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Jean Sarafin

Die Nachtmahr Wunschträume

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Die Autorin:

Jean Sarafin stammt ursprünglich aus Wellington. Im Alter von zehn Jahren ist sie mit ihren Eltern und ihrer älteren Schwester Daria ins Ruhrgebiet gezogen, wo sie noch heute lebt. Gemeinsam mit ihrer Schwester, mit der sie zurzeit an einem SciFi-Abenteuer arbeitet, hat sie früh das Schreiben für sich entdeckt. «Die Nachtmahr Traumtagebücher« ist eine deutsche Erstveröffentlichung.

Jean Sarafin

Die Nachtmahr
Wunschträume

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ELYSION-BOOKS TASCHENBUCH

VOLLSTÄNDIGE TASCHENBUCHAUSGABE

ORIGINALAUSGABE

UMSCHLAGGESTALTUNG: Ulrike Kleinert

LAYOUT & WERKSATZ: Hanspeter Ludwig

Inhalt

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Prolog

Es war stockfinster. Der Boden unter ihren Füßen war weich. Immer wieder gab er nach und machte ihren eben noch scheinbar sicheren Stand zunichte. Dadurch sog er sie jedes Mal förmlich ein, schluckte sie bis zu den Knöcheln, den Unterschenkeln oder den Knien.

Dabei war sie schon so weit gekommen. Fort von dem unsichtbaren Hindernis, welches ihr den Weg versperrt hatte. Doch nun wuchs ihre Angst, die nicht mit rationalem Verstand zu erklären war, mit jedem weiteren Schritt, bis ihr Gehen zu einer Flucht wurde. Vor was auch immer.

Wieder fiel sie hin, abermals gebremst von dem nachgebenden Untergrund. Etwas streifte ihre Schulter, dann ihren Kopf. Sie griff nach ihren Haaren und es dauerte einen Augenblick, bis sie begriff. Sand prasselte in einem kontinuierlichen Fluss von oben, häufte sich dort an, wo sie stand und verteilte sich von dort in alle Richtungen.

Bei dieser Erkenntnis wurde es wie auf Kommando heller. Gerade hell genug, um zu erkennen, dass das beinahe unsichtbare Hindernis nicht nur hinter ihr war, sondern sie komplett einschloss. Zusammen mit dem fallenden Sand. Die plötzliche Panik kam zusammen mit ihrem erneuten Einsinken. Dieses Mal bis zu den Oberschenkeln. Verzweifelt versuchte sie einen weiteren Schritt zu machen, Halt zu finden, doch da war keiner mehr. Jede Bewegung ließ sie tiefer rutschen, bis sie schließlich bis zu den Hüften in dem weichen, nachgiebigen Untergrund steckte. Und der von oben fallende Sand ließ die Falle von Sekunde zu Sekunde nur noch tiefer werden, häufte sich um sie herum an, unaufhaltsam. Weiter und immer weiter.

Vorsichtig beugte sich das Mädchen nach vorne und versuchte sich so, eine möglichst große Oberfläche einnehmend, aus der Falle zu ziehen. Aber auch hier gab es keinen festen Halt, keine Möglichkeit, der Situation zu entkommen.

Dann hörte sie das Lachen. Leise, aber wohlbekannt.

Kapitel 1

Ich hatte einen Albtraum. Einen grässlichen, unrealistischen. Trotzdem schlief mein Körper ungerührt weiter und es dauerte eine ganze Weile, bis mein Bewusstsein wach genug war, um das Geschehen als das zu entlarven, was er war: Nicht real. Schließlich hatte ich seit über einem Jahr keine Übung mehr im schlecht-träumen. Genauer gesagt, seit ich selbst Königin der Albträume war. Und das war nicht als Metapher gemeint.

Genau bei diesem Gedanken schreckte mich mein Bewusstsein auf und meinen Körper hoch. Im selben Moment vergaß ich, was ich eben noch gedacht und geträumt hatte. Dafür schlug mir mein Herz bis zum Halse und mein Puls raste. Obwohl ich sofort meine Augen öffnete, war keine Spur von einem Alb zu sehen. Trotzdem blickte ich prüfend nach links und rechts und sogar unter das Bett. Nichts. Ich setzte mich auf. Einen Moment lang genoss ich die Ruhe und die Dunkelheit, die inzwischen zu meinem eigenen Wesen gehörte. Für gewöhnlich eine Verbündete, hatte mich heute meine eigene Fähigkeit zur Fantasie hintergangen. Ich verzog die Lippen zu einem bösen Lächeln, das gleichzeitig auf andere abschreckend, wie für mich selbst aufheiternd wirken sollte. Letztendlich hatte ich gewusst, dass meine schlimmen Träume eines Tages zurückkommen würden. Und dass man als Albtraum nicht vor den eigenen Artgenossen gefeit war, war auch kein Geheimnis – aber man sollte doch meinen, als Königin hätte ich zumindest dieses eine, klitzekleine Privileg verdient.

Ich starrte in die Finsternis, unberührt und nachtschön, und verfluchte im Stillen den Alb, den Traum und weil ich gerade so richtig schön wütend war, auch gleich die gesamte Situation dazu. Es half nichts. Ich war wach und würde es auch bleiben. Vermutlich würde ich es nach diesem Adrenalinstoß nicht einmal mehr schaffen, in dieser Nacht Ruhe zu finden. Ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass es drei Uhr war. Genervt setzte ich mich auf und schwang die Beine über die Bettkante. Halb hoffte ich darauf, dass doch etwas unter meinem Bett lauerte – ein Bogeymann oder ein anderes unheimliches Wesen – und dumm genug war, nach meinen Füßen zu grabschen. Aber manche Dinge sprachen sich anscheinend selbst unter Gruselgestalten und Schreckgespenstern herum. In diesem Falle meine nahezu permanent schlechte Laune. Schade eigentlich.

Ohne das Licht anzuschalten nahm ich mein Traumtagebuch von der Nachtkonsole und öffnete es. Doch meine Erinnerung blieb stumm. Immer noch war der Traum wie hinter Schleiern verborgen, unfassbar, nur die Reminiszenzen der freigelegten Gefühle greifbar. Absolute Panik gepaart mit kompletter Hilflosigkeit. Angespannt ging ich die üblichen Verdächtigen durch: meinen Großvater und seine schattigen Schreckgespenster, die mich als Kind malträtiert hatten; die gruseligen Schatten, die alle als Einbildung abgetan hatten, statt mich in meine Herkunft – halb Nachtmahr, halb Tagmahr – einzuweihen; den Brand und den Flammentod meiner Eltern. Die Erpressung durch meinen Lieblingsfeind Jonah und mein Beinahe-Ertrinken, weil er mich an einem wirklich ungünstigen Ort eingesperrt hatte … nichts davon löste eine aktuelle Erinnerung aus. Nicht einmal, als ich an das Internat »Saint Blocks« dachte, auf das ich abgeschoben worden war, weil mir mein Onkel und meine Tante die Geschichte mit der Erpressung und dem Beinahe-Ertrinken nicht geglaubt hatten. Nur meine Brandnarben, die sich von der linken Hand nach oben bis zur Schulter hinaufzogen, begannen unangenehm zu ziehen.

Ich schloss die Augen, atmete bewusst und tief ein und konzentrierte mich. Sofort intensivierte sich das Gefühl der Hilflosigkeit in meinem Inneren. Die Panik war wieder da, die Angst und das Wissen, ausgeliefert zu sein, machtlos. Beinahe gleichzeitig war ich wieder in dem Traum. Sand fiel von oben auf mich herab, immer mehr, unaufhaltsam. Er wurde höher, prasselte um mich herum und erschwerte mein Atmen. Bald würde er mich völlig bedecken und ersticken.

Ich öffnete abermals die Augen und nur die Emotionen blieben. Ein Alb der Kategorie »Warntraum«. Die Verbindung zu meinem Leben und den Tatsachen, die ich bisher erfolgreich verdrängt hatte, waren eindeutig. Ich dachte an meinen Ex-Freund, und tatsächlich … das Gefühl des Erstickens wurde intensiver. Bald war sein achtzehnter Geburtstag. Anders als bei gewöhnlichen Sterblichen, war das bei meinem Stiefbruder nicht nur der Tag an dem er volljährig werden würde, nein, es war auch mein Todestag. Zumindest, wenn es nach den Tagmahren ging. Denn genau in elf Tagen würde David ihr neuer Herrscher werden. Derjenige, der dafür sorgen musste, dass der Krieg zwischen den Tag- und den Nachtmahren endgültig beendet und der neue König der Albträume getötet wurde.

Eigentlich ein schweres Unterfangen, denn die Nachtmahre und auch ihre Herrscher lebten für gewöhnlich ebenso unerkannt unter den Menschen wie die Tagmahre. Bei mir war dieses Inkognito allerdings mehr als schwammig, denn David kannte meinen aktuellen Status nur zu gut. Ihm verdankte ich ihn schließlich. Wenn er nicht zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen wäre, wäre ich immer noch ein ganz normaler Teenager. Ein wenig verschroben, Hormon-geplagt, mit einigen Psychosen und einem latenten Hang zur Paranoia, aber immer noch ein gewöhnlicher Mensch. Um ihn zu retten, hatte ich mich geopfert, meine Zukunft und alles, woran ich je geglaubt hatte aufs Spiel gesetzt, und hatte die Herrschaft über die Nachtmahre angenommen. Etwas, was in meiner Lebensplanung absolut nicht vorgesehen gewesen war. Tja, was soll ich sagen? Dankbarkeit sah für mich anders aus und beinhaltete weder den Tod, noch die Enthauptung des Retters am eigenen Geburtstag. Kein Wunder, dass wir es nicht einmal bei so etwas Einfachem wie einer Liebesbeziehung geschafft hatten. Naja … was hieß hier eigentlich »wir«? Er.

In seiner typischen Ich-schaffe-das-allein-und-du-erfährst-es-als-Letzte-James-Bond-007-Mentalität hatte er mich abserviert, ohne Chance, ohne Erklärung – zumindest ohne echte – und lief jetzt herum, als wäre alles meine Schuld. Und Alles meinte alles seit dem Sündenfall Natürlich war es umgekehrt ähnlich: Nur zu gerne hätte ich ihn dafür verantwortlich gemacht, dass ich zur Hälfte ein Nachtmahr war. Aber das war der alleinige Verdienst meiner Eltern (also eigentlich die meines Vaters, des Nachtmahrprinzen) und ich konnte nichts daran ändern. Auch konnte ich David nicht wirklich dafür verantwortlich machen, dass er in bester Absicht hatte verhindern wollen, dass ich überhaupt von den Nachtmahren oder meiner königlichen Abstammung erfuhr. Doch ich konnte ihn verdammt noch mal dafür verantwortlich machen, dass seine Handlungen wie bei einer selbst-erfüllenden-Prophezeiung gewirkt hatten und er sich nach seiner Rettung durch mich und seiner danach folgenden Liebeserklärung keine Mühe mehr gegeben hatte. Stattdessen hatte er sich benommen wie ein … ein … Tagmahr. Ein waschechter, überheblicher, wir-sind-die-Guten-und-werdeneuch-alle-töten-Tagmahr. Manchmal war das Schicksal echt ein Arschloch!

»Na super!« Ich gab den Gedanken daran, mich wieder schlafen zu legen auf und notierte den Traum in kurzen Worten auf Seite 70 meines Tagebuches. Es half kein bisschen. Im Gegenteil. Ich fühlte mich noch schlechter als zuvor. Betrogen.

Von David, der seit sechs Monaten kaum mit mir sprach und jeder Frage nach dem »Warum«, oder nach mir und seinem Geburtstag aus dem Weg ging, dem Schicksal und von meinem Leben im Großen und Ganzen. Aber immerhin wusste ich, dass ich mich nicht töten lassen würde. Fliehen oder kämpfend untergehen waren halbwegs vernünftige Alternativen. (Naja, es waren die einzigen.)

Ein erneuter Blick auf die Uhr zeigte mir, dass die Zeit genauso langsam verstrich, wie gefühlt. Seit meinem Hochschrecken waren gerade mal zehn Minuten vergangen.

Seufzend stand ich auf und ging ins Badezimmer. Einen Moment lang blinzelte ich in der plötzlichen Helligkeit, dann entschied ich, dass Zähneputzen und Katzenwäsche reichen mussten. Kurz vertrieb das heiße Wasser alle Gefühle, außer dem taktilen Reiz in meinem Gesicht. Aber diese Erleichterung war nur flüchtig und hielt nicht an. Kaum war der Hahn zugedreht, kehrten meine Sorgen und Ängste zurück. Der Countdown lief, auch wenn ich – das verriet mir ein Blick in den rosa umrandeten Spiegel – aussah wie immer. Andere mochten einen relativ hübschen Schneewittchen-Verschnitt erkennen, ich sah einen störrischen Teenager, der verzweifelt um seine Selbstachtung kämpfte und darum, sich nicht ständig als ungeliebter, wertloser Spielball zu fühlen. Aber das konnte auch an den hormonellen Umbrüchen der Jugend liegen und war vielleicht in Wirklichkeit gar kein Indiz für meine unverarbeitete Vergangenheit. Verdammt! Ich klang schon wie mein eigener Psycho-Dok.

Trotzdem glitten meine Fingerspitzen unwillkürlich von der kalten Spiegeloberfläche, wo sie die Konturen meines Gesichtes nachgezogen hatte, zu den rosenförmigen rosafarbenen Ornamenten des Spiegelrahmens. Sie waren Überreste meiner Kindheit, die ich als Mahnmal behalten hatte. Ich hasste sie trotzdem, denn sie symbolisierten alles, was ich einmal hatte und nie wieder bekommen würde.

Als mir klar wurde, dass ich mich schon wieder in traurige Gedanken flüchtete, statt etwas gegen sie zu unternehmen, zog ich meine Hand weg. Heute war wirklich kein guter Tag. Ich schüttelte den Kopf und schob den letzten Satz geistig beiseite. Nein, so ging das nicht! Heute ist ein guter Tag, ein sehr guter Tag. Die Zukunft liegt vor mir, ich bin jung und dynamisch und absolut gut gelaunt! Und daran würde sich nichts ändern. Trotzdem würde eine ordentliche Zuckerdosis helfen, keinen neuen Trübsinn aufkommen zu lassen.

Leise, um niemanden im Hause de Temples zu wecken, öffnete ich meine Zimmertür und schlich mich durch den Flur, die Treppe hinab, ins Erdgeschoss und in die Küche. Tatsächlich war die eiskalte Coke, frisch aus dem Kühlschrank, das Beste, was mir seit dem Erwachen eingefallen war. Ich konnte förmlich spüren, wie sich Zucker und Koffein sofort in meinen Kreislauf stahlen und jede Zelle meines Körpers belebten.

»Hattest du einen Albtraum?«

Ich sprang fast in den Schrank. Und nur das Wiedererkennen der Stimme verhinderte, dass ich mich nach der Schrecksekunde direkt auf den Eindringling stürzte.

Trotzdem klopfte mein Herz genauso schnell wie direkt nach dem Aufwachen und jagte Adrenalin durch meine Adern. Ich fuhr zu meinem Stiefonkel herum, der einfach nur ein etwas dunklerer Schatten inmitten der übrigen Finsternis zu sein schien. Ein unheimlicher Effekt, der sicherlich eine Menge Übung erforderte, und meinen Mund trocken werden ließ. Sollten Tagmahre nicht eigentlich strahlende, freundliche Lichtwesen sein?

»Was machst du denn hier?«, fragte ich, immer noch halb im Schrank stehend.

»Ich wohne hier. Schon vergessen?«

Mein Stiefonkel trat einen Schritt näher, in den Lichtstrahl, der von der Straßenlaterne durch das Küchenfenster fiel. Der unheimliche Effekt blieb. Und dass, obwohl er nur die nachlässig von mir auf der Küchenzeile platzierte leere Colaflasche in die Flaschenkiste beförderte, und dabei so wirkte, als hätte er das Haus – und mich – nie verlassen. Einen Moment lang fühlte ich mich, als müsse ich mich wirklich auf ihn stürzen. Vor Freude. Und wegen des absoluten Hochgefühls, welches plötzlich durch meine Adern brannte. Dann schaltete sich mein Gehirn wieder ein. Klaus war nicht umsonst über ein Jahr fort gewesen, sondern um als Davids Statthalter seinem Sohn den Weg zu ebnen … in seiner charmanten und für Nachtmahre tödlichen Art.

»Wovon hast du geträumt?« Klaus wandte sich mir zu und ich konnte seinen prüfenden Blick trotz der Dunkelheit erkennen. Er stieß mir bitter auf und warf mich wieder zurück in die Selbstzweifel meines fragilen Egos. Nur weil man sich selbst analysieren konnte, bedeutete das schließlich noch lange nicht, dass man dagegen gefeit war, trotzdem in diesen Kategorien zu empfinden. Im Gegenteil. Manchmal konnte einen die Analysiererei ganz schön an den eigenen Ohren erwischen.

Kein Wie geht es dir?, Schön dich zu sehen!, Gut schaust du aus! oder ein echtes Interesse … hielt sie mir deswegen vor, und verhinderte, dass ich mich trotz meines kleinen Mantras Heute ist ein guter Tag, ein sehr guter Tag. Die Zukunft liegt vor mir, ich bin jung und dynamisch und absolut gut gelaunt! besser fühlte. Es löschte aus, was ich einen Moment lang empfunden hatte und hinterließ verbrannte Erde. Aber nicht umsonst war der große Zausel mit den langen, ungepflegten Haaren und dem Bart, der Rübezahl zu Ehren gereicht hätte, im Inquisitionsmodus.

»Saint Blocks«, log ich. Obwohl es eine Lüge war, verkrampfte sich etwas in meinem Inneren und machte mir klar, dass es nur zur Hälfte eine Ausrede war.

»Entschuldige«, meinte er, betrachtete mich aber so nachdenklich und lange, bis ich mich unwohl fühlte und innerlich zitterte.

Nach schier endlosen Sekunden erbarmte sich mein Onkel. »Wir haben dir damals nicht geglaubt – ICH habe dir nicht geglaubt – und nichts unternommen als Meg sich dafür entschieden hat, dich auf ein Internat zu schicken.«

Ein Internat? … welch schöne Umschreibung dafür, dass meine Tante und ihr Mann Klaus mich kurz nach dem Tod meiner Eltern erst aufgenommen und dann bei der erstbesten Gelegenheit wieder abgeschoben hatten. Und diese erstbeste Gelegenheit war wahrlich sehr schnell gekommen, genauer gesagt pünktlich an meinem zehnten Geburtstag. An dem hatte ich nach meinem Erwachen eine seltsame Uhr neben meinem Bett gefunden, zusammen mit dem Glückwunschschreiben eines mir bis dato unbekannten Großvaters. Stolz wie Oskar hatte ich die Uhr meinem Stiefbruder David (in den ich zu diesem Zeitpunkt mehr als verliebt gewesen war) zeigen wollen. Leider war der kein bisschen in mich verliebt gewesen, sondern nur von mir angenervt, weswegen mein stolz wie Oskar-Verhalten dazu geführt hatte, dass er mich allein im Wald zurückgelassen hatte. Leider fehlte mir an diesem Tag nicht nur mein Hänsel, sondern auch Brot (oder waren es Steine?), um den Weg zurück zu finden. Folglich war ich Davids bestem Freund Jonah in die Hände gelaufen, an der Uhr interessiert gewesen war. Interessiert genug um mich zu bedrohen, sie mir mit Gewalt wegzunehmen – ich war wirklich immer schon sehr stur – und letztendlich in eine Art unterirdischen Abwasserkanal zu sperren. Da mein Glück mit meiner Sturheit mithalten konnte (leider proportional in die andere Richtung), hatte es natürlich angefangen zu regnen. So stark, dass ich beinahe ertrunken wäre. Genau genommen wäre ich ertrunken, wenn nicht ein unheimlicher Schatten im Wasser aufgetaucht wäre, um mich zu retten.

Natürlich hatte mir diese Geschichte niemand geglaubt. Weder das mit der Uhr noch das mit dem Ertrinken oder mit dem Schatten. David, der mich verraten und im Stich gelassen hatte und sein charismatischer bester Freund Jonah bekamen Recht, ich wurde abgestraft. Tante Meg hatte mich als Lügnerin bezeichnet und in ein Erziehungsinternat für schwer erziehbare Kinder und Jugendliche, aka »Saint Blocks«, gesteckt. Nicht als Warnung oder für eine Nacht, sondern für eine gefühlte Ewigkeit. Fast ein Drittel meines Lebens hatte ich dort verbringen »dürfen« – in meiner persönlichen Hölle.

Einen Teil davon trug ich immer noch in mir und kämpfte Tag für Tag gegen sie, meine Ängste und meine Paranoia an.

»Können wir das Thema wechseln, bitte?«, meinte ich tonlos und verwünschte im Stillen den Stein, unter dem Klaus wieder hervorgekrochen war.

»Ich versuche gerade mich zu entschuldigen«, behauptete er, obwohl sich seine Worte für mich eher wie eine neue Beleidigung anhörten. »Und ich weiß, dass es unentschuldbar ist.«

Kurz sah er so aus, als wolle er meinen Kopf tätscheln. Allein der Gedanke an so eine Geste machte mich wütend. Schließlich war ich kein Kind mehr. Außerdem konnte ich auf seine Entschuldigung pfeifen. Nur wegen ihr fühlte ich mich wieder so wie damals: Verletzlich, gekränkt, degradiert und ausgeliefert.

Klaus, sonst immer beinahe unheimlich aufmerksam, fuhr ungerührt fort: »Und beinahe hätte mich Simons überzeugt, dass du schuld bist …«

Okay. Das war jetzt definitiv mehr Beichte, als ich verkraften konnte. »Woran?«, fragte ich in der Hoffnung, das Thema weg von meinem ehemaligen Schulrektor und in eine andere Richtung lenken zu können. Doch Klaus’ Antwort kam wie aus der Pistole geschossen. »An den schlafenden Mädchen.«

Ich zuckte zusammen und hoffte, dass Klaus die Geste falsch auslegte. Offiziell waren die Vorfälle an meiner Schule vor einem Jahr als hysterische Epidemie kategorisiert worden: Pubertierende Mädchen hatten sich in irgendetwas rein gesteigert, bis sie in eine Art Wachkoma gefallen waren und nicht mehr erwachten. Inoffiziell und in Tagmahrkreisen galt Klaus’ Best-Buddy Rektor Simons als der Schuldige, der die Mädchen in Träumen festgehalten hatte, um mich loszuwerden. Und da mein ehemaliger Schuldirektor tot war, gab es niemandem, der widersprach. Schließlich waren die Mädchen nach seinem Tod wieder erwacht und niemand konnte beweisen, dass Simons mit einem Nachtmahr zusammengearbeitet hatte.

Eine ganze Zeitlang hatte alles wirklich so ausgesehen, als wäre ich diejenige, die für das Wachkoma der Mädchen verantwortlich war. Hölle! Eine Zeitlang hatte sogar ich in Betracht gezogen, schuldig zu sein. Denn es hatte nur Mädchen getroffen, die ich nicht ausstehen konnte und mit denen ich kurz zuvor aneinander geraten war. Und dann war da natürlich noch die Uhr meines mysteriösen Großvaters, die ich Jonah kurz vor den Schlafvorfällen erfolgreich abgenommen hatte. Erst durch sie hatte ich mich mit meiner Vergangenheit auseinandergesetzt und begriffen, dass meine Eltern so etwas wie Romeo und Julia in der Mahrwelt gewesen waren: Meine Mutter eine hohe Tagmahrin, mein Vater der Prinz der Albträume. Was natürlich alle außer mir gewusst, aber verschwiegen hatten. Die einen, um mich zu schützen und davor zu bewahren, Königin der Nachtmahre zu werden. Die anderen, weil sie von meiner Unwissenheit profitieren und die Herrschaft an sich reißen wollten.

»Hättest du mir geglaubt, wenn du mich damals direkt gefragt und ich meine Unschuld beteuert hätte?«, erkundigte ich mich.

Ich war nämlich nicht schuld, zumindest nicht direkt. Aber als Erbin der Albträume, die von ihrem … nennen wir es mal »Glück« … keine Ahnung hatte, war ich der ideale Sündenbock – und auf den hatten es gleich mehrere Leute abgesehen gehabt. Jonah, der bereits sechs Jahre zuvor mehr oder weniger ernsthaft versucht hatte, mich umzubringen, Simons, der König-der-Tagmahre und Elijah, der Inkubus, der mit Simons zusammengearbeitet hatte. Apropos: Hatte ich schon erwähnt, dass Jonah mein aktuell bester Freund ist? Irgendwie. Also irgendwie mein aktuell bester Freund, bei dem ich auch unterkommen konnte, wenn David ernst machte und mich als Königin der Nachtmahre denunzieren würde – und Klaus, mein Stiefonkel, mit dem ich mich gerade so nett unterhielt, neben David mein größter Feind? Alles sehr verwirrend, aber man kann sich seine Familie schließlich nicht aussuchen.

»Ich weiß es nicht!«, gab Klaus zu. Ich benötigte einige Sekunden, um seine Antwort meiner Frage zuzuordnen, weil in meinem Kopf so viele Gedanken durcheinander rauschten und so viele Gefühle miteinander um die Vorherrschaft rangen.

»Also nein«, meinte ich.

Klaus schwieg und brach den Blickkontakt zu erst ab. Gut, dass ich nun wusste, wo sein Standpunkt war!

»Würdest du es mir hier und heute glauben?« Die Frage war mir rausgerutscht, bevor ich mein Gehirn zwischen meine Gefühle und meinen Mund schalten konnte. Im selben Moment hätte ich mich ohrfeigen können, denn Klaus schwieg weiter.

Ich lachte freudlos und drehte mich zum Gehen, damit er meinen Gesichtsausdruck nicht sehen konnte. Die Trauer und die Verzweiflung. Wie sehr wünschte ich mir, eine normale Familie zu haben. Eine, der ich vertrauen konnte. Ach, Scheiße! Ich hätte gerne wenigstens eine einzige Person, der ich voll und ganz vertrauen konnte.

»Danke für die Entschuldigung!«, meinte ich sarkastisch und dachte an David, der sich auch zig mal bei mir entschuldigt hatte. Dafür, dass er mit mir Schluss gemacht hatte, dafür, dass er mit achtzehn König der Tagmahre werden würde, dass er mich töten musste … als wenn eine Entschuldigung irgendetwas besser machen würde. Oder überhaupt ändern!

»Liz, bitte!« In der Tür zum Flur blieb ich stehen und er atmete tief ein. »Es ist nicht wegen dir … ich vertraue und glaube niemandem.«

Na toll! Der Mann war noch mehr Psychopath als ich – und mich schickten sie zum Seelenklempner …

»… und »Saint Blocks« …«

Wut schlug über mir zusammen und verdrängte das Gefühl der Hilflosigkeit schlagartig. Allerdings auch jedwede Vernunft. »Du hast keine Ahnung, wie es war!« Ich drehte mich zu ihm um. Wenn er unbedingt darüber reden wollte, prima! Ich war sowieso gerade in Selbstmitleids-Fahrt. »Ich war unschuldig, bin fast gestorben und keiner hat mir geglaubt.«

»Ich … habe mich entschuldigt.« Klaus wirkte vollkommen perplex über meinen Tonfall und die Emotionen, die ich nicht mehr unter Kontrolle hatte.

»Und das reicht? Meg hat mich nicht ein Jahr dort gelassen, um mir zu zeigen, was mit Lügnern passiert. Es waren sechs Jahre! Einfach so. Ohne Erklärung, ohne Chance … und dann »Zack««, ich schlug in meine Handfläche, »weil es euch gerade in den Kram passt, habt ihr mich zurückgeholt, wieder ohne Erklärung und ohne das es an mir lag. Ich kann es nicht beeinflussen. Ich konnte und kann nicht beeinflussen, wie ihr handelt, ob ihr mir glaubt oder ob ihr mich mögt.«

Klaus sah mich stumm an. In seinem Gesicht arbeitete es, aber ich konnte Dank seines wilden Haarwuchses kein Mienenspiel erkennen. Aber seine Stimme klang ehrlich, als er protestierte: »Ich mag dich.«

Ich zitterte innerlich, weil diese Offenbarung zu spät kam. Zu spät, um zu heilen, was in vielen Jahren zerstört worden war. Zu spät, um mein stets unterschwelliges Misstrauen zu vertreiben. »Jemanden, den man mag, lässt man nicht sechs Jahre lang in »Saint Blocks« verrotten. Zwischen Autodieben, Ladenräubern, Erpressern und Schlägern. Man schiebt ihn nicht einfach ab.«

Klaus starrte mich an und in seinen Augen las ich Ablehnung und einen Unwillen, der meiner Angst vor neuer Ablehnung beinahe gleich kam. Aber der Damm in meinem Inneren war gebrochen und es gab nichts, was ihn wieder errichten konnte. »Ihr habt mich nicht mal in den Ferien geholt.« Nur zu gut erinnerte ich mich an mein erstes Weihnachten im Internat für Schwererziehbare. Damals mit zehn Jahren hatte ich noch geglaubt, alles könne gut werden. Meine Eltern könnten wie durch ein Wunder von den Toten auferstehen. War Weihnachten nicht die Zeit der Wunder, die der Erlösung und der Liebe? Stattdessen war ich allein gewesen. Keine Liebe, keine Hoffnung und … eigentlich war nie wieder alles gut geworden … würde es auch nie wieder werden. Nicht mit den Nachtmahren, nicht mit dem verräterischen David, nicht mit den beiden verführerischen Feinden Elijah und Jonah an meiner Seite und nicht mit meiner Zukunft. Ich war verloren. Seit ich denken konnte. Jetzt nur noch ein wenig mehr als normalerweise, dachte ich mit einer Mischung aus Wut und Verzweiflung und fuhr fort: »Und dann habt ihr mich geholt und ich hatte gehofft, ich dürfte wieder bleiben. Vier Jahre lang habe ich jedes Weihnachten gehofft und mich angestrengt, um es euch recht zu machen und von dort weg zu kommen und jedes Mal musste ich zurück in die Hölle. Ohne Erklärung, ohne zu wissen, was ich jetzt schon wieder falsch gemacht hatte.« Ich spürte, wie mir Tränen über die Wangen liefen, konnte aber immer noch nicht aufhören. »Als ich akzeptiert hatte, dass ich dort bin und bleiben werde, als ich eine tolle Freundin gefunden habe – da holt ihr mich zurück. Obwohl sich nichts geändert hat, obwohl ihr mir immer noch nicht geglaubt habt. Ihr habt einfach da weiter gemacht, wo ihr sechs Jahre zuvor aufgehört habt. Und sobald das erste Problem auftaucht, bin ich wieder ich die Hauptverdächtige gewesen. Prima! Und selbst jetzt, fast anderthalb Jahre später, würdet ihr mir immer noch nicht glauben …«

Klaus öffnete den Mund, um etwas zu sagen, aber ich ließ ihn nicht. Es tat viel zu gut, endlich jemandem die Meinung zu sagen, der auch dafür verantwortlich war, wie es mir ging und was aus mir geworden war. »Aber JETZT bin ich kein kleines Mädchen mehr, ich bin niemand, der einfach auf das Gute in anderen vertraut, darauf, dass Leute, die sie liebt das Richtige tun.«

Ich wischte mir mit dem Handrücken über die Augen und kam mir schon im nächsten Moment dämlich vor. Rasch drehte ich mich um und ging nach oben. Dabei spürte ich, wie er mir nachsah. Wahrscheinlich immer noch vollkommen verdattert. Auch egal. Er war ein Jahr lang nicht da gewesen und würde wahrscheinlich morgen früh schon wieder verschwunden sein. Auf, auf, die Welt vor dem Bösen zu retten.

Kapitel 2

Natürlich war Klaus nicht verschwunden. Er saß wie eh und je am Frühstückstisch, die Zeitung aufgefaltet, als sei er nie fortgewesen. Der Anblick ließ neues Adrenalin durch meine Adern strömen, machte mich wütend und froh. Gleichzeitig verspürte ich etwas, was Scham gewaltig nahe kam.

Er sah auf und der Blick von schräg unten war so eindringlich, dass mir ein Schauer über den Rücken lief.

»Guten Morgen!«

»Guten Morgen!« Ich sah zu Boden und war froh, dass Tante Meg um die Ecke bog. Sie wirkte genauso schockiert, wie ich mich gestern Nacht gefühlt hatte. Dann zeichnete sich freudige Erkenntnis auf ihrem Gesicht ab.

»Wie lange bleibst du?«, erkundigte sie sich bei Klaus.

»So lange es eben dauert.«

Ich setzte mich und gab mir Mühe, mir nicht anmerken zu lassen, wie ich mich fühlte. Wie ein Trottel. Wieder einmal hatte ich meinen Mund nicht halten können und musste jetzt die Konsequenzen ausbaden. Vielleicht nicht jetzt sofort, aber doch früher oder später.

Es sind nur noch wenige Wochen bis zu deinem achtzehnten Geburtstag und falls er dich jetzt nach »Saint Blocks« zurückschickt, dann kannst du die Chance auch gleich nutzen und für immer verschwinden. Die geheimnisvolle Stimme in meinem Kopf flüsterte, obwohl sowieso nur ich sie hören konnte. Ich hatte sie »das Teufelchen« getauft. Sie war der pragmatische Teil meiner Persönlichkeit und hatte meistens Recht. Leider war sie gleichzeitig der Teil von mir, der einfach aussprach, was ich dachte.

»Hi, Dad.« David kam in die Küche und wirkte kein bisschen überrascht. Offenbar war er der einzig Eingeweihte in der Familie.

Typisch, dachte ich, nicht ohne einen merkwürdigen Anflug von Verbitterung. Wieso sollte man mich auch einweihen? Offiziell wusste ich ja noch nicht einmal, dass ich in einer Familie von Tagmahren lebte.

»Kaffee?« Tante Meg hatte sich wieder gefangen und strahlte ob des gedeckten Tisches und der Anwesenheit ihres Mannes wie ein verliebter Teenager. Ohne Klaus’ Antwort abzuwarten, goss sie ihm eine Tasse ein. Zur Abwechslung nahm ich auch eine. Wenn Klaus ihn gekocht hatte, war er vermutlich in Ordnung. Etwas, was man von Tante Megs Kaffee nie behaupten konnte. Nicht einmal, wenn das eigene Leben davon abhing.

»Wo hast du geschlafen?« Obwohl sich Meg offensichtliche Mühe gab, ihre Frage harmlos zu formulieren, war die versteckte Spitze darin zu hören.

»Im Wohnzimmer.«

Klaus hob die Zeitung so an, dass er hinter ihr verschwand und beendete das Gespräch mit seiner Ehefrau. Ich spähte ins Nebenzimmer. Der Kissen- und Deckenberg auf der Couch sprach Bände. Klaus war zurück. Mit allen Konsequenzen. Das fing ja heiter an.

»Ich will nicht, dass du wieder anfängst im Wohnzimmer zu schlafen.« Meg trat zu David, als suche sie bei ihrem Stiefsohn Unterstützung, und schüttete ihm ebenfalls einen Kaffee ein. Ihre Hand zitterte leicht und ein Teil des dunklen Gesöffs traf den Unterteller.

»Du missverstehst da etwas, Meg.« Klaus sah hinter seiner Zeitung hervor. »Ich habe nie angefangen in deinem Bett zu schlafen.«

Selbst ich war schockiert über diese Ehrlichkeit – und das sollte eine Menge heißen – aber das hier war wirklich alles andere als normal.

Meg entglitt die Kanne.

»Verdammt noch mal!«, fluchte sie, ohne auf die Kaffeelache am Boden zu achten. »Wir sind verheiratet!«

Wieder sah Klaus auf. Doch zu meiner Überraschung und wohl auch der von Tante Meg, ließ er sich nicht zu einer Entgegnung herab. Stattdessen sah er sie nur an. Meg hielt seinem Blick bemerkenswert lange stand, während David und ich vorgaben, nichts von dem stummen Duell zu bemerken.

Ich konnte es Klaus nicht einmal verübeln, dass er mit dem Streit dort weitermachte, wo er aufgehört hatte. Zum einen hatte ich es vor wenigen Stunden nicht viel anders gemacht, zum anderen hatte Tante Meg versucht ihn umzubringen. Unwillkürlich ballten sich meine Hände als ich an die Nacht dachte, in der ich die Eifersüchtige mit einem Messer bei dem schlafenden Klaus im Wohnzimmer erwischt hatte und ich ihn gewarnt hatte. Zumindest nahm ich an, dass es ein Messer gewesen war. Auf jeden Fall besaß unser Wohnzimmer seitdem eine stabile und abschließbare Tür.

Als Tante Meg schließlich aufgab, tauchte Klaus wieder in seine Zeitungswelt ab. Erst jetzt betrachtete ich ihn wirklich. Er war zauselig wie immer, mit seinen wilden, langen Haaren, den buschigen Augenbrauen und dem schrecklichen Bart. Seine Haare schafften es, nahezu das ganze Gesicht zu bedecken. Zusammen mit seinen viel zu dicken Anziehsachen wirkte er wie Rübezahl, der versuchte sich als Michelin-Männchen zu verkleiden. Kaum zu glauben, dass er einmal ein attraktiver Mann gewesen sein soll.

Ich hatte ihn trotzdem vermisst. Irgendwie.

»Zeitung?«, fragte er und sah mich mit einem wissenden Blick an, der mir zeigte, dass er meine prüfende Musterung bemerkt hatte.

»Gerne.«

»Wir müssen los, Liz.« David sah auf die Uhr und verdrehte die Augen. Normalerweise war er immer derjenige, der angetrieben werden musste, aber er hatte Recht.

»Nein.« Klaus legte die Zeitung zur Seite und stand auf. Seine Bewegungen waren sogar noch schneller, als ich sie in Erinnerung hatte und standen im krassen Gegensatz zu seiner fülligen Figur. »Liz und ich müssen noch etwas besprechen.«

Ich sah zu Boden und wusste auch ohne Blick in den Spiegel, dass sich meine Wangen gerötet hatten. Meine Schonzeit war um.

»Aber dann kommen wir zu spät«, protestierte David und zum ersten Mal war ich froh, dass er sich mir gegenüber seit Monaten wie eine Glucke benahm. Eine fürsorgliche, übertrieben eifersüchtige, absolut nervige Glucke. Was unser Liebes-Aus eigentlich noch viel seltsamer machte.

»Nein.« Klaus drückte ihm das von Tante Meg hastig gepackte Lunchpaket in die Hand. »Nur Liz kommt nicht pünktlich. Du fährst heute ohne sie.«

Obwohl ich es seit meiner »Rettung« aus »Saint Blocks« geahnt hatte, seit gestern Abend mehr denn je, fuhr mir der Schreck in die Glieder. Einen Moment lang blieb mir die Luft weg und ich hatte das Gefühl, ohnmächtig zu werden. Klaus bemerkte es nicht, sondern meinte: »Ich fahre sie.«

»Zur Schule?« Das Teufelchen in meinem Inneren hatte die Frage gestellt, bevor ich einen klaren Gedanken fassen konnte. Es war eindeutig mutiger als ich. Mein »Ich« lag auf dem Boden, zu einer kleinen Kugel zusammengerollt und wimmerte leise. Zum Glück nur geistig. In der Realität hielt ich mich tapfer aufrecht, mit einem Lächeln im Gesicht. Es gehörte zu meinem Pokerface dazu. Es saß nicht ganz so perfekt wie sonst, aber immerhin ...

»Natürlich. Wohin denn sonst?«

Ja, wohin denn sonst? Ich unterdrückte ein herablassendes Lachen. Zum Glück, denn es wäre mir quasi im Halse steckengeblieben, da Klaus zu mir herumfuhr. Einen Augenblick lang sah er mich mit einem Ausdruck an, den ich nicht deuten konnte. Sein Blick war durchdringend wie eh und je, prüfend, als könne er mir bis in die Seele sehen, doch auch etwas anderes lag darin, vielleicht Erschrecken.

Er wartete, bis David das Haus verlassen und Meg nach oben gegangen war – sein Blick verließ dabei nicht einmal mein Gesicht – dann deutete er mir, ins Wohnzimmer zu gehen.

Mit einem mulmigen Gefühl folgte ich seiner stummen Geste und schrak zusammen, als er die Tür hinter mir schloss. Trotzdem drehte ich mich nicht zu ihm um. Auf gar keinen Fall wollte ich, dass er irgendwie doch sehen konnte, wie ich mich fühlte. Nämlich beinahe zu panisch, um zu atmen.

»Ich dachte, wir könnten vielleicht Frieden schließen«, meinte er. Seine Stimme klang anders als sonst. Weniger sonor und manipulativ. Ich riskierte einen Blick über die Schulter. Auch er hatte sich noch nicht umgedreht, sondern stand immer noch, beide Handflächen an das Holz gepresst, das Gesicht abgewandt.

Ich biss die Zähne aufeinander, um die Angst in meinem Inneren unter Kontrolle zu bekommen und um ein Schluchzen zu unterdrücken. »Ich wusste gar nicht, dass wir Krieg haben.«

Er sah auf und unsere Blicke kreuzten sich. Trotz des Wildwuchses in seinem Gesicht war der Ausdruck in seiner Miene jetzt deutlich lesbar. Ehrlichkeit, Trauer ... Reue?

Ich gab mir einen Ruck. »Ich habe deine Pfefferminze noch. Sie ist sehr groß geworden.«

Klaus drehte sich zu mir und betrachtete mich eindringlich. Wieder schlich sich ein Funkeln ungeteilter Aufmerksamkeit in seine unglaublich dunklen, braunen Augen. Der größte Unterschied zwischen ihm und jedem anderen Menschen. Noch nie war mir jemand begegnet, der so ... fokussiert sein konnte. Etwas, was mich sehr nervös machte.

Schließlich schlich sich ein Lächeln in sein Gesicht. Trotz seines Vollbartes war das Verziehen der Lippen deutlich zu erkennen. »Das, was du gestern Nacht gesagt hast ...«

»Lass gut sein. Ich bin siebzehneinhalb, werde in vier Wochen achtzehn und dann seit ihr mich los.« In Gedanken fügte ich hinzu: Oder ab Davids Geburtstag. Nervös flocht ich meine Finger in meine Haare, unfähig, diese Geste zu stoppen.

»Nicht.« Klaus fing meine Hand ein und sah mich ernst an. »Nicht«, wiederholte er sanfter und drückte sie nach unten. »Hör auf, dich selbst zu geißeln. Du hast nichts falsch gemacht.« Abrupt ließ er mich los und drehte sich um, als könne er mir nicht länger in die Augen blicken. »Es ist nicht deine Schuld. Es ist meine. Ganz allein.«

Klaus atmete tief durch. »Ich erwarte nicht, dass du mir verzeihst und ich erwarte auch nicht, dass du meine Entschuldigung annimmst. Aber vielleicht wirst du es irgendwann vergessen können ...« Er schien einen Moment lang mit sich zu ringen. »Du hast Recht. Ich habe versagt und zugelassen, dass Meg dich abschiebt ... weil ich froh war, dich nicht mehr jeden Tag sehen zu müssen.«

Oh wow ... das war hart! Wie von selbst setzte sich mein Körper auf die Couch. Wie betäubt hörte ich: »Nach dem Brand bist du zu uns gekommen, zu Meg, und warst so traurig und so ... verletzlich. Ich konnte deinen Anblick einfach nicht ertragen.«

Mir liefen die Tränen die Wangen hinab. Ich versuchte gar nicht sie aufzuhalten. Und ich hatte wirklich gedacht, er würde mich mögen! Klaus setzte sich neben die Stelle, an der ich wie versteinert saß.

»Ich war nicht stark genug. Jedes Mal, wenn ich dich gesehen habe, wurde ich an den Brand erinnert. Daran, dass ich mich genauso gefühlt habe wie du ... Ich war einfach nicht stark genug. Nicht stark genug, es zu ertragen, nicht stark genug, auch noch die Person zu trösten, die mich daran erinnert, was ich an diesem Tag verloren habe.«

Er schwieg und erst nach einer gefühlten Ewigkeit fand ich die Kraft den Kopf zu heben. Der Schock war so groß, dass er sogar meinen Kummer übertönte. Klaus saß neben mir und wurde von stummen Tränen geschüttelt.

»Was?«

Klaus schüttelte den Kopf.

»Was?« Ich brüllte beinahe. Scheiß was auf seine Gefühle. Ich hatte eine vollständige Erklärung verdient.

»Ja ... das hast du.« Offenbar hatte ich den letzten Gedanken wieder laut gesprochen. Eine fürchterliche Charaktereigenschaft.

Klaus zögerte einen Augenblick und wirkte, als würde ich ihn zwingen, von einer wirklich hohen Klippe in unbekannte Tiefen zu springen. Dann schloss er die Augen und mich aus seinem Gefühlsleben aus, bevor er sagte: »Meine Frau.«

Seine Lider öffneten sich wieder und sein Blick fand den meinen. Der Schmerz, den ich in seinen Augen las, war so frisch, als wäre es erst gestern geschehen. »Sie war auch dort.«

Ich schluckte und rang um Fassung. Doch der fürchterliche Verdacht blieb.

»Ich weiß nicht warum, aber sie hatte mich angerufen, wollte unbedingt zu deiner Mutter und mit ihr reden ...« Klaus starrte auf seine Hände, die sich hilflos umklammerten, als seien sie Wesen mit einem eigenen Willen. »... als ich angekommen bin, war es zu spät. Es hat gebrannt. Sie waren tot und verbrannt und ...« Seine Stimme versagte.

Erst als mir klar wurde, dass er nicht weiter sprechen würde, erkundigte ich mich so behutsam wie eben möglich: »Was ist passiert?«

»Ich weiß es nicht.«

Er sah mich nicht an. Trotzdem glaubte ich ihm. Er mochte annehmen, dass es die Nachtmahre gewesen waren, aber er wusste es nicht. Nicht wirklich. Und anscheinend waren auch nicht die Tagmahre für den Brand – oder waren es Morde? – verantwortlich. Zumindest nicht offiziell. Was Rektor, aka Tagmahr-König, Simons inoffiziell gemacht haben mochte, stand wie immer auf einem anderen Blatt.

Aber wer, oder was, immer es gewesen war, es hatte einen entscheidenden Fehler begangen: Ich war noch am Leben. Was mich zur nächsten Frage führte. »Hast du ...«, weiter kam ich nicht. Dieses Mal versagte mir die Stimme.

»Ja, habe ich ...«, bestätigte Klaus trotzdem. Anscheinend war ein guter Teil meiner Gedankengänge recht einfach zu verfolgen.

Wir sahen uns an, ein stiller Moment der Verbundenheit zwischen uns. Die Wärme in seinem Blick tat beinahe körperlich weh. Ohne ihn würde ich nicht mehr leben. Auch wenn ich das Gefühl hatte, dass er immer noch etwas verschwieg – oder nicht alle Informationen preisgab – er hatte mir das Leben gerettet. Damit war noch lange nicht alles gut oder erklärt, aber es war besser. Ein Anfang und ein Grundstein, auf den ich aufbauen konnte. Wenigstens ein kleines bisschen.

Plötzlich hatte ich einen Kloß in meinem Hals und die Narben an meinem linken Arm und der Schulter schmerzten, wie frisch eingebrannt. Ich lebte, seine Frau starb. Mich hatte er retten können, sie nicht. Ein kleines Puzzleteil, aber auf so vielen Ebenen gab auf einmal alles einen Sinn. So sehr, dass ich das Schicksal stumm verfluchte. Als ich es als Arschloch abgestempelt hatte, war mir gar nicht bewusst gewesen, wie recht ich gehabt hatte.

»Es tut mir leid«, meinte ich und meinte es mindestens auf ebensovielen Ebenen.

Klaus sah fort, auf seine Hände. Sie waren immer noch ineinander verkrampft. Ich legte meine Rechte auf sie, doch er reagierte nicht auf die tröstende Berührung.

»Warum hast du es mir nicht eher erzählt?«, erkundigte ich mich vorsichtig.

»Was hätte es geändert?« Das Zittern in seiner Stimme rührte mich. Bislang hatte ich ihn noch nie emotional erlebt. Er war immer Klaus gewesen. Unerschütterlich, ruhig, alles überschauend und in Kontrolle. Selbst seine Wut und seine Kämpfe mit Meg hatten immer irgendwie geplant gewirkt.

»Für mich alles, weil ich es verstanden hätte. Dich verstanden hätte.« War das wirklich so schwer zu verstehen? Offensichtlich, denn er sah auf und wirkte überrascht. Daran änderte sich auch nichts, als ich hinzufügte: »Ich werde über das Verzeihen nachdenken.«

Sekunden später schloss sich seine Rechte um meine Hand. Die mit den Brandnarben.

Mit einem Lächeln im Gesicht registrierte ich, dass ich weinte. Genau wie er. Hand in Hand und aneinandergelehnt, wie in einer Freakshow. Die Situation und die Gefühle, die durch mich tobten, waren so gemischt, dass ich lachen musste. Es fühlte sich gut an, befreiend. Wie eine Katharsis.

»Verdammt, das kostet mich wahrscheinlich zehn Extra-Therapiesitzungen bei Doktor Slater«, meinte ich schließlich, als ich endlich wieder genug Luft bekam, um zu sprechen.

»Du weißt schon, dass die Kosten bei mir landen?«, kommentierte Klaus trocken.

Ich stieß ihn mit der Schulter an. »Du hast es ja auch verbockt.«

»Vielleicht sollte ich auch mal eine Sitzung machen?« Er lächelte, aber seine Augen blickten immer noch ernst. So als denke er über mehr nach – vielleicht über alles, was er mir im Zusammenhang mit meiner Rettung und meiner Abschiebung verschwieg.

»Ganz sicher sogar!«, stimmte ich zu. Normalerweise gingen mir Psychologen und Psychiater auf die Nerven. Aber der Dok war wirklich okay. Und irgendwie hatte er den Dreh raus. Zumindest mit mir. Und wer mich schaffte, schaffte Klaus doch sicher auch.

»Es ist übrigens keine fürchterliche Charaktereigenschaft«, lenkte Klaus das Thema um. Ich hatte nur keine Ahnung wohin. »Was?«

»Das mit der Ehrlichkeit und mit dem Aussprechen von Dingen ...« Er ließ seinen Satz ins Leere laufen.

»Oh, verdammt!« Ich hatte es offensichtlich schon wieder getan. Oder besser gesagt: Mehrfach im Verlaufe dieses Gespräches. Das musste ich unbedingt ändern!

»Nein Liz.« Dieses Mal nahm er meine beiden Hände und drehte sich so, dass er mir beinahe gegenüber saß. »Ändere es nicht. Du bist gut so, wie du bist. Ein toller Mensch. Ein ehrlicher Mensch.« Er drückte meine Hände. Freundschaftlich. Verbindend. Etwas, was sehr sehr lange niemand mehr gemacht hatte. »Versprich mir, dass es so bleibt!«

Ich nickte und wir schwiegen einen Moment lang. Ein gutes Schweigen. Manchmal war es viel wichtiger, mit einem Menschen schweigen zu können, als reden. Schien ihm auch so zu gehen, denn er meinte schließlich: »Ich will wenigstens einen Menschen in meiner Nähe habe, der ehrlich ist. Der mir die Wahrheit sagt, egal wie weh sie tun mag.«

»Darin bin ich ganz gut«, meinte ich und musste ein Zittern unterdrücken. Wie kam es, dass ausgerechnet Klaus genau diesen Wunsch äußerte? Den Wunsch, den ich ebenfalls hatte?

»Habe ich gemerkt«, bestätigte er meine Aussage. Ein kaum sichtbares Lächeln schlich über seine Lippen. »Haben wir einen Deal?«

»Unter einer Bedingung.«

»Welche?« Kluger Mann! Sagte nicht einfach »ja«, nur weil wir einen kurzen Moment des friedlichen Beisammenseins und des Verständnisses hatten.

»Ich nehme dasselbe für mich in Anspruch. Ehrlichkeit und Wahrheit.«

»Ehrlichkeit und Wahrheit«, wiederholte er feierlich.

»Aber nur, wenn du die richtigen Fragen stellst«, schränkte ich ein. Sonst würde er mir sicher irgendwann vorwerfen, dass ich ihm bezüglich meiner Person nicht die Wahrheit gesagt hatte.

»Hei«, meinte er und stieß mir mit dem Ellbogen in die Seite. Doch es war nur ein leichter Stoß, begleitet von einem frohen Lachen. Als sei ihm eine Last von der Seele gefallen, die er seit Jahren mit sich herumschleppte. Ging mir genauso.

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Ich öffnete die Autotür und starrte das kleine, grüne Monster auf dem Beifahrersitz an. Seit wann war Klaus unter die Gärtner gegangen?

»Was ist das denn für ein Unkraut?« Ich beförderte den Topf mit der Pflanze in den Fußraum.

»Das Unkraut, du Banause, ist ein Blaustern und sehr schön.«

»Okaaayyy...« Ich ließ die letzten zwei Buchstaben lange klingen.

»Ich habe ihn dir als Entschuldigung gekauft.«

»Oh.« Das machte ihn in der Tat sehr viel schöner.

»Es war simple Bestechung. Meine Pfefferminze hast du ja auch behalten«, behauptete Klaus und gab mir zu denken. Ob er VORHER in meinem Zimmer gewesen war? Also bevor ich ihn überhaupt im Haus bemerkt hatte? Denn wie sonst hätte er heute morgen schon einen Blaustern besorgt haben können?

Ich beschloss diese Fragen für mich zu behalten. Man konnte kein Vertrauen für sich in Anspruch nehmen, wenn man selbst nicht bereit war, es zu geben.

»Sie ist sehr robust«, neckte ich stattdessen. Vielleicht sollte ich mich bezüglich der Sprache der Blumen doch noch mal schlau machen. Außer bei Rosen und Pfefferminze hatte ich nämlich keine Ahnung von den Bedeutungen. Und das mit den Rosen galt eigentlich auch nur bei den ordinären roten Rosen ...

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Ich erwachte aus meinen Tagträumen, als Klaus auf dem Parkplatz der Schule hielt. Dabei konnte ich mich nicht einmal daran erinnern, aktiv geträumt zu haben. Außerdem war ich ein Nachtmahr. Was bedeutete, dass ich normalerweise nur Nachts träumte.

Ohne auf meinen prüfenden Blick zu achten, stieg mein Stiefonkel aus. Es gelang mir gerade noch, meine Tür zu öffnen, bevor er den Gentlemen raushängen lassen und sie für mich aufmachen konnte. Danach kam ich drei Schritte weit, bevor Klaus zu mir aufschloss. »Ich komme mit.«

»Ist nicht nötig«, wiegelte ich ab. Wer ließ sich schon gerne von seinen Erziehungsberechtigten (übrigens ein ganz tolles Wort!) in die Schule begleiten? Niemand. Zum Glück war auch niemand vor dem Eingang, da die erste Unterrichtsstunde schon angefangen hatte.

»Ist noch genauso schrecklich, wie ich sie in Erinnerung hatte.« Klaus betrachtete die Stufen.

»Du bist hier zur Schule gegangen?«, fragte ich ungläubig und ging hinauf. Der Gedanke war seltsam. Gar nicht so sehr der, dass er auf diese Schule gegangen war, als der daran, dass er überhaupt zur Schule gegangen war. Ich konnte mir gar nicht vorstellen, dass er einmal ein Junge gewesen war; einer mit Träumen, Wünschen, Zukunftsplänen.

»Ja. Meg, Nadja und deine Mom auch.«

»Oh!« Das hatte ich auch nicht gewusst! »Drückst du dich deswegen vor Schulveranstaltungen?«

Er grinste und zwinkerte mir zu. »Was hast du denn gedacht?«

»Dass sie auch sonst schon schrecklich und abschreckend genug sind.«

Klaus bog Richtung Sekretariat ab. Anscheinend hatte sich in all den Jahren nichts am Aufbau oder der Organisation der Schule geändert.

Das Schweigen, das sich dieses Mal zwischen uns legte, war eines der nicht angenehmen Sorte. Als hätte einer von uns eine Grenze überschritten, die nicht überschritten werden sollte. Meine Vermutung fiel auf mich. Deswegen meinte ich: »Du musst wirklich nicht mitkommen.«