegsdienst katholischer Fürsten stehe.27 So ist anzunehmen, dass er Freiburg mit ungefähr 15 Jahren, 1609 oder 1610, verlassen hat, um sein Glück als Soldat in der Fremde zu suchen. Wohin es ihn aus Abenteuerlust und auf der Suche nach Verdienstmöglichkeiten und Aufstiegschancen zuerst gezogen hat, wissen wir nicht. Wahrscheinlich begleitete er anfänglich einen Verwandten, der bereits Erfahrung mit dem Söldnerwesen besass. Die Freiburger liessen sich damals nicht nur vom französischen oder spanischen König, vom Kaiser oder vom Papst anwerben, sondern auch von der Republik Genua oder dem Herzog von Savoyen.28 Wir stellen uns König zu Beginn seiner militärischen Laufbahn in einem dieser mittelgrossen Fürstentümer vor. Hier hatte er als Neuling bessere Möglichkeiten zum Aufstieg als etwa in französischen Diensten. Ausserdem – hätte er seine Laufbahn in Frankreich oder im Reich der Habsburger begonnen, wäre er wohl auch gleich dort geblieben. Stattdessen finden wir die Freiburger Regierung im Herbst 1616 mit einem Haftbefehl gegen den «Aufwiegler Peter Rex» beschäftigt, der in Estavayer – unweit vom väterlichen Heimatdorf Ménières, doch in sicherer Entfernung von der Hauptstadt – ärgerlicherweise entgegen den Prinzipien des Vertrags mit dem Hause Habsburg junge Männer für den Söldnerdienst im venezianischen Bergamo anwirbt.29

 

 

 

 

 

3. Freiburg im Üchtland – ein Stadtstaat um 1600

Wahrhafte und eigentliche Abkonterfaktur der berühmten katholischen eidgenössischen Stadt im Üchtland zur Zeit Franz Peter Königs mitsamt ihren Türmen, Mauern, Kirchen und Klöstern, ihren Bürgern und Hintersässen, ihrer Umgebung und ihren himmlischen Schutzpatronen.

Die Stadt, in welcher Franz Peter heranwächst, wird 1606 von einem Bündner Kupferstecher abgebildet. Martin Martini stammt vermutlich aus Rinkenberg (Surselva) und ist Goldschmied, Stempelschneider und Kupferstecher; sein beruflicher Werdegang ist unbekannt.1 Er ist begabt, führt jedoch ein unstetes Leben; wegen Falschmünzerei, Silberdiebstahls und unflätigen Benehmens muss er für sich und die Seinen oft neue Aufenthaltsorte suchen. Zwei der drei Frauen, mit denen er sich im Lauf seines Lebens verheiratet, sind zänkisch und nehmen auch gegenüber der Obrigkeit kein Blatt vor den Mund; sie tragen das ihre zu den häufigen Ortswechseln und den prekären wirtschaftlichen Verhältnissen der kinderreichen Familie bei. Dank seinen Kenntnissen in der Metallbearbeitung findet Martini in Freiburg gegen 1606 beim städtischen Münzmeister Stephan Philot eine Anstellung als Assistent. Mit Philots verlegerischer Unterstützung und zuhanden der Freiburger Regierung vollendet er in diesem Jahr eine grosse Darstellung der Stadt. Er sei in ihrem Süden gesessen und habe mit Kompass und Messinstrumenten ihre Länge und Breite erfasst, ihre Form nach den Regeln der Perspektive zu Papier gebracht und endlich in Kupfer gestochen: So beschreibt Martini auf dem Werk selbst seine Arbeit daran. Das vollendete Abbild, einen grossen Kupferstich, schenkt er der Obrigkeit und erhält von dieser – ebenfalls als Geschenk – ein Honorar von 30 Pfund.

Mit dem so genannten Martiniplan hat der Kupferstecher nicht einfach eine von vielen vergleichbaren Darstellungen Freiburgs geschaffen – immerhin eine der frühesten –, sondern ein Bild, das emblematischen Charakter hat: Über Jahrhunderte wird es die Vorstellung von der Lage und dem Aussehen der Stadt prägen. Trotz der gängigen Benennung handelt es sich dabei nicht um einen Plan, sondern um eine Ansicht aus der Vogelschau, eine Darstellungsweise, die seit der Renaissance zuerst in Italien, dann auch nördlich der Alpen zusehends beliebt wurde. Obschon sich Martini auf eine etwas ältere Darstellung stützen kann, den in der Anlage vergleichbaren Sickingerplan, ist seine Leistung vom künstlerischen wie auch vom vermessungstechnischen Standpunkt aus höchst bewundernswert. Er zeigt das Stadtwesen in einer Landschaft, die durch Hügelzüge, Hecken und Wäldchen, Schluchten, Felswände, Wege und kleine Gehöfte organisch strukturiert wird. Als breites Band mit mehreren Schlaufen zieht sich der Fluss – die Saane – quer durch den Vordergrund, um sich schliesslich, immer kleiner werdend, in der Ferne zu verlieren.

Dem Band des Flusses entspricht über der Stadt ein Spruchband, das, von zwei fliegenden Engeln gehalten, in Voluten über den Himmel flattert. Darauf ist in grossen Lettern der Titel der Darstellung geschrieben: «Wahrhafte und eigentliche Abkonterfaktur (Darstellung) der berühmten katholischen eidgenössischen Stadt Freiburg im Üchtland samt ihrer Gelegenheit (Umgebung). Anno 1606». Mehrere Heiligengestalten erscheinen, vom Spruchband umrahmt, in den Wolken und zeugen vom katholischen Glauben, dem Freiburg während der Reformation im frühen 16.Jahrhundert treu geblieben ist: links und rechts die heiligen Nikolaus von Myra und Katharina von Alexandrien, Stadtpatrone seit dem späten Mittelalter; am wichtigsten Platz in der Mitte thront als Himmelskönigin die Madonna mit dem Jesuskind. Die innere Reform, mit welcher der Katholizismus im 16. und frühen 17.Jahrhundert auf die protestantische Abspaltung reagiert, misst der Marienverehrung ein bis dahin ungewohntes Gewicht bei. Unterstützt wird diese Frömmigkeit auch in Freiburg durch neu gegründete Bruderschaften und die gezielte Verbreitung des Rosenkranzgebetes, auf das Martini mit zwei Putten mit Kränzen und Gebetsschnüren hinweist. Auch in den Briefen, welche die Freiburger Regierung ab 1623 an Franz Peter König richtet, finden sich Hinweise auf die besondere Verehrung der Gottesmutter: Meistens wird am Schluss dieser Schreiben ihre Fürbitte angerufen.2

Der Goldschmied und Kupferstecher Martin Martini zeigt die Stadt Freiburg im Üchtland aus der Vogelschau. Darüber schweben im Himmel die heiligen Schutzpatrone Maria, Nikolaus und Katharina.

Martin Martini: Grosse Freiburger Stadtansicht, 1606. Kupferstich. Museum für Kunst und Geschichte Freiburg.

Durch die Reformation wird die Saanestadt konfessionell isoliert; Bern, nun protestantisch, schliesst Freiburg seit der Eroberung der Waadt 1535/36 als eine katholische Insel ein. Dies fördert hier die glaubenskämpferische Haltung, die zwei Jahrzehnte später in den Briefen der Obrigkeit an Franz Peter König etwa so zum Ausdruck kommt: «Wir bitten den allmächtigen Gott ganz inniglich, dass er die Feinde seiner Gläubigen demütigen und zerknitschen [!] wolle.»3 Ein monumentales Kreuz vor den Mauern oberhalb der Stadt, auch auf Martinis Darstellung gut sichtbar, zeugt von der Treue zum alten Glauben. Ist das Verhältnis zwischen den zwei Schwesterstädten Freiburg und Bern – beide von Zähringer Herzögen gegründet – schon zuvor angespannt, so gibt die Religion nun neuen Anlass zum Zwist. Allerdings vermeidet es Freiburg tunlichst, den mächtigen Nachbarn zu reizen: Mit ihm kann man sich keinen Konflikt leisten. Vorsichtiges Abwägen charakterisiert folglich die freiburgische Aussenpolitik der frühen Neuzeit. Die mittelalterlichen Mauern, welche die Stadt auf dem Martiniplan umgeben, bieten angesichts der neuen Kriegstechnik nur noch beschränkten Schutz.

In den 1620er-Jahren lässt die Regierung die Befestigungen ausbessern. Mehrmals fasst sie im Lauf des 17.Jahrhunderts eine Modernisierung ins Auge. Die Projekte, die sie dazu anfertigen lässt, werden jedoch nur in Ansätzen verwirklicht; zwei fallen in die Zeit Franz Peter Königs. Das eine stammt von Jean Juat und ist ins Jahr 1634 datiert, als König im Ausland festgehalten ist. Das andere ist das Werk Hans Franz Reyffs und wird 1646/47 unter König, damals Schultheiss, teilweise ausgeführt.4

Innerhalb des Mauerrings, der mit Toren und Türmen bestückt ist, breitet Martini die Stadt vor uns aus. In der Vogelschau wird ihr eigentümliches geologisches Relief – die monumentalen Felswände, die schwindelerregenden Abbrüche und die abrupten Höhenunterschiede – optisch verflacht. Vier Bannerträger (Venner) im Vordergrund weisen auf die vier Quartiere hin, aus denen die Stadt seit dem Spätmittelalter besteht: das Burgquartier um die grosse Pfarrkirche St. Niklaus; die Au, eine Halbinsel in der Schlaufe der Saane; die Neustadt, dies- und jenseits des Flusses gelegen; und das Spitalquartier im oberen Teil der Stadt.5 Dort sichern zwei grössere Teiche die Wasserversorgung. Um die Plätze herum und entlang den Strassen, von denen die wichtigsten nach zähringischem Muster oft parallel geführt werden, reihen sich die Häuser in dichten Zeilen. Sie besitzen zwei bis vier Stockwerke; strassenseitig befindet sich im Erdgeschoss häufig ein Laden. Auf der Rückseite sind die Fassaden manchmal mit Galerien aus Holz versehen; soweit Platz vorhanden ist, werden hier Gärten angelegt. Auch reichere Besitzer folgen diesem Schema, schmücken ihre Wohnhäuser jedoch mit Treppentürmen oder Erkern. Ein einziges Haus tanzt ganz aus der Reihe: das Stadtpalais, das sich der Tuchhändler Hans Ratze gut 20 Jahre früher in der Nähe des Murtentors erbauen liess.6 Als komplexer Baukörper mit vorkragenden Partien und einer prachtvollen Arkadengalerie steht es allseitig frei neben dem Bösen Turm. Es gilt damals als das eleganteste Haus der Stadt; Franz Peter König und sein Bruder Albrecht Nikolaus werden es später von den Erben des Erbauers kaufen.

In den gleichförmigen Reihen der Gebäude sind auf dem Plan gewisse mit einer Zahl bezeichnet. Es handelt sich um Zunft- und Wirtshäuser, oft von stattlicher Grösse. Besonders wichtige öffentliche Bauten heben sich jedoch durch Volumen, Lage und Form stärker vom Durchschnitt ab: Das Liebfrauenspital und die daran angebauten Tuchhallen; das Gerichts- und das Rathaus; die Münzstätte; in der Neustadt auf der unteren Matte die Gewerbebauten: der Werkhof etwa oder das Haus des städtischen Werkmeisters. Mit Grossbuchstaben hat der Stecher sodann die Kirchen und Klöster markiert. Sie treten in der urbanistischen Struktur gleichsam als Solitäre auf – Ensembles, die in sich geschlossen sind. Zentrum des Stadtbildes ist St. Niklaus, die erste Pfarrkirche und seit 100 Jahren Sitz eines Chorherrenkapitels. Gut zwei Jahrzehnte zuvor haben die Brüder D’Argent, zwei Maler aus Besançon, einen neuen Hochaltar für das Gotteshaus geschaffen.7 Auf den hohen, massiven Kirchturm mit dem geraden Abschluss sind die Freiburger besonders stolz.8 Ausserdem haben sie gegen Ende des 16.Jahrhunderts die Vorhalle beim Westportal verschönern lassen: mit prächtigen Türen im Stil der Renaissance und Wandmalereien von Adam Künimann.9 Dieser Vorhalle widmet Martini ein vergrössertes Detail in einem Quadrat am unteren Bildrand. Was er auf seinem Stich jedoch nicht wiedergibt, ist der alte, seit längerem baufällige Chor von St. Niklaus. Er ist auf einem rechteckigen Grundriss erbaut; der Künstler stellt ihn aber polygonal mit eleganten Lanzettfenstern und schlanken Strebepfeilern dar. Dergestalt hat ihn der Baumeister Hans Felder 1518 der Obrigkeit vorgeschlagen, allerdings vergeblich. Erst von 1627 bis 1631 wird er nach Plänen des Prismeller Baumeisters Daniel Heintz durch dessen Landsmann Peter Winter in noch immer gotischen Formen neu erbaut.10 Nahe des Chors erscheint auf der Stadtdarstellung die Friedhofkapelle.

Hinter der Stiftskirche steht die Liebfrauenkirche, die zum Spital gehört und in der Frühzeit ausserhalb der Mauern des ersten Stadtteils, des Burgquartiers, lag. – Eine weitere Kirche gehörte zu einem Hospiz, das für die Beherbergung von Armen und Fremden bestimmt war: die Johanniterkomturei auf der oberen Matte.11 Bei seiner Ankunft in Freiburg hatte sich dieser Spitalorden zuerst in der Au niedergelassen; das erste Kirchlein, der Kleine St. Johann, ist bei Martini gut zu erkennen. Zu weit von der Stadt entfernt, als dass sie auf dem Stich erscheinen könnte, befindet sich eine andere Einrichtung für Kranke: das Siechenhaus in Bürglen, wohin die Aussätzigen aus Furcht vor Ansteckung verbannt wurden, und die dazugehörige Kirche.12

Das Titelblatt des Fahnenbuchs zeigt Freiburgs Wahrzeichen, die drei Türme, als katholische Festung. Sie wird vom Erzengel Michael, dem kämpferischen Vorbild der Jesuiten, bewacht.
Pierre Crolot: Fahnenbuch, 1647/48. Tempera auf Pergament. Staatsarchiv Freiburg.

Belassen wir es bei dieser Aufzählung von Kirchen und wenden wir uns den Klöstern zu. Drei davon stammen aus dem Mittelalter. Die Zisterzienserinnenabtei der Magerau, in einer Flussschleife vor den Toren der Stadt, erlebt zur Zeit Martinis eine innere Erneuerung, die ganz im Zeichen der katholischen Reform steht. Peter Wuilleret, der wichtigste Freiburger Maler des frühen 17.Jahrhunderts, schafft in diesen Jahren für das Kloster mehrere Altäre, in deren strengem Stil und feierlich ernster Thematik die religiöse Stimmung der Zeit zum Ausdruck kommt. Das «männliche» Pendant der Magerau, das Kloster Altenryf, befindet sich ein paar Kilometer weiter südwestlich ebenfalls am Saanelauf. Mitten in der Stadt hingegen liegt das Franziskanerkloster. Die «Cordeliers», wie sie aufgrund des Stricks ihrer Ordenstracht in Freiburg genannt werden, wählten im 13.Jahrhundert als moderner Bettelorden für ihre Neugründung einen Ort, der in engem Kontakt zu dem aufstrebenden Stadtwesen stand.13 Im ausgehenden Mittelalter wurden hier öfters vornehme Staatsbesuche einquartiert, und im geräumigen Kirchenschiff fanden Bürgerversammlungen statt. Zu Martinis Zeit war das Schiff noch ein gotischer Bau; im Chor stand der mächtige, mit Nelken gezeichnete Altar. Unmittelbar daneben ist noch heute das schwarze Epitaph eingelassen, das in goldenen Lettern an Franz Peter Königs Bruder Albrecht Nikolaus erinnert. Als Besitzer des Ratzehofs pflegten die Brüder König ab 1629 einen engen Kontakt nicht nur in geistlichen Belangen zu ihren unmittelbaren Nachbarn, den Bettelmönchen: Von ihnen tauschten sie etwa einen Teil eines Baumgartens gegen die Stiftung einer Jahrzeit ein.14

Das dritte mittelalterliche Kloster steht im Auquartier. Seine Mönche gehören als Augustinereremiten einem weiteren Bettelorden an. Um 1600 kämpfen sie für das Weiterbestehen ihrer Gemeinschaft und ihres Vermögens. Auf dieses hat die Freiburger Regierung nämlich seit kurzem ein Auge geworfen. Das Kloster, im vorherigen Jahrhundert stark heruntergekommen, ist durch seinen liederlichen Ruf schwer gefährdet. Da lässt ein initiativer Prior von zwei Bildhauern aus Pruntrut, den Brüdern Peter und Jakob Spring, für den Hochaltar der Kirche ein prachtvolles Altarretabel mit Szenen aus dem Marienleben errichten, das nicht zuletzt durch seine gigantischen Ausmasse die Vitalität des Klosters vor Augen führen soll.15

Das kostspielige Projekt, zu dessen Vollendung konfiszierte Geldmittel aus aufgehobenen Klöstern der Freiburger Obrigkeit sehr gelegen kommen würden, ist das Jesuitenkollegium, das sich zur Zeit von Martinis Stadtansicht gerade im Bau befindet. Im oberen Teil der Stadt ist es als der grösste Bau nach der Niklauskirche wie eine Zitadelle auf dem Belsaix-Hügel angelegt. Das Gotteshaus und die dazugehööä16äüäöäööäüüü17