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Klaus Stickelbroeck

Schnell erledigt

Vom Autor bisher bei KBV erschienen:

Fieses Foul

Kalte Blicke

Fischfutter

Auf die harte Tour

Klaus Stickelbroeck wurde 1963 in Anrath geboren. Er lebt in Kerken am Niederrhein und arbeitet als Polizeibeamter in Düsseldorf. Seinen ersten Kurzkrimi veröffentlichte er im Jahr 2000, sein erster Kriminalroman Fieses Foul mit dem Privatdetektiv Hartmann erschien 2007. Sein Kriminalroman Fischfutter (2010) wurde für den Friedrich-Glauser-Preis als bester Kriminalroman des Jahres nominiert. Nach vier Kriminalromanen ist dies sein erster Kurzgeschichtenband mit 25 witzig-spannenden Kurzkrimis. Stickelbroeck ist einer der fünf Krimi-Cops, deren vier Kriminalromane ebenfalls bei KBV erschienen sind.

Klaus Stickelbroeck

Schnell erledigt

Kurzkrimis mit und ohne Hartmann

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Originalausgabe

Inhaltsangabe

Aussichtslos

Grabstelle 14

Hasi soll nicht sterben!

Hartmann und die Hexen

Äpfelchen

Kanadischer Charme

Reizende Aussichten

Kartoffelsuppe

Rache ist Rot

Todsicher!

Ein faules Ei für Hartmann

Verbrechen mit Rechen

Drachenfest

Scharf

Es muss wie ein Unfall aussehen!

Hartmann im Nebel

Tödliches Vorspiel

Dreckig

Muttertag ist nicht mein Ding

Auch ein Schatten hat nur zwei Hände

Grüner Tod

Kaninchenkacke

Französische Versuchung

Rabauken, Räuber, Raue Fasern

Brasilianischer Tod

Aussichtslos

 

Mist!« Ich nahm den letzten Absatz zur hölzernen Aussichtsplattform.

Der Typ im dunklen Anzug hatte sie nur knappe fünf Sekunden vor mir betreten. Er war nicht wegen der einzigartigen Aussicht über die herrlichen Eichenwälder der Rureifel hier und stand schon mit einem Fuß auf dem Geländer.

Böiger Wind klatschte mir ins Gesicht. »Heh!«, rief ich.

Er reagierte nicht, sondern schwang sein rechtes Bein über die Brüstung.

»Heh!«, wiederholte ich und trat auf ihn zu.

»Bleiben Sie weg, verdammt«, zischte er. Der Wind wirbelte seine Haare durcheinander. Er sah mich mit ausdruckslosen, wässrigen Augen an.

»Machen Sie keinen Mist, Mann! Steigen Sie da runter!«, forderte ich ihn mit eindringlicher Stimme auf.

Er hielt einen Moment inne. Wir beide waren alleine auf der Plattform. Ich trat drei Meter entfernt von ihm an die Reling und sah an der dreieckigen Holzkonstruktion des Boosener Aussichtsturmes hinunter. Auf dem mit alten Wackersteinen ausgelegten Asphalt unter uns war ebenfalls niemand zu sehen. Gute acht Meter war der Turm hoch.

Wenn er sich geschickt anstellte, könnte das reichen.

»Mischen Sie sich nicht ein! Lassen Sie mich!«, krächzte er mit heiserer Stimme gegen den Wind und zog sein zweites Bein bis an die Reling.

Verdammt. Der würde springen. Keine Frage! Ich griff nach hinten in meinen Hosenbund, wo meine Knarre einsatzbereit steckte. Zu gefährlich. Bevor ich abgedrückt hätte, wäre der längst unten aufgeschlagen.

Ich nickte mit dem Kopf über die Brüstung. »Mensch, denken Sie doch mal an die Familie da unten. Die müssen Ihren Sprung ja nicht unbedingt mitbekommen!«

Er hielt inne. »Welche Familie?« Und schaute für den Bruchteil einer Sekunde nach links.

Ich sprang auf ihn zu. Er zuckte zusammen, wollte abspringen, aber ich bekam seine Anzugjacke zu fassen, riss ihn von der Reling runter und drückte ihn vor mich auf den Holzboden.

Er schnaufte. »Verdammt, was mischen Sie sich ein? Hauen Sie ab!«

Ich drehte ihn auf den Bauch und presste ihn mit einem Haltegriff fest auf den Boden. »Ich will nicht, dass Sie springen!«

»Was haben Sie mit mir zu tun? Mein Leben ist verpfuscht. Meine Frau betrügt mich, mein Job ist weg. Das ist allein meine Entscheidung.«

Da lag er falsch. Ich erklärte es ihm. »Ihre Frau möchte nicht, dass Sie sich umbringen.«

Er drehte den Kopf zur Seite und runzelte die Stirn. »Meine Frau?«

»Sie weiß schon seit einiger Zeit, dass Sie sich umbringen wollen. Nachdem Sie am vergangenen Wochenende Ihren Job verloren haben, hat Ihre Frau mich engagiert, um Sie davon abzuhalten, sich zu erschießen, sich zu vergiften oder irgendwo runterzuspringen.«

»Meine Frau will nicht, dass ich mich umbringe?«

»Richtig.«

Er sackte in sich zusammen. »Das ... das hätte ich nicht gedacht. Meine Frau? Ich dachte, ich bin ihr gleichgültig.«

Ich grinste. »Auf keinen Fall.«

»Dann liebt sie ...«, flüsterte er und ein verlorenes Glänzen kehrte in seine wässrigen Augen zurück.

Ich warf einen Blick nach oben in den heftig tobenden Himmel über uns. Der Wind blies eine dunkelschwarze Wolke auf uns zu. In wenigen Sekunden würde ein Regenguss allererster Güte über uns hereinbrechen.

»Dann ... dann liebt sie mich noch.«

Keine falschen Schlüsse! Ich seufzte und murmelte: »Das würde ich so nicht sagen.«

Er blinzelte von unten zu mir herauf. »Ich verstehe nicht ...«

»Ihre Frau fürchtet, wie gesagt, dass Sie sich was antun. Sie haben seinerzeit eine Lebensversicherung abgeschlossen, die bei Suizid nicht greift.«

Ich griff mir hinten in den Hosenbund, brachte die Neun-Millimeter nach vorne und zielte mit meiner Knarre samt Schalldämpfer auf den imaginären Punkt zwischen seinen entsetzt aufgerissenen Augen.

»Auf dieses Geld möchte Ihre Frau nicht verzichten. Bei Mord zahlt die Versicherung.«

Grabstelle 14

 

Mann«, schnaufte Erwin Stammen giftig mit zusammengekniffenen Lippen und hochrotem Kopf. Nur mühsam konnte er sich beherrschen, die fette Ader an der breiten, kantigen Stirn war dick geschwollen.

Ich schluckte und lehnte mich sicherheitshalber im Bürostuhl ganz weit nach hinten. Auch wenn es hier im Büro des Garten- und Friedhofsamtes der Gemeinde Kerken am Nieukerker Dionysiusplatz normalerweise ruhig und beschaulich zuging, musste ich als aufmerksamer Kommunalbeamter immer mit allem rechnen. Und bei Erwin Stammen wusste man nie. In dem Zustand schon mal gar nicht.

Und richtig. Ansatzlos klatschte er plötzlich seine flache Hand wütend auf die weiße Schreibtischplatte zwischen uns. Der Telefonhörer hopste aus seiner grauen Plastikschale und flitschte rechts vom Schreibtisch Richtung Boden hoch und runter.

»Erwin«, mahnte ich mit leiser Stimme und klapperte mit nervösen Fingern den Hörer wieder zurück ins Bettchen.

»Nix Erwin«, bellte der und rollte drohend mit den Augen. Seine groben, beindicken, behaarten Arme rammte er sich in die Hüfte. »So nicht!«

Ich nickte vorsichtig. Erwin war sauer. Das konnte ich verstehen. Aber nicht ändern. »Da kann ich doch nichts dafür …«

»Wer denn sonst?«, keifte er. »Wem gehört denn der Friedhof?«

»Ähm … Genau genommen, äh, doch nicht mir«, stotterte ich. »Ich bin doch nur zuständig.«

»Komm mir nicht mit Klugscheißerei, Werner. Komm mir nicht so!«

Ich senkte den Blick. Das war aber auch alles so was von dumm gelaufen.

Erwin strich sich durch die feuchten Haarspitzen. »Werner, ich will zu Mutter. Da liegt mein Vater. Und Opa. Da liegen sie alle. Da will ich auch hin!«

Das habe aber doch noch Zeit, wollte ich gerade beschwichtigend entgegnen, aber ein Blick in Erwins inzwischen knallrotes, verschwitztes Gesicht rief mir nachdrücklich ins Gedächtnis, dass es auch schon mal ganz schnell gehen konnte. Dass einen der Gevatter schon sehr zeitig mit schwungvollem Schnitt grinsend von den Beinen senste.

Wie damals dem Bremmekamp sein Konrad. Da schmetterte der gerade noch mit dicken Backen bei Hauter in Stenden mit seinem Jagdhorn die Hochwildsignale – Hirsch, Bär, Elch: alle tot – und, klatsch, machte der sich auf dem Heimweg mit dem Hollandrad aber derartig unglücklich lang, dass er sich glatt den Hals brach. Da war, quasi, die Jagd vorbei. Halali. Und das Horn war auch verbogen.

Ich versuchte es mit einem Sachargument. »Ich hatte dir das doch zweimal mit der Post geschickt.«

»Ist nicht angekommen«, schnaufte Erwin. »Du kennst doch den Rudi.«

Ja, hätte ich sagen können, ich kenn den. Als recht zuverlässig. Hätte ich sagen können, ließ es aber vorsichtshalber bleiben. »Und als du dich nicht gemeldet hast, hab ich gedacht, das Grab bleibt frei.«

Erwin changierte ins Bläuliche. »Ja, was denkst du denn, wo ich mich später verbuddeln lassen möchte, du Pfeife? Hinten bei mir im Garten?«

»Stenden und Nieukerk haben auch einen Friedhof«, gab ich zu bedenken.

»Was soll ich denn in Stenden oder Nieukerk? Da kennt mich doch keiner!«

»Einäschern ist auch sehr im Kommen.«

Erwin schnappte kurz nach Luft. »Sehe ich nach Einäschern aus?«

Nein, dachte ich. Eigentlich nicht. Das Thema Seebestattung wollte ich erst gar nicht anreißen.

»Und wieso machst du auch Urlaub?«, schnaufte er.

»Äh …«

»Und lässt dich von der Büschkens vertreten?«

Ich zuckte entschuldigend mit den Achseln. Tja, das war ja im Nachhinein tatsächlich keine so gute Idee gewesen, mich in meiner Abwesenheit von der Gerda vertreten zu lassen. Gerda Büschkens war unsere Standesbeamtin. Die machten nur Mist im Standesamt!

Erwin stach mir einen fetten Finger entgegen. »Du regelst das, Werner!«

»Das kann ich nicht.«

»Klar kannst du das!«

Ich versuchte es noch mal zu erklären. Ganz vorsichtig. »Erwin, der Pachtvertrag für eure Grabstelle ist nach fünfundzwanzig Jahren abgelaufen. Parzelle 7, Reihe 10, Grabstelle 14, gültig bis Ende September 2012.«

»Das ist unser Grab«, maulte Erwin trotzig.

»Das war aber nur … zeitweise überlassen.«

»Ist immer unser Grab gewesen. Da haben sich alle dran gewöhnt!«

»Der Vertrag hätte verlängert werden müssen.«

»Schönes Grab. Direkt neben den Barmherzigen Schwestern. Waren wir alle zufrieden mit«, blieb Erwin hartnäckig.

»Und jetzt ist in meinem Urlaub der Hans Hennessen bei der Gerda Büschkens gewesen und hat nachgefragt, was an Altbestand im Moment zu haben ist. Die hat in den Unterlagen nachgeguckt, die Grabstelle war frei und da hat der Hans direkt für die nächsten fünfundzwanzig Jahre zugeschlagen.«

»Ich schlag auch gleich zu!«

»Erwin …«

»Nix. Pass mal auf, du Sesselfurzer …«

»Erwin!«

»Es ist mir scheißegal, wie du das hinkriegst, aber in dat Loch komm ich rein. Wenn et soweit is!«

Ich seufzte. »Erwin, es gibt auf dem Friedhof so schöne Grundstücke. Ganz am Ende vom Mittelweg ist gerade was ganz kurzfristig frei. Direkt neben dem Toni Hegmanns. Mit dem warst du doch befreundet. So ein lustiger Kerl! Und auf der anderen Seite der Direktor Baumanns. Das war ein ganz feiner Mann. Und so gebildet. Vier Sprachen hat der gesprochen. Vom Grab aus kannst du den ganzen Friedhof überblicken. Bis zur Kapelle. Da kannste immer von Weitem sehen, wer kommt. Da ist auch ‘ne Bank.«

»Ich will nichts überblicken. Und eine Bank brauch ich auch nicht. Ich lieg ja.«

»Schon. Aber dein Besuch kann sich mal hinsetzen. Und das ist ein großes Grundstück. Da kriegen wir auch euren alten Grabstein prima wieder aufgestellt.«

Erwins pochende Stirnader drohte jetzt jeden Moment zu platzen. »Hier muss nichts wieder aufgestellt werden. Unser Grabstein schon gar nicht! Da wo wir liegen, liegen wir seit Generationen, der Stein steht da gut. Einen alten Baum verpflanzt man nicht. Steine und Tote auch nicht! Da muss nichts umgestellt werden, das bleibt alles so wie es is!«

Krach.

Schon wieder schepperte eine von Erwins tellergroßen Handflächen aufs Pressholz. Der hatte aber auch Hände. Erwin Stammen war der Dachdecker im Ort und machte sich ab und zu, wenn kleine Kinder zusahen, einen Spaß daraus, die kleinen Kupfernägel für die Dachrinnen ohne Hammer mit der bloßen, geballten Faust ins Holz zu jagen.

Erwin beugte sich ganz tief zu mir runter. Sein heftiger Atem pustete mir die Haare aus der Stirn. »Und der bekloppte Hennessen kriegt das Grab schon mal gar nicht, verstanden?«

Ich sammelte mich so weit, dass ich ihm gerade eine Antwort hätte entgegenstottern können, da wurde die Tür aufgerissen. Gerda Büschkens steckte vom Lärm angelockt besorgt ihren Kopf ins Büro. »Ist was?«

»Äh …«, sagte ich.

Erwin drohte mit dem Zeigefinger. »Regel das, Werner! Regele das! Sonst mach ich dir die Hölle heiß! Sonst werd ich am Sonntag ein bisschen mit meinen Brüdern telefonieren, dann bist du komplett am Arsch!«

Giftig warf Erwin seinen massigen Körper herum und verließ grußlos das Büro.

Gerda sprang hastig zur Seite, sonst hätte er sie niedergewalzt. Wäre mir persönlich jetzt auch egal gewesen. Die Gerda hatte damals Waltraud und mich standesamtlich getraut. Im Nachhinein auch kein glücklicher Moment.

Anderes Thema.

Jetzt betrat Gerda Büschkens neugierig das Zimmer. »Was hat der denn?«

Sie sei alles schuld, hätte ich sagen können, behielt mein unangenehmes, heikles Belegungsproblem aber erst mal für mich. Die Büschkens würde sowieso alles nur brühwarm weitertratschen. »Dem Erwin Stammen passt die neue Blumenbepflanzung auf der Hochstraße nicht.«

»Ach so«, pfiff die Büschkens. »Hab ich schon öfters gehört. Der kann sich aber aufregen. Sonst geht es dir gut?« Gerda Büschkens klimperte wild mit den Augenlidern.

Ich nickte eilig. Nachdem Waltraud vor knapp zwei Jahren über Nacht … also, sich unsere Wege plötzlich trennten, hatte meine alleinstehende Kollegin nach einigen diskreten Monaten ein gesteigertes, persönliches Interesse an meiner Person durchblicken lassen. Mein kategorisches Nein auf eine entsprechende Anfrage hatte sie als ein mildes, vages Vielleicht gewertet. In der Folge fragte sie regelmäßig nach, ob ich denn jetzt endlich wieder für eine Beziehung offen sei.

War ich nicht.

Schon gar nicht mit Gerda Büschkens.

Als ich nach einigen stummen Momenten endlich wieder alleine war, fragte ich mich, warum der Hennessen bekloppt war und ausgerechnet er die Grabstelle der Stammens nicht bekommen sollte. Was hatte der Erwin denn mit dem? Der würde mir doch wohl nichts Krummes unterstellen wollen, nur weil der Hennessen seinen Bauernhof gleich neben unserem kleinen Häuschen hatte. Hennessen und ich waren Nachbarn, mehr aber auch nicht. Im Gegenteil, wir konnten nicht besonders gut miteinander. Mit dem Hennessen konnte genau genommen keiner besonders gut.

»Ach.« Da fiel es mir ein. »Freiwillige Feuerwehr. Die Geschichte.«

Als altgedienter Brandmeister hatte Erwin Stammen die Löschgruppe Eyll der Freiwilligen Feuerwehr Kerken angeführt. Dann hatten sie eine Löschübung am Paulsen Kreuz im Feuerwehrhaus noch nachbesprochen. Alois Eickmanns hatte einen auf sein gerade geborenes Töchterchen ausgegeben, und der mittlere von den Quinders-Brüdern hatte irgendeine Prüfung bestanden. Bei der Feuerwehr bestand immer irgendwer gerade eine Prüfung.

Schließlich hatte der hackenstramme Erwin alle Kameraden im Feuerwehrauto nach Hause gefahren. Und dann auf dem Heuweg bei Gaelings die scharfe Kurve nicht richtig gekriegt. Komplett die Böschung runter. Das rote Auto ist erst im dritten Hühnerstall stehen geblieben. Alle unverletzt. Also, die Feuerwehrleute. Nicht die Hühner. Siebzehn Tiere hatte er sofort mit dem Wagen geplättet. Zwei Viecher waren mit Herzschlag tot von der Stange gekippt. Mindestens acht hatten seitdem kein einziges Ei mehr gelegt. Trauma, wahrscheinlich.

Die Polizei war irgendwie auch schnell da gewesen. Führerschein weg, und als Löschzugführer hatten sie ihn abgesetzt. Und wer wurde sein Nachfolger? Richtig. Hans Hennessen.

Damit ist der Erwin nicht klar gekommen.

Zumal sich hartnäckig Gerüchte hielten, dass es der Hennessen war, der mit seinem Handy sofort anonym die Bullen angerufen hatte. Mit dem Gaelings wären die sonst alleine klargekommen, man kennt sich ja. Atemschutzbeauftragter hatte er werden sollen. Hat er abgelehnt. Raus aus de Feuerwehr ist der Erwin gegangen. Verbittert. Nach all den Jahren.

Ich kratzte mich am Kopf und stand auf. Ich musste was tun. Unbedingt. Vielleicht mal mit Hans Hennessen reden.

»Erst mal ein Ortstermin«, entschied ich.

Mal ganz genau gucken, ob ich für den Hans Hennessen auf dem Friedhof ein schönes, finales Plätzchen – quasi als Tauschangebot - finden und ihm später anbieten konnte. Irgendwie musste dieses Dilemma ja zu lösen sein.

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Ein halbes Stündchen später schritt ich in Aldekerk bei strahlendstem Sonnenschein von der Gartenstraße aus durchs halb geöffnete, eiserne Friedhofstor. Der Tod ist das Tor zum Leben. Ein schöner Spruch. Überhaupt: ein schöner Friedhof. Ich atmete tief ein.

»Ich liebe meinen Job, ich liebe meine Friedhöfe.«

Die hatten was Beruhigendes, so was Aufgeräumtes. Alles so in der Reihe, nebeneinander. Viele rechte Winkel, sauber und gepflegt. Ich sagte immer: Einmal Garten- und Friedhofsamt, immer Garten- und Friedhofsamt. Ich hätte nicht mal mit dem Bürgermeister persönlich tauschen wollen.

Und oft war es auch so lustig. Da kam mir auch gerade der alte Doktor Mölders entgegen.

»Hallo, Doktor. Ehemalige Patienten besuchen?«

»Hallo, Werner. Nee, nur meine Frau. Gucken, ob die noch da ist. Was machen die Hämorriden?«

»Denen geht es gut. Sind alle noch da. Die aufgekratzten Burschen.«

»Immer gut eincremen«, mahnte der Arzt und bog links ab.

Nach exakt 155 Schritten bog ich direkt vor dem Kalvarienberg links ab und erreichte das unmittelbar vor der alten Friedhofsmauer gelegene, breite Grab der Barmherzigen Schwestern und rechts daneben die Parzelle 7, Reihe 10, Grabstelle 14.

»Familie Stammen.«

Ein mächtiger Steinblock aus grobem Fels, moosig angegrünt, mit Kreuz und inzwischen vielen Namen und Daten, rustikal in den Stein geschlagen. Eine niedrige Buchsbaumhecke umrahmte das Grab, dezente Bepflanzung, in der Hauptsache Veilchen. Dazu eine Grablaterne mit roter Kerze. Ein durstiges Blumensträußchen welkte in einer dunkelgrünen Plastikvase. Wirklich eine schöne, alte Grabstelle. Und wahrscheinlich war es nicht verkehrt, sich am Jüngsten Tag in unmittelbarer Nähe der Barmherzigen Schwestern zu befinden. Die wussten sicher ganz genau, was zu tun war.

Ich runzelte nachdenklich die Stirn und ging grübelnd ein paar Grabreihen weiter bis ans Ende des Mittelweges. Und richtig: Gleich neben dem Grab vom Toni Hegmanns hatte der Friedhofsgärtner ein tiefes Erdloch ausgehoben, das jetzt schwarz, dunkel und leer vor sich hingähnte. Der eigentlich vorgesehene Mieter war abgesprungen und das Quartier kurzfristig frei.

»Auch eine schönes Plätzchen.«

Mit Bank. Zum Verweilen. Fast hätte ich mich hingesetzt. Ich nickte. Ich würde dem Hans Hennessen die Situation erklären, ihm diese feine Grabstelle zum Tausch anbieten und dann wären endlich wieder alle zufrieden.

Wo ich gerade mal da war, sah ich in der Friedhofskapelle, für die ich natürlich exklusiv einen Schlüssel hatte, kurz nach dem Rechten und machte mich auf den Weg, meinem Nachbarn Hans einen schnellen Besuch abzustatten und ihm das Wechselangebot zu unterbreiten.

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»Auf keinen Fall!«

»Hans, bitte.«

Hans Hennessen hatte noch nicht mal den röhrenden Motor seines Traktors ausgemacht. »Kannste vergessen, Werner. Wieso sollte ich dem Stammen einen Gefallen tun? Ich hab eine schöne Ruhestätte gefunden, fertig.«

Mühsam gegen den Lärm seines Treckers anbrüllend hatte ich Hennessen die Lage erklärt, ihn angebettelt, um Verständnis gebeten, an seinen Verstand appelliert. Vergeblich. »Du alter Sturkopf!«, rutschte es mir schließlich heraus.

Hans Hennessen verzog sein grobes Gesicht, kratzte sich mit einer Hand unter seiner zerknautschten Kappe und deutete mit der anderen auf das große, graue Güllefass, das hinter seinem Traktor an der Kupplung hing. »Pass gut auf, was du sagst, Bursche, sonst setz ich dir aus Versehen wieder den Garten unter Jauche.«

Ich schnappte nach Luft. Das hatte er schon mal gemacht. Aus Versehen. Damals, als ich die Polizei gerufen hatte, weil er bei böigem Westwind alte Autoreifen verbrannt hatte und ich in der fetten, schwarzen Rauchwolke, die über unser Grundstück trieb, fast erstickt wäre. Am Tag nach dem Polizeieinsatz war dem Hans das mit dem Jauchefass passiert. Ganz unglücklich, klar. Schlauch abgesprungen. Sicher … Drei Wochen lang hatte mein Garten dann nach verklappter Schweinescheiße gestunken und noch Monate später lockten festere Bestandteile Hunderte von fetten, glänzend-grünen Schmeißfliegen brummend zum Buffet.

Mann, was hatte die Waltraud damals mit mir geschimpft.

Anderes Thema.

»Ist das dein letztes Wort?«

Als Antwort legte er mit ausdruckslosem Blick vorne bei den Armaturen einen roten Kippschalter um und tippte aufs Gaspedal. Das Jauchefass furzte mit Karacho eine fette, braunschwarze Fontäne mitten auf die Fahrbahn.

Das reichte mir als Antwort. Hans hatte kein Interesse an dem Grab neben Toni Hegmanns.

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Jetzt hätte ich sagen können, tja, da hat der Erwin Stammen eben Pech gehabt. Soll er seine Post lesen und beantworten, der Trottel. Aber ganz so einfach war das nicht.

Erwin hatte seine Brüder erwähnt. Seine Brüder waren Toiletten-Karl, Hans-Peter Stammen, der Dorf-Sheriff, Pastor Stammen, Bernhard von der Tankstelle und Schnipp-schnapp-Scholly. Ach ja. Und Rudi von der Post. Mit anderen Worten: Sich mit dem Stammen-Clan anzulegen kam einer menschlich-sozialen Selbsttötung gleich.

Oder können Sie sich ein Leben ohne Gas, Wasser, Toilettenspülung, Benzin, Post und Friseur vorstellen? Ein Leben ohne Gott? Aber mit exzessiver Verfolgung durch die Polizei?

Ich grinste. Aber noch hatte Erwin seine Brüder nicht eingeweiht. Und von dem ganzen Grabstellendilemma wussten nur Erwin, Hans und ich … Ich hatte noch einen Trumpf im Ärmel. Einen Trumpft, den ich schon einmal erfolgreich ausgespielt hatte. Die ganze missliche, verfahrene Situation machte eine entschlossene Reaktion erforderlich.

Ich griff energisch zum Telefonhörer.

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Ich warf einen Blick auf meine Armbanduhr. Und fuhr herum. Es hatte geklopft. Heftig. »Pünktlich wie die Maurer«, summte ich. Oder in diesem Fall: wie die Dachdecker. Ich trat an die Tür, schloss sie auf.

Draußen stand Erwin Stammen. »Warum denn ausgerechnet hier in der Friedhofskapelle?«, knurrte er, als er sich an mir vorbei nach innen drückte.

»Damit uns keiner sieht«, erklärte ich.

»Wann kommt der Hennessen?«, fragte Stammen.

Ich deutete nach hinten. »Hans ist schon da. Ich hab mich schon eine halbe Stunde vor dir mit ihm getroffen. Da konnte ich mit Hans schon was vorbereiten.«

»Aha«, knurrte der Dachdecker mit den vielen Brüdern und umkurvte eine grüne Schubkarre, die im Weg stand. »Auf die Idee, sich heimlich in der Friedhofskapelle zu treffen, kann auch nur so einer wie du kommen.«

Ich zuckte mit den Achseln, denn ich hielt das für eine ziemlich naheliegende Idee.

»Ach, da sitzt er ja!« Erwin hatte den Hans entdeckt, der mit dem Rücken zu uns in einem Sessel saß und wie immer seine verdötschte Mütze auf dem Schädel trug. Dann entdeckte Erwin das große Loch in der Kappe. Und das Loch im Kopf. »Was ist das …?«, rief er.

Ich hatte mir inzwischen mit festem Griff den bereitgestellten Spaten gepackt und ausgeholt. Ich hatte nur einen Versuch. Gerade den kräftigen Erwin musste ich mit dem ersten Schlag erledigen.

Tat ich.

Mit gespaltenem Schädel stürzte Erwin Stammen stumm vornüber und riss im Fallen Hans Hennessen mit auf die schwarz-weißen Fliesen der Friedhofskapelle.

So. Das hatte geklappt. Ich stellte den Spaten beiseite und warf einen Blick auf die beiden Streithähne. Da lagen sie nebeneinander auf den kalten Kacheln. Ach, sie würden sich aneinander gewöhnen müssen. Für eine lange Zeit.

Nur tot würden sie mir jetzt keinen Ärger mehr machen. Erwin mit seinen Brüdern, Hans mit seiner Gülle. Jetzt würde ich sie mit der Schubkarre schnell zu Toni Hegmanns fahren.

Sicher, man würde die beiden vermissen, aber finden, finden würde man die ganz unten im Grab neben dem von Toni Hegmanns nie. Meine Waltraud, für die ich vor zwei Jahren auch kurzfristig eine hübsche, nicht belegte Grabstelle ausgesucht hatte, hat schließlich auch niemand gefunden.

Anderes Thema!

Hasi soll nicht sterben

 

Beate. Beate heißt meine Frau. So ist die nett. Sie sieht jetzt nicht aus wie Angelina Jolie, aber … ich bin ja auch nicht Brad Pitt. Auf dem ersten Blick. Beate ist ein paar Jahre jünger als ich. Und Krankenschwester, das war mir wichtig. In der Kombination. Damit sie mich im Alter pflegen kann.

Tja, ob das noch was wird?

Beate schreit nämlich so. Immer. Vor Spaß, vor Schmerz, vor Wiedersehensfreude. Oder einfach so. Fällt einem anfangs gar nicht so auf, nervt aber dann doch. Mit der Zeit, wenn man erst mal drauf achtet. Is schlimm. Geht richtig auf die Ohren.

Insbesondere schreit meine Frau, wenn sie irgendwo im Haus auf eine Spinne trifft. Dann schreit sie. Ganz spitz. Wie von Sinnen. Kann man als Mann gar nicht nachmachen …

So wie jetzt.

»Mach sie weg!«

Sie brüllt. Auf Schreien folgt Brüllen. So ein lautes, bohrendes Keifen.

Ich beeil mich und hetz in den Kellerabgang, wo sie mich am ganzen Körper zitternd erwartet.

»Da unten. In der Ecke. Sie glotzt mich an. Mach sie tot!«

Das klirrt richtig im Kopf. Ich hab direkt so ein Pfeifen in der Muschel.

Ich beuge mich runter und pflücke ein zugegebenermaßen recht großes, haariges Teil vom Marmor. Ganz behutsam, ganz vorsichtig. Junge, Junge, das Vieh hat aber auch ein Fell. Schwarz und wuschelig. Wie seinerzeit die behaarte Rettungsschwimmer-Brust von David Hasselhoff.

»Mach das Tier platt!«

»Komm her, Hasi«, flüstere ich.

Ich werde das Tierchen natürlich nicht plätten. Ich töte keine Tiere.

Als Beate am nächsten Tag die Haustür hinter sich schließt, um bei strahlendstem Sonnenschein zum Spätdienst ins Krankenhaus aufzubrechen, blicke ich ihrem Wagen vom Wohnzimmerfenster aus hinterher und seufze. Auf der kurvenreichen Landstraße wird Beate gleich die Sonnenblende herunterklappen.

Dann wird Hasi sich abseilen. Oder ihr gleich in den Schoß fallen.

Ich hoffe nur, dass Hasi den Unfall überlebt …

Hartmann und die Hexen

 

Verdammt! Jetzt wurde es aber auch wirklich allerhöchste Zeit. Hartmann strich sich eine verschwitzte Strähne hinters Ohr. Mann, die verschisselte, dritte Seitenstraße und immer noch keine Apotheke in Sicht. Verdammt!!

Hektisch warf er einen Blick auf die Uhr. In siebzehn Minuten fuhr der verflixte Bus. Und den musste er kriegen, wenn er noch irgendwie … Aber zuerst musste er wissen, was es mit diesem merkwürdigen Wirkstoff in Tante Rias Herztabletten auf sich hatte. Penelaxan. Und er musste wissen, ob seine alte Erbtante in der Lage war, aus einem Dutzend zerbröselter Tabletten einen geschmacksneutralen Giftcocktail zu mixen. Vielleicht verdächtigte er sie ja grundlos und hörte mal wieder die Flöhe husten. Und bei einem zu erwartenden Erbe von knapp zwei Millionen Euro wollte er sich als Lieblingsneffe bei seinem weiteren Vorgehen absolut sicher sein, bevor er in ihrem Altenheim ein Fass aufmachte und sie wegen Mordes bei der Polizei verpfiff.

Andererseits, wenn er den Bus nicht erwischte und sie tatsächlich für die in den letzten vier Wochen dramatisch angestiegene Zahl von plötzlichen Herzstillständen verantwortlich war, dann, ja dann würde sie womöglich in einer halben Stunde den nächsten Mitbewohner ins Jenseits zerbröselt haben.

Noch sechzehn Minuten!

Und diese eine, kleine Auskunft könnte ihm jeder drittklassige Apotheker in wenigen Sekunden geben, wenn er nur endlich einen finden würde!

Da! Gott sei Dank! An der nächsten Häuserzeile hing ein beleuchteter Lockvogel mit Schlange. Hartmann beschleunigte. Und …

»Mist.«

Das tat auch die Alte, die sich aus ihrer Dreiergruppe gelöst hatte und ihm auf dem Gehweg entgegenkam. Er legte noch einen Schritt zu, um vor ihr am Tresen zu stehen. Hm, das hatte sie, halb blind, wie sie mit Sicherheit war, doch irgendwie mitbekommen. Sie ließ Gicht Gicht sein und beschleunigte ebenfalls. Und tatsächlich humpelte sie vor ihm über die Schwelle zur Apotheke. Über die Ziellinie.

»Hihi«, lachten ihre beiden Freundinnen, die die Oma vor dem Laden zurückgelassen hatte. Dann drehte Großmütterchen sich zu Hartmann um und grinste ihn schief an.

»Hexe«, zischte Hartmann.

Im Laden war es stickig. Des Hundertjährigen ältere Schwester roch muffig und ein bisschen nach Schwefel. Hartmann glaubte nicht an Hexen.

Für das Öffnen ihrer beigefarbenen Handtasche brauchte sie siebenundzwanzig Minuten.

Hartmanns Bus fuhr in fünfzehn Minuten!

Um ein Rezept gegen Blasenschwäche aus den Tiefen ihres schwarzen Portemonnaies mit Klickverschluss zu holen, brauchte sie weitere zwei Tage. Es wurde dunkel und wieder hell und wieder dunkel und wieder hell.

»Da isset doch schon.«

Hartmann fuhr sich über den frischen Zweitagebart. Mach hin, Oma! Er brauchte doch nur eine Auskunft. Aber der Apotheker im weißen, fleckenreinen Kittel hatte jeden Blickkontakt mit Hartmann vermieden. Es sind die Knittrigen, die die Kohle bringen. Und hier, so war die Botschaft, ging es immer schön der Reihe nach. Er fischte freundlich lächelnd eine kleine Packung aus dem Regal hinter sich und reichte sie über den Tresen.

Omi machte einen Buckel, zeigte auf ihren Stock und unkte mit schwacher, flatteriger Stimme: »Haben Sie nicht eine größere Packung für mich, sonst bin ich doch nächste Woche schon wieder am Rennen. Ich kann in letzter Zeit doch so schlecht.«

Weißkittel verschwand wieder nach hinten.

»Lohnt sich eine große Packung denn noch?«, flüsterte Hartmann ihr über die Schulter ins Ohr.

»Unverschämtheit!«

»Das warme Wetter geht doch ganz schön auf die Pumpe, oder?«

Sie machte einen Hexenschritt zur Seite. »Sie Flegel!«

Weißkittel kam zurück und wuchtete eine Familienpackung auf den Tresen, die ausreichte, ein mittelgroßes Pflegeheim mehrere Wochen lang zu versorgen. »Da muss aber noch was dazugezahlt werden.«

Das hatte Hartmann befürchtet. Noch knappe zwölf Minuten.

Sie öffnete ächzend wieder ihre Handtasche. Es wurde Herbst, die Bäume warfen ihr welkes Laubwerk zu Boden, die Bären im Grafenberger Wald suchten sich ein bequemes Plätzchen für den Winterschlaf. Hartmann dachte an aktive Sterbehilfe.

»Wie viel macht das denn?«

»Fünf Euro und zweiundsiebzig Cent.«

»Wie bitte?«

»Fünf Euro und zweiundsiebzig Cent.«

»Fünf Euro?«

»Und zweiundsiebzig Cent.«

»Fünf Euro zweiundsiebzig.«

»Genau.«

»Moment«, murmelte sie, »das müsste ich passend haben.«

Auch das hatte Hartmann befürchtet.

Sie leckte sich die Fingerspitzen, fischte einen Fünf-Euro-Schein aus dem Portemonnaie und zählte mit knotigen Zitterfingern sorgfältig das Hartgeld ab.

»So.«

»Zweiundsiebzig«, wisperte der Apotheker milde.

»Ja.«

»Das sind zweiundsechzig«, erklärte er sanft.

»Was?«

»Das sind zweiundsechzig. Da fehlen noch zehn Cent.«

»Noch zehn Cent?«

»Ja, dann sind es zweiundsiebzig«, sagte Weißkittel.

»Zehn Cent. Aha. Da habe ich doch gerade noch einen gesehen. Hier. Nein, das ist ein Zwanziger. Die sehen aber auch alle so gleich aus. Zwanziger gab es ja auch früher gar nicht. Aber hier, nee. Aber jetzt, der hier. Da ist er ja schon, der schlimme Zehner.«

»Das ging ja flott«, knirschte Hartmann.

Vier Tage später hatte die Blocksbergoma das Paket tief in ihrer Handtasche vergraben. Sie nickte Weißkittel freundlich zu. Fast wäre sie gegangen. Fast wäre Hartmann dran gewesen. Fast wäre ihr einiges erspart geblieben.

»Ach«, stöhnte sie. »Jetzt hätte ich es beinahe vergessen. Ich brauche noch neue Einlagen. Für meine Schuhe. Die genaue Größe weiß ich jetzt aber nicht. Ich kriege sonst immer welche mit so dünnen, roten Streifen an der Seite.«

»Ich weiß schon«, nickte Weißkittel. »Die habe ich hinten im Lager. Die muss ich eben schnell holen gehen. Dann legen wir die Ihnen ins Schuhwerk, und Sie schlüpfen ganz, ganz schnell hinein und probieren einfach die Größe aus.«

Die Blocksbergoma warf Hartmann einen hinterhältigen, gemeinen Blick zu und gibbelte heimtückisch. »Dann zieh ich schon mal die Schuhe aus.«