Peter Zwegat

mit Liane Scholze

Raus aus der Schuldenfalle!

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Vorwort oder Vernünftige Schulden, unvernünftige Schulden

Immer mehr Menschen tappen in die Schuldenfalle. Was zunächst relativ harmlos mit der gelegentlichen Überziehung des Dispos anfing, endet für viele Menschen irgendwann in einem desaströsen Schuldensumpf. Derzeit sind rund 4 Millionen Haushalte in Deutschland davon bedroht, jeder zweite deutsche Haushalt ist verschuldet.

Eine Verschuldung an sich ist zunächst kein Problem, denn wer hat schon so viel gespart, dass er für die neue Küche, das Auto oder andere größere Anschaffungen einfach ein Bündel Geldscheine hinlegen kann? Die meisten Menschen sind in solchen Fällen gezwungen, einen Kredit aufzunehmen. Daran ist nichts Anrüchiges. Und so schreibt denn auch die Bundesbank in ihrem Glossar: «Der Kredit bildet eine zentrale Grundlage für die volkswirtschaftliche Kapitalbildung und den effizienten Kapitaleinsatz. Für die Geldpolitik spielt der Kredit wegen seiner Funktion bei der Geldschöpfung eine besondere Rolle.» Wenn Sie den Kredit also kurz-, mittel- und langfristig bedienen können, ohne sich allzu sehr einengen zu müssen, verschulden Sie sich – das kann durchaus vernünftig sein!

Wenn aus der Verschuldung allerdings eine Überschuldung wird, nämlich dann, wenn die Einnahmen nicht mehr ausreichen, um die Ausgaben inklusive der Ratenzahlungen zu begleichen, oder wenn Sie bereits am Existenzminimum leben, wird die Lage prekär und der sogenannte Kreditunfall tritt ein.

Rund 7,3 Millionen Deutsche über 18 Jahre, gut jeder zehnte Erwachsene, waren 2007 überschuldet. Für 2007 ging man von einem Schuldenvolumen von 208 bis 271 Milliarden Euro aus (2004 : 186 Milliarden Euro). Jeder Bundesbürger steht mit durchschnittlich 8500 Euro in der Kreide, und die Überschuldung von Privatpersonen steigt weiter an. Dabei gilt: Je höher das Alter des Schuldners, desto höher auch seine Verbindlichkeiten. Auch regional gibt es Unterschiede. Die geringste Schuldnerquote weist Bayern auf, gefolgt von Baden-Württemberg und Sachsen. Die höchste Schuldnerquote gibt es in Sachsen-Anhalt, Berlin und, an der Spitze, in Bremen, seit Jahren wechseln sich die beiden letztgenannten Städte ab.

Gerade junge Menschen, die noch am Anfang ihres Berufslebens stehen, verschulden sich häufig; am stärksten gefährdet sind die 25- bis 29-Jährigen: 21 Jahre jung, 22 000 Euro Schulden – noch nicht die Regel, aber schon längst nicht mehr die Ausnahme: Vor einiger Zeit suchte uns eine 22-jährige Berlinerin auf, die bei sage und schreibe 101 Gläubigern Schulden angehäuft hatte. Leider verkannte sie die Tragweite ihrer Situation und erschien nie wieder in der Beratungsstelle.

Junge Menschen stehen noch am Anfang ihrer Verdienstmöglichkeiten, haben aber oft Wünsche, die dem Portemonnaie eines Gutverdieners entsprechen. Hier das aktuelle Handy, dort die schicke Hi-Fi-Anlage, mit der man einen Dom beschallen könnte. Doch nicht nur übermäßiger Konsum, sondern z. B. auch das negative Vorbild der Eltern trägt zur Überschuldung bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen bei. In der Altersgruppe der 19- bis 25-Jährigen (Quelle: GP Forschungsgruppe in Dieter Korczak, «Geld und andere Leidenschaften», 2006) sind die zentralen Faktoren jedoch

  1. unwirtschaftliche Haushaltsführung

  2. Arbeitslosigkeit

  3. Haushaltsgründung/​Geburt eines Kindes

  4. Sucht/​Erkrankung/​Unfall

  5. Trennung/​Scheidung

 

Ältere Schuldner haben ihre Haushaltsgründung und Familienplanung in der Regel abgeschlossen, sodass Scheidung bzw. Trennung die häufigste Ursache einer Überschuldung ist – jede zweite bis dritte Ehe wird in Deutschland geschieden.

Doch auch allgemeine wirtschaftliche Faktoren spielen eine Rolle: Seit Jahren stagnieren die Nettorealeinkommen. Was die gelegentliche Steuersenkung vor einer Wahl gibt, nimmt die allgemeine Preiserhöhung gleich doppelt wieder weg. Mal wird der Zucker teurer, dann die Milch und andere Lebensmittel. DVD-Player werden zwar billiger, aber man hat ja schon einen. Dann wird plötzlich die Pendlerpauschale gekürzt. Das reißt ein ordentliches Loch ins Portemonnaie, denn viele Arbeitnehmer sind auf ein Auto angewiesen. Darüber hinaus bringen die Benzinpreise das einst ordentlich kalkulierte Haushaltsgefüge rasch ins Wanken. Selbst wer nicht auf das Auto angewiesen ist, kämpft mit der einen oder anderen Preiserhöhung bei den öffentlichen Verkehrsmitteln.

Früher hieß es: «Auf Pump kauft man nicht, da dauert es so lange, bis man zu den Dingen Du sagen kann.» Diese Einstellung hat sich inzwischen bei vielen Menschen geändert – und unsere Wirtschaft setzt auf diese Menschen, die auf Pump kaufen, sie braucht keine knickerigen Geizhälse, sondern konsumfreudige, lebensbejahende Menschen – denn, wie Henry Ford einmal sagte: «Autos kaufen keine Autos.» Und spätestens da schnappt die Falle zu!

Da steht dann der Mensch, der ja nur einmal lebt, der es schön haben möchte und viele Dinge benötigt bzw. zu benötigen glaubt, um eine angenehme Zeit zu haben, vor einem Heer von Anbietern, die ihm per Kredit die halbe Welt zu Füßen legen. Nur bezahlen muss er den oder die Kredite, sonst wird es haarig. Nicht von heute auf morgen, aber irgendwann doch ganz schnell. Denn die Gläubiger denken leider nicht olympisch («Dabeisein ist alles»), wenn es um das Eintreiben des Geldes geht. Da wird mit harten Bandagen um die Rangfolge gekämpft, und so, wie viele Hunde des Hasen Tod sind, sind auch viele Gläubiger irgendwann des Schuldners wirtschaftlicher Tod.

Durchschnittlich zwölf Gläubiger hat ein Schuldner in Deutschland zu befriedigen, die meisten Schulden häufen sich bei Telefongesellschaften, Versandhäusern, öffentlichen Gläubigern, Kreditinstituten und Vermietern an (Quelle: GP Forschungsgruppe in: Dieter Korczak, «Geld und andere Leidenschaften», 2006).

 

Jeder dieser Gläubiger denkt zunächst an sich selbst, und um jeden Platz in der Rangfolge wird hart gekämpft – welcher Kredit wird zuerst abbezahlt? In vielen Fällen der, dessen Gläubiger am meisten Druck ausüben, meist Rechtsanwälte oder auch Inkassobüros, die mit gerichtlichen Maßnahmen drohen.

Irgendwann, wenn die Schulden zu groß werden, fängt der Schneeball an, den Berg hinunterzurollen, erst langsam und bedächtig, dann nach und nach mit höherer Geschwindigkeit. Eigentlich hat man das so gar nicht gewollt und dachte, man hätte alles im Griff.

Man hat anfangs noch Kontakt mit dem Gläubiger gehalten. Mal ein Anruf hier, mal ein Brief da. Doch irgendwann wandern die Mahnbriefe ungeöffnet in Schubladen oder werden verschlossen in Plastiktüten oder gleich hinter dem Schrank verstaut. Warum auch nicht, es steht ohnehin nur Schlechtes drin. An das Telefon traut man sich schon lange nicht mehr, die Tür wird nicht mehr geöffnet, weil vielleicht ein Gläubiger oder der Gerichtsvollzieher davorsteht. So wie ein kleines Kind, das die Hände vor die Augen hält und sagt: «Mama, du kannst mich nicht mehr sehen!»

Zunächst hat man vielleicht noch das eine oder andere Zahlungsversprechen abgegeben und mit den Zahlungsfristen jongliert, konnte damit möglicherweise auch den einen oder anderen Teilerfolg (den Aufschub der Zahlung) erreichen. Man hat das Versprechen ja auch einhalten wollen, es aber auf die Dauer nicht gekonnt, was den Gläubiger nicht gerade gnädig gestimmt hat. Da jagt dann ein Vorwurf den nächsten, angstmachende Beschimpfungen folgen – bis die Bank den Hahn zudreht.

Falls die girokontoführende Bank, bei der die Ratenkredite laufen, selbst mit an den Turbulenzen beteiligt ist, wird irgendwann zwar die laufende Kreditrate bedient, selbst über den erlaubten Disporahmen hinaus, nicht aber mehr andere Daueraufträge/​Einzugsermächtigungen wie z. B. die Miete. Jetzt donnert die Lawine ins Tal und reißt alles mit, was ihr im Weg steht. Und aus sicherer Entfernung rufen Beobachter: «Warum hast du nicht besser aufgepasst?» Oder: «Selber schuld, Blödmann.»

Bei der Arbeit ist man abgelenkt, und die Qualität der Arbeit lässt nach. Dem angepumpten Kollegen versucht man aus dem Weg zu gehen. Nachts kommt man nicht in den Schlaf, morgens nicht aus dem Bett. Herzschmerzen, Rückenschmerzen, Kopfschmerzen machen häufige Arztbesuche notwendig und bedingen Arbeitsausfälle. Beruhigungsmittel und Alkohol sind häufige Begleiter, Tröster und Verstärker zugleich. Die Partnerschaft bröckelt, die Lawine hat nun endgültig alles platt gewalzt. So oder so ähnlich verlaufen viele Schuldnerschicksale.

Mit etwas Weitsicht, ohne alles ins Pessimistische abgleiten zu lassen, hätte vielleicht der eine oder andere Fehler vermieden werden können.

 

Dieses Buch soll helfen, sich gar nicht erst in der Schuldenfalle zu verfangen bzw., sollte es doch passiert sein, sich mit praktischen, lebensnahen Ratschlägen selbst zu helfen, damit die Situation nicht noch verworrener wird.

Viele Fälle können jedoch nur mit professioneller Hilfe geklärt oder verbessert werden, die dieses Buch nicht ersetzen kann! Aber die Wartezeiten in seriösen Schuldnerberatungsstellen sind lang, und viele Vorarbeiten kann man selbst schon mal angehen, damit es später beim Berater schneller läuft.

In die Schuldenfalle kann fast jeder geraten, oftmals leichter, als man denkt. Der Weg raus ist schon schwieriger und dauert unter Umständen sehr viel länger. Aber auch ein langer Weg beginnt mit dem ersten Schritt. Eine Anleitung für diese ersten Schritte finden Sie in diesem Buch – weitergehen müssen Sie allerdings allein oder mit Hilfe eines Beraters.

Dafür wünschen wir Ihnen alles Gute und einen langen Atem.

 

Zur besseren Lesbarkeit haben wir auf die zusätzliche Bezeichnung der weiblichen Form im Buch verzichtet.

 

Peter Zwegat und Liane Scholze

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Zur Entstehung von Schulden oder Besser vorher schlau als hinterher klüger

Schulden sind relativ leicht gemacht. Sie fallen aber nicht vom Himmel – wenn man mal davon absieht, dass es immer unvorhersehbare Ereignisse gibt, die deswegen so heißen, weil man sie eben nicht vorhersehen kann.

«Et hätt noch immer jut jejange», besagt ein Spruch aus der Narrenhochburg Köln – doch wenn wir das erst mal sagen können, sind wir mindestens schon drei Schritte weiter.