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Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

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Kommentar

Leserkontaktseite

Glossar

Risszeichnung KRUSENSTERN

Der PERRY RHODAN-Wegweiser

Impressum

PERRY RHODAN – die Serie

 

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Nr. 2715

 

Einsatz im Polyport-Hof

 

Der Lordadmiral will das Solsystem befreien – Tekeners Team wird aktiv

 

Uwe Anton

 

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Seit die Menschheit ins All aufgebrochen ist, hat sie eine aufregende, wechselvolle Geschichte erlebt: Die Terraner – wie sich die Angehörigen der geeinten Menschheit nennen – haben nicht nur seit Jahrtausenden die eigene Galaxis erkundet, sie sind längst in ferne Sterneninseln vorgestoßen. Immer wieder treffen Perry Rhodan und seine Gefährten auf raumfahrende Zivilisationen – und auf die Spur kosmischer Mächte, die das Geschehen im Universum beeinflussen.

Im Jahr 1514 Neuer Galaktischer Zeitrechnung, das nach alter Zeitrechnung dem Anfang des sechsten Jahrtausends entspricht, gehört die Erde zur Liga Freier Terraner. Tausende von Sonnensystemen, auf deren Welten Menschen siedeln, haben sich zu diesem Sternenstaat zusammengeschlossen.

Doch Unruhe ist über die Galaxis gekommen: Auf der einen Seite droht Krieg zwischen den Tefrodern und den Blues, auf der anderen reklamiert das ominöse Atopische Tribunal die Rechtshoheit über alle Welten der Milchstraße.

Seine ersten Repräsentanten sind die Onryonen, die die Auslieferung Perry Rhodans und Imperator Bostichs fordern – sie sollen wegen zahlreicher Verbrechen vor Gericht gestellt werden. Das schlimmste Verbrechen liege allerdings in der Zukunft und wird als »Weltenbrand« umschrieben.

Doch die Onryonen wollen die ganze Milchstraße der Gerechtigkeit der »Atopischen Ordo« zuführen und richten den Blick auch auf WOCAUD. In der Milchstraße kommt es deshalb zum EINSATZ IM POLYPORT-HOF ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Ronald Tekener – Der »Smiler« handelt herzlos.

Ghonvar Toccepur – Der Kommandant eines Raumvaters begibt sich in Gefahr.

Vetris-Molaud – Der Hohe Tamrat spricht mit dem Schwanz seines Roboters.

Ellendea Lon – Die USO-Agentin muss im Einsatz mit schweren Handicaps kämpfen.

1.

ITHAFOR-5,

31. Juli 1514 NGZ

 

Tekener kam wieder zu sich.

Einen Moment wusste er nicht, wo er war. Seltsame Bilder und Gedanken wirbelten ihm durch den Kopf. Er sah ein Stundenglas, das taumelnd vor dem Hintergrund eines Sternennebels durchs All trieb. Es wirkte verschwommen, an den Rändern unscharf, als gehörte es nicht hierher. Die obere Kugel des Glases war fast leer. Die letzten Körnchen rieselten gerade heraus, während die untere bis zum Bersten mit Sand gefüllt war.

Dann schienen die beiden Kugeln sich plötzlich aufzulösen. Als würden sie schmelzen, tropfte verflüssigtes Glas langsam von ihnen herab. Sand rann durch die Öffnungen, verlor sich jedoch nicht im All, sondern bildete mit dem sich wieder verfestigendem Glas neue Objekte.

Es dauerte eine Weile, bis Tekener sie erkannte. Es waren kreisrunde Kameraobjektive.

Der Admiral wusste, dass es nicht irgendwelche Kameralinsen waren. Ein Gesicht gehörte zu ihnen.

Lordadmiral Monkeys Gesicht.

Es waren Monkeys künstliche Augen, die er dort sah. Ihr Blick war kalt und tot.

Sie verwandelten sich übergangslos in andere Augen, in menschliche, doch deren Blick war nicht anders. Absolut ohne Gefühl. Er verriet keine Regung.

Er hatte diesen Blick oft genug in Holos gesehen, in Aufnahmen von seinen Einsätzen. Es waren seine Augen, die er dort sah. Seit seinen frühesten Tagen in den Weiten des Alls nannte man ihn Smiler. Wenn er lächelte, waren sie wie sein Lächeln, kalt und völlig humorlos, ohne Erbarmen. Man konnte ihnen nichts entnehmen, genau wie Monkeys Kameraobjektiven.

Was ist los mit mir?, fragte sich Tekener. Wieso habe ich solche Gedanken? Wieso sehe ich solche Bilder? Hat man mich unter Drogen gesetzt?

Dann merkte er, dass noch etwas nicht stimmte.

Etwas, das er sich im ersten Moment nicht erklären konnte.

Sein Herz schlug nicht mehr.

2.

 

Furcht stieg in Tekener empor, archetypische Angst um das nackte Leben. Er glaubte zuerst, jeden Moment sterben zu müssen. Er tastete nach seinem Herzen, fühlte es aber weiterhin nicht schlagen.

Natürlich nicht! Er trug einen SERUN. Der Brustharnisch und die Handschuhe verhinderten, dass er seinen Herzschlag spürte. Kein Grund, sich Sorgen zu machen!

Kein Grund, sich Sorgen zu machen? Er konnte noch immer nicht klar denken. War das so, wenn man tot war?

Aber ... wenn er tot war, musste dies das Jenseits sein. War er dazu verdammt, den Augenblick seines Todes immer wieder zu durchleben? War das die Hölle?

Eine weitere Erinnerung drängte an die Oberfläche seines Verstands. Eine Stimme.

Warnung. Ich diagnostiziere bei dir einen Ausfall wichtiger Körperfunktionen. Dein Herz ist irreparabel geschädigt. Es ist zu einem funktionslosen Gewebeklumpen geschrumpft und steht still. Anweisungen?

Er kannte die Stimme. Es war die seines SERUNS.

Tekener schloss die Augen. Jetzt fiel es ihm wieder ein. Das war die letzte Information, die er erhalten hatte, bevor er das Bewusstsein verlor. Sie hatte ihm einen Schock versetzt, ihm buchstäblich den Rest gegeben, und sein Verstand hatte gestreikt.

Er hatte das Bewusstsein verloren.

Das Bewusstsein. Offensichtlich war er noch nicht tot.

Jedenfalls nicht ganz.

»Wo bin ich?«, fragte er.

»In ITHAFOR-5, von den Tefrodern WOCAUD genannt. Im Ghatamyz-System, im Orbit des Gasriesen Ghatunuhm.«

Genau! Sie waren vom Handelsstern JERGALL aus nach ITHAFOR-5 aufgebrochen, um ...

Die ersten Sekunden der Mission! Sie waren besonders kritisch! Er musste ...

»Ich stelle fest, dass du ansprechbar bist«, sagte der SERUN. »Ich bestätige die erste Diagnose. Dein Herz ist nur noch ein toter Muskel.«

»Wieso lebe ich dann?«

»Ich habe die Medoeinheit in dich implantiert. Die inneren Blutungen sind gestoppt, das meiste Blut aus dem Thorax abgesaugt. Die wesentlichen Verbindungen zu den Aorten und der Lunge sind hergestellt. Ich habe Beruhigungsmittel injiziert und die Adrenalinanregung gedämmt. Dein Kreislauf wird nur von mir in Gang gehalten. Besser gesagt, von meinem Cybermed-Modul. Trotzdem wären Normalsterbliche jetzt tot. Dass du es mit dieser Hilfe bislang überstanden hast, verdankst du wahrscheinlich dem Zellaktivator.«

Tekener blinzelte. Er nahm seine Umgebung nur dunkel und schemenhaft wahr. Die Schleier, die er sah, verstärkten den Eindruck, in der Totenwelt zu sein. »Bin ich erblindet? Ich kann nichts sehen!«

»Eine Folge des Schocks. Es wird sich bessern. Ich verstärke die Zufuhr Kreislauf unterstützender Medikamente.«

»Mittelfristige Perspektive?« Falls ich überhaupt eine habe!, fügte Tekener in Gedanken hinzu.

»Definiere mittelfristig!«

Phantastisch. Ein SERUN mit Humor!

»Wie lange kann ich so weiterleben?«

»Rein medizinisch wird die Medoeinheit des Cybermed-Moduls für eine bestimmte Zeit alle Funktionen des Herzens ersetzen können. Das bedeutet dennoch ein unvermeidliches Risiko für dich. Falls der SERUN ausfällt, bricht der Kreislauf zusammen. Du wärest auf der Stelle tot.«

Ich werde eine Batterie brauchen. Hm, gab es da nicht mal einen Comic, von dem Bully erzählt hat? Tekener schüttelte den Kopf, um diese sinnlosen Gedanken zu vertreiben.

»Wie lange habe ich auf diese Weise noch? Sprechen wir von Tagen oder Stunden?«

»Maximal drei Tage. Ich empfehle ...«

»Später. Unmittelbare Lebensgefahr besteht nicht?«

»Nein. Nur bei einer Beschädigung der Medoeinheit.«

»Gut.« Eins nach dem anderen. Die Mission. Die ersten kritischen Sekunden ...

Tekener schüttelte sich in der Hoffnung, sein Blick würde sich wieder klären. Noch sah er äußerst verschwommen, aber es wurde langsam besser. Die heftige Kopfbewegung schien allerdings nicht dabei zu helfen, die Sehfähigkeit wiederherzustellen.

Trotzdem ... für einen Toten nicht schlecht!

In diesem Moment erklang hinter ihm der Donner einer dumpfen Detonation, und Tekener wurde nach vorn geschleudert.

3.

 

Der SERUN reagierte automatisch und fing seinen Sturz ab. Sanft landete Tekener auf den Füßen.

Zumindest seiner Sehkraft schien die Erschütterung nicht geschadet zu haben. Ganz im Gegenteil, er konnte seine Umgebung nun etwas deutlicher ausmachen.

Auch sein Gehör funktionierte wieder besser. Er vernahm das Jaulen einer Alarmsirene. Es drang wie durch Watte zu ihm durch, schwoll an und wieder ab. Dann stabilisierte es sich knapp über der Wahrnehmungsschwelle.

Jahrtausendelanges Training, dachte er. Grundsolide USO-Ausbildung. Jeder andere wäre allein aufgrund des Schocks noch für Stunden außer Gefecht gesetzt!

Nein, jeder andere wäre tot, machte er sich klar.

Aber er benötigte noch jede Hilfe, die er bekommen konnte. »Detaillierte Ortsbestimmung!«

»Du befindest dich am Ausgang eines Transferkamins des Polyport-Hofs ITHAFOR-5.«

Er riss sich zusammen. Nun sah er verschwommen seine Teamkollegen, Ellendea Lon, den Blue Cheprijl und Mathis de Veer. Sie hatten sich vor nicht einmal zwei Stunden auf JERGALL kennengelernt und nur eine erste improvisierte Einsatzbesprechung abgehalten.

Alle hatten ihre Deflektoren aktiviert. Aufgrund der Geräteeinstellungen konnten sie sich gegenseitig sehen, aber von keinem anderen gesehen werden.

Auch die anderen schienen nicht unverletzt geblieben und nur beschränkt einsatzfähig zu sein. Der Blue taumelte leicht und ging unsicher, de Veer wirkte geistesabwesend, bewegte sich wie eine Maschine. Und Ellendea Lons Gesicht war unter der Helmkapuze des SERUNS bleich und schweißnass.

Tekener konzentrierte sich. Mit einem Zuruf aktivierte er sein Helmdisplay. Es verriet ihm, dass Ellendea Lon nicht nur seinen, sondern offensichtlich auch die SERUNS der anderen Teammitglieder unter Fernkontrolle genommen hatte. War sie die Einzige, die in den ersten Sekunden nach dem Ende des Transfers handlungsfähig geblieben war?

»Ellendea, was ist hier los? Ich bin wohl kurzzeitig weggetreten ...«

»Ich habe alles unter Kontrolle, Admiral«, sagte sie. »Wir sind im Schutz der Deflektoren der SERUNS angekommen und unbemerkt geblieben. Wir suchen nun ein Versteck im Inneren des Polyport-Hofs.«

»Was war das für ein Alarm? Und diese Explosion ...?«

»Bei unserer Ankunft wurde offensichtlich ein automatischer Alarm ausgelöst. Personen waren nicht in der Nähe. Niemand hat uns bemerkt, unsere Flucht ist gelungen. Die Explosion folgte, als ich planmäßig den Container gesprengt habe, der uns zur Tarnung diente.«

Ihr Plan ... Tekener erinnerte sich undeutlich daran. Zumindest das schien gut gegangen zu sein. »Wo genau sind wir?«

»Wir haben gerade das Transferdeck verlassen. Die Anfangsphase ist trotz der unvorhersehbaren Zwischenfälle während des Transfers planmäßig verlaufen.«

Allmählich rutschten Tekeners Gedanken wieder in geordnetere Bahnen. Hier stimmt so einiges nicht! Das Polyport-Netz ist ausgefallen oder unterliegt starken Störungen, ITHAFOR-5 funktioniert nicht mehr. Plötzlich aktiviert sich ein Transferkamin von allein, und niemand ist da? Kein einziger Techniker? Keine Wachmannschaft? Der tefrodische Sicherheitsdienst kann nicht von einem auf den anderen Tag so unprofessionell agieren!

Wenigstens war Alarm ausgelöst worden. Sonst wäre sein Weltbild vollends ins Wanken geraten.

Tekener blendete ein vorbereitetes Raster ins Helmdisplay ein. Im Handelsstern JERGALL hatte Mathis de Veer mehrere Verstecke vorgeschlagen und die Wege dorthin in ebendiesem Raster markiert. Er war ihr Fachmann für Fremdtechnologien, hatte einen Teil seiner Ausbildung auf einem Polyport-Hof absolviert und war für alle Fragen zuständig, die mit dem Polyport-System zusammenhingen.

Die SERUNS konnten diese Strecken auch allein bewältigen. Angesichts ihres körperlichen Zustands blieb ihnen wohl nichts anderes übrig, als darauf zu vertrauen.

»Ellendea, schalte sämtliche SERUNS auf Automatik! Setze Kurs auf Frachtraum zwei!«

Das vorgesehene Versteck war hinter diesem großen Frachtraum, von denen ITHAFOR-5 über insgesamt vier verfügte. Es war ein kleiner Raum am Rand der Hallen, die eine 6-D-Komponente des Transportsystems beherbergten, wahrscheinlich den Feldstabilisator. Zumindest vermuteten die terranischen Wissenschaftler das. Sie hatten längst nicht alle Geheimnisse des Polyport-Hofs enträtselt.

Die Wohn- und Lebensbereiche befanden sich an der Peripherie des Hofs, also weit entfernt. Tekener ging davon aus, dass die Tefroder dort eingezogen waren und keine unkonventionelle Unterbringungsmöglichkeit gewählt hatten, ihnen also vorerst nicht zu nahe kommen würden.

Er wartete, bis Ellendea die Schaltung vorgenommen hatte, und atmete tief durch. Er konnte sich jetzt einen Moment lang entspannen, sich daran gewöhnen, ohne Herz auszukommen. Du bist eigentlich tot, dachte er, und das hast du bislang verdammt gut verkraftet!

Der SERUN beschleunigte. Mit traumhafter Sicherheit beförderte er Tekener durch breite und enge Gänge mit der Farbe von hellem Bernstein und öffnete Türen und Schotten. Er ortete unablässig und wich aus oder bremste ab, wenn er vor sich ein lebendes Hindernis bemerkte. Falls sie einem tefrodischen Techniker zu nahe kamen und er den starken Luftzug bemerkte, den sie erzeugten, würde er wahrscheinlich Alarm geben. Dann wäre ihr Plan gescheitert, bevor sie überhaupt mit der eigentlichen Ausführung begonnen hätten.

Sie erreichten die Halle, in der der vermeintliche Feldstabilisator stand. Tekener vertraute dem SERUN zwar, und er musste ihn nicht steuern, doch auch ohne diese Anspannung legten sich dunkle Schleier vor seine Augen. Er erahnte die hohen, teilweise glatten und turmartigen, teilweise ineinander verschlungenen Maschinen in der Halle eher, als sie deutlich zu sehen.

Ihm wurde klar, dass sein Körper sich nie daran gewöhnen würde, ohne Herz auskommen zu müssen, nur mit den unterstützenden Funktionen des SERUNS. Er schwebte von nun an jede Sekunde in Lebensgefahr.

Der Flug endete vor einer vielleicht zweieinhalb Meter hohen Tür. Sie befand sich genau dort, wo sie sich de Veers Aufzeichnungen zufolge befinden sollte. Es bereitete dem SERUN keinerlei Probleme, das Schloss zu manipulieren. Die Tür öffnete sich, und die SERUNS beförderten Tekener und sein Team in den dahinter befindlichen Raum. Sie schloss sich wieder, und die Helmscheinwerfer der SERUNS aktivierten sich automatisch.

Tekener atmete erleichtert auf und sah sich um. An diesem Ort befanden sich lediglich Container mit ihm unbekanntem Inhalt. Sie waren von dünnem Staub bedeckt. Offensichtlich war der Raum lange nicht mehr betreten worden.

»Automatikfunktion der SERUNS beenden«, sagte Tekener. »Die Luft ist atembar. Wir können die Helme öffnen.«

Der transparente Folienfalthelm klappte auf, und Tekener sog schale, abgestandene Luft ein.

»Deflektorfunktion beenden!«, befahl er.

Ellendea Lon öffnete den Helm ebenfalls. Ihr Gesicht war noch immer von einem dünnen Schweißfilm bedeckt, und sie zitterte am ganzen Leib. Ihre Zähne schlugen laut aufeinander. Kraftlos lehnte sie sich mit dem Rücken gegen einen Container und rutschte langsam hinab.

Cheprijl, der Blue, streckte beide Arme aus, machte zwei, drei unsichere Schritte und wäre mit dem Kopf fast gegen die Wand geprallt, wenn der SERUN es nicht im letzten Moment verhindert hätte. Er schrie zirpend auf und blieb stehen.

Tekener bemerkte, dass seine Augen getrübt waren.

Und Mathis de Veer stand einfach da, mit weit geöffnetem Mund, und starrte ihn an, ohne ihn wirklich zu sehen.

»Verdammt!«, entfuhr es Tekener.

Nun stand fest, dass er nicht der Einzige war, der bei dem Transfer körperlich beeinträchtigt worden war. Seinen drei Kollegen ging es offenbar nur geringfügig besser als ihm. Bei Ellendea schienen sich die Folgen des Transfers erst jetzt bemerkbar zu machen.

Wenn überhaupt.

4.

 

»SERUNS, Überrang-Befehl. Admiral Ronald Tekener. Spracherkennung vornehmen. Ich bin der vorgesetzte Offizier und offenbar als Einziger zumindest eingeschränkt handlungsfähig. Erstattet mir der Reihe nach Bericht.« Sein Blick glitt von Ellendea Lon über den Blue zu Mathis de Veer. Der jungen, hochgewachsenen Frau, die fast so groß war wie er, schien es akut am schlechtesten zu gehen. »Cybermed-Modul Lon, beginnen!«

»Ellendea Lon zeigt alle Anzeichen eines akuten Malariaanfalls«, antwortete das Cybermed-Modul. »Sie hat noch immer über 39,5 Grad Fieber, obwohl ich die Temperatur bereits merklich senken konnte. Ihre Milz hat sich deutlich vergrößert und vergrößert sich weiterhin. Schuld daran trägt die große Zahl der abzubauenden Trümmer roter Blutkörperchen.«

Die Frau, die akzentfrei Tefrodisch sprach und mit ihrem samtbraunen Teint überdies verblüffend einem Angehörigen dieses Volkes ähnelte, wischte sich den Schweiß von der Stirn. »Nur ein kurzer Schwächeanfall«, sagte sie. Sie bemühte sich, das Klappern ihrer Zähne zu unterbinden. »Es geht schon wieder. Ich habe euch hierher gebracht, oder? Ich komme wieder in Ordnung, der SERUN hat alles im Griff.«

Sie schob sich an dem Container hoch, stand einen Augenblick schwankend da, fokussierte dann ihren Blick und machte sich an dem Multifunktionsarmband ihres SERUNS zu schaffen. »Ich versuche, den internen Funkverkehr von ITHAFOR-5 anzuzapfen und Informationen zu sammeln.«

Tekener glaubte kein Wort von ihrer Behauptung, dass es ihr wieder besser ging. »Ursache des Malariaanfalls?«

»Unbekannt«, antwortete der Cybermed.

Der Admiral nickte. Er musste der Medoeinheit nicht sagen, dass sie sich weiterhin bemühen sollte, Lon zu helfen. Das tat sie sowieso.

»Cheprijl? Was ist mit deinen Augen?«

Der Blue richtete das vordere Augenpaar auf Tekener. Oder zumindest in die Richtung, in der er den Admiral vermutete. »Nichts«, sagte er. »Es ist alles in Ordnung.«

Erzähl doch keinen Unsinn, dachte Tekener. »Sie sind getrübt. Cybermed?«

»Die Augen wurden stark geschädigt. Cheprijl kann ohne Hilfestellung durch den SERUN nur noch schemenhaft sehen. Auch seine Hörfähigkeit ist stark eingeschränkt.«

»Warum sagst du das nicht, Cheprijl? Es ist doch offensichtlich.«

Der Blue sah ihn nur an und senkte dann beschämt den Kopf.

Macht er sich etwa Selbstvorwürfe?, fragte sich der Admiral. Er ist USO-Spezialist! Ihm muss doch klar sein, dass er nichts für seinen Zustand kann und alle anderen in Gefahr bringt, wenn er ihn verschweigt!

»Mithilfe des SERUNS bin ich voll einsatzfähig. Ich kann meine Aufgabe bewältigen.«

Abgesehen von der noch unbekannten psychologischen Störung scheint Cheprijl am besten weggekommen zu sein. Tekener wandte sich Mathis de Veer zu.

Der Fremdtechnologieexperte stand mit weit geöffnetem Mund da und sah ins Leere. Dann schaute er zu seinem rechten Arm und machte sich mit der linken Hand umständlich daran, den SERUN-Handschuh abzunehmen. Er arbeitete unkonzentriert und wenig zielgerichtet, und so dauerte es eine Weile, bis er die Hand befreit hatte.

Sie war verdorrt. Dürr und leblos hing sie herab, schlaff, völlig nutzlos. Sie erinnerte Tekener an eine vertrocknete, von grauer Haut überzogene Klaue. Nicht einmal die verkrüppelten Fingerchen konnte de Veer bewegen.

»Ich spüre meine Hand nicht mehr«, sagte er. »Ich war schon mal hier, oder?«

»Cybermed?«

»Die rechte Hand ist abgestorben«, erläuterte die SERUN-Einheit. »Ich kann eine Blutvergiftung befristet verhindern, empfehle aber eine Amputation. Ich könnte sie problemlos durchführen. Außerdem hat Mathis de Veer Gehirnschädigungen erlitten. Das genaue Ausmaß sollte ein Gehirnspezialist bestimmen.«

Tekener wurde wieder schwarz vor Augen. Das ist eine Katastrophe, dachte er. Mich hat es mit dem Herzen vielleicht am schlimmsten erwischt, aber auch die anderen sind organisch schwer geschädigt!

»Was ist mit dem Polyport-Netz los?«, fragte de Veer. »Dass es zu Ausfällen und Verspätungen kommt, ist ja bekannt, aber habt ihr schon mal von solchen ... Veränderungen gehört? Von Verstümmelungen beim Transfer?«

Der Admiral dachte schon einen Schritt weiter. »Das ist im Augenblick nicht relevant. Du kennst dich von uns am besten mit Polyport-Höfen aus. Welche Möglichkeit ist am aussichtsreichsten, den Hof zu verlassen, ohne einen Transferkamin zu benutzen?«

Mathis de Veer starrte ihn einen Moment an, ohne auf die Frage zu reagieren. »ITHAFOR-5 hat ein Gesamtvolumen von etwa 1,344 Milliarden Kubikmetern«, sagte er dann. »Selbst wenn man die rund 161 Millionen Kubikmeter des Zentrums mit dem Transferdeck abzieht, bleiben etwa 1,18 Milliarden Kubikmeter. Und das ist mehr als genug Raum, um sich zu verstecken.«