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Martin Barkawitz (Hrsg.)

12 Kurze

Stories aus Osnabrück





BookRix GmbH & Co. KG
80331 München

Vorwort

 

Kennen Sie Heinleins Regeln? Nein? Sollten Sie aber.

Diese fünf Gebote aus der Feder der amerikanischen Science-Fiction-Legende gehören zu den effektivsten und sinnvollsten Schreibtipps, die ich kenne.

Sie waren die Grundlage für meinen Kurs „Kurzgeschichten schreiben“, den ich im Herbst 2015 an der Volkshochschule Osnabrück durchgeführt habe. Meine Kursteilnehmer waren ausnahmslos hochmotiviert und geradezu schreibwütig – meiner Meinung nach die beste Voraussetzung, um mit seinen selbst ausgedachten Geschichten glücklich und vielleicht sogar erfolgreich zu werden.

Also beschlossen wir, aus den Beiträgen dieses Kurses ein E-Book zu produzieren. Es heißt „12 Kurze“, weil ich ursprünglich angenommen hatte, dass jeder meiner elf Mitautoren nur eine Geschichte beisteuern würde. So kann man sich täuschen … Wie Sie sehen, sind es noch viel mehr Stories geworden.

Ein „Kurzer“ ist in unserer Gegend Deutschlands übrigens ein Synonym für ein Glas Schnaps – aber Alkohol haben wir überhaupt nicht benötigt, wir berauschten uns an unseren eigenen Geschichten ;-)

Mich persönlich freut es ganz besonders, dass meine Kursteilnehmerin Melanie Jungk inzwischen auch ihren ersten Roman veröffentlicht hat. Ich bin sicher, dass aus den Reihen meiner Ehemaligen noch sehr viele kurze oder lange, auf jeden Fall aber spannende Geschichten kommen werden.

Freuen Sie sich auf Stories von:

Michael C. Goran

Marie Winnefeld

Karen Marin

Elisabeth Ibing

Sylke Meyer

Iris Foppe

Stefan Wellmann

Alexander Iborg

Rita E. Beßmann

Sabine Kreinacke

Melanie Jungk

Martin Barkawitz

 

Ich selbst bin übrigens seit 1997 Profi-Autor, schreibe u.a. für die Jerry-Cotton-Serie von Bastei-Lübbe und habe unter meinem echten Namen sowie unter verschiedenen Pseudonymen mehrere hundert Heftromane, Taschenbücher, E-Books und Kurzgeschichten veröffentlicht.

Und falls ich Sie neugierig gemacht habe – hier sind die fünf Regeln von Robert A. Heinlein:

 

  1. Du sollst schreiben.

  2. Du sollst Deine Geschichte zu Ende schreiben.

  3. Du darfst Deine Geschichte nicht überarbeiten, außer auf Anweisung des Lektors.

  4. Du musst Deine Geschichte veröffentlichen.

  5. Du musst Deine Geschichte so lange anbieten, bis sie verkauft ist.

 

Osnabrück, November 2015

 

Martin Barkawitz

Die Reise nach Freihafen


Von Michael C. Goran



GESUCHT

wird unbedingt lebendig


LUCIEN DE VILAQUE


wegen besonders schändlicher Handgreiflichkeit an Prinzessin Camilda von Malas, wegen Verbreitung unzüchtiger Schriften, des notorischen Erzählens infamer Lügen, des Verübens anstößiger Streiche, der Beleidigung und der außergewöhnlichen Frechheit gegenüber hohen Damen und Herren.


100 GOLDDRACHEN BELOHNUNG


für sachdienliche Hinweise die zur Ergreifung des Übeltäters führen. Aussagen, Hinweise und Fragen nimmt die Stadtwache von Malas entgegen.











***


Wie dem geneigten Leser sicherlich bekannt ist, kennt meine Reiselust keine Grenzen. Vor allem nachdem meine neuste amouröse Beziehung mit Camilda, der Tochter des Vizekönigs des Stadtstaats von Malas, ein rasches Ende gefunden hatte.


So erlaubte ich, Lucien de Vilaque, Dichter, Entdecker und Abenteurer, mir ein Pferd aus den vorzüglichen Ställen des Vizekönigs auszuborgen, es mit einem Fässchen Wein und einem Beutel mit Abschriften meiner himmlischen Werke zu beladen und Malas so rasch wie möglich zu verlassen. Trotz der Last die ich ihm aufbürdete, trug mich das stattliche Ross schnell von dannen. Dieser Umstand darf als glücklich angesehen werden, denn ich hatte absichtlich versäumt um Erlaubnis zu fragen, als ich das edle Tier vom Platz ritt. Doch bevor mich der geneigte Leser einen Dieb schimpft, sei diesem empfohlen sich einmal, nur einmal, in die Fänge der bürokratischen Kaste von Malas zu begeben. Schon die simpelsten Unternehmungen müssen bürokratische Protokolle über sich ergehen lassen, die einen normalen Menschen in den Irrsinn treiben können. Doch ich gebe zu, die verlorene Unschuld Prinzessin Camildas - sie konnte meinem Charme als Künstler einfach nicht widerstehen - war ein drängender Grund für meine schnelle Abreise.


Einige Tage strammen Galopps später erreichte ich die Ausläufer des Schmetterlingplateaus. Jene sagenumwobene Anhöhe deren Eroberung bisher keinem König, Tyrannen oder Kriegsherrn gelungen war. Mein Ziel war natürlich die schwimmende Stadt Freihafen.


Freihafen, in der Tat ein freier Hafen, befand sich auf dem Kanghstrom. Der Kangh fließt durch die Mitte des Schmetterlingplateaus und teilt eben dieses in zwei. Das Plateau auf dem Landwege zu bereisen war nicht ungefährlich, wie ich feststellen musste als mich eine Horde wilder Kriegerinnen überfiel. Über diese drallen Frauen waren mir bereits allerlei Erzählungen und Gerüchte bekannt. Doch nun kann ich einiges bestätigen und anderes widerlegen. Zum einen, ja, sie pflegen sich in der Tat sehr spärlich zu kleiden und zum anderen, nein, ihre Reittiere sind keine Feuer spuckenden Einhörner, sondern edle Schimmel.


Obwohl diese Furien mich einkreisten und mich mit ihren Speeren und Beilen schnell zur Aufgabe zwangen, war etwas in meinem Verstand hocherfreut ihnen begegnet zu sein. Leider beherrschte ich ihre Sprache nicht, doch ein Deuten mit dem Speer war gut genug als Weisung.


Die Weibsbilder brachten mich in ihr primitiv befestigtes Lager, wo ich gefesselt ihrer Königin vorgeführt wurde. Natürlich hatte ich mir während des Weges allerlei wollüstige Handlungen ausgemalt – denn wozu sonst sollten knapp bekleidete Amazonen schon einen Mann gefangen nehmen – so dass mein standfesteres ich sich als prächtige Hosenbeule zwischen meinen Beinen vorstellte. Das fiel der Königin der anmutigen Damen offenbar auf.


Ich verstand zwar ihre Worte nicht, aber ihre zahlreichen Fingerzeige die stets zwischen meinen Beinen zielten, waren nicht zu übersehen. Da zog eine Kriegerin ihren Dolch und baute sich vor mir auf. Ich dachte schon mein letztes Stündlein sei geschlagen, als sie Hand anlegte, doch die Klinge zerschnitt nur meinen treuen Gürtel. Als die Amazone zurücktrat um ihre Arbeit zu begutachten, rutschte mir prompt die Hose auf die Stiefel. Bei meiner Flucht aus dem Palast des Vizekönigs war keine Zeit mehr gewesen einen Lendenschurz anzulegen, so dass ich nun in aller Nackt- und Steifheit vor den Damen stand.


Das Nacktsein vor zahlreichen Frauen trieb mir prinzipiell keine Schamesröte mehr ins Gesicht, denn diese hatte ich bereits bei meinen zahlreichen Besuchen der legendären Thermen von Zilis abgelegt, doch ich muss dem geneigten Leser gestehen, dass das plötzliche Auflachen der Kriegerinnen und ihrer Königin schon an meiner Seele kratzte.


Nun ist der Körper eines Dichter sicherlich nicht der eines sagenhaften Helden, aber mickrig ist er nun auch wieder nicht. Das schienen die wilden Damen allerdings anders zu sehen. Ihr Amüsement ging eindeutig auf meine Kosten und ich fragte mich, von welch gewaltig behangenen Recken sich diese Weibsbilder üblicherweise betten ließen.


Doch bevor dieser Mumpitz zu lange anzudauern drohte, hatte die Amazonenkönigin die Güte sich endlich die Tränen aus den Augen zu wischen und die Gruppe fortzuschicken.


Man brachte mich in die Mitte des Lagers, wo ich unangenehmerweise an einen Pfahl gebunden wurde. Dort durfte ich – mit heruntergelassenen Hosen – auf mein Schicksal fristen. Ich sah wie einige Kriegerinnen mein Pferd entluden. Der Beutel mit meinen Werken wurde kopfüber entleert, so dass die teuren Pergamentrollen im Dreck landeten.


Diese Respektlosigkeit vor besonders großen Kulturgütern schmerzte mich. Doch ich versuchte mich damit zu trösten, dass die Amazonen zwar dem Augenschein nach, der Traum eines jeden Mannes waren, ihre Geisteshaltung aber eher rückständig und kulturlos war.


Das Weinfässchen hingegen zog große Aufmerksamkeit auf sich. Kriegerinnen und Krieger scheinen sich diesbezüglich nicht sehr voneinander zu unterscheiden. Nachdem das Fässchen und der leere Beutel in ein großes Zelt gebracht worden waren, gingen die Damen ihren jeweiligen Beschäftigungen nach. Die Amazonen des Schmetterlingplateaus ernährten sich von der Jagt und stellten ihre eigene Kleidung und ihre eigenen Waffen her. Sie waren sogar des Schmiedens mächtig.


Von meiner Position aus, konnte ich die Arbeit der vom Schweiß glänzenden Muskeln der barbusigen Schmiedin überaus gut beobachten. Ich war erstaunt darüber wie geschickt sie den Hammer schwang und wie erregend ihre Physis nachwippte. Bei einer anderen Gelegenheit hätte ich zu gerne versucht ihr das Spiel von Ross und Reiterin beizubringen, aber ich war nichts Weiteres als ein uninteressanter Gefangener.


Mit dem Anbruch des Abends zogen sich die meisten Kriegerinnen in das große Zelt zurück, um einer kalten Brise zu entgehen. Als selbst die Wächterinnen auf den Palisaden den Weg ins Zelt fanden, dachte ich, dass mich eine kalte Nacht erwarten würde, der ich mich halbnackt stehend, stellen müsste.


Der Mond stand bereits am Himmel als eine mir wohlbekannte Kriegerin das große Zelt verließ. Ihr Gang war unsicher, doch als sie vor mir stand, umklammerte sie den vermaledeiten Dolch. Zähneklappernd, natürlich nur vor Kälte, erwartete ich ein zweites Mal das Urteil dieser Furie, welches sie zweifellos mit dem Dolch zu fällen pflegte. Würde es diesmal mein Leben sein, oder vielleicht doch nur mein Hemd? Wenn sie letzteres nehmen würde, sollte ich mich offensichtlich zu Tode frieren. Als ob ihre inneren Dämonen sich noch beraten würden, musterte sie mich von oben nach unten. Ich fand nicht, dass es da viel zu sehen gab, selbst mein standfesteres ich hatte sich aufgrund der immer kälter werdenden luftigen Umgebung von seiner Pracht verabschiedet.


Da legte sie erneut Hand an und zerschnitt meine Fesseln. Ich wurde gepackt und zum Zelt gezerrt. Erfreulicherweise gelang es mir dabei meine Hose hochzuziehen, so dass ich das Zelt wenigstens mit einer gewissen Würde betreten konnte.


Innerhalb des Zeltes fand gerade eine Art Festivität statt. Mir drang der angenehme Duft von gebratenem Wild in die Nase und ich erkannte, dass die holden Damen zudem mein Weinfässchen angebohrt hatten. Das Gelage war damit im vollen Gange.


Ich muss etwas perplex dagestanden haben, bis man mich schließlich auf eine Sitzbank quetschte. Links von mir saß die Schmiedin mit ihrer begnadeten Physis und rechts hatte die Kriegerin mit dem Dolch Platz genommen. Die Königin konnte ich am Ende der Tafel sichten und meine Erfahrung mit dem hochprozentigen malasischen Wein verriet mir, dass die Damen nicht mehr die vollkommenen Herrinnen ihrer Sinne und Handlungen waren.


Mir war zwar nicht klar, warum ich an dem Gelage teilnehmen durfte, aber dieses Schicksal war dem Pfahl ohne weiteres vorzuziehen. So griff ich nach Braten und Wein, ließ bei letzterem jedoch Vorsicht walten, während die Amazonen keinerlei Rücksicht nahmen. Nun steht die Anmut dieser holden Damen keinesfalls in Frage, aber ihre Tischmanieren wären sogar in den billigsten Bordellen von Zilis missbilligend aufgenommen worden. Der geneigte Leser darf mir gefahrlos glauben, denn ich schreibe mit der Weisheit des Kenners.


Ich kann nicht sagen, zu welcher Unstunde es geschah, aber die Schmiedin war schon bäuchlings zur Seite über mich gekippt, so dass ihre beachtlichen Wülste auf meinen Schoß ruhten. Nur durch einen Akt eiserner Willenskraft konnte ich mein standfesteres ich im Zaum halten, damit es nicht unverschämt anwuchs. Als endlich auch meine Freundin mit dem Dolch, als eine der letzten Kriegerinnen von der Bank purzelte, kam es mir doch wie eine Erlösung vor. Ich entschloss mich den mythologischen Lehren des elfischen Meisterstrategen Kemuil zu folgen und wagte einen geordneten Rückzug aus meiner ausweglosen Lage.


Vorsichtig befreite ich mich von der Schmiedin, ohne dass sich meine Hände unsittlich verirrten. Mit geschickten Fingern streifte ich dann der Dolch-Kriegerin den Gürtel ab. Das erschien mir nur gerecht, nachdem sie meinen zerschnitten hatte. Den Gürtel angelegt, ergriff ich den leeren Beutel bevor ich das Zelt verließ. Die Brise war noch kühler geworden und ich dachte daran, wie grausam ich am Marterpfahl hätte frieren müssen. Meine kostbaren Werke lagen noch auf dem Boden verstreut. Rasch steckte ich sie in den Beutel und holte mein Pferd. Es war immer noch malasisches Eigentum und das konnte ich doch nicht ohne weiters den Amazonen überlassen. Fast hätte ich mich auf den Sattel geschwungen, doch ich hielt inne.


Sollte ich einfach so fort reiten? Gehörte es nicht zu den Aufgaben des Poeten, Kultur den Kulturlosen zu bringen? Ich entschloss mich kurzerhand den holden Damen eines meiner Werke zu überlassen. Vielleicht würden sie irgendwann die Sprache und die Schrift des zilitischen Kaiserreichs erlernen und in diesem Falle wären sie vom Glück beschert, ein bedeutendes Werk bildender Kunst zu besitzen.


Ich wählte ein besonderes Stück aus meinem Repertoire aus und legte es in das Zelt der Königin. Ein Abschiedsgeschenk, sozusagen.


Danach stieg ich in den Sattel und gab dem Gaul die Sporen. Die ganze Nacht ritt ich durch und als der Morgen graute, hatten mein Ross und ich ein Tal erreicht. Unter uns glitzerte Freihafen im Licht der aufgehenden Sonne.

ENDE

 

 

 

Der Autor

Michael C. Goran schreibt schon seit der Jugend Erzählungen und Kurzgeschichten und war in Wettbewerben erfolgreich. Er interessiert sich für verschiedene Genres und erfindet Spiele. Seine Artikel erschienen in einem Phantastikmagazin und Kurzgeschichten wurden in Anthologien veröffentlicht.