Cover

Wolfgang Pauls

Unsere liebsten Mitarbeiter

 … mit todsicheren Tipps
für verzweifelte Führungskräfte

Wolfgang Pauls ist Diplom-Psychologe und seit 1995 freiberuflich als Coach, Führungskräftetrainer, Moderator und Unternehmensberater tätig; wissenschaftliche und populärwissenschaftliche Veröffentlichungen (u. a. in Psychologie Heute und Stern); belletristische Veröffentlichungen für Kinder (Bücher, Hörspiele, Fernsehfilme) sowie Kabarettprogramme (Text und Regie).

Impressum

Dieses Buch ist auch als Printausgabe erhältlich:

ISBN 978-3-407-36608-5

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© 2016 Verlagsgruppe Beltz

Werderstr. 10, 69469 Weinheim

www.beltz.de

Lektorat: Dr. Erik Zyber

Herstellung und Satz: Lelia Rehm

Umschlaggestaltung und Illustration: Jonathan Bachmann

E-Book

ISBN 978-3-407-29467-8

Inhalt

Vorwort

Der Schwätzer

Betriebliches Verhalten

So führen Sie Schwätzer

Der Tunnelgräber

Betriebliches Verhalten

So führen Sie Tunnelgräber

Der Perfektionist

Betriebliches Verhalten

So führen Sie Perfektionisten

Der Faule

Betriebliches Verhalten

So führen Sie Faule

Der Chaot

Betriebliches Verhalten

So führen Sie Chaoten

Der-auf-den- Schoß-will

Betriebliches Verhalten

So führen Sie Mitarbeiter, die auf den Schoß wollen

Der Stuhlbeinsäger

Betriebliches Verhalten

So führen Sie Stuhlbeinsäger

Der Blender

Betriebliches Verhalten

So führen Sie Blender

Der Eigenbrötler

Betriebliches Verhalten

So führen Sie Eigenbrötler

Der Meckerer

Betriebliches Verhalten

So führen Sie Meckerer

Der Last-Minute-Man

Betriebliches Verhalten

So führen Sie Last-Minute-Men

Ihr Führungsoptimierungs-Tagebuch

Literatur

Vorwort

Nach mehr als 20 Jahren freiberuflicher Tätigkeit als Coach, Berater und Führungskräftetrainer, in denen ich mir einen ebenso umfassenden wie tiefen Einblick in die Wirklichkeit des modernen Arbeitslebens verschaffen konnte, bin ich zu der Erkenntnis gelangt, dass es die gerade noch geduldeten, vielerorts geschmähten und mancherorts disziplinarisch verfolgten Mitarbeiter sind, welche unsere Wirtschaft und unsere Gesellschaft auf das Niveau gehoben haben, auf dem wir uns heute mit berechtigten Stolz bewegen. Diese brutal verkannten »eigentlichen Helden des Berufslebens« konnte ich in allen Branchen und Institutionen entdecken: Sogenannte Schwätzer und Blender, Tunnelgräber und Stuhlbeinsäger bevölkern die Großraumbüros von Global Playern ebenso wie die Arbeitsplätze mittelständischer Unternehmen und die Kantinen von Behörden. Es gibt sie einfach überall, und überall sind sie zum Wohle ihrer Unternehmen und damit letztendlich zum Wohle von uns allen pausenlos aktiv.

Ich wende mich mit diesem Buch sowohl an die Vorgesetzten als auch an die Kollegen dieser »ewig Verkannten«. Den Führungskräften unter Ihnen, verehrte Leser, möchte ich die Augen öffnen. Ich möchte Sie sehen und wertschätzen machen, wer die »wahren« Leistungsträger in Ihrer Abteilung, Ihrem Team sind. Und ich möchte Ihnen aufzeigen, wie Sie diese »Rohdiamanten des Arbeitslebens« mit ebenso konsequenten wie mutigen Führungsmaßnahmen zum noch größeren Nutzen für Ihre Firma und – last but not least – für Ihre eigene Karriere weiterentwickeln und optimal betrieblich einsetzen können. Und denjenigen unter Ihnen, die einen Chaoten oder Meckerer, Eigenbrötler oder Perfektionisten zum Kollegen haben, möchte ich dabei helfen, diese Menschen mit anderen, wohlwollenden, ja, anerkennenden Augen sehen zu können.

Mein Dank gilt meiner Frau und meinen Kindern, die es – selbst in bis dahin fröhlicher Runde (!) – mit liebevoller Geduld ertrugen, sich meine von tiefem Ernst getragenen Gedanken widerspruchslos anzuhören, und die mir darüber hinaus mit eigenen Ideen wichtige Anregungen gaben. Hier möchte ich besonders meinen Sohn Oliver Pauls hervorheben. In der schwierigen und sensiblen Startphase meiner Arbeit am Manuskript hatte er entscheidenden Anteil an der Entwicklung des dreifachen Salto mortale verbale, der zum tragenden Stilmittel dieses Buches wurde.

Ebenso gilt mein Dank dem Inhaber meiner Autowerkstatt, Herrn Mario Mahla, der mir mit seiner Erkenntnis: »Mitarbeiter können auch in der Arbeitszeit zum Friseur gehen, schließlich wachsen die Haare ja auch beim Arbeiten« eine wichtige Anregung lieferte.

Des Weiteren bedanke ich mich bei allen von mir betreuten Menschen, die mich in vertraulichen Coaching-Sitzungen davon überzeugen konnten, dass sie die Verkannten sind, und mir damit erst ermöglichten, dieses Buch mit vielen Beispielen aus dem beruflichen Alltag anschaulich und für meine Leser nachvollziehbar zu gestalten.

Schlussendlich gilt mein besonderer Dank dem Beltz Verlag. Trotz anhängiger Klage wegen – angeblichen (!) – Verstoßes gegen das Arbeitsmoralgesetz von 1872 sind die Verantwortlichen des Verlages das finanzielle Risiko eingegangen, auch die beanstandeten Kapitel (»Der Faule« und »Der Chaot«) zu drucken. Diese Abschnitte meines Werkes gelangten mutmaßlich infolge eines Hackerangriffs in die Hände des klagenden Vereins zum Schutz der wahren Arbeitstugend (VSwA e. V.). Zudem gilt mein Dank dem zuständigen Richter am Arbeitsgericht Schaffensthal a. d. Eifer, Herrn Frohmut Bock, der mit der anhaltenden Verschleppung des Verfahrens in hohem Maße Zivilcourage beweist.

Sicher ist Ihnen, verehrter Leser, schon beim Rezipieren dieses Vorwortes nicht entgangen, dass ich auf eine Schreibweise verzichte, bei der die weibliche Form als -in-Wortanhang und das maskuline Genus als -er-Appendix dargestellt werden. Sie bleiben so von sprachlichen Gebilden wie »der/die Mitarbeiter/in« oder »die/der Führungskraft/er« verschont. Unfreiwillige Komik hat in einem Sachbuch wie diesem nichts zu suchen. Ich wünsche Ihnen dennoch hier und da auch ein wenig Spaß bei der Lektüre meines Werkes.

Wolfgang Pauls, im November 2015

Der Schwätzer

Betriebliches Verhalten

Der Schwätzer ist ein durch und durch kommunikativer Mensch. Er verfügt über einen außergewöhnlich breiten Wissensschatz, was er in jeder nur denkbaren Situation unter Beweis stellt. Ganz gleich, mit welchem Thema er konfrontiert wird, der Schwätzer ist nicht nur in der Lage, seine schier unerschöpflichen Kenntnisse einzubringen, nein, er tut es auch auf eine höchst elaborierte, rhetorisch gekonnte Weise!

Am augenfälligsten wird diese einmalige Kombination von thematisch-inhaltlichem Interesse und Verbalkompetenz in Besprechungen. In jedwedem Meeting, sei es eine Abteilungssitzung, wo der Informationsaustausch im Vordergrund steht, oder ein fachthemenbezogenes Treffen, welches dem Finden von Problemlösungen dient, der Schwätzer wird stets mit großer Eloquenz entscheidende Beiträge leisten. Und sollte der Fluss des Gedankenaustausches einmal ins Stocken geraten: Zum Stillstand wird er nicht kommen – auf den Schwätzer ist Verlass!

Diese verbalkommunikative Qualität der Schwätzer können Sie als Führungskraft gar nicht hoch genug schätzen, befreit sie Sie doch von dem Druck, die Besprechung allein durch Ihre motivierenden Beiträge am Laufen zu halten. Zudem geben die Schwätzer unter Ihren Mitarbeitern Ihnen Gelegenheit, sich im Stillen schon auf den nächsten Tagesordnungspunkt vorzubereiten. Versuchen Sie nicht zu verstehen, was der Schwätzer sagt, sondern nehmen Sie seine Worte als reines Hintergrundrauschen – etwa wie das Geräusch der Meeresbrandung – wahr. Das gleichförmige Auf und Ab der Worte wird so zu einem wohligen Klangteppich, auf dem Sie in aller Ruhe Ihre Gedanken ordnen und ihren nächsten Redebeitrag planen können.

Aber nicht nur für Sie als sein Vorgesetzter ist der Schwätzer ein hilfreicher Partner, sondern auch für eine nicht zu unterschätzende Zahl seiner Kollegen, bewahrt er doch insbesondere sozial gehemmte, wortkarge Mitarbeiter davor, sich gegen ihre Natur aktiv an der Besprechung zu beteiligen.

Sollten Sie feststellen, dass der eine oder andere Mitarbeiter negativ auf die verbalen Aktivitäten des Schwätzers reagiert (verdeckt mit Augenverdrehen oder offen mit aggressiven Äußerungen wie »Mensch, musst du denn überall deinen Senf zugeben?«), dann weisen Sie den Kritiker in seine Schranken (etwa mit dem Satz: »Wenn Sie sich in die Besprechung einbringen möchten, dann unterlassen Sie bitte derartig persönliche Angriffe! Nehmen Sie sich lieber ein Beispiel an der konstruktiven Art, in der Ihr Kollege hier mitarbeitet!«). Neider gibt es überall. Ihnen Einhalt zu gebieten, ist eine der vornehmsten Führungsaufgaben!

Doch nicht nur in Besprechungen, sondern ebenso bei der unmittelbaren Ausübung spezifischer beruflicher Tätigkeiten sind die verbalen und kommunikativen Fähigkeiten des Schwätzers von großem betrieblichem Nutzen. Machen Sie die Probe aufs Exempel und lauschen Sie einmal an der Tür eines Büros, das sich ein Schwätzer mit einem oder mehreren Kollegen teilt. Sie werden sehen: An diesen Arbeitsplätzen kommt keine Langeweile auf! Die verbalen Beiträge des Schwätzers – insbesondere, wenn es sich um fachfremde Ausführungen wie etwa Anekdoten aus dem Privatleben handelt – wirken leistungsfördernd auf seine im Raum anwesenden Kollegen: Sie sind mental mit Vorgängen konfrontiert, die nichts, aber auch gar nichts mit ihrer gegenwärtigen Tätigkeit zu tun haben. Um dennoch korrekt zu arbeiten, müssen sie sich doppelt stark konzentrieren – das hält wach und beugt Ermüdungserscheinungen vor, die, vor allem bei Routinearbeiten, die Fehlerquote erhöhen. Selbst wenn die verbalen Ergüsse des Schwätzers in Ausnahmefällen dazu führen sollten, dass der Ablenkungseffekt zum Einstellen der aktuell ausgeübten beruflichen Tätigkeit führt, hat dies letztendlich einen arbeitsfördernden Charakter: Zum einen hebt die Erzählung des Schwätzers die Stimmung – insbesondere humorvolle Schwätzer leisten einen unschätzbaren motivationalen Beitrag für den funktionierenden Arbeitsalltag! Zum anderen wird die, vordergründig betrachtet, »verlorene« Arbeitszeit ihrerseits zu einem Motivator: Hat sich ein Mitarbeiter von einem geschwätzigen Kollegen ablenken lassen, wird er sich anstrengen, in der verbleibenden Zeit sein Arbeitsziel zu erreichen – voll konzentriert und mit »Volldampf«! Solche »Sprintphasen« wirken psychisch belebend und optimieren den Arbeitsprozess, weil sie jedwedem »runterziehenden« Trott entgegenwirken.

Glücklicherweise brauchen Sie nicht zu befürchten, dass ein Schwätzer sein betrieblich nützliches Verhalten ändern oder gar verlieren wird. Schwätzer schwätzen aus einem tief in ihrer Persönlichkeit verankerten Bedürfnis. Sie halten es nicht aus, nicht zu reden, zu irgendeinem Tagesordnungspunkt oder Thema nichts zu sagen.

Auch unter widrigsten Bedingungen –auf den Schwätzer ist Verlass!

Wie stark der kommunikative Drang des Schwätzers ist, konnte in einer psycholinguistischen Untersuchung der Emdener Ostfriesland Universität nachgewiesen werden (Piepenbrink 2000). Die Probanden aus dem Studiengang »Nachhaltige Hornviehhaltung« wurden auf zwei gleich große Versuchsgruppen aufgeteilt: die Versuchsgruppe A mit überdurchschnittlich kommunikationsfreudigen und die Versuchsgruppe B mit normal kommunikativen Studenten (wobei diese Unterscheidung mithilfe von Wortzählmetern getroffen wurde). Die Probanden beider Versuchsgruppen verbrachten bei ausreichender Lebensmittelversorgung 48 Stunden allein und ohne Kontakt zur Außenwelt in einem mit sanitären Einrichtungen ausgestatteten Raum.

Die Auswertung der Videoüberwachung zeigte, dass die überdurchschnittlich kommunikationsfreudigen Studenten der Versuchsgruppe A signifikant häufiger verbale Äußerungen von sich gaben als ihre Kommilitonen der Versuchsgruppe B. Diese Äußerungen hatten Satzform, des Öfteren im Umfang von Kurzvorträgen. Sie waren in Ermangelung anwesender Personen an die im Raum vorhandenen Gegenstände gerichtet, vorzugsweise an die in der Sitzecke platzierten Kuscheltiere, und zwar unabhängig davon, ob es sich um Katzen, Hunde, Mäuse oder Krokodile handelte.

Mit fortschreitender Isolationsdauer wurden die Ansprachen der kommunikationsfreudigen Studenten an die Adresse der Kuscheltiere immer länger. Einer der Probanden aus der Versuchsgruppe A sagte beispielsweise gegen Ende der Versuchszeit zu »seinem« Kuschelhund: »Du hast ja voll die coole Frisur. Fokuhila ist nix dagegen. Ich hab das ja nicht mehr mitgekriegt. Die Mode mein’ ich. Aber das muss echt krass gewesen sein. Mein Vater hat so’n Fußballbuch von irgend ’ner WM aus den Achtzigern, glaub ich. Wirklich krass. Aber die Hosen waren noch krasser. Kurz, kürzer am kürzesten. Für Hunde gibt’s übrigens auch Hosen. In Hollywood, bei so’n paar behämmerten Stars, sind die voll hip. Abgefahren sag ich dir. Und die Schühchen dazu! Und die Leibchen! Leiiiiibchen – hat mir meine Oma erzählt. Die waren so ’ne Art Tops. Auch für Kerle. Nee, das wär nix für mich. Für dich auch nicht. Da würdest du dich kaputtschwitzen. Deo für Hunde müsste man mal erfinden! Aber das gibt’s bestimmt schon. Wenn’s Hundeschuhe gibt, warum soll’s dann kein Hunde-Deo geben? Oh Mann, schwitz’ ich! Ich hab die Heizung schon voll abgedreht, und in dem scheiß Kabuff ist es immer noch heiß wie in der Sauna. Das hält doch keine Sau aus …«

Von den normal kommunikativen Studierenden der Versuchsgruppe B waren hingegen lediglich vereinzelt Kurzkommentare oder Ausrufe wie »Das gibt’s doch nicht!« oder »Scheiß Bruchbude!« zu hören, wobei diese Worte stets reaktiv geäußert wurden, nachdem dem Probanden ein Kaffeebecher umgekippt war oder als er bemerkte, dass der im Raum befindliche TV-Empfänger lediglich über drei Programme verfügte.

Der Besserwisser –ein betrieblich wie gesellschaftlich wertvoller Schwätzer

Eine Unterkategorie des Schwätzers ist der Besserwisser. Er befindet sich stets und ständig im Wettstreit mit seinen Mitmenschen, im Betrieb also in permanenter Wissenskonkurrenz zu seinen Kollegen und Vorgesetzten. Es liegt in der Natur der Sache, dass ein besserwisserischer Schwätzer nicht wirklich in allen beruflichen und außerberuflichen Belangen mehr und besser Bescheid weiß als seine Zeitgenossen. Aber was macht das schon? Sein häufig als bloße Angeberei fehlgedeutetes und gescholtenes Verhalten zwingt seine Kommunikationspartner, ihr Wissen zu prüfen, ihre Ideen und Lösungsvorschläge noch einmal gründlich zu checken: Hab ich auch wirklich Recht? Wie hieb- und stichfest sind meine Argumente? Wie verlässlich sind die Fakten, die ich meiner Position zugrunde lege?

Auf diese Weise ist der Besserwisser eine Art Qualitäts-Katalysator, der entscheidend dazu beiträgt, dem Unternehmen gesichertes Wissen und realitätsfundierte Ideen für betrieblich optimierende Entwicklungen zur Verfügung zu stellen. Jede Führungskraft, die unter ihren Mitarbeitern wenigstens einen Besserwisser hat, sollte diesen pfleglich behandeln! Schelten Sie ihn nicht, auch wenn er mit seiner Besserwisserei Ihr Wissen und damit vielleicht auch Ihre Kompetenz, ja, sogar Sie als ernstzunehmenden Menschen überhaupt infrage stellt. Gegenüber den Vorteilen, die der Besserwisser als Qualitäts-Katalysator kreiert, sind diese Kollateralschäden lediglich Lappalien. Vermeiden Sie es vor allem, Ihren Besserwisser bloßzustellen. Je länger er Ihnen erhalten bleibt, desto mehr Freude werden Sie an ihm haben!

Der amerikanische Psychologe und Politologe Humphrey Cloguard konnte dies in einer Langzeitstudie für die Bereiche des Bildungswesens und der Politik nachweisen (Cloguard 2014). Zwanzig Jahre lang begleitete er 75 in der High School als Besserwisser diagnostizierte Frauen und Männer auf ihrem weiteren Lebensweg. Die Ergebnisse seiner Untersuchung belegen auf eindrucksvolle Weise, wie wichtig ungestört ihrer Besserwisserei frönende Schwätzer für die Gesellschaft sind:

So führen Sie Schwätzer

Tipp 1

Schwätzer – insbesondere besserwisserische Schwätzer – gehören ins Großraumbüro!

Wie die Langzeitstudie von Humphrey Cloguard zeigt, ist die Gefahr, dass einer Ihrer besserwisserischen Schwätzer in die Politik abwandert, nicht zu unterschätzen. Seien Sie deshalb auf der Hut, sobald Sie bemerken, dass ein besserwisserischer Mitarbeiter gern und auch für seine Verhältnisse überdurchschnittlich häufig politische Reden hält. Nicht die politischen Inhalte sind für den Besserwisser von Bedeutung, sondern allein der Wunsch, mit seinen Reden eine große Zahl von Menschen zu erreichen. Der – zumindest verbal – politisch engagierte Besserwisser erlebt sich selbst als Wohltäter und Heilsbringer. Lediglich einen oder zwei Kollegen mit seinen Ergüssen zu beglücken, reicht ihm nicht aus. Er braucht Publikum! Im Unternehmen hat er dies im räumlichen Setting des Großraumbüros, wo ihm zehn, zwanzig, dreißig andere Mitarbeiter zuhören können und müssen. Wenn Sie an die oben geschilderten arbeitsfördernden Auswirkungen der verbalen Aktivitäten von Schwätzern denken, wird Ihnen klar, dass es bei dieser Platzierungsmaßnahme nicht allein darum geht, den besserwisserischen Schwätzer im Unternehmen zu halten, sondern ebenso darum, möglichst vielen Mitarbeitern zu ermöglichen, ihre Arbeitsleistung über den Umweg der Ablenkung zu erhöhen.

Platzieren Sie Ihren Schwätzer an hervorgehobener Position im Großraumbüro. Für die Förderung kommunikativer Aktivitäten in räumlichen Settings hat sich die mittige Lage ebenso bewährt wie die vorgeschobene, ähnlich dem Lehrertisch im Frontalunterricht. Die Errichtung eines Podestes für den Arbeitsplatz des Schwätzers verstärkt die gewünschte Wirkung (vgl. Spoker 1998, S. 139).

Sollten in Ihrem Betrieb bislang keine Großraumbüros vorhanden sein, scheuen Sie sich nicht, die Immobilie entsprechend umzugestalten beziehungsweise werben Sie, sofern Sie diesbezüglich keine Entscheidungskompetenz haben, höheren Ortes für die erforderlichen Umbauten – die Argumente sind auf Ihrer Seite!

Ihr Erfolg

Spätestens nachdem Sie die gegen den Schwätzer opponierenden Neider abgemahnt haben, wird die Leistungssteigerung der meisten Ihrer im Großraumbüro arbeitenden Mitarbeiter sicht- und messbar werden.

Tipp 2

Machen Sie einen Schwätzer zu Ihrem »Inkognito-Co-Moderator«!

Sofern Sie Ihre Team-, Abteilungs- oder Bereichsbesprechungen bislang selbst moderiert haben, empfiehlt es sich, einen Schwätzer co-moderieren zu lassen. Machen Sie sich seine Fähigkeit zunutze, kommunikative Botschaften wie Informationen oder Arbeitsanweisungen mit nachhaltiger Redundanz verbal zu vermitteln. Führungskräfte neigen dazu, in Ansprachen an ihre Mitarbeiter allzu abgehoben und auf das inhaltlich Wesentliche reduziert zu formulieren. Vor allem Mitarbeiter mit Konzentrationsschwächen – insbesondere, wenn sie zur ADHS-geschädigten Generation Y gehören ! – sind häufig nicht in der Lage, derartige Botschaften richtig zu decodieren. Dies führt immer wieder zu Missverständnissen, und nicht selten erreichen die Worte des Chefs diese Mitarbeiter überhaupt nicht!

Beauftragen Sie vor Beginn der Besprechung einen Ihrer schwatzhaften Mitarbeiter damit, auf ein abgesprochenes Zeichen hin (Sie fassen sich ans Ohrläppchen oder räuspern sich dreimal) das jeweils zuvor von Ihnen Gesagte noch einmal zusammenzufassen. Der so Angewiesene wird garantiert ausführlich allen Anwesenden vermitteln, was Sie sagen beziehungsweise anordnen wollen. Auf diese Weise wird der Schwätzer zu Ihrem »volksnahen« Sprachrohr, ohne Ihnen damit Ihre übergeordnete Position streitbar zu machen. Dass dieser kleine Moderationskniff den anderen Mitarbeitern nicht bekannt gegeben wird, versteht sich von selbst – verpflichten Sie deshalb den Schwätzer zur absoluten Verschwiegenheit!

Ihr Erfolg

Die von Ihnen geleiteten Besprechungen werden deutlich effektiver. Niemand geht mehr nach Ablauf der Sitzung frustriert an seinen Arbeitsplatz zurück. Niemand denkt oder sagt: »Wieder nichts als Gelaber! Wieder keine konkreten Ergebnisse!, denn alle Ihre Mitarbeiter haben Klarheit über das, was Ihnen wichtig ist. Jeder weiß, worauf es im Sinne der Optimierung von Arbeitsabläufen und eines unternehmerisch verantwortungsvollen Handelns ankommt. Alle sind in einem Boot und nehmen das Gefühl motivierten Nach-vorne-Blickens an ihren Arbeitsplatz mit, um gemeinsam mit Team die gesteckten Ziele zu erreichen.

Tipp 3

Fördern Sie die rhetorischen Fähigkeiten von Schwätzern gezielt!

Ermöglichen Sie den Schwätzern unter Ihren Mitarbeitern den Besuch so vieler Rhetorikseminare, wie Ihr Budget hergibt – auch der Beste kann noch besser werden!

Vermitteln Sie dem jeweils für die Weiterbildung ausgewählten Schwätzer auf möglichst sensible Weise, warum Sie ausgerechnet ihm dieses Incentive zukommen lassen. Sätze wie »Ich schick’ Sie mal auf einen Rhetorikkurs, damit Sie Ihren Redestil verbessern« können demotivierend wirken. Beim Schwätzer kann dies als niederschmetternde Kritik ankommen, weil er aus Ihren Worten schließt, dass Sie seine rhetorischen Fähigkeiten für mangelhaft und deshalb förderungsbedürftig halten. Besser wäre: »Wie Sie wissen, sind viele Ihrer Kollegen nicht in der Lage, sich auch nur annähernd so fließend und überzeugend auszudrücken wie Sie. Das legt auf den ersten Blick den Schluss nahe, diese Damen und Herren auf einen Rhetorikkurs zu schicken. Aber ich glaube – und Sie stimmen mir da sicher zu –, das wäre rausgeschmissenes Geld. Man würde ja auch einen Blinden nicht an einem Fotografie-Seminar teilnehmen lassen. Nein, ich möchte Ihnen diesen Kurs zukommen lassen! Sie sind mir jetzt schon eine unersetzbare Stütze bei meinen kommunikativen Bemühungen gegenüber der Abteilung. Und wie ich Führungsseminare besuche, um die Qualität meiner Mitarbeiterführung noch weiter zu verbessern, so möchte ich Ihnen die Möglichkeit geben, Ihre ohnehin schon hervorragenden rhetorischen Fähigkeiten weiter zu optimieren.«

Ihr Erfolg

Sie werden nicht nur einen noch hilfreicheren Mitstreiter für Ihre Kommunikation als Führungskraft erhalten, sondern den Schwätzer auch menschlich an sich binden, denn er wird die Wertschätzung seiner Fähigkeiten dankbar entgegennehmen und seinem Förderer ein stets loyaler »Untergebener« sein.

Der Tunnelgräber

Betriebliches Verhalten

Um den Mitarbeitertyp des Tunnelgräbers zu beschreiben, ist es erforderlich, das Phänomen des Tunnelgrabens zu verstehen. Es liegt auf der Hand, dass im Kontext des vorliegenden Buches mit graben nicht das Umschichten von Erde gemeint ist. Vielmehr handelt es sich beim Begriff des Tunnelgrabens um die sprachlich-sinnbildliche Darstellung eines von manchen Mitarbeitern vorzugsweise praktizierten Verhaltens. Mit Tunnel ist hier ein Kommunikationsweg gemeint, der, einem unterirdischen Gang gleich, vom unmittelbaren Vorgesetzten des Tunnelgräbers geradewegs zum Chef-Chef des Mitarbeiters, sprich zur Führungskraft der Führungskraft führt. Oder zum Chef-Chef-Chef. Oder Chef-Chef-Chef-Chef. Nach oben sind da keine Grenzen gesetzt. Ganz gleich, wie lang der Tunnel ist: Der Tunnelgräber umgeht heimlich seinen unmittelbaren Vorgesetzten. Aber warum tut er das?

Der Drang zu Höherem

Sein Drang zu Höherem ist dem Tunnelgräber selbst nicht bewusst. Psychologisch lässt er sich jedoch aus der Tatsache erschließen, dass es diesen Mitarbeitertyp zu Höheren, sprich höhergestellten Personen, hinzieht. Je stärker dieser Drang im Unterbewusstsein des Mitarbeiters wirkt, desto weiter oben in der Unternehmenshierarchie ist seine »Zielfigur« angesiedelt. Personen mit einem DzH-Wert (das ist der Wert zur Messung des Dranges zu Höherem, W. P.) größer als 10 auf der nach oben offenen DzH-Skala (vgl. Vipper 1999) äußern ihre Unzufriedenheit mit ihrem unmittelbaren Vorgesetzten ausschließlich gegenüber dem Geschäftsführer oder Firmeninhaber. Beträgt der DzH-Wert gar 20 und mehr, kontaktieren die betreffenden Mitarbeiter bevorzugt Personen aus der Privatsphäre ihres Chefs, von denen sie vermuten, sie seien diesem »psychisch überstellt«. Alltagssprachlich könnte man formulieren: Sie »baggern« die (Ehe-)Partner oder, bei Singles, die Mama oder den Papa ihres Gruppen-, Abteilungs- oder Bereichsleiters an. Andere psychologische Studien weisen nach, dass jeder Mensch einen mehr oder weniger ausgeprägten Drang zu Höherem hat, weshalb der DzH-Wert nicht unter 1 liegen kann (vgl. Subsmith 2004).

Prüfen Sie sich selbst mit dem DzH-Schnelltest für den betrieblichen Erfahrungsbereich (nach Großwill 2010):

  • Wenn ich im Fahrstuhl auf den Knopf für das oberste Stockwerk drücke, verspüre ich jedes Mal ein Kribbeln in der Hand. ja / nein

  • Urteile von höhergestellten Persönlichkeiten sind grundsätzlich richtiger als Urteile von ihnen unterstellten Personen. 
    ja / nein

  • Ich bin stolz, wenn mich der Geschäftsführer auf dem Betriebsfest nach meinem Namen fragt. 
    ja / nein

  • E-Mails von Vorgesetzten, die mehr als drei Hierarchiestufen über mir angesiedelt sind, drucke ich mir aus und bewahre sie in einem goldfarbenen Ordner auf. 
    ja / neinKönnte ich ausschließlich meinem Direktor zuarbeiten, würde ich freiwillig auf die Hälfte meiner Vergütung verzichten. ja / nein

  • Wer das Bett mit dem Geschäftsführer teilt, gehört zu den glücklichsten 0,001 Prozent aller Menschen weltweit. 
    ja / nein

Auswertung

6 × ja: DzH-Wert 24

5 × ja: DzH-Wert 20

4 × ja: DzH-Wert 16

3 × ja: DzH-Wert 12

2 × ja: DzH-Wert 8

1 × ja: DzH-Wert 4

0 × ja: DzH-Wert 1

Tunnelgräber denken unternehmerisch