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Nr. 43

 

Am Kreuzweg der Lichtwelt

 

von W. K. Giesa

 

 

 

Pabel-Moewig Verlag KG, Rastatt

Seit dem Tag der Wintersonnenwende, dem Tag der entscheidenden Schlacht, die auf dem Hochmoor von Dhuannin zwischen den Streitern der Lichtwelt und den Kräften des Dunkels ausgetragen wurde, sind Monde vergangen. Mit der Unterstützung Drudins, des obersten Dämonenpriesters, der die Kräfte der Finsternis mobilisierte, haben die eroberungssüchtigen Caer über die Kämpfer der Lichtwelt triumphiert und die große Schlacht für sich entschieden.

Damit halten Tod und Verderben ihren Einzug auch in solchen Ländern, die bisher vom Krieg verschont geblieben sind. Massen von Menschen, unter ihnen die demoralisierten Besiegten der Schlacht, streben in heilloser Flucht nach Süden, die Herzen von Trauer und Hass erfüllt.

Auch Mythor zieht südwärts, wobei der junge Held der Lichtwelt und seine jeweiligen Weggefährten in eine ganze Reihe von lebensgefährlichen Abenteuern verwickelt werden.

Das gilt besonders für die Begegnungen mit dem Dhuannin-Deddeth. Mythor hat seinen schrecklichen Verfolger zwar nicht vernichten, aber doch wenigstens besiegen können. Zusammen mit Ango, dem letzten der Rafher, setzen der Sohn des Kometen und Sadagar, der Steinmann, ihren Weg nach Logghard fort. Die nächste Station, die sie erreichen, liegt AM KREUZWEG DER LICHTWELT ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Mythor – Der Sohn des Kometen in Horai.

Sadagar, Ango und Larashi – Mythors Begleiter.

Jassam – Anführer einer wilden Schar.

Hrobon – Behüter der Prinzessin Shezad.

Hrolf und Shandor – Offiziere des Shallad.

1.

 

Larashi erstarrte jäh. Sein Körper verhärtete sich förmlich, und eine steile Falte erschien auf der Stirn des alten Mannes.

Stimmen?

Aber Daumenlos war doch stumm, war niemals in der Lage zu sprechen! Jemand musste bei ihm sein.

Ein mulmiges Gefühl machte sich in Larashi breit. Lautlos ließ er sich aus dem Sattel des altersschwachen Orhakos gleiten, das ihm für Besorgungen zur Verfügung stand. Sekunden später wusste er bereits, dass er einen vielleicht tödlichen Fehler begangen hatte. Er hätte im Sattel des großen, schnellen Laufvogels bleiben sollen.

Denn im gleichen Moment, als er seine Last nicht mehr spürte, setzte der Vogel sich wieder in Bewegung und trabte gemütlich auf seinen Pferch zu. Ahnte das Tier nicht die Gefahr?

Etwas stimmte hier nicht, Larashi konnte es fast körperlich spüren. Wer sprach mit dem Stummen Großen?

Larashi presste die Lippen zusammen. Was sollte er tun? Wo waren Gorano und Shleyo, die Gefährten?

Deckungslos stand er mitten auf dem Hof. Seine Augen erfassten jede Einzelheit in der Umgebung der Klause. So alt er auch war, und er hatte immerhin schon fünfzig Sommer kommen und wieder gehen gesehen, seine Augen waren scharf geblieben. Der Diener des Stummen Großen fühlte, wie die Angst in ihm hochkroch und mit kalten Fingern nach seinem Herzen griff.

Die Stimmen verstummten. Sie waren aus der Klause gekommen, teilweise laut und erregt. Doch keine Antwort war ihnen zuteil geworden, soviel begriff der alte Diener, der mit seinen beiden Gefährten die Klause des Stummen Großen Daumenlos betreute. Sie alle waren schon alt, waren längst keine Kämpfer mehr, und ihre Muskeln konnten auch keine schwere Arbeit mehr leisten. Es war mehr ein Gnadenbrot, das sie von Daumenlos erhielten.

Lautlos bewegte sich Larashi, versuchte in den Büschen und Sträuchern Deckung zu gewinnen, die ein kleines Gärtchen umgaben. Wieder nannte er sich einen Narren, dass er abgestiegen war. Mit dem Orhako hätte er davonjagen und Hilfe holen können. Denn dass die Fremden nur einen Freundschaftsbesuch machten, wollte er nicht glauben. Etwas lag über der Klause und roch nach Gefahr und Tod.

Plötzlich sah er eine Bewegung. Genau in dem Gärtchen, in dem er sich verbergen wollte, sah er etwas.

Pferde!

Drei Tiere waren es, und die Angst in Larashi wurde immer größer. Die drei Reiter, die ihre Tiere hier abgestellt hatten, mussten aus einem fremden Land kommen. Denn Pferde waren hier unüblich, man bewegte sich per Vogel.

Die Tiere waren versteckt worden. Jemand, der zufällig des Weges kam, sollte sie nicht erkennen.

Oder Larashi ...

Es musste eine Falle sein, und er war hineingetappt. Sofort wich er zurück, suchte nach einem anderen Versteck und duckte sich schließlich in einem kleinen Bewässerungsgraben nieder, der trocken war. Gorano und Larashi hatten ihn in den letzten Tagen geschaufelt, um mehr Wasser zu dem Gärtchen führen zu können, aber noch war er nicht in Betrieb genommen worden. Es war eine mehr schlechte als rechte Deckung, und er konnte nur hoffen, nicht entdeckt zu werden.

Er sah wieder zur Klause hinüber, in der Daumenlos wohnte.

Genau in diesem Moment flog krachend die Tür auf. Ein Mann taumelte heraus. Es war Shleyo. Er griff sich mit beiden Händen an den Kopf und brach lautlos zusammen.

Aus seinem Rücken rann ein feiner Blutfaden hervor. Und hinter ihm tauchte eine riesige Gestalt auf, schwarz wie der Tod und das mordende Schwert in der Faust.

Da wusste Larashi, dass Shleyo tot war.

 

*

 

Längst lag Lo-Nunga, die verbotene Stadt, hinter ihnen. Die drei Männer bewegten sich rasch genug durch die schroffe, zerklüftete Gebirgslandschaft von Rafhers Rücken südwärts. Die Landschaft machte einen toten, tristen Eindruck auf Mythor. Es gab kaum Pflanzen, nur hin und wieder eigenartig geformte Gräser und Moose, die zwischen den Felsen und auf dem harten Boden jenes Bergzugs, der Rafhers Rücken genannt wurde, ein kärgliches Dasein fristeten.

Mythor trieb es nach Süden, nach Logghard, und die beiden anderen Männer folgten ihm, um ihm zu helfen. Steinmann Sadagar, der Mann der schnellen Messer, und Ango, der letzte vom Volk der Rafher.

Er war es, dem Mythor hin und wieder nachdenkliche Blicke zuwarf. Sadagar kannte er seit langem, den Rafher erst seit ein paar Tagen. Jenes Volk hatte seinen Namen erhalten, weil es zurückgezogen und ohne Kontakt zu anderen in dem Gebirge »Rafhers Rücken« lebte. Doch die Rafher gab es nicht mehr.

Sie, die sich als Diener des Lichtboten bezeichnet hatten, hatten sich durch Entleibung vergeistigt. Ihre toten Körper waren in Lo-Nunga zurückgeblieben; die angreifenden Vogelreiter waren zu spät gekommen. Kein Rafher lebte mehr; ihre Seelen waren miteinander verschmolzen zu einem Geistwesen, einem Deddeth.

Diesem Deddeth verdankte Mythor es, dass er noch er selbst war. Jener im Hochmoor von Dhuannin entstandene bösartige Deddeth, durch die Kraft der Schwarzen Magie entartet, hatte seit langem nach Mythor getastet und ihn endlich erreicht. Doch noch ehe er Mythors Geist überwältigen konnte, hatte der neuentstandene Deddeth eingegriffen. Es war zu einem Zweikampf gekommen, und der Dhuannin-Deddeth, entstanden aus den Seelen der im Kampf gegen die finstere Zauberei der Caer-Priester gefallenen Krieger Tainnias und ihrer Verbündeten, hatte weichen müssen.

Der Dhuannin-Deddeth, besiegt von der Kraft des Rafher-Deddeth, musste erloschen sein, vernichtet, überlegte Mythor. Er machte sich um diese Gefahr keine Gedanken mehr.

Ango, der letzte der Rafher, der nicht in dem Geistwesen hatte aufgehen können, weil er sich um Mythor gekümmert hatte, wusste es besser. Doch der junge Mann schwieg. Er hatte genug mit sich selbst zu tun. Das Wissen, dass alle anderen seines Volkes vergeistigt waren und er der einzige, der noch körperlich existierte, musste an ihm nagen.

Mythor hätte es erkennen müssen, glaubte Ango zu wissen, der sich so nannte, weil er gegenwärtig kein gespaltenes Gesicht trug. Die Tätowierung auf der Brust des Kometensohns, die endgültig erloschen war und nur eine große Brandwunde hinterlassen hatte, die nur langsam zu verheilen begann, hätte ihn wachsam werden lassen müssen. Doch Mythor schenkte dem Verschwinden der Tätowierung nicht die Bedeutung, die es wirklich besaß.

Das Bildnis Fronjas, das er nur im Spiegel sehen konnte, weil die Tätowierung auf seiner Brust für normale Augen unsichtbar geworden war! Das Verschwinden hatte Mythor zutiefst getroffen. Nie wieder konnte er ihr Bildnis betrachten, nie wieder würde der Anblick dieses bezaubernden Mädchenantlitzes ihm neue Kraft geben. Denn auch das Pergament, nach dem die Tätowierung angefertigt worden war, war spurlos verschollen. Vielleicht für immer ...

Weiter dachte Mythor nicht. Die Liebe zu Fronja, der Tochter des Kometen, machte ihn blind. Nur Ango ahnte, dass es mit dem Verschwinden etwas Furchtbares auf sich haben musste. Es musste ein Werk des Dhuannin-Deddeths sein. Ango ahnte, dass dieses mörderische, hungrige Geistwesen nicht restlos vernichtet worden war, dass es sich nur irgendwohin zurückgezogen hatte – und jederzeit wieder zurückkehren und erneut angreifen konnte ...

Auch Sadagar machte sich während ihres Marsches durch Rafhers Rücken seine Gedanken, aber er konnte sich nicht soweit in die Hintergründe hineindenken wie Mythor oder Ango. Denn ihm fehlte das Wissen, über das die Rafher verfügt hatten.

Plötzlich verharrte Ango. Sie standen am Beginn eines leichten, in die Tiefe führenden Hanges. Ango wies nach unten.

»Ein kleines Haus«, sagte er.

»Vielleicht«, sagte Mythor, »können wir dort ein wenig rasten, essen und trinken. Wir haben eine Stärkung nötig. Lasst uns hinabsteigen. Bis Logghard haben wir noch eine weite Strecke vor uns.«

Sie befanden sich bereits auf der Südseite von Rafhers Rücken, und weit vor ihnen schimmerte die endlos scheinende Ebene des Salzspiegels. Nicht weit von dessen Rand lag am Fuß des Abhangs die Hütte, umgeben von für diese Gegend erstaunlich vielen und grünen Pflanzen, Büschen und Bäumen.

Eine Insel der Hoffnung in dieser felsigen Einöde?

»Hinunter«, sagte Mythor und setzte sich in Bewegung. Der Sohn des Kometen, der sich bisher Angos Führung anvertraut hatte, ging nun voran.

Er ahnte nicht, was ihn und seine beiden Gefährten erwartete ...

 

*

 

Larashi duckte sich noch tiefer in den kleinen Graben. Aus der Hütte kam ein erstickter Aufschrei und ein dumpfer Fall. Das musste Gorano gewesen sein, denn Daumenlos, der zwar keinen Namen trug, aber von Larashi so genannt wurde, weil er irgendwann einmal beide Daumen verloren hatte, war stumm. Deshalb war der Stumme Große auch auf die Hilfe der drei alten Männer angewiesen, denn seine Hände waren durch das Fehlen der Daumen zum Greifen ungeeignet geworden. Seine Hände konnten auch keine Klinge mehr führen.

Die Fremden, die Mörder, die mit den drei Pferden gekommen waren, mussten Gegner des Großen sein. Demzufolge, ahnte Larashi, waren sie gleichzeitig Gegner der Lichtwelt. Daumenlos hatte keine Chance mehr.

Aus seiner Deckung heraus beobachtete Larashi den Unheimlichen, der sich mit überraschender Schnelligkeit bewegte. Ein zweiter folgte ihm. Dann kam der dritte, und da wusste Larashi, dass auch der Stumme Große tot war.

Der Alte konnte jetzt nur noch hoffen, dass er nicht entdeckt wurde. Denn sonst würde er das Schicksal der anderen teilen.

Die drei Schwarzgekleideten durchstöberten jetzt die nähere Umgebung der Klause. Larashi fürchtete, dass sie nach ihm suchten. Einer der beiden anderen Alten musste ihnen verraten haben, dass Daumenlos noch einen dritten Mann in seinen Diensten hatten.

Das Orhako!

An ihm würden sie erkennen, dass er in der Nähe war!

Zwei der drei Schwarzgekleideten erreichten den Pferch, in dem sich die Tiere befanden und in den auch das alte Orhako Larashis zurückgekehrt war.

Larashi schloss entsetzt die Augen.

Erbarmungslos machten die Schwarzen sämtliche Tiere nieder. Es war, als wollten sie ein Zeichen setzen. Ein Zeichen des Todes. Nichts Lebendes sollte zurückbleiben.

Der dritte Mann blieb vor der Eingangstür stehen. Larashi erhaschte den Anblick eines gläsernen Gesichts.

Kalt lief es ihm über den Rücken.

Dämonisierte!

Feinde der Lichtwelt und des Sohnes des Kometen!

Und der Sohn des Kometen war unterwegs, kam vielleicht sogar hier vorüber auf seinem langen Weg. Vergeblich hatte Larashi nach ihm Ausschau gehalten, aber das besagte nichts. Er mochte dennoch in der Nähe sein.

Daumenlos hatte ihm mit Hilfe seiner Pfeif- und Zeichensprache mitgeteilt, dass der Sohn des Kometen in den Süden unterwegs sei. Larashi verstand die Pfeifsprache der Stummen Großen, die niemals sprachen, weil ihre Münder vernäht waren und nur eine winzige Öffnung zur Aufnahme flüssiger Nahrung besaßen. Aber er verstand nicht, wie sich die Stummen über weite Entfernungen hinweg verständigen konnten. Wenn sie sich mit ihren Pfeifen einrauchten und meditierten, waren sie in der Lage, über weite Strecken miteinander in Verbindung zu kommen. Dutzende von Tagesritten waren kein Hindernis. Auf diese Weise musste Daumenlos von seinen Ordensbrüdern erfahren haben, dass der Sohn des Kometen kam. Daumenlos hatte ihn Larashi sogar beschreiben können. Ein Mal hinter dem Ohr und eine Brusttätowierung, die ein unbeschreiblich zauberhaftes Mädchenantlitz zeigte.

Larashi hatte sich auf sein Orhako gesetzt und war ausgeritten, um nach dem Sohn des Kometen Ausschau zu halten. Doch er hatte ihn nicht entdecken können, und irgendetwas hatte ihn zum Rückzug bewogen. Vielleicht war es die Ahnung der Gefahr gewesen, die den Stummen Großen inzwischen bedrohte.

Noch tiefer duckte sich Larashi, bis er nichts mehr sehen konnte. Er hörte nur noch die Schritte der Schwarzgekleideten, hörte, wie sie sich miteinander unterhielten. Nur kurze Zurufe, die für Larashi keinen Sinn ergaben, weil er die Zusammenhänge nicht kannte.

Plötzlich kamen die Schritte näher, direkt auf den Graben zu. Larashi hielt den Atem an.

Hatten die Mörder ihn entdeckt?

 

*

 

»Diese riesige Ebene«, sagte Mythor und deutete mit ausgestrecktem Arm hinaus auf die sich endlos erstreckende Fläche. »Was ist das?«

Je tiefer sie stiegen, desto weniger erkannten sie. Aber selbst von den Gipfeln von Rafhers Rücken herab war ein Ende dieser hellen Fläche nicht erkennbar gewesen.

»Es ist der Salzspiegel«, sagte Ango. »Ein ausgetrockneter Salzsee von gewaltiger Ausdehnung. Wie groß mag er sein? Größer als das Land Moro-Basako bestimmt. Dort, wo der Salzspiegel endet, ist etwa die Hälfte der Entfernung zwischen uns und Logghard.«

Mythor schluckte. Er bekam eine ungefähre Ahnung von der Größe dieser Fläche. Der Beschreibung nach musste sie etwa so groß sein wie Tainnia und Ugalos zusammen.

Tainnia ... die Caer ... nicht einmal hatte er sie aus der Erinnerung verloren. Von den Caer kam die Gefahr für die gesamte Lichtwelt. Sie waren die Werkzeuge des Bösen, das von der Dunkelzone her nach der Macht griff.

Dabei wusste Mythor sehr wohl, dass nicht die einzelnen Caer-Krieger das Böse an sich waren. Die Priester waren die treibende Kraft. Sie und ihr Oberpriester Drudin. Unter den Kriegern selbst gab es so manchen, dem die Priester unheimlich waren und der sie fürchtete. Mythor entsann sich an seine Erlebnisse während des Drudin-Turniers in der Ebene der Krieger. Einer der Caer war sogar so etwas wie sein väterlicher Freund geworden. Padrig YeCairn, den sie Gevatter Tod nannten. Aber es war schon einige Monde her, und die Ebene der Krieger war so unendlich fern ...

Mythor zwang seine Gedanken wieder in die Gegenwart zurück. So fern das Herzogtum Caer auch war, so waren doch die Auswirkungen seiner Macht bis hierher zu spüren. Drudins Todesreiter hingen Mythor ständig im Nacken, versuchten ihn auszuschalten, und es war nur noch eine Frage der Zeit, wann sich die Heere der Caer auch über die Länder des Südens ergießen würden.

Und aus dem Süden kam ihnen die sich langsam, aber stetig ausdehnende Düsterzone entgegen. Es war wie eine tödliche Zange, die die Menschen der Lichtwelt langsam, aber sicher zwischen sich zu erdrücken versuchte.

»Der Salzspiegel ist eine gefährliche Fläche«, murmelte Ango. Der letzte der Rafher verzog das Gesicht. »Es gibt dort Wanderdünen, die einen überraschen und verschlingen können, und Piraten, die die Gegend unsicher machen.«

Mythor zuckte mit den Schultern. Er hatte nicht vor, den ausgetrockneten Salzsee zu betreten. Es war wahrscheinlich einfacher und geradliniger, an seinem Ufer entlang in Richtung Logghard weiterzugehen.

Ango warf ihm einen merkwürdigen Blick zu. Der junge Rafher war schlank und sehnig gebaut. Sein Kopf war gewissermaßen in zwei Hälften geteilt; vom Nacken zog sich über seinen ausladenden Schädel ein etwa zwei Finger breiter kahlgeschorener Streifen bis nach vorn. Der Streifen war weiß bemalt, und in dieser Färbung zog er sich durch das gesamte Gesicht bis über das Kinn hinaus. Die rechte Gesichtshälfte war sonnengebräunt, die linke bleich. Eine Folge der häufigen Gesichtshälftenfärbung, der die Rafher Schutz vor den bösen Mächten zusprachen. Zur Zeit war Angos linke Gesichtshälfte nicht bemalt; wenn er sie einfärbte, geschah dies mit roter Farbe und mit verschiedenen Mustern, die jeweils seinem Gemütszustand entsprachen. In gefärbtem Zustand, also mit gespaltenem Gesicht, wie er es bezeichnete, nannte er sich No-Ango.

Es war eine bemerkenswerte Eigenheit, fand Mythor.

Auch in seiner sonstigen Erscheinung bildete der mit einem Lendentuch bekleidete Rafher den völligen Gegensatz zu Mythors anderem Begleiter, Steinmann Sadagar. Hier der junge, kräftige Krieger, dort der alte, schmächtige Messerwerfer.

Tiefer und tiefer kamen sie.