Die drei ???® Kids

Band 66

Geheimnis im Meer

Erzählt von Ulf Blanck

Mit Illustrationen von Harald Juch

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KOSMOS

Umschlagillustration von Harald Juch, Berlin

Innenillustrationen von Harald Juch und Udo Smialkowski, Berlin

Umschlaggestaltung: Walter Typografie und Grafik, Würzburg

Grundlayout: Friedhelm Steinen-Broo, eStudio Calamar

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© 2016, Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG, Stuttgart

Alle Rechte vorbehalten

ISBN 978-3-440-14968-3

eBook-Konvertierung: le-tex publishing services GmbH, Leipzig

Angelausflug

Es war ein strahlend schöner Sommertag. Justus, Peter und Bob trafen sich an diesem Morgen schon recht früh am kleinen Fischereihafen von Rocky Beach. Hungrige Möwen saßen auf den Blechdächern der Fischerhütten und warteten darauf, dass eines der Boote vom Meer zurückkam. Justus Jonas stellte sein Rad an der Kaimauer ab und wischte sich den Schweiß von der Stirn. »Ich bin froh, wenn wir gleich auf dem Wasser sind. Heute ist der heißeste Tag des Jahres.« Bob Andrews nickte zustimmend. »Wahrscheinlich sogar der heißeste in den letzten hundert Jahren. Gute Idee, zum Angeln rauszufahren.«

»Stimmt«, grinste Peter Shaw, »Justs Ideen sind immer gut, nur leider führen sie uns meistens direkt in ein gefährliches Abenteuer.« Bob klopfte seinem Freund auf die Schulter. »Nun mach dir nicht in die Hose. Was soll denn passieren? Wir fahren mit dem Boot raus, angeln ein paar Fische, und nach drei Stunden sind wir zurück im sicheren Hafen. Besser können die Ferien nicht beginnen.«

Vor ihnen fuhr jetzt eine weiße Jacht an der Kaimauer vorbei hinaus aufs Meer. Justus blinzelte gegen die Sonne. »Es ist selten, dass sich so eine teure Jacht in unseren Fischereihafen verirrt. Wo die wohl hinwollen?«

Dann schloss der Erste Detektiv sein Rad ab und betrat den wackeligen Holzsteg. Hier lag das kleine Angelboot von Onkel Titus, die Mathilda. Bob ging als Erster an Bord. »Ist wirklich nett von deinem Onkel, dass wir allein mit dem Boot rausfahren dürfen, Just.«

»Finde ich auch. Aber erstens sollen wir die ganze Zeit Schwimmwesten tragen, und zweitens müssen wir die Hälfte unseres Fangs abgeben. Onkel Titus ist und bleibt ein guter Geschäftsmann.«

Schnell hatten sie die Leinen losgemacht und tuckerten wenig später aufs offene Meer hinaus. Am Ende der Kaimauer stand Ernesto Porto, der Hafenmeister, und winkte ihnen hinterher. »Petri Heil, Jungs! Wenn ihr ein Seeungeheuer an die Angel bekommt, dann springt schnell über Bord. Die mögen es nicht, wenn man sie ärgert.«

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Bob tippte sich an die Stirn. »So ein Quatsch! Es gibt keine Seeungeheuer.«

»Das meint ihr«, lachte Porto zurück. »Ihr habt ja keine Ahnung, welche Geheimnisse tief im Meer auf euch warten. Passt auf euch auf!«

Es war fast windstill, und der Pazifische Ozean breitete sich vor ihnen wie ein glatter Spiegel aus. Peter sortierte die Angeln. »Ich hoffe, wir fangen heute etwas. Am besten eine schöne Makrele.« Justus drehte den Gashebel des Außenbordmotors noch weiter auf. »Oh ja, die legt dann Onkel Titus am Abend auf den Grill, und Tante Mathilda macht Bratkartoffeln dazu. Ich habe übrigens heute meine neuen Spezialköder dabei.«

»Hoffentlich keinen lebendigen Regenwurm«, rief Peter gegen den Motorenlärm an und verzog das Gesicht. »Quatsch, das ist was viel Besseres. Ein Geheimtipp von Onkel Titus. Hier: Marshmallows.«

»Marshmallows?«, wiederholte Bob ungläubig. »Wieso sollten Makrelen da anbeißen? Ich glaube, dein Onkel hat dir Blödsinn erzählt.«

»Egal. Wir probieren es aus. Und wenn die Makrelen keine Marshmallows mögen – ich mag die auf jeden Fall.«

Alle drei lachten, und gut gelaunt ließen sie den Hafen hinter sich. Justus steuerte die Mathilda dicht an der Küste entlang Richtung Süden. Gleichmäßig klatschten die Wellen gegen die Felsen der Steilküste. An einigen Stellen gab es kleine sandige Buchten. Schon oft hatten sich die Freunde hier zum Baden und Surfen getroffen.

Peter schmierte sein Gesicht mit Sonnencreme ein. »Sagt mal, was meinte Porto eigentlich eben mit den Geheimnissen im Meer? Ich dachte, das ist schon alles erforscht?« Bob wusste es besser. »Nein, ganz im Gegenteil. Die Erde besteht zu zwei Dritteln aus Wasser, und fast die gesamte Meeresfläche ist noch unerforscht. Nur über etwa fünf Prozent weiß man Bescheid. Das ist gerade mal so viel wie ein Glas Wasser in der Badewanne. Ich hab das in einem Buch über Ozeane gelesen.«

Peter schraubte den Deckel seiner Sonnencremetube wieder zu und beugte sich über die Bordwand. »Dann möchte man eigentlich gar nicht im Meer baden. Vielleicht gibt es dort krakenartige Wesen mit spitzen Zähnen und Saugnäpfen zwischen den Augen?« Er zog eine lustige Grimasse und streckte die Arme aus. Justus hatte sich gerade eines der Marshmallows in den Mund gestopft und verschluckte sich fast vor Lachen. »Oder Glibberquallen mit grünen Glubschaugen. Ich kann mir gut vorstellen, dass tief unten im Meer noch viele Geheimnisse warten.«

»Mir egal«, grinste Peter. »Solange die dort unten bleiben, ist es für mich in Ordnung.«

Das Ziel der drei ??? war ein kleiner Felsen, der unweit der Küste aus dem Wasser ragte. Schon oft hatten sie hier Fische gefangen. Justus stoppte den Motor, und von nun an trieben sie geräuschlos über das Wasser. Der kleine Felsen war ausschließlich von Möwen bewohnt, die sie argwöhnisch beobachteten.

Seltsamer Fang

Als die Mathilda langsam um die kleine Insel herumtrieb, machte Justus eine Entdeckung. »He! Seht mal! Dort vorn ankert die weiße Jacht, die vorhin aus dem Hafen gefahren ist.« Bob rückte seine Brille zurecht. »Stimmt. Vielleicht wollen die hier auch auf Makrelenfang gehen? Und ich dachte, diese Stelle wäre ein Geheimtipp.« Peter schüttelte den Kopf. »Nein, dort drüben angelt niemand. An Deck ist keiner zu sehen. Seltsam.«

Anschließend bereiteten sie ihre Angeln vor und warfen die Schnüre mit den Haken aus. Schnell zeigte sich, dass Onkel Titus’ Tipp mit den Marshmallows ein Witz gewesen war, denn die klebrige Masse löste sich im Wasser auf und der weiße Zuckerschaum schwamm auf dem Meer. Zwei gierige Möwen hatten das sofort entdeckt und schnappten sich die ungewöhnliche Beute.

»Hab ich’s doch gesagt«, triumphierte Bob. »Dein Onkel hat dir einen Bären aufgebunden, Just. Hier, nimm einen von meinen Gummiködern. Die funktionieren prima.«

Die nächste Zeit schwiegen die drei Freunde und waren mit dem Angeln beschäftigt. Peter ertastete immer wieder mit Daumen und Zeigefinger die dünne Angelschnur. »Ich glaube, heute haben wir Glück. Ich meine, dort unten knabbern schon einige Fische am Köder.« Dann plötzlich hatte er Gewissheit. »Da! Bei mir hat einer angebissen!« Aufgeregt holte er die Schnur ein und drehte vorsichtig an der Angelkurbel. »Oh Mann! Das muss ein fetter Bursche sein, so wie der zieht. Eine Monstermakrele.«

Justus hatte schnell seine eigene Angel gesichert und versuchte, Peter zu helfen. »Wahnsinn! Die Schnur reißt fast. Das ist nie im Leben eine Makrele. Was hast du da nur am Haken?« Peter wurde blass. »Sollten wir nicht lieber die Schnur abschneiden? Ich will gar nicht sehen, was wir da aus dem tiefen Meer nach oben ziehen.« Bob schnappte sich den großen Kescher. »Nichts da! Vielleicht ist das ein unentdeckter Urzeitfisch. Wer so etwas fängt, wird berühmt. Man darf dann dem Fisch einen Namen geben. Wie wär’s mit Bobfisch?«

Meter um Meter holte Peter die Schnur ein und blickte vorsichtig aufs Wasser. »Gleich müssten wir was sehen«, stöhnte er und hielt krampfhaft mit beiden Händen die Angel fest. Bob tauchte den Kescher ein. »Nicht nachlassen, Peter! Unser Fang darf nicht im letzten Moment abreißen. Da! Das ist ein riesiger Fisch!« Auch Justus beugte sich über die Bordkante. »Und was für einer! Man erkennt bisher nur den Schwanz. Aber seltsam: Ich sehe lauter Glitzerschuppen.« Peter wich ein Stück zurück. »Wisst ihr was? Ich hab plötzlich keinen Hunger mehr auf Grillfisch. Kann deine Tante nicht heute Pfannkuchen backen?« Bob übernahm jetzt die Angel. »Quatsch! Das ist der Fang unseres Lebens.« Justus beugte sich noch weiter vor. »Und jetzt sehe ich … nein, das gibt’s doch nicht … leuchtend rote Haare und einen Kopf.«

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In diesem Moment schoss eine Hand aus dem Wasser. Die drei ??? fielen vor Schreck nach hinten und landeten zwischen den Angeln, Tauen und einem alten Fischernetz. Eine zweite Hand war nun zu sehen, packte die Bordwand, und der Kopf eines Mädchens schob sich nach oben. Wasser perlte an ihren langen Haaren ab. Dann spuckte sie einen dünnen Wasserstrahl durch ihre roten Lippen und grinste die drei Freunde an. »Guten Morgen. Ihr wollt mich doch nicht etwa essen, oder?« Bob wurde knallrot. »Was? Wie? Wer … wer bist du?«, stotterte er. Im selben Moment tauchte neben dem Mädchen ein glitzernder Fischschwanz auf. »Sieht man das nicht? Ich bin eine Meerjungfrau. Ich hab unter Wasser euren Angelköder entdeckt und mich daran festgehalten. Ich wollte wissen, wer am Ende der Schnur ist. Meerjungfrauen sind nämlich sehr neugierig.«

Justus fand als Erster die Worte wieder. »Aber das kann nicht sein. Meerjungfrauen gibt es nur in Märchen.« Die Nixe lachte noch heller. »Na und? Vielleicht ist das hier ein Märchen? Wieso glaubst du nicht, was du siehst?« Justus dachte eine Weile nach, doch ihm fiel keine kluge Antwort ein. Und das geschah recht selten.

Die Meerjungfrau schüttelte ihre nassen Haare und rieb sich das Wasser aus den Augen. »Na schön, ich will euch erlösen. Ich bin natürlich keine echte Meerjungfrau. Der Fischschwanz ist nur ein Kostüm. Ich trainiere gerade für unsere neue Show.«

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Bob hatte den Kescher längst losgelassen. »Eine Show? Was für eine Show?«

»Habt ihr davon nicht gelesen? Drüben in der großen Sandbucht wird gerade die größte Aqua-Show Kaliforniens aufgebaut. Ihr müsst euch das wie ein Riesenaquarium vorstellen, in das man von allen Seiten reinschauen kann.«

»Und was wird da aufgeführt?«, fragte Justus.