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Claudia Rossbacher

Enter ermittelt in Wien

30 Rätsel-Krimis

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Impressum

Texte erstmals erschienen in der ›Presse am Sonntag‹

Personen und Handlung sind frei erfunden.

Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen

sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

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Alle Rechte vorbehalten

1. Auflage 2016

Lektorat: Claudia Senghaas, Kirchardt

Herstellung: Julia Franze

E-Book: Mirjam Hecht

Umschlaggestaltung: U.O.R.G. Lutz Eberle, Stuttgart

unter Verwendung eines Fotos von: © Mushy – Fotolia.com

ISBN 978-3-8392-5008-2

Abschied in Violett

Manchmal fragte sich Franz Enter, ob in dieser Stadt überhaupt noch jemand an Altersschwäche starb. Allein in den vergangenen zehn Jahren hatte der Wiener Kriminalinspektor in gut 60 Fällen ermittelt. Und diese restlos aufklären können. Bei den meisten hatte es sich um Mord oder Totschlag gehandelt. Derzeit stand ein besonders verzwickter Fall im Apothekermilieu an, der ihn schon eine Weile beschäftigte. Doch war es lediglich eine Frage der Zeit, bis er den Täter überführen und auch diesen Akt schließen würde, war er überzeugt. Ja, Enters berufliche Erfolge konnten sich sehen lassen. Dass er längst kein Privatleben mehr hatte, war eine andere Geschichte. Wenigstens hatte er zu Hause seine Ruhe, die ihm sowieso heilig war. Der Inspektor brüstete sich gern damit, die meisten überführten Kapitalverbrecher aller Wiener LKA-Ermittler vorweisen zu können. Zwar hatte ihm der Bürgermeister noch immer kein Ehrenzeichen für seine Verdienste um die Stadt verliehen, doch das würde er bestimmt irgendwann nachholen. Dafür hatte es Franz Enter zu literarischen Ehren gebracht.

Eine bekannte österreichische Autorin hatte seine Fälle in zwei Rätselkrimi-Büchern verewigt, deren Titel sein Name zierte: ›Enter ermittelt‹ und ›Enter ermittelt in Wien‹. Sogar in zwei Schulbüchern für den Deutschunterricht fand sich einer seiner Kriminalfälle wieder. Andere waren in einer Apothekenzeitung und in einem Lifestyle-Magazin abgedruckt. In gewisser Weise fühlte sich Franz Enter unsterblich, obwohl auch er eines Tages das Zeitliche segnen würde. Wie der Schriftsteller Christian Gansmayr, dessen Leiche vor einer guten Stunde in seiner Altbauwohnung in Meidling aufgefunden worden war.

Zwei Wände des Arbeitszimmers waren bis unter die Decke mit Regalen verbaut, die Abertausende Bücher beherbergten. Ob der fast 60-Jährige die alle gelesen hatte, fragte sich Enter, während er seine Einweghandschuhe anzog. Mitten im Raum stand ein schwarzer Kolonialstil-Schreibtisch, auf dem sich neben dem Computerbildschirm Manuskripte und Zeitungen stapelten. Außerdem befand sich dort eine fast leere Flasche Rotwein und ein halb volles Weinglas. Der Tote saß hinter dem Schreibtisch, als wäre er bei der Arbeit verstorben. Seine Stirn ruhte auf der Tastatur. Nachdem Enter die Leiche im Ledersessel aufgerichtet hatte, sah er die Abdrücke, die die Tasten auf der Haut hinterlassen hatten, und den Abschiedsbrief auf dem Tisch, den Gansmayr nicht fertig geschrieben hatte. Er brach mitten im Wort ab. ›Liebe Lydia!‹, las der Inspektor. ›Es tut mir leid, dass ich dir das antun muss. Mir fällt einfach nichts Sinnvolles mehr ein. Was soll ich denn noch hier? Trink bloß nichts von dem Wein, ich habe ihn mit Blausäure vers‹. An dieser Stelle endete der Brief, der mit violetter Tinte geschrieben war. Offenbar hatte das Gift schneller gewirkt, als Gansmayr angenommen hatte.

Enter drückte die Taste am Keyboard, die seinen Namen trug. Der Computer erwachte aus dem Energiesparmodus. Das Letzte, woran der Autor gearbeitet hatte, war anscheinend ein Roman gewesen, der den Titel ›Vergebung der Zwerge‹ trug. Was immer das zu bedeuten hatte. Mit Hochliteratur hatte Enter rein gar nichts am Hut. Wenn er schon ein Buch zur Hand nahm, in dem er nicht vorkam, wollte er wenigstens verstehen, was er las.

»Entschuldigung«, hörte er eine Frauenstimme hinter seinem Rücken. Er wandte sich um. »Könnte ich bitte das Funktelefon haben? Mein Handyakku ist leer. Und ich muss noch seine Tochter verständigen.«

Enter stellte sich der rothaarigen Frau vor. »Und Sie sind wer?«, wollte er wissen.

»Ach so, Lydia Schmid mein Name. Ich bin … ich war seine Lebensgefährtin. Und Muse.«

Enter schätzte die groß gewachsene gertenschlanke Frau auf Anfang 40. Als Muse hatte sie zuletzt offenbar gründlich versagt. »Wie lange hat Herr Gansmayr denn schon an einer Schreibblockade gelitten?«, erkundigte er sich.

Lydia Schmid seufzte.

Enter betrachtete die Füllfeder, die direkt neben dem Brief unter der Leiche gelegen war. Er nahm das edle Schreibgerät zur Hand und schraubte die Kappe ab, um eine Schriftprobe in seinen Notizblock zu kritzeln. Die violette Tinte trocknete vor seinen Augen.

»Seit einem halben Jahr«, antwortete Frau Schmid indessen. »Zuletzt hat er sehr viel Rotwein getrunken und war, ich muss es leider sagen, er war meistens unausstehlich«, erzählte sie.

Es war offensichtlich, dass der Abschiedsbrief mit ebendiesem Füller geschrieben worden war. Enter wandte sich wieder der Frau zu. »Wann haben Sie Herrn Gansmayr denn zuletzt lebend gesehen?«, fragte er.

»Gestern beim Abendessen. Ich habe ihm sein Lieblingsessen gekocht. Rindsrouladen mit Kartoffelpüree. Dazu einen grünen Salat mit Kernöl.«

»Und danach?«

»Danach ist er wie immer in seinem Arbeitszimmer verschwunden. Ich habe noch ein paar Stunden gelesen und bin gegen 23 Uhr schlafen gegangen. Heute Morgen habe ich ihn hier gefunden.« ­

»War außer Ihnen jemand in der Wohnung?«

Lydia Schmid schüttelte den Kopf.

»Haben Sie hier irgendetwas angerührt?«

Wieder verneinte die Frau. »Kann ich jetzt bitte das Telefon haben?«

»Es tut mir sehr leid, Frau Schmid. Zuerst werden wir es nach Spuren untersuchen müssen. Es sei denn, Sie gestehen gleich, dass Sie bei Herrn Gansmayrs Tod Ihre Finger im Spiel hatten. Könnte ich bitte eine Schriftprobe von Ihnen haben?«

Den erstaunten Blick der Dame würde Enter bestimmt nicht so schnell vergessen. So viel stand fest.

Warum glaubt Enter, dass Lydia Schmid mit dem Tod ihres Lebensgefährten zu tun hat?

Lösung

Wenn Gansmayr tatsächlich gestorben ist, während er den Abschiedsbrief geschrieben hat, hätte er die Füllfeder nicht mehr zuschrauben können.

Pragers Fenstersturz

Franz Enter fühlte sich an diesem Morgen wieder einmal, als hätte ihn der sprichwörtliche Zug überrollt, woran vermutlich das letzte Stamperl Marillenschnaps schuld war, das ihm der Wirt zur Sperrstunde noch spendiert hatte. Möglicherweise lag es aber auch an den vier weiteren Obstlern, die er sich einverleibt hatte, um das Backhendl mit Mayonnaisesalat samt Zweigeltbegleitung besser verdauen zu können. Immerhin erinnerte er sich daran, was und wie viel er am Vorabend zu sich genommen hatte. Die morgendlichen Kopfschmerzen linderte das leider auch nicht. Wie gern wäre der Kriminalinspektor liegengeblieben, um seinen Kater auszuschlafen. Doch es half nichts. Schnaps war Schnaps, und Dienst war Dienst. Diese und ähnliche Weisheiten hatte ihm seine Mutter, die selige Hausbesorgerin, quasi schon mit ihrer Milch eingeflößt.

»Wer saufen kann, kann auch arbeiten«, hörte der juvenile Franzi bestimmt Hunderte Male von ihr. Und bei Gott, Hermine Enter wusste wovon sie sprach, war sie doch auf beiden Gebieten eine wahre Expertin. Der vierstöckige Gemeindebau in Margareten, für dessen Sauberkeit sie verantwortlich zeichnete, befand sich stets in tadellosem Zustand. Selbst wenn der ihre noch so desolat war. Das musste man der Mutter lassen. Sogar das viele Blut, das eine Nachbarin nach dem tödlichen Fenstersturz im September 1977 im Hof hinterlassen hatte, wischte sie ohne erkennbaren Ekel auf, kaum dass die Leiche abtransportiert worden war.

Der kleine Franzi hatte sich schon damals weniger für die Beseitigung von Spuren, als für diese selbst interessiert. Vom offenen Küchenfenster der Hausbesorgerwohnung im Parterre aus beobachtete er fasziniert die Arbeit der Polizei, die Spuren im abgesperrten Hof sicherte. Er konnte sogar hören, was die Männer miteinander sprachen.

Nach einer Weile stieß ein älterer Herr in Zivilkleidung hinzu und ließ die Decke anheben, um einen Blick auf die Tote zu werfen. »So wie die da liegt, muss sie rücklings aus’m Fenster g’fallen sein.« Sein Blick folgte dem Arm des jüngeren Kollegen, ebenfalls in Zivil, der zum offenen Fenster im dritten Stock zeigte.

Auch Franzi sah von seiner Position aus, wie der moderne Vorhang mit den orange-braunen Ornamenten vor der gegenüber liegenden Fassade im Wind flatterte. Wahrscheinlich hatte die Nachbarin noch danach gegriffen, sich jedoch nicht mehr daran festhalten können. Ihre Leiche wurde wieder zugedeckt.

»War das ein Unfall? Suizid? Oder hat jemand nachgeholfen? Was habt ihr denn bisher herausgefunden?«, fuhr der ältere Mann fort.

»Sie heißt Karin Prager, Chef. Und sie war mit einem gewissen Peter Prager verheiratet. Ihren Mann haben wir in der Wohnung aber nicht angetroffen. Die Tür war versperrt, jedoch nicht verriegelt. Wir haben uns den Ersatzschlüssel von der Hausbesorgerin geholt, damit wir aufsperren und nach Spuren suchen konnten. Abschiedsbrief haben wir keinen gefunden. Ebenso wenig Hinweise auf ein Verbrechen«, berichtete der jüngere Polizist.

»Wenn sie zum Zeitpunkt des Fenstersturzes allein in der Wohnung gewesen ist, dann war es wohl ein Unfall«, konstatierte der Ältere.

»Hat sie vielleicht das Fenster geputzt?«

»Wir haben keinen Putzkübel oder Reinigungsmittel in der Nähe des Fensters gefunden.«

»Habt ihr die Hausbesorgerin schon befragt?«

Der Jüngere schüttelte den Kopf.

»Das übernehme ich dann. Vermutlich weiß die Frau mehr über die Hausbewohner als diese selbst.«

Ihr zwölfjähriger Sohn bewunderte den Kriminalisten für seine brillante Menschenkenntnis. Noch war Franzi keiner anderen Hausbesorgerin begegnet, um zu wissen, dass Neugier und ein gewisses Kommunikationstalent zum Anforderungsprofil zählten.

Beide Ermittler steckten sich Zigaretten an, als Herrn Pragers Stimme über den Hof hallte. »So lassen S’ mich doch durch, dort liegt meine Frau!«

Franzi lehnte sich aus dem Fenster und sah zur Einfahrt hinüber. Offenbar war Herr Prager gerade heimgekommen und wurde nun am Absperrband von einem Uniformierten festgehalten. Die neugierigen Nachbarn hatte man längst in ihre Wohnungen geschickt. Freilich ohne verhindern zu können, dass einige immer wieder am Fenster auftauchten, um kurz danach wieder zu verschwinden. Seit von der Leiche nichts mehr zu sehen war, hatten die meisten das Interesse verloren. Auch Franzis Mutter warf nur noch ab und zu einen Blick hinaus.

»Lass ihn durch!«, rief der Chefermittler dem Kollegen am Absperrband zu.

Prager hetzte über den Hof, direkt auf die Kriminalbeamten zu.

»Sie sind Peter Prager?«, vergewisserte sich der Jüngere.

Prager nickte. »Ich komme vom Sonntagsausflug mit meiner Mutter. Wie ist das bloß passiert?« Auf Pragers Wunsch wurde noch einmal die Decke vom Kopf der Leiche gezogen. Er wandte sich ab und gab einen markerschütternden Schrei von sich, der alle anwesenden Bewohner erneut an die Fenster lockte.

»Der arme Mann«, sagte Hermine Enter, die hinter ihrem Sohn stand.

»Warum ist Herr Prager denn arm?«, wollte der wissen.

»Was bist du nur für ein herzloser Bengel«, schimpfte die Mutter und verpasste ihm eine Tachtel auf den Hinterkopf.

»Aua«, beschwerte sich Franzi und zog damit die Aufmerksamkeit des älteren Polizisten auf sich.

»Gibt’s was?«, erkundigte sich dieser.

»Wieso nehmen Sie Herrn Prager denn nicht fest?«, fragte Franzi.

Der Ermittler blies Rauch aus und kam auf ihn zu. »Warum sollte ich? Hast du etwas beobachtet?«

»Dasselbe, was auch Sie beobachtet haben«, erwiderte Franzi. »Dass Herr Prager ganz offensichtlich mit dem Tod seiner Frau zu tun hat.«

»Jetzt red doch keinen Unsinn, Franzi. Entschuldigen S’, mit meinem Sohn geht ab und zu die Fantasie durch«, mischte sich die Mutter ein, ehe der Zwölfjährige dem Polizisten den entscheidenden Hinweis gab.

»Alle Achtung«, wurde er von diesem gelobt, nachdem Peter Prager die Tat gestanden hatte. »Du solltest Polizist werden, Kleiner.«

Das hatte Enter nun davon, dass er seinem Rat gefolgt war. Trotz Brummschädels verließ er das Bett.

Was hat damals Franzis Verdacht erregt?

Lösung

Die Leiche war zugedeckt, als Peter Prager den Hof betrat. Weit und breit war kein Zeuge, der ihm hätte verraten können, dass unter der Decke seine tote Frau lag. Handys, mit denen Prager unterwegs hätte informiert werden können, gab es 1977 noch nicht.

Eiskalt

Schnee, Schnee und noch mehr Schnee fiel in dicken Flocken vom Himmel. Die wenigen Geräusche, die es zu dieser frühen, finsteren Morgenstunde gab, klangen dumpfer, leiser als sonst. Auch die Schritte des gewichtigen Kriminalinspektors waren auf dem Pulverschnee unter seinen Schuhen kaum zu hören. An Schlaf war nicht zu denken. Franz Enter atmete die kalte Luft durch die Nase ein und blickte dem Hauch nach, der seinen Mund verließ. Die weiße Stadt glitzerte im Licht der Laternen. Einen Augenblick lang hatte er das wunderbare Gefühl, allein auf der Welt zu sein. Leider war dieser Eindruck nicht von Dauer. Genauso wenig wie die weiße Pracht, die sich demnächst im Morgenverkehr in Matsch verwandeln würde. Der Inspektor wusste nur allzu gut, was ihn – nur einen Rollsplitt gestreuten Gehweg entfernt – im Währinger Park erwartete. Die gedämpften Stimmen der Kollegen konnte er bereits hören.

Die Leiche hatten sie zugedeckt, damit sie nicht weiter eingeschneit wurde. Die Gerichtsmedizinerin im giftgrünen Anorak hob die Folie an der Stirnseite des Toten hoch.

Enter betrachtete die Wunde, die die Mordwaffe in dessen Hinterkopf geschlagen hatte. Bei der Schneeschaufel, die die Männer der Tatortgruppe neben der Leiche sichergestellt hatten, handelte es sich vermutlich nicht um das Tatwerkzeug, erklärte der Leiter der Truppe. Zumindest waren darauf keine sichtbaren Spuren zu erkennen. Auch jene, die es im Umkreis des Opfers wahrscheinlich gab, waren inzwischen schneebedeckt. Wie etwa das Blut, das aus seinem Kopf gespritzt sein musste, nahm der Kollege aus Erfahrung an.

»Die Wunde könnte ihm mit einer Schaufel wie dieser hier zugefügt worden sein«, bestätigte die Gerichtsmedizinerin. »Vielleicht hat der Täter ja ein ähnliches Modell benutzt.«

Die Annahme, dass das Opfer für den Magistrat gearbeitet hatte, sollte sich alsbald als falsch herausstellen. »Die öffentlichen Parks werden in Wien mit modernen Schneepflügen geräumt, die sowohl kehren als auch streuen können«, erklärte der Arbeiter der MA 48 und zeigte zu seinem kleinen orangen Fahrzeug.

»Er hat den toten Gerd Maier gefunden«, merkte einer der Polizisten an.

»Der Park g’hört zu mei’m Rayon«, fuhr der Schneearbeiter fort. »Gegen drei Uhr bin ich über den Weg von dort hinten hierher kommen. Mir ist gleich aufg’fallen, dass da einer liegt. Ich hab nachg’schaut, ob ich ihm helfen kann. Aber der war schon eiskalt. Dann hab ich die Polizei ang’rufen.«

»Haben Sie sonst noch jemanden im Park gesehen?«, wollte Enter wissen.

»Nein, es war totenstill.« Treffend formuliert, dachte der Inspektor. Viel mehr konnte der Mann aber nicht zur Aufklärung beitragen, also begab sich Enter aufs Kommissariat. Erst einmal gönnte er sich zwei Tassen Kaffee, ehe er seine Ermittlungen fortsetzte. Noch war es viel zu früh, um jemanden zu erreichen. Nach Sonnenaufgang fand er heraus, dass Maier gemeinsam mit drei anderen Männern für die Wiener Linien gearbeitet hatte. Die Gleiskörper und Weichen der Straßenbahn wurden bei starkem Schneefall noch immer von Männern und Frauen mit Schaufeln, Spitzhacken und Besen von Eis und Schnee befreit. Der Chef der Partie war als Einziger beim Unternehmen angestellt. Er hatte die Nachtschicht von 22 bis sechs Uhr geleitet. Die anderen Männer waren nur für diesen Zeitraum geringfügig beschäftigt gewesen wie 131 andere auch, die vergangene Nacht angeheuert hatten, um 60 Euro bar auf die Hand zu verdienen.

Als ersten Zeugen nahm sich Enter den Schichtleiter vor. Maier sei als Einziger von den Dreien zum zweiten Mal in Folge zum Schaufeln angetreten, bestätigte der. Am nächsten Abend habe Maier seine Freunde mitgebracht. »Zwei Pausen gibt’s zu je einer halben Stunde«, erzählte er weiter. »Die erste war um 24 Uhr. Die Männer wollten allein was besprechen. Also bin ich ohne sie auf einen Glühwein gegangen. Der Maier ist nachher nimmer zum Dienst erschienen. Dabei hat er in der Nacht zuvor brav g’hackelt.«

Otto Fux sagte wenig später aus, dass Maier, Stingl und er die Pause im nahen Park verbracht hätten, um eine Geschäftsidee zu besprechen. Welche, wolle er lieber nicht verraten. Da sei er abergläubisch. »Nur, weil der Maier jetzt tot ist, muss ich unser’n Plan ja nicht gleich aufgeben. Das hätt er sicher nicht woll’n.«

Enter wusste inzwischen, dass die drei Männer zur selben Zeit ihre Haftstrafen in der Justizanstalt Simmering abgesessen hatten. »Ihr habts den nächsten Coup geplant«, sagte er ihm auf den Kopf zu.

»Ich bin sauber, Herr Inspektor, und will’s auch bleiben«, dementierte Fux.

»Soso. Bei diesem Wetter sind Sie also nachts in den Park gegangen, anstatt sich drinnen aufzuwärmen.«