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Grundwissen Soziale Arbeit

Herausgegeben von Rudolf Bieker

 

Band 19

Rudolf Bieker

Verwaltungswissen für die Soziale Arbeit

Verlag W. Kohlhammer

 

Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Die Wiedergabe von Warenbezeichnungen, Handelsnamen und sonstigen Kennzeichen in diesem Buch berechtigt nicht zu der Annahme, dass diese von jedermann frei benutzt werden dürfen. Vielmehr kann es sich auch dann um eingetragene Warenzeichen oder sonstige geschützte Kennzeichen handeln, wenn sie nicht eigens als solche gekennzeichnet sind.

 

 

 

 

 

1. Auflage 2016

Alle Rechte vorbehalten

© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Print:

ISBN 978-3-17-026036-8

E-Book-Formate:

pdf:       ISBN 978-3-17-026037-5

epub:    ISBN 978-3-17-026038-2

mobi:    ISBN 978-3-17-026039-9

 

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Vorwort zur Reihe

Mit dem so genannten „Bologna-Prozess“ galt es neu auszutarieren, welches Wissen Studierende der Sozialen Arbeit benötigen, um trotz erheblich verkürzter Ausbildungszeiten auch weiterhin „berufliche Handlungsfähigkeit“ zu erlangen. Die Ergebnisse dieses nicht ganz schmerzfreien Abstimmungs- und Anpassungsprozesses lassen sich heute allerorten in volumigen Handbüchern nachlesen, in denen die neu entwickelten Module detailliert nach Lernzielen, Lehrinhalten, Lehrmethoden und Prüfungsformen beschrieben sind. Eine diskursive Selbstvergewisserung dieses Ausmaßes und dieser Präzision hat es vor Bologna allenfalls im Ausnahmefall gegeben.

Für Studierende bedeutet die Beschränkung der akademischen Grundausbildung auf sechs Semester, eine annähernd gleich große Stofffülle in deutlich verringerter Lernzeit bewältigen zu müssen. Die Erwartungen an das selbständige Lernen und Vertiefen des Stoffs in den eigenen vier Wänden sind deshalb deutlich gestiegen. Bologna hat das eigene Arbeitszimmer als Lernort gewissermaßen rekultiviert.

Die Idee zu der Reihe, in der das vorliegende Buch erscheint, ist vor dem Hintergrund dieser bildungspolitisch veränderten Rahmenbedingungen entstanden. Die nach und nach erscheinenden Bände sollen in kompakter Form nicht nur unabdingbares Grundwissen für das Studium der Sozialen Arbeit bereitstellen, sondern sich durch ihre Leserfreundlichkeit auch für das Selbststudium Studierender besonders eignen. Die Autor/innen der Reihe verpflichten sich diesem Ziel auf unterschiedliche Weise: durch die lernzielorientierte Begründung der ausgewählten Inhalte, durch die Begrenzung der Stoffmenge auf ein überschaubares Volumen, durch die Verständlichkeit ihrer Sprache, durch Anschaulichkeit und gezielte Theorie-Praxis-Verknüpfungen, nicht zuletzt aber auch durch lese(r)-freundliche Gestaltungselemente wie Schaubilder, Unterlegungen und andere Elemente.

 

Prof. Dr. Rudolf Bieker, Köln

Zu diesem Buch

Soziale Arbeit wird auf der Grundlage von Gesetzen weithin durch öffentliche Verwaltungsträger organisiert, finanziert und zu einem Gutteil auch unmittelbar ausgeführt. Die Soziale Arbeit ist als Profession nicht nur in Verwaltungsbehörden inkorporiert, sie ist auch dort, wo sie unmittelbar individuelle Ansprüche auf soziale Leistungen prüft, gewährt oder ablehnt, Verwaltung ‚pur‘ und kaum anders als eine Baubehörde durch das Verwaltungsrecht gebunden. Zwar wird Soziale Arbeit vielfach in privater (meist freigemeinnütziger) Trägerschaft erbracht, die Abhängigkeit der „Freien“ von Verträgen, Mittelzuweisungen und Kontrollen durch die öffentlichen Träger ist jedoch so durchdringend, dass man auch hier nur aus Unwissenheit annehmen könnte, mit Verwaltung habe man auf Seiten der „Freien“ allenfalls randseitig zu tun.

Von herausgehobener Bedeutung für die Soziale Arbeit ist die kommunale Verwaltungsebene. Sie wird in erster Linie von den kreisfreien Städten, Kreisen und Höheren Kommunalverbänden gebildet. Die Kommunen tragen einen Großteil der Verantwortung für die Verwirklichung des Sozialstaats. Viele der von Bürgern in belastenden Lebenssituationen benötigten Sozialleistungen, insbesondere aus den großen Leistungsbereichen der Jugendhilfe und Sozialhilfe, befinden sich in der Gewährleistungsträgerschaft der Kommunen.

Wenn die Finanzierungsspielräume vieler Kommunen heute kaum mehr als das unbedingt Nötige erlauben, ist die Soziale Arbeit umso mehr gefordert. Es geht darum, Erreichtes zu verteidigen und wieder aufscheinende Spielräume neu zu erschließen. Die Soziale Arbeit ist – ob frei oder öffentlich – im Verhältnis zur Verwaltung ebenso Betroffene wie Akteurin. Erfolgreiche Akteurin kann sie nur sein, wenn sie sich in den Koordinaten des allgegenwärtigen Verwaltungskosmos kompetent zu bewegen versteht. Um das dafür erforderliche Basiswissen geht es in dem vorliegenden Band.

Ich bedanke mich bei Dorothee Frings, Paul Fülbier und Rolf-Jürgen Lorenz für ihre inhaltlichen Hinweise, bei der Hochschule Niederrhein für die gewährte Lehrermäßigung und bei Tea Rasch und meiner Frau Marlies für ihre Korrekturhilfe.

Köln, im Oktober 2015

Rudolf Bieker

Lesehinweise

Pfeile vor einem Wort verweisen auf das Glossar im Anhang des Bandes.

Rechtsquellen werden der besseren Lesbarkeit wegen in verkürzter Form zitiert (Ziffer des Paragrafen, Absatz in römischen Zahlen, Gesetzesquelle).

Die Verwendung geschlechtsbezogener Artikel geschieht frei von jeder Präferenz des Verfassers.

Inhalt

  1. Vorwort zur Reihe
  2. Zu diesem Buch
  3. Kapitel A – Aufbaustruktur der öffentlichen Verwaltung in Deutschland
  4. 1 Verwaltung
  5. 2 Verwaltungsträger, -organe, -behörden
  6. 3 Staatliche Verwaltungsträger
  7. 3.1 Trennung der Verwaltungsebenen
  8. 3.2 Länderverwaltung
  9. 3.2.1 Länder als Hauptverwaltungsträger
  10. 3.2.2 Aufbau der Länderverwaltung
  11. 3.3 Bundesverwaltung
  12. 4 Kommunale Verwaltung
  13. 4.1 Kommunen
  14. 4.2 Typen kommunaler Verwaltungsträger
  15. 4.2.1 Gemeinden
  16. 4.2.2 Kreisangehörige Gemeinden
  17. 4.2.3 Kreisfreie Städte/Stadtkreise
  18. 4.2.4 (Land-)Kreise
  19. 4.2.5 Sonstige kommunale Verbände
  20. 5 Private Beauftragte
  21. Kapitel B – Kommunen als Verwaltungsträger
  22. 1 Das Selbstverwaltungsrecht der Städte und Gemeinden
  23. 1.1 Garantie der Selbstverwaltung
  24. 1.2 Funktionen kommunaler Selbstverwaltung
  25. 1.3 Kernkompetenzen der Selbstverwaltung
  26. 1.4 Staatliche Einflussnahme auf die kommunale Selbstverwaltung
  27. 1.5 Bedeutung der Selbstverwaltungsgarantie für die Soziale Arbeit
  28. 2 Aufgaben der Gemeinden zwischen Selbst- und Fremdverwaltung
  29. 3 Organe der Gemeinden
  30. 3.1 Rat
  31. 3.1.1 Aufgaben und Zuständigkeiten
  32. 3.1.2 Zusammensetzung
  33. 3.1.3 Arbeitsweise
  34. 3.1.4 Fraktionen
  35. 3.2 Bürgermeister
  36. 3.3 Ausschüsse
  37. 3.4 Ausschüsse mit sozialpolitischer Aufgabenstellung
  38. 3.4.1 Sozial- und Gesundheitsausschuss
  39. 3.4.2 Jugendhilfeausschuss
  40. 3.5 Organe mit bezirklicher Zuständigkeit
  41. 4 Verwaltungsorganisation
  42. 4.1 Führungsorganisation
  43. 4.1.1 Monokratisches oder kollegiales Führungsmodell
  44. 4.1.2 Aufgaben und Kompetenzen der Verwaltungsspitze
  45. 4.1.3 Führungskräfte unterhalb der Verwaltungsspitze
  46. 4.2 Verwaltungseinheiten
  47. 4.2.1 Ämter
  48. 4.2.2 Dezernate
  49. 4.2.3 Fachbereiche
  50. 4.3 Eigenbetriebe und privatrechtliche Organisationseinheiten
  51. 4.3.1 Eigenbetriebe
  52. 4.3.2 Privatrechtliche Organisationseinheiten
  53. 4.4 Bezirkliche Verwaltungsstellen
  54. 4.5 Stellen für Beauftragte
  55. 5 Entscheidungen in einer Gemeinde
  56. 5.1 Einvernehmliche und konflikthafte Entscheidungen
  57. 5.2 Einfluss der Verwaltung auf politische Entscheidungen
  58. 5.3 Abstimmungsprozesse im Vorfeld einer förmlichen Beschlussfassung
  59. 5.4 Förmliches Beschlussverfahren
  60. 6 Politische Mitwirkung durch Beiräte, externe Beauftragte und Fachgremien
  61. 6.1 Beiräte
  62. 6.2 Beauftragte
  63. 6.3 Fachgremien
  64. 7 Sonstige externe Einflussnehmer
  65. Kapitel C – Kommunale Sozialverwaltung
  66. 1 Begriff Sozialverwaltung
  67. 2 Sozialstaatliche Einbindung der Kommunen
  68. 3 Bürgerbezogene Aufgaben
  69. 3.1 Bereitstellung sozialer Leistungen
  70. 3.1.1 Sozialhilfe
  71. 3.1.2 Kinder- und Jugendhilfe
  72. 3.1.3 Gesundheitshilfe und Gesundheitsförderung
  73. 3.1.4 Grundsicherung und Arbeitsmarktintegration
  74. 3.1.5 Wohnen
  75. 3.2 Gefahrenabwehr
  76. 3.2.1 Interventionen bei Kindeswohlgefährdung
  77. 3.2.2 Jugendgerichtshilfe
  78. 3.2.3 Maßnahmen nach den Gesetzen über psychisch kranke Menschen
  79. 4 Trägerbezogene Aufgaben
  80. 4.1 Finanzierung und Förderung
  81. 4.2 Gefahrenabwehr und -prävention
  82. 4.2.1 Schutz von Kindern und Jugendlichen in Familienpflege und Einrichtungen
  83. 4.2.2 Schutz der Nutzer/innen von Wohn- und Betreuungsleistungen
  84. Kapitel D – Verwaltungshandeln
  85. 1 Rechtsstaatliche Grundsätze des Verwaltungshandelns
  86. 2 Verfahrensrechtliche Anforderungen
  87. 2.1 Verwaltungsverfahren
  88. 2.2 Aufklärungs-, Informations- und Beratungspflichten
  89. 2.3 Prüfung der Zuständigkeit
  90. 2.4 Einleitung des Verfahrens
  91. 2.5 Sachverhaltsermittlung
  92. 2.6 Prüfung des Anspruchs und der Handlungsmöglichkeiten
  93. 2.6.1 Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen
  94. 2.6.2 Klärung der rechtlichen Handlungsmöglichkeiten
  95. 2.7 Beteiligung der Leistungsadressaten
  96. 2.7.1 Wunsch- und Wahlrecht
  97. 2.7.2 Bedarfsermittlung und Hilfeplanung
  98. 2.8 Leistungsentscheidung/Verfahrensabschluss
  99. 2.8.1 Erlass des Verwaltungsaktes
  100. 2.8.2 Bekanntgabe des Verwaltungsaktes
  101. 2.8.3 Form der Bekanntgabe
  102. 3 Verfahrensrechte der Beteiligten
  103. 3.1 Benennung eines Bevollmächtigten oder Beistandes
  104. 3.2 Recht auf Akteneinsicht und Aktenauskunft
  105. 3.3 Anhörungsrecht
  106. 4 Umgang mit Daten
  107. 4.1 Rechtsgrundlagen
  108. 4.2 Schutz des Sozialgeheimnisses
  109. 4.3 Erhebung von Sozialdaten
  110. 4.4 Nutzung von Sozialdaten
  111. 4.4.1 Zweckbestimmte Nutzung
  112. 4.4.2 Interne Weitergabe von Daten
  113. 4.5 Übermittlung von Sozialdaten an externe Stellen
  114. 4.5.1 Grundsätze
  115. 4.5.2 Übermittlung für die Erfüllung von Aufgaben nach dem Sozialgesetzbuch (§ 69 SGB X)
  116. 4.5.3 Übermittlung an Polizei-, Justiz- und Ordnungsbehörden (§ 68 SGB X)
  117. 4.5.4 Ausgewählte sonstige Übermittlungserlaubnisse (§§ 71, 73 SGB X)
  118. 4.6 Strafrechtliche Schweigepflicht (§ 203 StGB)
  119. 4.6.1 Gesetzliche Voraussetzungen
  120. 4.6.2 Befugte Offenbarungen
  121. 4.7 Besondere Schweigepflicht in der Jugendhilfe (§ 65 SGB VIII)
  122. 5 Aufhebung von Verwaltungsentscheidungen
  123. 5.1 Aufhebung einer rechtswidrigen Entscheidung („Rücknahme“)
  124. 5.1.1 Rücknahme einer rechtswidrigen belastenden Entscheidung
  125. 5.1.2 Rücknahme einer rechtswidrigen begünstigenden Entscheidung
  126. 5.2 Aufhebung einer rechtmäßigen Entscheidung („Widerruf“)
  127. 5.2.1 Widerruf einer rechtmäßigen belastenden Entscheidung
  128. 5.2.2 Widerruf einer rechtmäßigen begünstigenden Entscheidung
  129. 5.3 Aufhebung eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung bei Änderung der Verhältnisse
  130. 6 Schadensausgleich
  131. 6.1 Amtshaftung
  132. 6.2 Sozialrechtlicher Herstellungsanspruch
  133. Kapitel E – Haushalt und Finanzen
  134. 1 Einnahmequellen der Gemeinden
  135. 1.1 Steuereinnahmen
  136. 1.1.1 Lohn- und Einkommenssteuer
  137. 1.1.2 Umsatzsteuer
  138. 1.1.3 Gewerbesteuer
  139. 1.1.4 Grundsteuer
  140. 1.1.5 Örtliche Aufwand- und Verbrauchsteuern
  141. 1.2 Entgelte (Gebühren und Beiträge)
  142. 1.2.1 Gebühren
  143. 1.2.2 Beiträge
  144. 1.3 Finanzzuweisungen
  145. 1.4 Sonstige Einnahmen
  146. 1.5 Ergebnis und Schlussfolgerungen
  147. 2 Kommunaler Haushalt
  148. 2.1 Haushaltsplan und Haushaltssatzung
  149. 2.2 Struktur des kommunalen Haushaltsplans
  150. 2.3 Entwurf des Haushaltsplans durch die Verwaltung
  151. 2.4 Nachträgliche Anpassungen
  152. 2.4.1 Haushaltsänderungen ohne Nachtragssatzung
  153. 2.4.2 Haushaltsänderungen durch Nachtragssatzung
  154. 2.4.3 Haushaltssperre als Sofortmaßnahme
  155. 2.5 Jahresabschluss mit Bilanz
  156. 2.6 Folgen eines unausgeglichenen Haushaltes
  157. 2.7 Beteiligung der Öffentlichkeit
  158. Kapitel F – Kreise und andere Kommunalverbände
  159. 1 Kreise
  160. 1.1 Begriff des Kreises
  161. 1.2 Grundlegende Funktion des Kreises
  162. 1.3 Abgrenzung zu den Gemeindeaufgaben
  163. 1.4 Kreisaufgaben
  164. 1.4.1 Freiwillige Selbstverwaltungsaufgaben
  165. 1.4.2 Pflichtaufgaben der Kreise
  166. 1.4.3 Staatliche Auftragsangelegenheiten der Kreisebene
  167. 1.5 Organe des Kreises
  168. 1.5.1 Kreistag
  169. 1.5.2 Ausschüsse
  170. 1.5.3 Landrat
  171. 1.6 Finanzierung der Kreisaufgaben
  172. 1.7 Sonderformen eines Kreises
  173. 2 Kommunalverbände unterhalb der Kreisebene
  174. 2.1 Verwaltungsgemeinschaften
  175. 2.2 Verbandsgemeinden/Samtgemeinden
  176. 2.3 Ämter
  177. 3 Kommunalverbände oberhalb der Kreisebene
  178. 3.1 Funktionen der Höheren Kommunalverbände
  179. 3.2 Aufgaben
  180. 3.2.1 Jugendhilfe
  181. 3.2.2 Sozialhilfe
  182. 3.3 Organe der höheren Kommunalverbände
  183. 3.4 Finanzierung
  184. 4 Zweckverbände
  185. Literaturverzeichnis
  186. Abkürzungsverzeichnis
  187. Glossar
  188. Register

KAPITEL A – AUFBAUSTRUKTUR DER ÖFFENTLICHEN VERWALTUNG IN DEUTSCHLAND

Was Sie in diesem Kapitel lernen können

Die öffentliche Verwaltung in Deutschland ist ein filigranes Konstrukt, an dem neben Bund und Ländern viele sonstige Verwaltungsträger beteiligt sind. Als integraler Teil der Länderverwaltung spielen die Kommunen eine herausgehobene Rolle als Verwaltungsträger. Das Kapitel vermittelt Grundlagen- und Strukturwissen, auf das in den nachfolgenden Kapiteln wiederholt Bezug genommen wird.

1          VERWALTUNG

Organisatorisch lässt sich „Verwaltung“ mit der Gesamtheit der Verwaltungsträger identifizieren, die im Interesse des Gemeinwohls Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnehmen (organisatorischer Verwaltungsbegriff). Im formellen Sinne bezeichnet Verwaltung das gesamte Handeln der Verwaltungsträger, unabhängig davon, ob es sich auch seinem Inhalt nach (materiell) als Verwaltungstätigkeit bezeichnen und dadurch von anderen Staatstätigkeiten abgrenzen lässt (formeller Verwaltungsbegriff). Im formellen Sinne liegt Verwaltungstätigkeit auch dann vor, wenn diese Recht setzender Art ist (z. B. Erlass einer kommunalen →Satzung). Während der organisatorische und der formelle Verwaltungsbegriff allgemein anerkannt sind und hinreichende Klarheit schaffen, bereitet es Schwierigkeiten zu bestimmen, was Verwaltung inhaltlich ist (materieller Verwaltungsbegriff). Hier ergeben sich ähnliche Probleme wie beim Begriff der Sozialen Arbeit: Man kann sie zwar beschreiben, wegen ihrer Vielgestaltigkeit aber kaum definieren. Eine befriedigende Positivdefinition ist deshalb bisher gescheitert (vgl. Maurer 2011, 4).

In der Verwaltungslehre wird das Definitionsproblem meist dadurch gelöst, dass man Verwaltung gegen andere, leichter zu definierende Sektoren der Staatstätigkeit abgrenzt und demzufolge benennt, was Verwaltung nicht ist (Negativdefinition). Die Vorlage dafür liefert das Grundgesetz.

Nach der Konzeption des Grundgesetzes (Art. 1 III, Art. 20 II, Art. 20a GG) bildet die öffentliche Verwaltung gemeinsam mit der Regierung (Bundes- und Landesregierungen) die sogenannte vollziehende Gewalt (Exekutive). Damit stellt sie eine der drei zentralen Staatsgewalten neben der Legislative (Rechtsetzung durch die Parlamente des Bundes und der Länder) und der Judikative (Rechtsprechung durch die Gerichtsbarkeit von Bund und Ländern) dar. Von „Regierung“ unterscheidet sich „Verwaltung“ durch die „staatsleitende, auf politische Entscheidungen bezogene Tätigkeit“ einer Regierung (Maurer 2011, 3).

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Abb. A-1: Staatliche Gewaltenteilung

Lässt man die Regierungstätigkeit an dieser Stelle unberücksichtigt, könnte eine einfache Definition von Verwaltung so lauten: Verwaltung ist staatliche Tätigkeit außerhalb von Gesetzgebung und Rechtsprechung.

Dies mag überzeugend klingen, unterstellt aber eine Trennschärfe zwischen den „Staatsgewalten“, die es in Wirklichkeit nicht gibt: Auch Verwaltungen erlassen allgemeinverbindliche Rechtsnormen (z. B. →Rechtsverordnungen, →Satzungen); ebenso sind sie judikativ tätig (z. B. Bußgelderhebung bei hartnäckiger Schulverweigerung). Umgekehrt sind auch Gerichte und Parlamente in gewissem Umfang verwaltend tätig (z. B. Rückforderung unrechtmäßiger Zuwendungen an →Parteien durch den Bundestagspräsidenten; Führung des Grundbuches durch das Amtsgericht; Verwaltung des Gerichtspersonals).

Annäherungen an einen halbwegs präzisen materiellen Begriff von Verwaltung lassen sich zumindest über eine Kombination von Positiv- und Negativdefinition erreichen. In Anlehnung an einen Vorschlag von Stern 1980 (zit. bei Maurer 2011, 4) lässt sich Verwaltung demnach wie folgt bestimmen:

Verwaltung ist diejenige Staatstätigkeit außerhalb von Rechtsprechung, Gesetzgebung und Regierung, die in rechtlicher Bindung durch Verfassung und Gesetzgeber die ihr übertragenen Angelegenheiten des Gemeinwesens ständig und eigenverantwortlich nach gesetzlich mehr oder weniger präzise vorgegebenen Zwecksetzungen wahrnimmt.

Zentrale Elemente dieser Begriffsbestimmung sind:

•  die Abgrenzung zu der sonstigen Staatstätigkeit

•  die Bindung der Verwaltung an Recht und Gesetz (Grundgesetz, einfache Bundes- und Landesgesetze, EU-Recht)

•  die Bezugnahme auf Angelegenheiten des Gemeinwesens (öffentliche Aufgaben, über die als solche politisch entschieden werden muss; Püttner 2007, 31)

•  die Ausrichtung der Verwaltung auf die Umsetzung gesetzgeberischer Entscheidungen (z. B. Gewährung von Sozialleistungen)

•  die mehr oder weniger offene Programmierung bzw. Determinierung des Verwaltungshandelns, die der Verwaltung oftmals viele Spielräume lässt.

Gegenüber der juristischen Sichtweise, in der die gesetzesausführende Funktion von Verwaltung im Mittelpunkt steht („vollziehende Gewalt“), betont der politikwissenschaftliche Verwaltungsbegriff die politisch mitgestaltende Rolle von Verwaltung. Danach ist Verwaltung nicht nur ausführendes Organ, sondern auch politischer Akteur, der in enger Verbindung zu Regierung und Legislative Einfluss auf die Formulierung von Gesetzen und politischen Programmen nimmt (z. B. Einflussnahme der Kommunen auf die Landespolitik; Einflussnahme der Rentenversicherungsträger auf die weitere gesetzliche Ausgestaltung von Erwerbsminderungsrenten; Vorschläge der Bundesagentur für Arbeit zur Neuausrichtung der Arbeitsmarktpolitik). Zur Politikvorbereitung gehören die Problemdefinition, die Bereitstellung entscheidungserheblicher Informationen, die Erarbeitung und Vorauswahl von Lösungsvorschlägen und allgemein die Politikberatung (vgl. Mattern/von Fircks 1994, 14). Die Verwaltung „ist nicht allein von der Politik programmiert, sondern programmiert auch die Politik, sie wendet Recht nicht nur an, sondern sie erzeugt es auch, bis hin zu den Gesetzen, die fast ausschließlich in der Bürokratie angeregt und konzipiert werden“ (Bogumil/Jann 2009, 197). Gleichzeitig hat die Verwaltung aber auch nicht unerheblichen Einfluss auf die Umsetzung legislatorischer Entscheidungen (z. B. Umgang mit Flüchtlingen, Leistungsintensität in der Sozial- und Jugendhilfe). Mitunter beginnt die „eigentliche politische Auseinandersetzung erst während des Vollzugs“ (ebd.). Die Vorstellung einer unpolitisch operierenden, rein fachlich-professionell tätigen, politisch-neutralen Verwaltung geht an der Realität vorbei. Politikwissenschaftler sprechen deshalb von einem politisch-administrativen System, in dem sich Politik und Verwaltung wechselseitig beeinflussen und angleichen. Beide artikulieren und verhandeln Interessen und sind mit der gesellschaftlichen Umwelt eng vernetzt (ebd., 187). Auch die Verwaltung nimmt politische Funktionen wahr.

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Abb. A-2: Politikwissenschaftlich erweiterter Verwaltungsbegriff

2          VERWALTUNGSTRÄGER, -ORGANE, -BEHÖRDEN

Träger der öffentlichen Verwaltung sind Bund und Länder sowie diesen zuzuordnende, aber rechtlich selbständige andere juristische Personen des öffentlichen Rechts (z. B. Sozialversicherungsträger, Gemeinden). Ergänzt werden die öffentlich-rechtlichen Träger durch sog. Beliehene (natürliche Personen oder privatrechtliche juristische Personen), die im staatlichen Auftrag und unter staatlicher Aufsicht bestimmte öffentliche Aufgaben anstelle des Staates wahrnehmen (→A-5).

Innerhalb der Länder spielen die Gemeinden und Gemeindeverbände als Verwaltungsträger eine herausragende Rolle. Gemeinden und Gemeindeverbände (u. a. die Landkreise) sind zwar staatsrechtlich Teil der Landesverwaltung, gleichwohl aber eigenständige Rechtspersönlichkeiten (→Körperschaften des öffentlichen Rechts). Sie sind Teil der unteren Staatsverwaltung, aber keine landeseigenen Behörden, sondern Selbstverwaltungskörperschaften, die in ihrem örtlichen Zuständigkeitsbereich eine große Zahl von Verwaltungsaufgaben in eigener Verantwortung wahrnehmen. Auch wenn das Land manche seiner landeseigenen Verwaltungsaufgaben aus verwaltungsökonomischen Gründen von den Kommunen ausführen lässt, berührt dies nicht die grundsätzliche Autonomie der Kommunen. Diese ist in der Verfassung ausdrücklich verankert und geht deutlich über die Ausführung von Gesetzesbefehlen und Verwaltungshilfen für das Land hinaus. Die herausgehobene verfassungsrechtliche Stellung der Gemeinden (→Kap. B) und Kreise (→Kap. F) und die große quantitative Bedeutung der kommunalen Verwaltungsträger macht die Kommunen praktisch zur dritten Säule der öffentlichen Verwaltung (Bund, Länder, Kommunen; vgl. Thieme 2007, 161; Junkernheinrich/Lorig 2013, 23; Naßmacher/Naßmacher 2007, 19). Die kommunale Ebene wird daher in den nachfolgenden Kapiteln als eigenständiger Sektor der öffentlichen Verwaltung ausgewiesen.

Um ihre Aufgaben erfüllen zu können, müssen Verwaltungsträger mit Rechten und Pflichten ausgestattet werden. Damit erlangen sie Rechtsfähigkeit, die es ihnen ermöglicht, wie jede natürliche Person am Rechtsverkehr teilzunehmen. So können sie z. B. gegen Dritte klagen (z. B. auf Rückzahlung einer zu Unrecht bezogenen Sozialleistung) oder durch Dritte verklagt werden (z. B. wegen Untätigkeit).

Öffentlich-rechtliche Verwaltungsträger nehmen ihre Verwaltungsaufgaben durch Behörden wahr. Behörden sind organisatorische Einheiten eines Verwaltungsträgers mit Handlungszuständigkeit nach außen. Verwaltungsträger und Behörden gehören zusammen, sind aber nicht identisch.

Verwaltungsträger sind keine Behörden, sie haben Behörden.

Behörden sind nicht rechtsfähig. Sie handeln zwar im eigenen Namen, ihr Handlungsergebnis wird jedoch dem Verwaltungsträger, für den sie tätig sind, zugerechnet. Die Klage einer Kommune gegen die Bezirksregierung wirkt daher nicht gegen die Behörde „Regierungspräsident“ als Verwaltungsorgan der Bezirksregierung, sondern gegen das jeweilige Bundesland.

Indem sie dessen Verwaltungsaufgaben erledigen, sind Verwaltungsbehörden zugleich Organe des Verwaltungsträgers. Der Begriff Organ geht aber über den Behördenbegriff hinaus („Behörde als Unterfall des Organs“; Maurer 2011, 544). So ist der Landtag zwar ein Organ des Landes, im organisatorischen Sinne aber keine nach außen gerichtete Verwaltungsbehörde. Auch der Rat einer Stadt ist Organ des Verwaltungsträgers Gemeinde, aber nicht das Verwaltungsorgan der Stadt. Der Gemeinderat trifft als Willensbildungsorgan der Gemeinde zwar wichtige Entscheidungen, die Umsetzung obliegt aber dem Bürgermeister als dem Verwaltungsorgan. Der Gemeinderat ist demzufolge Organ, aber nicht Behörde.

Versteht man den Begriff Behörde weniger im organisatorischen Sinne (als Organ, das für die Ausführung von Verwaltungsaufgaben zuständig ist), sondern mehr im funktionalen Sinn (Verwaltungsaufgaben ausführend), dann können auch Organe, die organisatorisch betrachtet keine Verwaltungsbehörden sind, Behörden sein.

Beispiel:

Das Verfassungsorgan Bundespräsident handelt verwaltend, wenn eine Referentin eingestellt wird. Ebenso handelt der Rat einer Stadt, der einen Beigeordneten (leitender Beamter) entlässt, als Verwaltungsbehörde.

Der funktionale Behördenbegriff stellt auf das „Verwalten“ als Inhalt der Tätigkeit ab (Verwaltung im materiellen Sinne, siehe A-1). Nimmt ein Organ nach außen gerichtet öffentliche Verwaltungsaufgaben wahr, wird es insoweit zur Behörde (siehe § 1 IV VwVfG). Werden Verwaltungsaufgaben von staatlich beauftragten Privaten („Beliehenen“) wahrgenommen (→A-5), handelt es sich im funktionalen Sinne ebenfalls um Behördentätigkeit; da Beliehene aber nicht in einen öffentlichen Verwaltungsträger eingegliedert sind, stellen sie keine Verwaltungsbehörde im organisatorischen Sinne dar.

Von dem Behördenbegriff abzugrenzen ist der Begriff des →Amtes, sofern man darunter eine interne Organisationseinheit einer Behörde versteht. So ist das städtische Sozialamt rechtlich weder Organ noch Behörde. Die Mitarbeiter/innen des Sozialamtes sind zwar praktisch gesehen die Behörde (sie tun die Arbeit), im Rechtssinne sind sie aber nur die Vertreter der Behörde „Bürgermeister“. Im Briefkopf der Ämter heißt es deshalb meist „Stadt D., Die Oberbürgermeisterin, Amt für Jugend und Soziales“.

Behörden dürfen (ebenso wie andere Organe) nur im Rahmen ihrer gesetzlichen Zuständigkeit handeln. Diese Zuständigkeit kann verschiedener Art sein und ist im Alltag des Verwaltungshandelns immer wieder zu klären (→D-2.3).

3          STAATLICHE VERWALTUNGSTRÄGER

3.1        Trennung der Verwaltungsebenen

Grundsätzlich dürfen Verwaltungsaufgaben nur einer einzigen staatlichen Verwaltungsebene (Bund oder Länder) zur eigenverantwortlichen Erledigung zugewiesen werden. Verwaltungskompetenzen von Bund und Ländern sollen weitgehend getrennt bleiben, um vor allem die Länder „vor einem Eindringen des Bundes in den ihnen vorbehaltenen Bereich der Verwaltung zu schützen“ (BVerfG, Urteil vom 20.12.2007 -2 BvR 2433/04, 2434/04). Zugewiesene Aufgaben sind mit eigenem Personal, eigenen Sachmitteln und eigener Organisation wahrzunehmen („Verbot der Mischverwaltung“). Eine Ausnahme bilden die Jobcenter nach § 44b SGB II, bei denen Bundesverwaltung (Bundesagentur für Arbeit) und Landesverwaltung (Kommunen als Teil der Landesverwaltung) eine gemeinsame Verwaltungsbehörde bilden.

Demzufolge kann auf der staatlichen Verwaltungsebene mit wenigen Ausnahmen (siehe Art. 91a ff. GG) zwischen Bundes- und Landesverwaltung unterschieden werden. Der Stellung der Länder als Verwaltungsträger entsprechend beginnt die nachfolgende Darstellung mit den Ländern.

3.2        Länderverwaltung

3.2.1      Länder als Hauptverwaltungsträger

Die Ausführung von Gesetzen obliegt in der Hauptsache den Ländern (Art. 30 GG). Diese sog. „Verwaltungskompetenz“ haben die Länder auch dann, wenn es sich um Bundesgesetze handelt. Erst recht gilt die Landeszuständigkeit im Bereich der Landesgesetzgebung. Die Länder wiederum übertragen einen Großteil der Aufgaben auf die Kommunen. Nur in wenigen im Grundgesetz bestimmten Gesetzgebungsbereichen (Art. 86 ff. GG) ist der Bund eigener Verwaltungsträger mit eigenen Behörden (z. B. Bundespolizei, Bundeswehr, Flugsicherung). Die

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Abb. A-3: Verwaltungskompetenzen

starke Dezentralisierung von Verwaltungszuständigkeiten ist Ausdruck des Föderalismusprinzips der Verfassung und der Verteilung der Staatsgewalt auf eine Mehrzahl von „Schultern“ (Gewaltenteilung).

Zumeist führen die Länder die Bundesgesetze als eigene Angelegenheit aus. Das bedeutet: Sie unterstehen zwar der →Rechtsaufsicht, nicht aber der fachlichen Weisungsbefugnis des Bundes (→Fachaufsicht). Dementsprechend können die Länder – von Ausnahmen abgesehen – auch die Organisation ihrer Verwaltungsbehörden sowie das Verwaltungsverfahren selbständig regeln (Art. 84 I GG). Unzulässig ist es seit der Föderalismusreform 2006, dass der Bund von sich aus Aufgaben auf die Gemeinden und Gemeindeverbände überträgt, denn diese gehören staatsrechtlich zu den Ländern. Dass der Bund ehedem bestimmt hatte, die Kinder- und Jugendhilfe sei Aufgabe der Kreise und kreisfreien Städte, ist seit 2006 nicht mehr zulässig (zur Reform ausf. Semmler 2012).

Einschränkungen der Verwaltungskompetenz der Länder ergeben sich, wenn die Länder Gesetze „im Auftrag des Bundes“ ausführen (Art. 85 GG). Hier sind die Länder weitgehend den Weisungen des Bundes unterworfen (Einrichtung der Behörden, Verwaltungsverfahren, Verwaltungsvorschriften, fachliche Aufgabenerfüllung). Geldleistungsgesetze, bei denen der Bund mindestens die Hälfte der Kosten trägt (z. B. Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungs- und Wohngeldgesetz), werden immer als Auftragsverwaltung durchgeführt (Art. 104a III GG).

3.2.2      Aufbau der Länderverwaltung

Flächenländer

In den meisten der größeren Flächenländer ist die Verwaltung dreistufig aufgebaut, im Übrigen zweistufig (zweistufig in Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein, Saarland; Niedersachsen; vgl. Schmidt 2002, 6, Maurer 2011, 568). Neben den Verwaltungsbehörden, die dem Land als Behördenträger und Dienstherr des Verwaltungspersonals unmittelbar zuzurechnen sind (unmittelbare Landesverwaltung), gibt es zahlreiche juristische Personen des öffentlichen Rechts, die zwar der →Rechtsaufsicht des Landes unterliegen, ihre Aufgaben im Übrigen aber selbstverantwortlich erledigen (mittelbare Landesverwaltung).

a) unmittelbare Landesverwaltung

Im Bereich der unmittelbaren Landesverwaltung bestehen

•  oberste Landesbehörden (z. B. Ministerien, Landesrechnungshof) bzw. obere Landesbehörden (Behörden, die den obersten Landesbehörden unmittelbar unterstehen und eine landesweite Zuständigkeit in einem abgegrenzten Aufgabenbereich haben, z. B. Landesumweltamt, Landeskriminalamt; vgl. z. B. § 6 II LOG NRW);

•  mittlere Landesbehörden, insbes. Bezirksregierungen bzw. Regierungspräsidien mit breit gefasstem Zuständigkeitsbereich für eine Region des Landes (allgemeine Verwaltungsbehörde, →Textfeld); außerdem bestehen auf der Mittelebene davon unabhängige Sonderbehörden mit ebenfalls regionaler Zuständigkeit, wie z. B. Justizvollzugsämter, Oberfinanzdirektionen, Oberschulämter. Einige Bundesländer haben die Bezirksregierungen abgeschafft oder durch andere Verwaltungsbehörden ersetzt;

•  untere Landesbehörden, die einer Landesoberbehörde oder einer Landesmittelbehörde unterstehen. Außerdem gelten als untere Landesbehörden die Landrät/innen der Landkreise (nicht die Landkreise an sich) und (in NRW) die Direktorinnen oder Direktoren der Landschaftsverbände als untere staatliche Maßregelvollzugsbehörde, ferner die Finanzämter, die Kreispolizeibehörden und die Schulämter. Viele Aufgaben der unteren Landesverwaltung werden auch von den kreisfreien Städten erledigt.

Bezirksregierung – Beispiel: NRW

Das Landesorganisationsgesetz NRW bezeichnet die Bezirksregierung als „allgemeine Vertretung der Landesregierung“ in den fünf Regierungsbezirken Arnsberg, Detmold, Düsseldorf, Köln und Münster (§ 8 I LOG NRW). Sie hat einerseits die regionalen Belange und Anliegen gegenüber der Landesregierung zu vertreten, andererseits muss sie deren politische Ziele im Regierungsbezirk umsetzen. Bezirksregierungen fassen im regionalen Bereich eine Vielzahl staatlicher Aufgaben zusammen, soweit diese nicht ausdrücklich anderen Behörden übertragen sind (§ 8 III LOG NRW). Dazu gehören: Genehmigung von Industrie- und Müllverbrennungsanlagen, Genehmigung von Flächennutzungs- und Bebauungsplänen der Gemeinden, →Rechtsaufsicht über kreisfreien Städte und Kreise, Erteilung der Approbation für Ärzte, Entscheidung über Personalangelegenheiten der Lehrer und Polizeibeamten u. v. m. Aufgaben mit sozialem Bezug können sein: Kostenerstattung an Jugendämter für geflüchtete Kinder und Jugendliche; Kostenerstattung an Kommunen für die Unterbringung von Aussiedlern, Spätaussiedlern und Zuwanderern in Übergangsheimen nach dem Landesaufnahmegesetz; Zuwendungen an die Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege (Globaldotationen).

Zwar haben Verwaltungsstrukturen in der Regel ein langes ‚Verfallsdatum‘, dennoch ist es in vielen Bundesländern in der Vergangenheit zu Strukturreformen gekommen (Auflösung von staatlichen Sonderbehörden und Kommunalisierung von Aufgaben, Neuorganisation der Mittelebene, Konzentration von Aufgaben).

b) mittelbare Landesverwaltung

Zur mittelbaren Landesverwaltung gehören hauptsächlich die Gemeinden, Kreise und die Kommunalverbände, aber auch die Hochschulen des Landes, die Kammern, Rundfunkanstalten, öffentlich-rechtliche Stiftungen (z. B. bayerische Landesstiftung Hilfe für Mutter und Kind, Stiftung Wohlfahrtspflege NRW). Die →Körperschaften, →Anstalten und →Stiftungen des öffentlichen Rechts sind nicht nur rechtlich selbständige Verwaltungsträger, sondern genießen im Unterschied zu den staatseigenen Behörden in begrenztem Umfang das Recht auf Selbstverwaltung ihrer Angelegenheiten. Sie unterliegen im Unterschied zu den Behörden der unmittelbaren Landesverwaltung lediglich der →Rechtsaufsicht, nicht aber fachlichen Weisungen. Das gilt allerdings nur soweit sie nicht stellvertretend Verwaltungsaufgaben des Landes ausführen, die das Land ansonsten unmittelbar mit eigenen Behörden ausführen müsste (Tätigkeit als Fremdverwaltung).

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Abb. A-4: Unmittelbare und mittelbare Landesverwaltung

Stadtstaaten

Die Verwaltungsstrukturen der Stadtstaaten Berlin, Bremen und Hamburg unterscheiden sich von denen der Flächenländer, weil hier die Landesverwaltungsebene und die kommunale Verwaltungsebene durchweg zusammen fallen. Die Stadtstaaten sind sowohl Bundesländer als auch kreisfreie Städte. Wie in den Flächenländern gibt es auch in den Stadtstaaten eine mittelbare Landesverwaltung (z. B. Kammern, Landesversicherungsanstalten).

Berlin: Nach Art. 1 Abs. 1 der Verfassung von Berlin (VvB) ist Berlin ein deutsches Land und zugleich eine Stadt. Staatliche und gemeindliche Aufgaben werden nicht getrennt (Prinzip der Einheitsgemeinde). Innerhalb dieser Einheitsgemeinde lassen sich jedoch zwei Verwaltungsebenen unterscheiden, sodass man organisatorisch von einer zweistufigen Verwaltungsstruktur sprechen kann (vgl. Art. 67 VvB). So gibt es neben bzw. unterhalb der einzelnen Senatsverwaltungen, die als oberste Landesbehörden insbesondere Aufgaben von „gesamtstädtischer Bedeutung“ wahrnehmen, einzelne Landesoberbehörden (z. B. Landesjugendamt, Landesamt für Verfassungsschutz) sowie die sog. Bezirke, die im örtlichen Bereich „alle anderen Aufgaben der Verwaltung“ wahrnehmen (z. B. eigene Jugendämter und eigene Jugendhilfeausschüsse betreiben). Die 12 Bezirke genießen Selbstverwaltungsrechte, anders als ‚echte‘ kommunale Verwaltungsträger sind sie rechtlich jedoch unselbständig (keine →Gebietskörperschaften, sondern Verwaltungseinheiten). Für jeden Bezirk wird eine Bezirksverordnetenversammlung gewählt (vergleichbar mit einem Gemeinderat), die ihrerseits den/die Bezirksbürgermeister/in und die Bezirksstadträt/innen als Geschäftsbereichsleiter/innen wählt (§ 69 ff. VvB; ausführlich zur Verwaltung Berlins: Hurnik 2007). Die Bezirke verfügen seit 2008 über eine strukturell vorgegebene Ämterstruktur mit Serviceeinheiten. Mit ihren Bezirksverordnetenversammlungen, Bürgermeister/innen und den Bezirksverwaltungen bilden die Bezirke „eine selbstbewusste eigene Ebene in der zweistufigen Verwaltung Berlins“ (Zink 2013, 342).

Bremen: Nach Art. 143 der Landesverfassung besteht das Bundesland Bremen („Freie Hansestadt Bremen“) aus den beiden Gemeinden Stadt Bremen und Stadt Bremerhaven („Zwei-Städte-Staat“). Die Freie Hansestadt Bremen stellt als Bundesland einen aus diesen beiden Gemeinden gebildeten Gemeindeverband höherer Ordnung dar (BVerwG Urteil vom 24.11.2010 -9 A 13.09). Insofern gibt es auch in Bremen eine zweigliedrige, d. h. staatliche und kommunale Verwaltungsstruktur. Für die Gemeinde Bremen ist das kommunale Vertretungsorgan (Stadtbürgerschaft) mit dem Landesparlament (Bürgerschaft identisch (Art. 148 Landesverfassung). Oberste Landesbehörden sind der Senat und der Landesrechnungshof, Landesoberbehörde sind z. B. das Landesjugendamt und das Landesamt für Verfassungsschutz. Kommunale Verwaltungsaufgaben werden für die Stadtgemeinde Bremen von der Senatsverwaltung und durch nachgeordnete örtliche Ämter erledigt, während in Bremerhaven neben der auch hier als Landesverwaltung zuständigen Senatsverwaltung eigene kommunale Verwaltungsorgane bestehen. Verwaltungsbehörde ist in Bremerhaven der Magistrat aus Oberbürgermeister/in, Bürgermeister/in und Stadträt/innen (vgl. ausführlich Göbel 2007; →B-4.1.1).

Hamburg: Ebenso wie in Berlin werden auch in Hamburg staatliche und kommunale Ebene nicht getrennt, daher besteht auch hier rechtlich keine zweigliedrige Verwaltung, wohl aber organisatorisch (Art. 4 HmbVerf). Verwaltungsaufgaben, die eine einheitliche Durchführung erfordern, werden von der Senatsverwaltung und den dieser zugeordneten Senatsämtern (z. B. Personalamt) und Fachbehörden (z. B. Behörde für Soziales und Familien) ausgeführt; die lokalen Aufgaben obliegen – von speziellen Fachbehörden (z. B. Finanzämtern) abgesehen – den Bezirken, die über eigene Verwaltungsstellen (Bezirksämter) verfügen. Aufgaben der Jugendhilfe und der Grundsicherung sind z. B. den Bezirken zugeordnet. Für jeden Bezirk wird eine Bezirksversammlung gewählt, die Teil der Verwaltungsbehörde Bezirksamt ist und in der Reichweite ihrer Rechte nur bedingt mit einem Gemeinderat in den Flächenländern verglichen werden kann.

3.3        Bundesverwaltung

Der Bund ist nach der Verfassung im Wesentlichen auf die Gesetzgebung konzentriert, soweit nicht auch diese vorrangig den Ländern zusteht (z. B. im Schul- und Hochschulrecht, Polizei- und Ordnungsrecht) bzw. der Bund den Ländern das Recht der Gesetzgebung nicht überlässt (konkurrierende Gesetzgebung nach Art. 72 GG).

Wie bei der Landesverwaltung ist auch bei der Bundesverwaltung zwischen der unmittelbaren und der mittelbaren Verwaltung zu unterscheiden. Soweit der Bund unmittelbar eigene Bundesbehörden betreibt, verfügen diese im Unterschied zu den Ländern häufig über keinen bis auf die örtliche Ebene hinunter reichenden Verwaltungsunterbau.

Oberste Bundesbehörden sind z. B. die Ministerien, aber auch der nicht weisungsgebundene Bundesrechnungshof; zu den oberen, den obersten Bundesbehörden nachgeordneten Bundesbehörden mit bundesweiter Zuständigkeit gehören u. a. das Bundesamt für Justiz, das Bundeskriminalamt und die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien. Auf der mittleren Ebene befinden sich u. a. die Bundesfinanzdirektionen mit den Hauptzollämtern und die Wehrbereichsverwaltungen. Untere Bundesbehörden stellen z. B. die Zoll- und Grenzschutzämter dar.

Zur mittelbaren Bundesverwaltung (Erfüllung öffentlich-rechtlicher Aufgaben durch rechtlich selbständige →Körperschaften, →Anstalten und →Stiftungen des öffentlichen Rechts sowie durch „Beliehene“, →A-5) zählen u. a. die Träger der gesetzlichen Sozialversicherung sowie die Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg, die auf Länderebene Regionaldirektionen und auf lokaler Ebene (vielfach gemeindeübergreifend tätige) Arbeitsagenturen unterhält („Körperschaft“); der Deutsche Wetterdienst, die Deutsche Welle, die Bundesanstalt für Straßenwesen stellen „Anstalten“ dar, die Stiftung Mutter und Kind, die finanzielle Hilfen für Schwangere bereit stellt, kann als Beispiel für eine „Stiftung“ gelten.

4          KOMMUNALE VERWALTUNG

4.1        Kommunen

Der kommunale Verwaltungssektor wird vor allem von den kreisfreien Städten, den kreisangehörigen Städten und Gemeinden sowie den Kreisen als Gemeindeverbänden bestimmt, des weiteren auch durch verschiedene Formen anderer Kommunalverbände (→Abb. A-5). Die große Bedeutung der Kommunen als Verwaltungsträger wird deutlich, wenn man bedenkt, dass drei Viertel bis 90% aller durch Bund und Länder beschlossenen Gesetze auf der kommunalen Ebene ausgeführt werden (vgl. Bogumil/Holtkamp 2013, 8). Zentrale Aufgabenfelder sind die Bereiche Verkehr, Bildung und Erziehung, Soziales, Kultur, Wohnungswesen, Gas-, Wasser- und Stromversorgung, Gesundheitswesen und Sport, öffentliche Sicherheit und Ordnung sowie allgemeine Verwaltungsaufgaben (Passangelegenheiten etc.).

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Abb. A-5: Die kommunale „Familie“

Zu der enormen Aufgaben- und Ausgabenlast der Kommunen haben sog. Funktionalreformen (Aufgabenumverteilungen) beigetragen, bei denen ehedem staatlich wahrgenommene Aufgaben in die Hände der Kommunen gelegt wurden („Kommunalisierung“; vgl. Burgi 2010, Ebinger 2010, Bogumil 2011).

Aufgabenzuständigkeit bedeutet nicht, dass alle Aufgaben von den kommunalen →Körperschaften unmittelbar selbst durch eigenes Personal erfüllt werden; z. T. beschränkt sich die Zuständigkeit darauf, die Aufgabenerfüllung durch Dritte zu gewährleisten. Insbesondere im Sozialsektor tritt die Selbsterfüllung oft hinter der Fremderfüllung durch private Träger zurück.

Beispiel:

Betreutes Wohnen wird durch die Lebenshilfe und nicht den Sozialhilfeträger angeboten.

Die Kommunen erfüllen zum einen Aufgaben, die sie mit und ohne ausdrückliche gesetzliche Verpflichtung im Rahmen ihres Rechtes der Selbstverwaltung wahrnehmen (→B-1, B-2); zum anderen führen sie staatliche Aufgaben aus, die ihnen das Land übertragen hat („übertragener Wirkungskreis“, →B-2).

Die Aufsicht über die Kommunen führen Landesbehörden. Ob es sich dabei um eine bloße Rechtmäßigkeitskontrolle handelt (sog. →Rechtsaufsicht) oder ob sich diese zugleich auf die Zweckmäßigkeit des kommunalen Verwaltungshandelns erstreckt (inhaltliche Qualität der Aufgabenerfüllung, sog. →Fachaufsicht) hängt von der Art der Aufgabe ab (Selbstverwaltungs- oder Fremdverwaltungsaufgabe, →B-2). Die Mittel der Aufsicht können sowohl präventiver Art sein (Beratung, Genehmigungsvorbehalte) als auch repressiv ausgerichtet sein (z. B. Beanstandungs-, Anordnungs- und Ersatzvornahmerecht). Neben dieser administrativen Kontrolle unterliegen die Kommunen der gerichtlichen Kontrolle (z. B. bei Vorenthaltung einer Leistung, für die die Kommune zuständig ist), der finanziellen Kontrolle (interne und externe Rechnungsprüfung) und auch der politischen Kontrolle durch die lokale Öffentlichkeit und die Medien (vgl. Bogumil/Jann 2009, 128 ff.).

4.2        Typen kommunaler Verwaltungsträger

4.2.1      Gemeinden

Der Begriff Gemeinde wird kommunalrechtlich in einem doppelten Sinne gebraucht: Zum einen ist er von Einwohnerzahl, Flächengröße und sonstigen Strukturmerkmalen unabhängiger Oberbegriff, der neben der „kleinen Gemeinde“ mit sehr wenigen Einwohnern (z. T. unter 100) auch die Millionenstadt einschließt. Zum anderen dient der Begriff Gemeinde als Bezeichnung für kleinere Ortschaften, während die größeren Gemeinden in den →Kommunalverfassungen der Länder als Städte bezeichnet werden (historisch begründet dürfen sich allerdings auch eine Reihe kleinerer Gemeinden „Stadt“ nennen). Demzufolge ist im Rechtssinne nicht jede Gemeinde eine Stadt, aber jede Stadt eine Gemeinde. Deutschlandweit gab es am 31.12.2012 insgesamt 11.220 Städte und Gemeinden (Statistisches Bundesamt 2013, 1).

Hinter dem Einheitsbegriff Gemeinde verbergen sich →Körperschaften von sehr unterschiedlicher Größe. Während in Nordrhein-Westfalen Gemeinden mit unter 5.000 Einwohnern nur ausnahmsweise vorkommen, liegen im Nachbarland Rheinland-Pfalz weit über 90% der Gemeinden in diesem Größenbereich. 45,8% der rheinland-pfälzischen Gemeinden haben nicht mehr als 500 Einwohner (Thüringen: 43%). Im Durchschnitt leben in einer kreisangehörigen Gemeinde in NRW 28.650 Menschen, in Rheinland-Pfalz dagegen nur 1.295 (Thüringen: 1.835). In etwa die Hälfte der NRW-Bevölkerung hat ihren Wohnsitz in einer Großstadt über 100.000 Einwohner (45,1%), in Rheinland-Pfalz und Thüringen trifft dies nur auf ein Sechstel der Bevölkerung zu (14,5% bzw. 14,3%; Bundesgebiet: 30,8%) (ebd.). In Rheinland-Pfalz lebt knapp die Hälfte der Menschen in einer Gemeinde bis zu 5.000 Einwohner (44,6%; Thüringen: 35,8%), in NRW sind es nur 0,1% (Bundesgebiet: 15%).

Gebietsreformen haben dazu geführt, dass sich Größe und Zahl der Gemeinden in den einzelnen Bundesländern erheblich unterscheiden. So wurde allein in NRW in den 1970er Jahren die Zahl der Gemeinden von 2334 auf 396 verringert. In Baden-Württemberg wurden aus über 3.300 Gemeinden 1.111 (heute: 1.101). Seit Mitte der 1960er Jahre hat sich die Zahl der Gemeinden in Deutschland durch Gebietsreformen mehr als halbiert (vgl. Seewald 2003, 51). Das Ziel der Gebietsreformen war die Steigerung der Leistungsfähigkeit der Gemeinden (qualifizierter Aufgabenvollzug, mehr Effizienz); kritisiert wird, dass damit aus historisch gewachsenen Einheiten zunehmend „Versorgungskörperschaften“ geworden (ebd.) und schwer heilbare Gemeinschafts- und Identitätsverluste entstanden seien (Bogumil/Holtkamp 2013, 28; ausführlich zu Gebietsreformen: Bogumil/Jann 2009, 220 ff.; Wallerath 2013).

Die Gebietsreformen zeigen: Gemeinden sind offensichtlich nur begrenzt vor Auflösung und Fusionierung geschützt; die Gebietszuschnitte der Gemeinden können vergrößert oder (was unwahrscheinlich ist) verkleinert werden. Allerdings sind dem Staat (den Ländern) hierbei Grenzen gesetzt. Er muss berücksichtigen, dass die Gemeinde als solche durch das Grundgesetz ausdrücklich garantiert wird: „In den Ländern, Kreisen und Gemeinden muß das Volk eine Vertretung haben, die aus allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahlen hervorgegangen ist“ (Art. 28 I GG). Diese sog „institutionelle Garantie“der Gemeinden (und Kreise) durch die Verfassung setzt einem rein verwaltungsökonomisch motivierten Umgang mit der Existenz von Gemeinden Grenzen. Strukturelle Veränderungen im Gesamtbestand der Gemeinden („Gebietsreformen“) dürfen die verfassungsmäßig gewollte Basisstufe demokratischer Mitwirkung im Staat nicht ohne ausreichende Gründe des Gemeinwohls aushöhlen (vgl. Tettinger 2007, 202).

4.2.2      Kreisangehörige Gemeinden

Gemeinden können danach unterschieden werden, ob sie einem Landkreis angehören (= kreisangehörige Gemeinden) oder kreisfrei sind (= kreisfreie Städte/Stadtkreise). Gehören Gemeinden einem Kreis an, kommt es im Unterschied zu den kreisfreien Städten zu einer Aufgabenteilung mit dem (rechtlich selbständigen Verwaltungsträger) Landkreis. Der gesetzliche Aufgabenbestand kreisangehöriger Gemeinden ist deshalb kleiner als der Aufgabenbestand kreisfreier Städte. Wieviele Aufgaben der Landkreis übernimmt, hängt davon ab, zu welcher Größenklasse eine kreisangehörige Gemeinde gehört. NRW unterscheidet zwischen (einfachen) Gemeinden, mittleren kreisangehörigen Städten und großen kreisangehörigen Städten (Tab. A-1). In anderen Bundesländern bestehen andere Bezeichnungen und Klassifizierungen. In Baden-Württemberg können kreisangehörige Gemeinden mit mehr als 20.000 Einwohnern zu „Großen Kreisstädten“ erklärt werden (in Sachsen ab 17.500, in Bayern ab 30.000 Einwohnern). In Rheinland-Pfalz ist der Status „Große kreisangehörige Stadt“ ab 25.000 Einwohnern vorgesehen. Die „Mittelstädte“ im Saarland haben mehr als 30.000 Einwohner, während die Thüringer →Gemeindeordnung keine besondere Zahl festlegt. Niedersachsen spricht ab 30.000 Einwohnern von „Selbstständigen Städten“ (ggf. „Großen selbstständigen Städten“), wenn kreisangehörigen Gemeinden Aufgaben der Landkreise übertragen werden. Die in Bayern z. T. vorkommende Bezeichnung „Markt“, dem Gemeindenamen vorangestellt, beruht auf geschichtlicher Tradition, kann aber auch durch die Landesregierung an kreisangehörige Gemeinden mit Zentrumsfunktion für ihre Nachbargemeinden verliehen werden. Gemeinden, die Sitz der Kreisverwaltung und des Kreistages sind (→F), werden allgemein als Kreisstadt bezeichnet.

Gemeindetyp (ohne die 23 kreisfreien Städte)Zahl in NRWGröße nach Einwohnern

Tab. A-1: Unterscheidung kreisangehöriger Gemeinden nach Größenklassen in NRW

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Gemeinden unter 5.000 Einwohnern gehören – unabhängig von ihrer Kreiszugehörigkeit – fast immer unteren Kommunalverbänden an (z. B. Ämtern, Samtgemeinden), die alle oder bestimmte Verwaltungsaufgaben für diese Gemeinden erledigen. Eigene Gemeindeverwaltungen sind dadurch oft entbehrlich (Thieme 2007, 166; →Kap. F-2).

4.2.3      Kreisfreie Städte/Stadtkreise

Ab einer bestimmten Einwohnerzahl gehören Gemeinden keinem Landkreis (mehr) an. Damit entfällt hier die für kreisangehörige Gemeinden typische Aufgabenteilung mit dem Landkreis. Die kreisfreien Städte (in Baden-Württemberg Stadtkreise genannt) erfüllen neben ihren Aufgaben als Gemeinden alle Aufgaben, die ansonsten den Landkreisen obliegen; sie sind gleichzeitig Gemeinde und Kreis (vgl. Maurer 2011, 572). Bundesweit sind lediglich 107 von allen Gemeinden kreisfrei (Stand: 31.12.2011).

In NRW ist ab einer Einwohnerzahl von ca. 100.000 von dem Status einer kreisfreien Stadt auszugehen, in anderen Bundesländern können dagegen auch Gemeinden mit deutlich geringerer Einwohnerzahl bereits als kreisfreie Städte bestimmt sein (z. B. in Bayern, Hessen bei einer Einwohnerzahl ab 50.000). Im Bundesdurchschnitt kommen die kreisfreien Städte der Flächenländer nach Henneke (o. J. [2012], 3) auf 192.445 Einwohner. Neben der Einwohnerzahl spielt die Verwaltungskraft für den Status „kreisfreie Stadt“ eine wichtige Rolle. Die Stadt muss in der Lage sein, die Verwaltungsmitarbeiter, Gebäude und Einrichtungen zu finanzieren, die sie für die Erfüllung ihrer Aufgaben benötigt.

4.2.4      (Land-)Kreise