cover.jpg

img1.jpg

 

Nr. 2652

 

Traum der wahren Gedanken

 

Auf einer arkonidischen Kolonialwelt – der Vertraute des Imperators deckt eine Verschwörung auf

 

Susan Schwartz

 

img2.jpg

 

Wir schreiben das Jahr 1469 Neuer Galaktischer Zeitrechnung (NGZ) – das entspricht dem Jahr 5056 christlicher Zeitrechnung. Auf eine bislang ungeklärte Art und Weise verschwand das Solsystem mit seinen Planeten sowie allen Bewohnern aus dem bekannten Universum.

Die Heimat der Menschheit wurde in ein eigenes kleines Universum transferiert, wo die Terraner auf seltsame Nachbarn treffen. Die Lage spitzt sich zu, als die Planeten von fremden Raumfahrern besetzt und die Sonne Sol »verhüllt« wird. Seither kämpft die solare Menschheit um ihr Überleben.

Von all diesen Entwicklungen weiß Perry Rhodan nichts. Auch ihn hat es in einen fremden Kosmos verschlagen: Mit dem gewaltigen Raumschiff BASIS gelangt er in die Doppelgalaxis Chanda. Dort wird ein bislang unbekanntes Programm in Gang gesetzt, das die BASIS Stück für Stück zerlegt und in zwei autarke flugfähige Kugeln umbaut.

In der Milchstraße tun sich derweil politisch bedeutsame Dinge, aber nicht alle vollziehen sich auf der großen Bühne. Und so erkennt anfangs niemand den TRAUM DER WAHREN GEDANKEN ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Tormanac da Hozarius – Der Berater des Imperators begibt sich auf eine abgelegene Kolonialwelt des Kristallimperiums.

Ghlesduul – Der Naat hat alle Hände voll zu tun, seinen Herrn zu beschützen.

Mapoc da Akkat – Der Herrscher Travnors begrüßt Imperator Bostichs Vertrauten.

Vlck, Knfl, Robff, Uwtn, Rcst, Brcl, Stozi – Die Unither Travnors organisieren sich.

Kormph – Der Unither muss seine Herde gegenüber den Mächtigen Travnors vertreten.

1.

Ankunft

 

Ich muss das tun.

Es ist gar nicht schwer. Nur eine Bedingung gibt es: Es soll wie ein Unfall aussehen.

Gewiss, dies ist sonst nicht das, was ich gewöhnlich tue.

Warum aber sollte es mir nicht gelingen? Weshalb wurde ich denn sonst dafür ausgewählt? Ich kann alles!

Ich habe die Wahrheit geschaut. Die Erkenntnis erhalten. Und dies ist mein Anteil, den ich freudig leiste.

Ich fürchte mich nicht. Mir kann nichts geschehen. Ich bin behütet und geborgen. Ich werde beschützt.

Und ich habe eine Aufgabe.

Licht der Wahrheit, erleuchte mich!

 

*

 

»Sei willkommen und Frieden mit dir, Zhdopandel«, schnarrte der Empfangsbeauftragte und verbeugte sich vorschriftsgemäß. »Del-moas Tormanac da Hozarius, es ist mir eine große Ehre, dich hier auf Travnor begrüßen zu dürfen, im Namen des Shekur Agh'tiga Mapoc da Akkat, Vorsitzender des Akkat-Konzerns und Oberhaupt der Akkat-Familie. Ich werde alles daransetzen, dass dein Aufenthalt zu deiner vollsten Zufriedenheit und aufs Angenehmste gestaltet wird. Für alle Wünsche und Fragen stehe ich persönlich zur Verfügung, Tag und Nacht, und ...«

»Ja, bestens«, unterbrach der hochgewachsene, auf Arkon I geborene Mann alten Adels. Er ließ den katzbuckelnden Bras'cooii einfach stehen, wer auch immer er sein mochte. Seinen Namen hatte er eingangs erwähnt, Tormanac hatte ihn aber schon wieder vergessen. Er ging weiter und deutete mit dem Daumen hinter sich. »Ghlesduul, mein Vertrauter. Er kümmert sich um die Einreiseformalitäten.«

»Aber ich bitte dich, Zhdopandel, diese sind bereits vollständig erledigt worden, noch bevor du das Schiff verlassen hattest. Wir wissen doch, wen wir vor uns haben.« Der Empfangsbeauftragte eilte dem zum Ausgang schreitenden Del-moas nach. Das umfangreiche Gepäck der beiden Reisenden schwebte auf einem automatischen Koffersammler hinterher. »Wenn ich dich und deinen Vertrauten«, er schielte kurz zu dem über drei Meter großen Naat, der sich freundlicherweise auf alle viere niedergelassen hatte, »nun zu deinem Hotel bringen dürfte ...«

»Hotel«, wiederholte Tormanac und klang nicht allzu erfreut. »Ich hatte da eher an etwas Privates gedacht, in der Nähe des Strandes ...«

»Aber gewiss doch, selbstverständlich, dies ist nur vorübergehend«, beeilte sich der Empfangsbeauftragte zu versichern. Er passte sich sofort den Gegebenheiten an und überlegte vermutlich insgeheim fieberhaft, wie er aus der Sache rauskam, wo er so schnell ein passendes Quartier auftreiben konnte und ob er es wagen durfte, deswegen den Shekur zu belästigen. »Für eine kurze Erholung und Erfrischung, bis alles bereit ist, denn ihr beide habt eine lange Reise hinter euch, und wir wollten alles perfekt präsentieren.«

»Dazu gehört in erster Linie, dass keine wie auch immer gearteten Medien um mich herumschwirren«, fuhr der Arkonide fort und deutete ungehalten auf eine Schar von Reportern, die sich an einem anderen Eingang versammelten und dort offenbar auf die Ankunft eines Stars warteten. Politiker wurden ganz bestimmt nicht so freudig empfangen.

Fünf Kamerasonden waren in der gesamten Empfangshalle unterwegs und filmten alles für den späteren Zusammenschnitt, um damit den Bericht aufzupeppen. »Ich bin nicht in offizieller Mission hier und möchte auch nicht zufällig auf irgendeinem Bild oder in einem Report festgehalten werden.«

»Ganz gewiss nicht, das ist ganz in unserem Sinne, selbstverständlich ...« Der Empfangsbeauftragte, Tormanac nannte ihn für sich »Essoya-yonki«, »Stinkwurz«, trippelte ein paar Schritte beiseite und flüsterte hektisch etwas in seinen Armbandkommunikator.

Gleich darauf marschierte eine Truppe Zollbeamter samt Sicherheitsrobotern auf, desaktivierte die Sonden mittels eines Sperrsignals und schob die wütend protestierende Reportermenge zu einem Seitenausgang hinaus.

»Da hast du es, immer diese Willkür.«

Tormanac warf einen kurzen Blick dorthin, von wo er die Stimme vernommen hatte, zwitschernd und so gar nicht passend zu dem klobigen und plumpen Wesen mit dem beweglichen Rüssel. Zwei Unither, die den Vorfall beobachteten und sich darüber aufregten. Ihre Rüssel wanden sich heftig, zogen sich zusammen und wieder auseinander.

»Du sagst es, Bruder, es wird immer schlimmer. Nicht mehr lange, und es trifft uns, du wirst sehen.«

»Das tut es doch bereits, hast du es nicht gehört? Die haben Werk 3 geschlossen und alle auf die Straße gesetzt, einfach so!«

»Das dürfen wir uns nicht gefallen lassen.«

»Nein, dürfen wir nicht.«

In diesem Augenblick kam jemand durch den Zugang zu den nationalen Sammeltaxis herein. Ein Artgenosse, auf den sich die beiden Unither heftig rüsselnd zubewegten.

»Endlich, Genosse!«

»Was für Neuigkeiten bringst du?«

»Seid gegrüßt, Genossen.«

Tormanac runzelte leicht die Stirn. Was ging denn da vor sich? Auf dieser abgeschiedenen Welt schien so manches im Umbruch zu sein.

Stinkwurz war inzwischen wieder bei ihm. Tormanac wandte sich ihm zu. »Übermittle Namen und Lage des Hotels und unsere Zimmernummer an meinen Begleiter.« Es war keine Bitte, sondern ein Befehl. Die devote Haltung des Unterprivilegierten ließ gar nichts anderes zu.

»Äh ... natürlich ...« Stinkwurz wunderte sich, aber es gehörte sicher nicht zu seinen Aufgaben, einem Vorgesetzten Fragen zu stellen.

»Ist dort etwas vorbereitet?«

»Ja, ein kleiner Empfang, bis eure endgültige Unterkunft fertiggestellt ist ...«

»Wo wird das sein?«

»Ich, äh, ich ...«

»Du arbeitest daran?«

Stinkwurz sank in sich zusammen. Er war kein besonders großer Arkonide, ein bisschen dickleibig, was er mit einer aufwendigen Robe zu kaschieren versuchte. Sein Gesicht war zudem geschminkt. Das hatte Tormanac schon auf anderen provinziellen Planeten ebenso wie am Hofe des Kristallpalasts erlebt und störte sich nicht daran. Er putzte sich zwar nicht heraus wie ein siranisischer Pfau, kleidete sich aber mit Stil und Eleganz. Schlichte Gewandung mochte sich gut bei einem Imperator machen, aber nicht bei dessen Berater, der sich selbst darstellen musste, um etwas darzustellen.

»Ja«, gestand der Empfangsbeauftragte zutiefst beschämt, ihm fiel nicht einmal mehr eine blumige Ausrede ein.

»Gut«, sagte Tormanac jedoch zu dessen Überraschung anstatt eines Tadels. »Wir bleiben gern inkognito. Sieh also zu, dass du dir Tarnnamen einfallen lässt, wenn du etwas für uns buchst. Ich könnte ein Handlungsreisender sein, der hier Urlaub machen will.«

»Genauer gesagt, ist dem auch so«, mischte sich Ghlesduul ein.

»Selbstverständlich«, stotterte Stinkwurz ganz und gar verständnislos. Aber es gehörte ebenso nicht zu seinen Aufgaben, sich über sonderbare Marotten der Gäste seines Arbeitgebers zu wundern.

»Ich habe die Daten«, meldete Ghlesduul.

»Sehr schön. Ich vermute, wir nehmen einen privaten Gleiter?«

 

*

 

»Wer ist das?«, fragte Vlck seine beiden Artgenossen Brcl und Stozi und deutete mit dem Rüssel in Richtung des hochgewachsenen Arkoniden, der mit seinem riesenhaften Begleiter im Gefolge des Empfangsbeauftragten – genannt »Puderquaste« – gerade eben zum privaten Gleiterhafen strebte.

»Touristen«, antwortete Brcl und schnalzte mit der aus seinem Rüssel ragenden Greifzunge.

»Ach, irgend so ein Händler«, behauptete Stozi zu wissen.

»Schauspieler!«, übertrumpfte Brcl.

Vlcks Gehörlappen flatterten. »Kurz gesagt: Ihr habt keine Ahnung.«

»Woher auch? Was geht uns das an?«

»Eine Menge«, trötete Vlck und schob den Rüssel zusammen. »Ich glaube nicht an Zufälle. Ein sicheres Gefühl sagt mir, dass wir durch die noch eine Menge Ärger wegen unserer Sache kriegen.«

»Sollen wir uns um sie kümmern?« Brcl und Stozi waren überaus praktisch veranlagt.

»Ich brauch erst mal ein Stoderbier«, erklärte Vlck und ging voran.

2.

Ein Knall und eine Kursänderung

 

Sie flogen auf das Hotel zu, einen prächtigen Bau im Altstadtbereich der Krone von Tecknoth, wie die Hauptstadt Travnors hieß. Tecknoth war die Krönung des Kontinents mit viel Fläche für wenig Einwohner, nur knapp eineinhalb Millionen. Breite Straßen mit schlichten, hauptsächlich aus Glas, Metall und Kunststoff bestehenden Gebäuden und nur wenigen Trichterbauten. Großzügige Grünanlagen dominierten das Bild, schon ein einziger Keru-Baum mit seinem gewaltigen Wipfel spendete einem ganzen Block Schatten. Darunter murmelten Bäche durch riesige Blumenrabatten, als Auflockerung dienten Springbrunnen und kleine Wasserfälle.

Rechter Hand, wies Stinkwurz stolz hin, befinde sich das ehemalige Hauptlandefeld des aufgegebenen Raumhafens und gleich daneben das Monument des Keruhmo-Vermächtnisses, mit uralten Ruinen und Riesenstatuen, die wahrscheinlich lemurischer Herkunft seien. »Unsere Hauptattraktion! Jährlich kommen etwa fünf Millionen Besucher, um sich dieses Freilandmuseum anzuschauen.«

Das Hotel selbst war nicht schwer auszumachen: Es fiel durch seine schlanke Höhe und die schmuckvoll und bunt verzierte Fassade völlig aus dem Rahmen. Zudem prangte an jeder Seite der funkelnde Holo-Schriftzug »Pitz-Varton Superior-Klasse«.

Eine Holo-Werbebotschaft, die automatisch in den Gleiter übermittelt wurde, zeigte verschiedene Ansichten des Hotels – großzügige Suiten mit eigenem Terrassengarten, Restaurants, Fitness- und Schönheitscenter, Konferenzräume, einen Einkaufsbazar und vieles mehr. Es sah durchaus ansprechend aus.

»Aber das Beste kommt noch«, behauptete Stinkwurz und deutete auf einen Dachgarten, der nun im Detail gezeigt wurde. Vier großzügige Schlafzimmer, drei Bäder, ein Swimmingpool, zwei Wohnräume, ein Essraum, auf der Terrasse ein Felsengarten mit Wasserfall, Auffangbecken, Flusslauf und Wald. »Das ist deine Suite, Zhdopandel.«

Tormanac musste zugeben, dass sie ihm gefiel. Sogar sehr, je mehr Details er erfuhr – eigene Küche mit Personal, Weinkeller, eigener Gleiterplatz, sogar ein Orchester stand zur Verfügung. Der Blick war sicher phänomenal. Vielleicht sollte er sich das mit dem Privathaus am Strand doch noch einmal überlegen, Intimsphäre hin oder her. Diese Hotelunterkunft hatte Stil. Vor allem, wenn man nicht selbst dafür aufkommen musste. Was er selbstverständlich nicht offiziell zugeben würde. Aber er war schließlich privat auf Travnor. Bei guten Freunden.

Nervös sah Stinkwurz ihn an. Tormanac war ein professioneller Täuscher, sein Gesicht verriet nichts, und er hätte schon einige Anmerkungen parat, die für den Empfangsbeauftragten ein vernichtendes Urteil bedeutet hätten. Aber er wollte mal nicht so sein. Der dicke kleine Mann war mit sich selbst geschlagen genug, und an diesem Tag hatte Tormanac gute Laune. Der Raumflug war angenehm gewesen in der Excelsior-Klasse – das Upgrade hatte sich als problemlos herausgestellt –, und die Suite gefiel ihm wirklich. Einer Änderung der Pläne stand demnach nichts entgegen.

Das wollte er gerade dem Empfangsbeauftragten mitteilen, als unten, genau bei der Dachsuite, ein gewaltiger Feuerball hochging, gefolgt von einer sich rasch aufblähenden schwarzen Wolke. Dann hörten sie den Knall. Die Gleitersicherung gab Alarm und änderte automatisch den Kurs.

Stinkwurz wurde unter seiner Schminke aschfahl. »A... aber ...«, stammelte er und sank dann heftig nach Luft schnappend in seinem Sitz zusammen.

»Ghlesduul«, sagte Tormanac, und der Naat, der bisher reichlich gekrümmt hatte dasitzen müssen, streckte seinen Vorderkörper nach vorn, schaltete mit wenigen Handgriffen die Automatik des Gleiters aus und übernahm die manuelle Kontrolle. Die schrillen Warnmeldungen, Hinweise und Strafandrohungen des Bordrechners ignorierte er.

Tormanac gab dem hyperventilierenden Stinkwurz derweil eine Ohrfeige, um ihn zur Besinnung zu bringen. »Reiß dich zusammen!«

»Wo soll ich hinfliegen?«, erkundigte sich der Naat.

Der Arkonide sah den Empfangsbeauftragten an. »Hattest du mittlerweile ein Ziel in Aussicht?«

»Im Prinzip ja, aber ...«

»Umso besser, wenn du noch keinen Kontakt aufgenommen hast. Sag Ghlesduul, wo er hinfliegen soll – übermittle es ihm nicht, weise ihm einfach den Weg. Den Rest erledigen wir vor Ort.«

»Aber ... aber ich muss ...«

Der ArmCom vibrierte, und Tormanac legte sofort eine Hand darauf.

»Du verschwindest jetzt erst mal von der Bildfläche. Oder hattest du unsere Ankunft im Hotel schon avisiert?«

»N... nein ...«

»Sehr gut, dann wissen sie nichts, und das soll auch vorerst so bleiben.«

Stinkwurz suchte nach einem Schnupftüchlein, seine Schminke floss davon. Er tupfte sich das Gesicht ab. »Was ist denn nur passiert ...?«, flüsterte er.

»Nichts Besonderes, wenn man so gut vorbereitet ist wie wir«, antwortete Tormanac. »Ghlesduul ist mein Leibwächter, und wir haben inzwischen Routine bei diesen Angelegenheiten. So etwas kommt vor.«

»... kommt vor?«

»Ein Anschlag, Mann! Ein Attentat. Ghlesduul hat von dir übermittelt bekommen, wohin wir fliegen. Er hat daraufhin einen automatischen Gleiter programmiert und simuliert, dass wir drin sitzen. Er ist vor uns abgeflogen. In dem Moment, da er aufgesetzt hat, hat es auch schon geknallt. Die haben sich also darauf eingerichtet, dass wir in einem Privatgleiter dort landen werden, und wollten auf Nummer sicher gehen – dich hätte es auch erwischt. Du solltest demnach in deinem Büro nach einem Verräter suchen.«

»Also, das ...« Stinkwurz ließ den Arm sinken und steckte das Tuch ein. »Das werde ich«, sagte er mit ernster Stimme. Und dann rutschte ihm heraus: »Verdammt noch mal!«

Er warf einen Blick zu dem Naat, dessen Körper fast von einem zum anderen Ende der Kanzel reichte. Zum ersten Mal schien der Travnorer ihn bewusst wahrzunehmen. »Wie hat er das gemacht?«

»Ich trage einen tollen Anzug«, antwortete der Riese. »Mehr Computer als Anzug, um genau zu sein. Sehr fein ausgefeilte Technik. Hat nicht jeder. Einzelstück. Zum Teil selbst entwickelt.«

»Ah ja. Übrigens, da vorn bei dem Orientierungsholo müssen wir links abbiegen. Und dann immer aufs Meer zu. Ich glaube, ich weiß jetzt, wo ich euch unterbringe. Es ist natürlich nicht allzu luxuriös, aber schön abgeschieden.«

»Das ist gut. Das gefällt mir«, behauptete Tormanac. »Gibt es da einen guten Landepunkt?«

»Selbstverständlich.« Stinkwurz klang fast empört. »So rückständig sind wir nun auch wieder nicht!«

»Wie lange fliegt man von der Stadt von, sagen wir, einem Amüsierviertel aus?«

»Oh, nicht lange, vielleicht etwas mehr als eine Tonta auf direktem Wege und ohne Geschwindigkeitsbegrenzung außerhalb der Stadt. Du wirst es gleich feststellen.«

Das klang nicht schlecht. Abgeschiedenheit, aber in Nachbarschaft von städtischer Unterhaltung. Keine Langeweile. Sehr gut.

 

*

 

Bald darauf erreichten sie ein schneeweißes, wie ein Wellengang gebautes Haus in einer Meeresbucht, unterhalb einer Steilküste, nur wenige Schritte von einem goldfarbenen, feinkörnigen Sandstrand entfernt. Am Ende des rechten Bogens, fast gegenüber, erhob sich im feinen Dunst ein mächtiger weißer Blütenkelch.

»Der Khasurn der Akkat«, sagte Stinkwurz. »Aber nur ein kleiner, es ist ein privater Landsitz, den die engste Familie gern zur Erholung aufsucht.«

»Schön, dass man ihn von hier aus so gut sehen kann«, stellte Tormanac fest. Es war mindestens eine Stunde kräftigen Fußmarsches dorthin, und das Bauwerk sah so hoch aus wie das Hotel – und dabei befand es sich viel weiter weg.

»Dieses Haus hier ist übrigens ein Strandhaus des Shekurs, das Mapoc ab und zu nutzt für ... äh ...« Der Empfangsbeauftragte errötete unter seiner verlaufenen Schminke, als er merkte, dass er zu viel gesagt hatte.

»Du weißt schon«, murmelte er. »Äh, ich habe einen Schlüssel und bin sicher, er hat nichts dagegen. Es ist natürlich sehr bescheiden und nichts im Vergleich zu der Suite, aber die existiert ja leider nicht mehr.«

Der Gleiter landete, die Kanzel öffnete sich, und Tormanac sprang leichtfüßig hinaus. Stinkwurz brauchte bedeutend länger, noch länger aber der Naat: Diese Gefährte waren eindeutig nicht für einen tonnenschweren Riesen mit stämmigen Gliedmaßen gebaut.

»Hier könnte es mir gefallen«, stellte Tormanac fest. Er mochte diese Welt.

Sie verfügte über mächtige Industriezentren auf den vier Kontinenten, von denen Pervron der kleinste war, dann folgten Kalamdayon und Mersiboor, und als größter – wirklich sehr großer – Tecknoth, wo er sich aufhielt. Aber außerhalb dieser Zentren lag eine naturbelassene Welt, die neben der Industrie vor allem zahlungskräftige Touristen anlockte, die dringend einen Erholungsurlaub an der frischen Luft in paradiesischer Umgebung brauchten, mit Abwechslung durch ein bisschen Kultur und vor allem Nachtleben.

Die Krone von Tecknoth war an der westlichen Spitze der nördlichen Halbinsel angesiedelt, der »private Khasurn« der Akkat am nördlichsten Punkt des Kontinents. Von der Stadt aus konnte man fast nach Kalamdayon »hinüberspucken«.

»Der beste Ort, um Urlaub zu machen.« Tormanac folgte dem Empfangsbeauftragten, der sich gerade mit einem Zugangschip und einem Kodesignal beschäftigte. Die mit Intarsien verzierte Eingangstür glitt lautlos zur Seite, und der Arkonide betrat mit seinem Begleiter die »bescheidene Strandhütte«.

Er konnte nicht bestätigen, dass große Unterschiede zu der Suite bestanden, abgesehen vom fehlenden Personal und Orchester. Das Haus hatte jede Menge Schlafzimmer, die über eine Galerie betreten wurden, und das Erdgeschoss bestand praktisch aus nahezu einem einzigen Raum mit geschmackvoller Einrichtung, unglaublich gemütlich aussehenden Sitzmöbeln, einer ganzen Fensterwand zum Meer, Terrasse, Liegeplätzen, Palmbäumen ...

»Hier ist alles vollautomatisch, damit niemand stört«, setzte Stinkwurz seine Erklärung fort. »Küche, Einkaufsdienst, Service ...«

»Was sagst du dazu?«, fragte Tormanac seinen Begleiter.

»Ja, annehmbar«, antwortete der. »Abgesehen von der viel zu geringen Schwerkraft, die nicht den erforderlichen 2,8 Gravos entspricht, den fehlenden Sandorkanen, und nachts gibt es bestimmt keine Minusgrade.«

Der Empfangsbeauftragte blinzelte irritiert. Ghlesduul verzog seinen dünnlippigen Mund zu einem dämonischen Grinsen, das ein gelbliches Gebiss mit ausgeprägten Fangzähnen entblößte sowie eine blauschwarze Zunge, die darüberfuhr.

Naats waren sehr große, plump aussehende Wesen mit kurzen Säulenbeinen, überlangen Armen, einem Kugelkopf, der direkt auf dem Rumpf saß, und haarloser, schwarzbrauner, lederartiger Haut. Von Anmut oder Eleganz waren sie weit entfernt, und durch ihre schwerfällige, teils grotesk aussehende Fortbewegung machten sie einen eher tumben Eindruck. Sie hatten drei Augen, die Nase jedoch bestand nur aus zwei winzigen, schnell verschließbaren Hautlappen, die wie die knorpelartigen Ohren zugeklappt werden konnten.

Auf Naat gab es häufig heftige Sandstürme. Ein einziger solcher Sturm auf Travnor, und nichts würde mehr stehen. Die Bewohner der extremen Welt waren gut angepasst, und das mochten manche Arkoniden zwar anerkennen, aber das änderte nichts daran, dass ihr Sinn für Ästhetik beim Anblick eines Naats beleidigt wurde.

Dass ein Naat bei so wenig Harmonie des Äußeren Humor und überdies einen scharfen Verstand haben könnte, wäre für viele Arkoniden ausgeschlossen. Es passte einfach nicht zusammen: ein feinsinniger Geist in einem klotzigen Körper.

»Wir sollten jetzt den Shekur in Kenntnis setzen, dass wir wohlbehalten angekommen sind«, schlug Tormanac vor.