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Philipp Tholey

Die vergessene Stadt

Drittes Buch der Khesin-Saga (Fantasy)





BookRix GmbH & Co. KG
80331 München

Prolog

Zahllose Legenden ranken sich um das kleine Inselkönigreich Khesin, das jahrtausendelang sämtlichen Angriffen fremder Mächte  erfolgreich widerstanden hat. Erzählungen darüber machten die Runde an den Tischen der Gasthäuser und Tavernen Khesins, von wo aus sie von den Seeleuten in alle Welt hinausgetragen wurden. Viele der Begebenheiten wurden von den Erzählern blumenreich ergänzt. Und oftmals wurden kurzerhand neue, dramatische Abenteuer erfunden, um die nach Neuigkeiten dürstenden Zuhörer zufriedenzustellen.

Auf diese Weise begannen die tatsächlichen Geschehnisse allmählich in Vergessenheit zu geraten. Für Samman, dem königlichen Archivar in der Hauptstadt Khesa, war dieses Vergessen ein Ärgernis. Und so begann er bereits in jungen Jahren damit, die in den Legenden geschilderten Begebenheiten niederzuschreiben. Er zog dazu sowohl Schriften aus Tempelarchiven als auch Aufzeichnungen des königlichen Archivs heran.

Großen Wert legte er allerdings auf Befragungen von Nachkommen der seinerzeit handelnden Personen. Tatsächlich waren diese Quellen am ergiebigsten. Die Befragten hatten ihre Informationen nämlich nicht an Wirtshaustischen gesammelt, sondern von ihren Eltern erhalten, die sie wiederum von den Eltern und Großeltern empfangen hatten. Ergänzt um Geschichten aus Wirtshäusern und Tavernen, lieferten die in jahrzehntelanger Kleinarbeit  zusammengetragenen Informationen ein recht genaues Bild der tatsächlichen Geschehnisse.

Als herausragend erwies sich schon sehr bald die Rolle des jungen Toran, den man, nach seiner Tätigkeit, den Jäger nannte. Aufgewachsen war er einst am königlichen Hof in Khesa, als Sohn des königlichen Schwertmeisters und dessen Gattin Aisha. Im Alter von zehn Jahren war er von König Thar in die Hafenstadt Tharl zu einer Pflegemutter geschickt worden, nachdem man seinen Vater ermordet und seine Mutter entführt hatte.

Drahtzieher dieser Verbrechen war die Priesterschaft von Mohon gewesen, die mit politischem Geschick und mit Hilfe ihrer magischen Fähigkeiten seit Menschengedenken über das Festland herrschte. Lediglich das Inselkönigreich Khesin, das dem Kontinent auf dessen Ostseite vorgelagert ist, hatte bislang den Angriffen der so genannten Schwarzen Priester erfolgreich widerstanden.

Mit militärischen Mitteln war Khesin kaum zu erobern, denn seine ansonsten vollkommen unzugängliche Steilküste weist lediglich zwei natürliche Häfen auf. Einen im Süden der Insel, bei man die Hafenstadt Marrak erbaut hatte, und einen zweiten auf ihrer Ostseite, der von der Hafenstadt Tharl geschützt wurde. Besiedelt war lediglich die warme und fruchtbare Südhälfte der Insel. Khesins unwirtliche Nordhälfte ist nämlich durch das Felsengebirge, eine von Osten nach Westen verlaufende, nur sehr schwer zu überwindende Barriere, vom Süden getrennt.

Samman, der königliche Archivar, hat die wichtigsten Begebenheiten jener Zeit in einer Reihe von Büchern festgehalten: Eine lange Kette teilweise dramatischer Ereignisse beginnt, als der junge Jäger Toran zu seinem König in die Hauptstadt Khesa gerufen wird. Er entgeht nur knapp einem Mordanschlag, ehe er sich in das Felsengebirge begibt, wo er zwei magische Edelsteine findet und schwer verunglückt.

Nach seiner Genesung erhält Toran von König Thar einen wichtigen Auftrag. Er soll den Tempel der Goldenen Göttin aufsuchen, der sich auf dem Festland irgendwo in den geheimnisvollen Wäldern des Landes Goor befindet. Von dort soll er das lange verschollene Zepter der Könige Khesins holen. Toran gewinnt einen Reisegefährten und erwirbt ein seltsames Schwert, an das er einen der beiden gefundenen Edelsteine  schmieden lässt. Eine mächtige Waffe entsteht auf diese Art und Weise.

Derart ausgerüstet, bricht Toran mit seinem Gefährten Tarax zum Tempel der Goldenen Göttin auf. Nach ihrer riskanten Landung an der Ostküste des Kontinents dringen die Gefährten in die Urwälder des Landes Goor ein. Toran macht dort Bekanntschaft mit seltsamen, meist sehr gefährlichen Tieren und Pflanzen und überlebt - dank seines magischen Schwerts - nur knapp den Angriff eines Astfängers, eines der gefährlichsten Tiere dieses Dschungels.

Schließlich suchen die Gefährten das Heimatdorf von Tarax auf, wo sie auf einen alten Mann treffen, der in Verbindung mit einer geheimnisvollen, angeblich allwissenden Kreatur steht. Von diesem Mann erfahren sie, wo der Tempel der Goldenen Göttin zu finden ist und kommen schließlich dort an. Doch die Schwarzen Priester sind den beiden dicht auf den Fersen, denn auch sie sind auf der Jagd nach dem verschollenen Zepter

Tatsächlich finden die beiden Tempel und Zepter und erreichen, ungeachtet aller Gefahren des Dschungels, wohlbehalten die Küste des Kontinents, von wo aus sie die Seereise nach Khesin antreten. Dort angekommen, werden die Gefährten von den Schwarzen Priestern und ihren Helfershelfern bereits erwartet. Doch auch deren Angriffe überstehen sie und übergeben das Zepter an König Thar, der Toran zum königlichen Schwertmeister ernennt.

Der König beauftragt seinen neuen Schwertmeister, nach der nahezu vergessenen  Löwenbruderschaft zu suchen, um dort den zweiten magischen Edelstein an das Zepter schmieden zu lassen. Toran hat in Erfahrung gebracht, dass die Bruderschaft irgendwo nördlich des Felsengebirges, im Land der Feuerberge, zu finden ist, und begibt sich unverzüglich allein auf die gefährliche Reise. Doch bereits während er das Gebirge überquert, gerät er ernsthaft in Gefahr. ...