cover.jpg

img1.jpg

 

Nr. 1224

 

Rückkehr in den Frostrubin

 

Die Manifestation des Psychofrosts – der Eisige erscheint

 

von Thomas Ziegler

 

img2.jpg

 

Der Kampf um die Kommandogewalt über die Endlose Armada ist im Sommer 428 NGZ längst zugunsten Perry Rhodans entschieden. Und Kazzenkatt, der Lenker des Dekalogs, hat bei seinen Angriffen auf die Endlose Armada und auf verschiedene Chronofossilien, die er zu pervertieren versuchte, nach anfänglichen Erfolgen eine ganze Reihe schwerer Niederlagen einstecken müssen.

Ja, es kommt sogar dazu, dass zwei der drei Basen des Dekalogs, nämlich BRÜTER und VERSTÄRKER, in die Gewalt der Gegenseite geraten und für Kazzenkatts künftige Operationen somit nur noch die Basis LAGER verbleibt.

Derartig in seiner Macht geschwächt, ist es dem Element der Lenkung auch nicht möglich, das wichtige Chronofossil Hundertsonnenwelt länger zu halten. Vielmehr muss Kazzenkatt sich mit dem Rest seiner Streitkräfte überstürzt zurückziehen und den Planeten wieder den Posbis überlassen.

Während die Endlose Armada nun die Milchstraße anzusteuern beginnt, verschwindet Perry Rhodan zusammen mit Taurec, dem Kosmokraten, um eine wichtige Mission zu erfüllen.

Diese Aufgabe erfordert die RÜCKKEHR IN DEN FROSTRUBIN ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Perry Rhodan und Taurec – Der Terraner und der Kosmokrat suchen den Frostrubin auf.

Krohn Meysenhart – Ein terranischer Kommunikationsspezialist.

Tardus Zanc, Rarp, Wonnejunge, Ravael Dong und Ce-2222 – Mitglieder von Meysenharts Televisions-Team.

Julian Tifflor – Der Erste Terraner muss um sein Leben kämpfen.

1.

 

Seit einer Stunde fiel Kohlenwasserstoffregen vom Himmel und verwandelte die gelbbraune Landschaft in einen brodelnden Sumpf. Es war Nacht auf Titan, dem größten Mond des Saturn. Dunst trübte die kalte Stickstoff-Methan-Atmosphäre und verdichtete sich oben am Himmel zu rötlichen Wolkenbänken. Nur hin und wieder rissen die Wolken auf, und auf dem schwarzen Grund des Weltraums glitzerten Sterne wie Diamantensplitter auf Samt.

Krohn Meysenhart blieb stehen und warf einen Blick auf das Display-Armband.

Minus 160° Celsius.

Er stand bis zu den Knien im zähflüssigen, teerartigen Kohlenwasserstoff, der sich in den Mulden und Spalten des Bodens sammelte und vom Wind gepeitscht in Richtung Horizont strudelte. Hier und dort – wie Schorf auf schwarzer Haut – bildeten sich helle Flecke aus Methankristallen. Die Temperatur fiel rapide. Binnen einer knappen Minute lag sie bei minus 186° Celsius.

Meysenhart ging weiter. Bei jedem Schritt gab der Kohlenwasserstoffschlamm schmatzende Laute von sich. Sturmwind heulte, und dunkel rauschte der Teerregen.

In Meysenharts Helmempfänger knackte es.

»Hübsche Naturaufnahmen«, sagte Tardus Zanc, der oben im Orbit, in der Stille des luftleeren interplanetaren Raums, den Saturnmond beobachtete. »Aber es wird allmählich Zeit für action

Unwillkürlich hob Meysenhart den Kopf und sah zum wolkenverhangenen Himmel hinauf. Irgendwo hinter den rötlichen Dampfballungen hing der Medientender KISCH in einem stationären Orbit und empfing die Ton- und Bildsignale, die Meysenharts Kommunikationsmontur per Hyperfunk in den Raum sendete. Wie eine Dornenkrone umgab ein Kameraring Meysenharts Helm und lieferte ein gestochen scharfes holografisches Rundum-Panorama der Titanlandschaft. Multifrequenzobjektive – fähig, infrarotes und ultraviolettes Licht aufzunehmen und in Falschfarbenbilder umzusetzen – sorgten für milde psychedelische Effekte. Eine Reihe hochempfindlicher Richtmikrofone horchten den Regen und den Wind aus, und der biopositronische Multivisionscomputer der KISCH mischte Bild und Ton zu einem perfekten Trivideo-Spaziergang.

Alles für die satten Bürger der Erde, dachte Meysenhart mürrisch.

»Warum antwortest du nicht?«, fragte Tardus Zanc.

Die Stimme des unithischen Trivideo-Technikers klang nervös. Vor Meysenharts geistigem Auge tauchte ein Bild des Unithers auf: Ein grauhäutiger Koloss mit großen, melancholischen Augen hinter einem orgelähnlichen Kontrollpult, über das hektische bunte Lichter tanzten. Und zum Tanz der Photonen wirbelte Zancs Mundrüssel hin und her, wie eine fette Schlange, die in einen Bottich voller Vurguzz gefallen war.

Meysenhart kicherte.

»Titan scheint eine erheiternde Wirkung auf dich zu haben«, bemerkte Tardus Zanc. »Ein Glück, dass das hier keine Live-Sendung ist. Die Videonarren würden uns ganze Containerladungen voller Beschwerdebriefe telefaxen.«

»Ich nehme grundsätzlich keine Beschwerden entgegen«, erklärte Meysenhart. »Beschwerden machen mich krank.«

»Und mich macht es krank, auf eine vernünftige Frage keine vernünftige Antwort zu bekommen.« Zanc schwieg einen Moment. »Wo steckt eigentlich unser genialer Medieninterpret Wonnejunge? Er war schon seit Stunden nicht mehr im Bild.«

Meysenhart blickte sich um und versuchte, den Dunst zu durchdringen. Mit einem Knurrlaut griff er an die Gürtelkontrollen und aktivierte den Helmmonitor. Die Innenseite der Helmscheibe verwandelte sich in einen Bildschirm. Der Dunst zerriss. Gestochen scharf lag die giftige, lebensfeindliche Oberfläche des Saturnmondes vor ihm: Gelbbrauner Sumpf mit schwarzen Schlieren und grauweißen Maserungen, die brodelnden Teerseen und in der Ferne, am zerklüfteten Horizont, die Festung.

Die Stahlfestung.

»Grandios«, sagte Zanc. »Aber ... verdammt, wo bleibt der Kommentar? Wonnejunge!«

Meysenhart seufzte. Wahrscheinlich war er in einer der Kohlenwasserstoffpfützen ertrunken.

»So wartet doch«, erklang im nächsten Moment Wonnejunges jammernde Stimme. »Ich bin nicht so schnell, ich bin doch nicht so flink.«

»Der Kommentar, Wonnejunge«, sagte Zanc. »Die Sternenpest soll dich holen, wenn ich nicht sofort ein paar dramatische Worte von dir höre!«

Aus dem Teerregen schälte sich Wonnejunges Fladengestalt. Sein Raumanzug war durchsichtig und gestattete den Blick auf weißes Protoplasma, ein Dutzend Stielaugen und ebensoviel Pseudopodien und Stummelbeine. Der Matten-Willy gestikulierte und stürzte in einen teergefüllten Spalt.

Ein schriller Entsetzensschrei drang aus Meysenharts Minikom.

Krohn Meysenhart seufzte.

Es war ein Fehler, diesen verrückten Matten-Willy mitzunehmen, dachte er. Wonnejunge ist nicht für eine Welt wie Titan geschaffen. In der Tiefkühltruhe der Mondatmosphäre ist sein letzter Rest Verstand erfroren, und alles, was bleibt, ist der instinktive Reflex, sich für diese Schmach zu rächen. Und da Felsen, Sumpf und Gas gegen Rache immun sind, werde ich zur Zielscheibe seiner Rachegelüste. Es ist schrecklich, dachte Meysenhart.

Wonnejunge tauchte wieder auf, paddelte mit seinen Pseudopodien und erreichte halbwegs festen Grund. Der zähe Teer tropfte in dunklen Tränen von seinem Raumanzug.

»In Ordnung«, krähte der Matten-Willy. »Ich bin bereit.«

»Tatsächlich?«, sagte Zanc. Der Unither gab ein Trompetenräuspern von sich. »Schön, Krohn? Noch einmal von vorn, bitte!«

Meysenhart zuckte resigniert die Schultern, hantierte an den Gürtelkontrollen, verringerte das Auflösungsvermögen des Kamerarings, bis die Stahlfestung im Dunst verschwand, und ließ sie dann langsam wieder aus den Methanschwaden erscheinen.

»Die Stahlfestung«, intonierte Wonnejunge mit plötzlich veränderter Stimme. Es war ein vibrierender Bass, dunkel und unheilverkündend wie die Mondnacht. »Das gigantische, düstere Grab des Überschweren, der einst das mächtigste Wesen der Galaxis Milchstraße war. In einem Block aus purem PEW-Metall liegt dort sein Bewusstsein begraben und belauert augenlos und zornerfüllt die Welt der Lebenden, die für ihn unerreichbar ist ...«

»Ausgezeichnet«, lobte Tardus Zanc aus dem Orbit. »Ich schätze, das genügt. Und jetzt zur Festung. Wir brauchen ein paar Nahaufnahmen, bevor ihr Leticrons Grabkammer betretet.«

»Ihr könnt sagen, was ihr wollt, aber mir gefällt diese Sache nicht«, zeterte Wonnejunge. »Dieses Interview mit einem Toten ist in meinen Augen ein gigantischer Betrug. Alles, was nicht live gesendet wird, ist in meinen Augen ein Betrug.«

»Immerhin bringt uns dieser Auftrag ein Megagalax ein«, knurrte Krohn Meysenhart. »Irgendwie müssen wir ja die Leasingrate für die KISCH bezahlen. Und wenn die Reportage Trans-Terra-TV so gefällt, wie ich mir das vorstelle, haben wir für den Rest des Jahres ausgesorgt.«

Er ging weiter, durch den Teerregen, gegen den Wind. Wie ein Berg überragte die Stahlfestung die Sumpflandschaft. Das monströse Bauwerk bedeckte eine Fläche von mehr als einhundert Quadratkilometern. Ein flimmernder Prallschirm schützte die Wälle vor der giftigen Titanatmosphäre, dem Regen, der Kälte und dem Sturmwind, der die Kohlenwasserstofftropfen in dichten Schleiern vor sich her trieb.

»Das ist keine Reportage, sondern ein Film«, zeterte Wonnejunge. »Es verstößt gegen mein Berufsethos, den Kommentar für einen Film zu liefern.«

»Du kannst ja kündigen«, meldete sich Zanc. »Du bist ohnehin unser größter Unkostenfaktor.«

Meysenhart sah zu Wonnejunge zurück. Die Stielaugen des Matten-Willys wanden sich wie nervöse Blindschleichen.

Ja, dachte Meysenhart. Blindschleichen – das ist das richtige Wort. Trotz seiner zwölf Augen ist Wonnejunge blind wie ein Stein, weil die Dinge, die er sieht, irgendwo auf dem Weg über die Nervenbahnen verlorengehen und nicht sein gefrorenes Gehirn erreichen. Und derart geblendet schleicht er durch die Welt der Sehenden. Aber das Schlimmste ist: Der Verlust aller optischen Eindrücke ist ihm nicht einmal bewusst. Im Gegenteil: Er lebt in dem süßen Wahn, klar und scharf zu sehen, klarer und schärfer als alle anderen intelligenten Geschöpfe des Universums, und keine Macht der Welt kann ihn von dieser Wahnvorstellung heilen.

Großartig, sagte sich Krohn Meysenhart. Der zweitbeste Interstar-Kommunikationsspezialist der Milchstraße, der -zigfach preisgekrönte Medieninterpret Wonnejunge ist nichts weiter als eine verdammte Blindschleiche.

»Oje, ojemine«, brabbelte Wonnejunge. »Ich hätte auf der Hundertsonnenwelt bleiben sollen. Wir alle hätten auf der Hundertsonnenwelt bleiben sollen. Womit habe ich diese Behandlung nur verdient?«

»Wenn du dich nicht etwas beeilst«, sagte Meysenhart mit mühsam erzwungener Ruhe, »wirst du überhaupt nichts verdienen. Nicht ein einziges müdes Galax. Bei allen Raumteufeln, komm endlich!«

»Aber ich kann nicht«, schrillte der Matten-Willy. »Ich ertrinke in dieser schwarzen Teersuppe!«

»Vielleicht solltest du dein Flugaggregat benutzen«, schlug Zanc freundlich vor. »Ich gehe jede Wette ein, dass das hilft.«

»Oh«, machte der Matten-Willy.

Sekunden später hob er sich aus dem Sumpf und schwebte in Richtung Stahlfestung. Meysenhart aktivierte den Gravo-Pak seines eigenen Anzugs und folgte dem Matten-Willy.

Der Kohlenwasserstoffregen wurde dichter. Wo die Teertropfen auftrafen, spritzten Schlammfontänen hoch, und bald verwandelten sich die Regentropfen in nussgroße Hagelkörner. Die Temperatur fiel weiter. Meysenhart und Wonnejunge überflogen einen schmutziggelben Felsgrat, der wie der Kamm eines versunkenen Drachen aus dem Schlamm ragte.

Die Festung wurde größer.

»Wundervoll«, lobte Zanc, der auf seinen Kontrollmonitoren die Bilder überwachte, die Meysenharts Kommunikationsmontur lieferte. »Wonnejunge, ich brauche noch einen Kommentar.«

Erneut verwandelte sich die schrille, enervierende Stimme des Matten-Willys in einen Bass.

»Die Festung«, sagte der Medieninterpret. »Ein Koloss, ein stählernes Ungeheuer, das hungrig die sturmgepeitschte Ebene belauert, unbeeindruckt von der Kälte und der giftigen Atmosphäre, ein Schattenriss am nächtlichen Horizont. Vor einem halben Jahrtausend im Auftrag Leticrons erbaut, des Ersten Hetrans der Milchstraße von der Laren Gnaden, atmet sie noch immer den Geist der larischen Schreckensherrschaft aus. Und wenn man still ist – und wenn man lauscht – dann kann man das Stampfen der eisernen Hufe hören, die einst den Hof der Säulen im Herzen der Festung erschüttert haben. Das Echo der gnadenlosen Turniere, die die Überschweren im Schutz der mächtigen Mauern und Bastionen auf ihren Roboterpferden ausgetragen haben. Barbarische Rituale – barbarisch wie vieles, was mit den SVE-Raumschiffen des Konzils der Sieben in die Milchstraße kam. Und hinter den stählernen Wällen der Festung, eingesperrt in kaltem Metall, haust Leticron als ruheloser Geist und verflucht in dumpfem Zorn das Schicksal, das ihn so schrecklich gestraft hat – für Taten gestraft, die gleichermaßen schrecklich waren ...«

Und als Wonnejunge schwieg, dachte Krohn Meysenhart. Ich komme, Leticron. Ich, der interstellare Kommunikationsspezialist, der galaktische Nachrichtenmann Nummer Eins, der letzte aus der Zunft der rasenden Reporter, bin auf dem Weg zu deinem stählernen Grab. Und ich werde dir Fragen stellen, und du wirst mir Antworten geben. Antworten, die die satten, trägen Bürger der Erde aus ihrer selbstzufriedenen Lethargie reißen werden. Interview mit einem Toten. Du wirst mich reich machen, Leticron, mich und diesen verquasten Matten-Willy und die nicht minder verquaste Crew der KISCH ...

Von einem Moment zum anderen ließ der Regen nach. Der Kohlenwasserstoffdunst, der sich unter Einwirkung von Sonnenlicht aus dem Methangas der Titanatmosphäre gebildet hatte, verflüchtigte sich, und der Himmel riss auf. Sterne, durch Lufttrübungen verzerrt, flimmerten am Firmament. Ihr unstetes Licht brach sich an den Zinnen der Stahlfestung, und jedes Mal, wenn eine Kohlenwasserstoffwolke vom Horizont herandriftete, wechselte die fahle Helligkeit und schuf Schatten, die den Festungswällen einen Anschein von Leben verliehen.

»Großartig!«, bemerkte Tardus Zanc. »Was für Bilder!«

Unaufgefordert setzte Wonnejunge seinen Kommentar fort: »Selbst jetzt, vierhundertfünfzig Jahre nach Leticrons körperlichem Tod, verströmt die Titanfestung eine stumme Drohung. Es ist, als ob im nächsten Moment die klobigen Gestalten der Überschweren auf ihren eisernen Pferden durch das große Tor galoppieren werden, um jeden zu vertreiben, der es wagt, in ihr Gespensterreich einzudringen ...«

»Kosmisch«, sagte Zanc.

Hinter dem kantigen Koloss der Festung ging der Saturn auf.

Zuerst war es nur ein dünner Streifen, der aus dem Nichts über den Zinnen entstand: Der Ring des fünften solaren Planeten, vereiste Steinbrocken, teils klein wie Kiesel, teils groß wie Findlinge, vorübergehend von rötlichen Wolkenfetzen verborgen, um dann neu und strahlend höher zu klettern. Und dem System aus Hunderten einzelnen Ringen, die an die Rillen einer kosmischen LP erinnerten, an den beiden hellsten Stellen vom schwarzen Nichts der Cassini-Teilung getrennt, diesem phantastischen Gebilde folgte mit majestätischer Trägheit die aufgedunsene Wasserstoff-Helium-Kugel des Saturn.

Gewaltige Stürme, bis zu 1600 Kilometer pro Stunde schnell, wühlten die eisige Atmosphäre auf. Westwärts rasten die Orkane, immer westwärts, wie seit Jahrmillionen. Gelb und Braun, von blassblauen und hellroten Flecken bedeckt – Flecke groß wie ein irdischer Kontinent – bot sich der Herr der Ringe dem Auge dar. Saturn war ein Gigant mit einem Durchmesser von rund 120.000 Kilometern. Anderthalb Milliarden Kilometer von der Erde entfernt, rotierte er rasend schnell – in etwas mehr als zehn Stunden – um seine Achse, als hätten ihn die Stürme in Drehung versetzt, ohne ihn jemals aus ihrem Griff zu entlassen. Saturn war ein Planet der Extreme; die äußere Atmosphäreschicht war ein kosmisches Kühlhaus mit Temperaturen von minus 170° Celsius, während der planetare Kern bis zu 15.000° Celsius heiß war und unter einem Druck von 50 Millionen Bar stöhnte.

Und Leticrons Stahlfestung, soeben noch übermächtig in ihrem Riesenwuchs, schrumpfte nun zu einem Spielzeug. Doch mit jedem Meter, dem sich Meysenhart und Wonnejunge der Festung näherten, relativierte sich dieser Eindruck. Saturn wurde kleiner und die Wälle wuchsen und wuchsen, und dann landete Meysenhart am Fuß der hohen Mauer, und ihr Schatten umarmte ihn, ihr Schatten verbarg den Ringplaneten, sperrte den Himmel und die Sterne aus.

Wonnejunge sank einige Meter weiter zu Boden, verknotete unruhig die Stielaugen, blickte an dem Stahlwall hinauf, zu den Zinnen, von Finsternis verhüllt, und dann duckte er sich, als fürchtete er, von dem metallenen Ungeheuer entdeckt und verschlungen zu werden.

»Und jetzt?«, fragte Wonnejunge schrill. »Was machen wir jetzt?«

»Tardus?«, sagte Meysenhart in das Helmmikrofon.

»Ein wenig Geduld«, antwortete der unithische Trivideo-Techniker. »Ich habe mit dem Direktor des Stahlfestungsmuseum gesprochen. Man wird in ein paar Sekunden eine Strukturlücke im Prallschirm erzeugen.«

Der Terraner und der Matten-Willy warteten schweigend. Währenddessen stieg der Saturn höher und höher, als wollte er den ganzen Himmel ausfüllen. Von Osten trieben neue Kohlenwasserstoffwolken heran; blutige Nebelbänke, die aus dieser Perspektive dicht über der lebensfeindlichen Sumpflandschaft zu hängen schienen. Es wurde wärmer. Auf den Teerteichen verdampfte die dünne Methaneisschicht.

Das Kraftfeld flackerte.

Direkt vor Meysenhart entstand ein Riss, wurde breiter und wölbte sich zu einer energetischen Schleusenkammer, die verhindern sollte, dass sich Titans Stickstoff-Methan-Atmosphäre mit der erdähnlichen Luft jenseits des Prallschirms vermischte.

Als sie die Schleusenkammer hinter sich gelassen hatten, öffnete sich ein Schott in der Festungsmauer. Gedämpftes Licht fiel heraus. Die Umrisse einer menschlichen Gestalt zeichneten sich gegen das helle Oval des Eingangs ab.

»Willkommen im Grabmal des Überschweren«, sagte die Gestalt. »Willkommen im stählernen Mausoleum.«

Meysenhart unterdrückte ein Kichern und fokussierte die Stirnkamera auf die Gestalt.

Sie war groß und dünn, gespenstisch blass, haarlos, mit runzligem Gesicht. Die charakteristische Eiform des Schädels verriet, dass es sich bei ihr um einen Ara handelte.