Inhaltsverzeichnis

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kommentar

Leserkontaktseite

Glossar

Risszeichnung Mondsicheljäger der Oraccameo

Impressum

PERRY RHODAN - Die Serie

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Nr. 2683

 

Galaxis im Chaos

 

Perry Rhodan in Escalian – auf der Spur von QIN SHI

 

Uwe Anton

 

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Wir schreiben das Jahr 1469 Neuer Galaktischer Zeitrechnung (NGZ) – das entspricht dem Jahr 5056 christlicher Zeitrechnung. Auf eine bislang ungeklärte Art und Weise verschwand das Solsystem mit seinen Planeten sowie allen Bewohnern aus dem bekannten Universum.

Die Heimat der Menschheit wurde in ein eigenes kleines Universum transferiert, wo die Terraner auf seltsame Nachbarn treffen. Die Lage spitzt sich zu, als die Planeten von fremden Raumfahrern besetzt und die Sonne Sol »verhüllt« wird. Seither kämpft die solare Menschheit um ihr Überleben.

Von all diesen Entwicklungen weiß Perry Rhodan nichts. Auch ihn hat es in einen fremden Kosmos verschlagen: Mit dem gewaltigen Raumschiff BASIS gelangt er in die Doppelgalaxis Chanda, wo die negative Superintelligenz QIN SHI regiert. Nicht zuletzt durch die Aktivitäten des unsterblichen Terraners kann die Galaxis allerdings befreit werden. Doch QIN SHI ist längst ins Reich der Harmonie eingedrungen. Sofort versinkt diese GALAXIS IM CHAOS ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Perry Rhodan – Der Terraner gelangt nach Escalian.

Craton Yukk – Der Heerführer muss sich mit den neuen Verhältnissen abfinden.

Alaska Saedelaere – Der Maskenträger begegnet einem scheinbaren Verbündeten von Kopters Horst wieder.

Eroin Blitzer – Der Zwergandroide ist für vieles unempfänglich.

1.

Dunkelheit

 

Der Anzug wisperte vage und unverständlich in der Dunkelheit.

Perry Rhodan verstand nicht, was er sagte. Vielleicht empfand er das Flüstern deshalb umso bedrückender oder bedrohlicher. War es ein Flehen um Hilfe? Eine Warnung? Oder gar der Ausdruck von Furcht?

Begriff selbst der Anzug der Universen nicht, was gerade geschah? Wenn es jemand richtig einordnen müsste, dann doch er. Nicht jemand wie Rhodan: ein bloßer Mensch.

Trübes Licht breitete sich aus, erlosch wieder, drang erneut aus verborgenen Quellen. Diesmal hatte es Bestand, tauchte die Zentrale von MIKRU-JON in einen trügerischen, dämmrigen roten Schein.

Die Notbeleuchtung.

Gut, dachte Rhodan.

Das Licht beruhigte ihn, gab ihm neue Zuversicht. Zumindest die Notstromversorgung funktionierte. Sie fiel zwar immer wieder aus, setzte aber auch jedes Mal wieder ein. Das gab Anlass zur Hoffnung für das Schiff, war ein letzter Rest von Normalität. Wenn die Notbeleuchtung nicht mehr ansprang, war das Ende nicht mehr weit.

Aber was war normal in der Anomalie?

In der Anomalie, die in diesem Augenblick wohl endgültig zusammenbrach. Nur dass dieser kritische Moment sich unerklärlich in die Länge zog.

Rhodan kniff die Augen zusammen, sah Gucky in seinem Sessel. Der Ilt hielt die Augen geschlossen, konzentrierte sich.

Er espert, dachte Rhodan. Der Ilt lauschte mit seinen Parasinnen, tastete hinaus in das Nichts, das sie umgab, versuchte, dort etwas zu finden.

QIN SHI.

Er tastete nach der parasitären Superintelligenz, um sie rechtzeitig wahrzunehmen und sich vor ihr abschirmen zu können. Eine weitere Begegnung mit ihr würde er wohl nicht so einfach wegstecken.

Aber nach allem, was sie wussten, war die Superintelligenz nicht mehr in der Nähe. Sie hatte die Anomalie verlassen, vor wenigen Sekunden oder einer Ewigkeit.

Im Augenblick spielte das keine Rolle.

Rhodans Blick glitt zu Mondra Diamond. Sie hatte den linken Arm vors Gesicht gehoben, sprach in das Multifunktionsarmband an ihrem Gelenk. »Sechster Januar 1470 NGZ, 5.21 Uhr Terrania-Standardzeit ...« Mehr konnte er nicht verstehen.

Mondra, dachte er. Die Frau, die er liebte. Die ihm vertraut hatte und deren Vertrauen er nun vielleicht enttäuschen würde, falls sie starben. Sie versuchte festzuhalten, was geschah, ihre subjektiven Eindrücke minutiös für eine spätere Auswertung aufzuzeichnen.

Ein sinnloses Unterfangen. Hatte die Zeit überhaupt eine Bedeutung? Wahrscheinlich verging sie an diesem Ort außerhalb aller Normalität schneller oder langsamer als im Standarduniversum. Da konnten Mondras Beobachtungen allerdings tatsächlich einmal sehr wertvoll sein ... falls sie überlebten.

»Ich habe eine Ortung!«, hörte Rhodan eine Stimme. Sie kam ihm fremd vor, klang gedehnt und verzerrt. Er brauchte eine Weile, bis er begriff, dass er Nemo Partijan hörte, den Hyperphysiker, der als führend in der Quintadim-Topologie galt.

Verstand der Wissenschaftler, was zurzeit vor sich ging? Geniale Züge konnte man ihm nicht absprechen. Aber reichten sie auch aus, um später mit Erklärungen aufzuwarten?

»Geht das etwas genauer?«, fragte Rhodan. Auch die eigene Stimme kam ihm fremd vor, um eine Oktave zu tief.

»Gerade haben draußen noch gewaltige Energiemengen getobt, doch jetzt ist es still.« Partijan sah zu Rhodan und zuckte die Achseln. »Das energetische Chaos hat sich beruhigt. Da draußen ist ...« Der Hyperphysiker verstummte, sah auf das Terminal, über das er sich beugte, schüttelte ungläubig den Kopf. »Da ist nichts mehr. Gar nichts.«

»Was soll das heißen ... gar nichts?« Rhodan sah sich nach Mikru um, dem Avatar von MIKRU-JON, konnte sie jedoch nirgendwo in der Zentrale ausmachen. Offensichtlich verfügte das Schiff nicht über genug Energie, um sie auch noch zu manifestieren.

»So, wie ich es sage. Die Anomalie bricht in diesem Augenblick zusammen. Nur dass dieser Augenblick schon seit einiger Zeit Bestand hat. Es hat funktioniert, Perry! Das Multiversum-Okular hält die Anomalie aufrecht. Besser gesagt: den Zustand, der sie erzeugt ...«

Das war ihr Plan gewesen. Niemand hatte sagen können, ob er gelingen würde, auch Raphael nicht, der neue Kommandant des Multiversum-Okulars.

Sie waren QIN SHI in die Anomalie gefolgt, die nach Escalian führen sollte. Ennerhahls modifizierte Lichtzelle, in die MIKRU-JON eingeschleust hatte, und die anderen Beiboote der BASIS, die den Untergang des Schiffes überstanden hatten, hatten an die BASIS-Versorgungseinheit angekoppelt. Überraschend war das eigentliche Multiversum-Okular hinzugekommen, eine riesige Kugel von 12,6 Kilometern Durchmesser. Rhodan hatte mit Raphael gesprochen, und das Geschöpf aus Formenergie hatte eingewilligt, ein Feld zu erzeugen, das die Bedingungen der Anomalie nachahmte.

Oder es zumindest zu versuchen.

Offensichtlich war es Raphael – und dem Okular – gelungen. Jedenfalls hatten etwa 50.000 Zapfenraumer, 38 Kristallkugeln mit einem Durchmesser von 18 Kilometern – nur eine war mit 23 Kilometern Durchmesser etwas größer – und schließlich auch die Weltengeißel, ein umgebauter Handelsstern, die Anomalie verlassen. Dann war QIN SHI ihnen gefolgt, und es war dunkel geworden. Die Anomalie war zusammengebrochen. Ihre besondere Struktur, ihre antagonistische Spezifität und ihr Inhalt existierten nicht mehr.

Und trotzdem lebten sie noch.

Warum hat QIN SHI uns nicht entdeckt, als er noch in der Anomalie war?, fragte sich Rhodan. Aber Raum und Zeit spielten keine Rolle mehr. Die Anomalie begann in Chanda und endete in Escalian. Gleichzeitig war sie räumlich begrenzt; die Ortungsinstrumente von Ennerhahls Lichtzelle konnten sie vollständig erfassen.

Wobei Ennerhahls Lichtzelle ein Schiff für sich war. Die seinerzeit mit diesem Namen ziemlich verharmlosend umschriebenen Schiffe galten als die perfektesten und wunderbarsten Raumer jener Technologie, die auch den Rittern der Tiefe zu Gebote gestanden hatte. Sogar einige der Sieben Mächtigen hatten mitunter Lichtzellen verwendet. Nicht zuletzt deswegen hatte Rhodan das intuitive, wenngleich von niemandem bestätigte Gefühl, dass es sich bei seiner Lichtzelle um jene handelte, die früher Ganerc-Callibso gehört hatte.

Ihre Konstruktion bestand weitgehend aus fünfdimensional orientierter Formenergie, die die Hathor Strukturon genannt hatten. Ihre Primärenergie bezog sie durch einen permanent arbeitenden Hyperzapfer, der die an Bord ankommenden Kräfte mithilfe von Trafitron-Wandlern nutzbar machte. Bis zu einem gewissen Umfang war es möglich, die Größe und Form des Raumschiffes zu variieren. Im Allgemeinen handelte es sich bei solch einem Schiff um eine silbrig leuchtende Sphäre von bis zu tausend Metern Durchmesser, dessen Konturen einem nebelhaft-diffusen, von innen her glimmenden Schleier glich. Im Extrem konnte es sich auf einen Durchmesser von vielen Dutzend Kilometern aufblähen.

Ennerhahls modifizierte Lichtzelle war wohl das mit Abstand leistungsfähigste, kampfstärkste und schnellste Schiff im gesamten Galaxiencluster. Vielleicht waren sie deshalb unentdeckt geblieben. Ganercs altes Schiff konnte sich in solch einer Umgebung, in der die Naturgesetze weitgehend aufgehoben waren, offensichtlich selbst vor QIN SHI ausreichend tarnen.

»Mikru?«, sagte Rhodan. Er wollte sie bitten, eine Verbindung mit einem der anderen Schiffe herzustellen, die sich mit MIKRU-JON und der Lichtzelle in dieser seltsamen Umgebung befanden. Vordringlich natürlich eine mit dem Multiversum-Okular. Wenn ihnen jemand Auskunft über das Geschehen geben konnte, dann Raphael.

Aber der Schiffsavatar etablierte sich noch immer nicht.

Rhodan versuchte es über sein Allzweck-Armband, doch weder das Okular noch ein anderes Schiff meldete sich auf seine dringenden Rufe. Auch von Ryan in der Versorgungseinheit des Okulars kam keine Antwort. Bei dem Energieerzeuger fungierte der Raphaelit als Ansprechpartner. Er war ein formenergetischer Avatar des Bordrechners.

Diese beiden Schiffe, die zwar aus Bauteilen der alten BASIS bestanden, verfügten aber über technische Besonderheiten, die der Schmiede einer Superintelligenz entstammten. ES hatte bei der Umwandlung des alten Trägerraumschiffs seine Finger im Spiel gehabt, das wussten sie durch Raphael. Aber offensichtlich hatte der alte Mentor der Menschheit solch eine Situation auch nicht vorhergesehen.

»Funkkontakt ist unmöglich«, meldete sich Ennerhahl. Der geheimnisvolle Fremde hatte über die Zentrale von MIKRU-JON Zugriff auf sein Schiff. »Die Daten sind widersprüchlich.«

»Kannst du mehr sagen?«, fragte Rhodan.

Der zwei Meter große Humanoide mit der pechschwarzen Haut schaute auf. Rhodan glaubte im Halbdunkel zu erkennen, wie die ebenfalls schwarzen Augen unnatürlich hell leuchteten. »Sie sind so widersprüchlich und unerklärlich wie unsere Umgebung. In der einen Sekunde ist der Raum, der uns umgibt, unbegrenzt, in der nächsten umfasst er nur ein paar Kilometer. Ich kann keine genauere Aussage treffen. Aber Nemo Partijan hat in einer Hinsicht recht: Nur das Multiversum-Okular hält die Anomalie aufrecht. Besser gesagt: den Zustand, den sie erzeugt hat.«

Es hat also tatsächlich ein Stasis-Feld geschaffen, das die Bedingungen in der Anomalie simuliert, dachte Rhodan. Laut fragte er: »Ist das die eigentliche Aufgabe des Okulars? Die Schöpfung eines Universums?«

Niemand antwortete. Jeder versuchte für sich, diese unfassbare Situation zu verarbeiten. Der eine, indem er nach QIN SHI suchte, die andere, indem sie den Zeitverlauf protokollierte.

Und er selbst, indem er sich Gedanken über künstliche Universen machte. Aber er bezweifelte, dass das Okular ein Universum erschaffen konnte. Ein Okular war Teil eines optischen Systems. Vielleicht konnte man mit seiner Hilfe in Universen hineinschauen, sich in oder zwischen ihnen orientieren ...

»Noch sind all unsere Einheiten in den unbekannten Schutzschirm eingehüllt, den die BASIS-Versorgungseinheit erstellt hat«, riss Nemo Partijan Rhodan aus seinen Gedanken.

Ennerhahl sah wieder zu ihm hoch. »Mehr geben selbst die Ortungsmöglichkeiten der Lichtzelle nicht her«, gestand er ein.

»Wir scheinen uns also in unserem eigenen winzigen Universum zu befinden ...«

»Das jeden Augenblick zusammenbrechen kann«, fuhr Partijan fort.

»Und was passiert dann?«

Ennerhahl und Partijan sahen ihn hilflos an.

 

*

 

Schließlich räusperte sich der Hyperphysiker. »Wir haben keine Holos, können also nicht genau sagen, wie es draußen aussieht. Und die Ortungsergebnisse bleiben mehrdeutig. Sie scheinen allerdings in eine bestimmte Richtung zu tendieren ...«

»Spann mich nicht auf die Folter, Nemo«, sagte Rhodan, obwohl ihm klar war, dass der Wissenschaftler mangels eindeutiger Daten wie eine Katze um den heißen Brei schlich. Er wollte sich nicht festlegen, befürchtete, dass seine Spekulationen sich als haltlos erweisen würden.

Aber es machte Rhodan zu schaffen, dass sie praktisch blind waren, angewiesen auf ein paar magere Ortungsergebnisse.

Partijan atmete tief ein. »Der Ortung zufolge zieht die schwarze Leere, die das Miniaturuniversum ausmacht, sich zusehends zusammen ... Bildlich gesprochen würde ich behaupten, sie zerfasert an den Rändern, löst sich auf und schrumpft immer schneller.« Er zog die Brauen hoch. »Wobei die Messergebnisse der Ortung völlig unklar bleiben.«

Rhodan nickte. Ein paar eindeutige Ortungen wären Gold wert gewesen, aber er konnte sie nicht herbeizaubern.

Partijan schaute wieder auf sein Terminal. »Klar scheint zu sein, dass die Anomalie an ihrer Außenhaut derzeit enorm viel Energie verbraucht. Die BASIS-Versorgungseinheit versucht sie zu liefern. Noch schafft sie es zum Teil. Aber das Schrumpfen des Miniaturuniversums und der Energieverbrauch scheinen in einem umgekehrten Verhältnis zu stehen, die Außenhaut wird zunehmend durchlässiger, sie zerfasert immer schneller. Die Energie, die dieses Universum aufrechterhält, wird rasend schnell aufgebraucht, weil sie beim Durchdringen der Grenze ihre eigene Schutzschicht zerfrisst.«

»Mit anderen Worten«, sagte Rhodan, »sobald die Schrumpfung ein gewisses Maß erreicht hat, hilft keine Energieversorgung mehr. Dann hat unsere kleine Welt ausgespielt.« Er dachte kurz nach. »Wie lange noch?«

»Ich kann es nicht ...« Nemo Partijan verstummte.

Abrupt wurde es völlig dunkel. Rhodan spürte, wie ein gewaltiger Druck seine Brust einschnürte. Sein Körper schien umgestülpt zu werden, von innen nach außen gekehrt.

Für einen Augenblick verlor er jede Orientierung. Er wartete darauf, dass das Licht wieder aufleuchtete. Wenn die Notbeleuchtung nicht mehr anspringt, ist das Ende nicht mehr weit ...

Er tastete mit ausgestreckten Händen um sich, stieß jedoch auf keinen Widerstand. Das Terminal direkt vor ihm schien verschwunden zu sein.

»Ennerhahl?«, rief er. Wenn jemand helfen konnte, dann der Agent von – wahrscheinlich? – ES, der stets betonte, dass er über »gewisse Mittel und Wege« verfügte, wohl aus der Schatzkammer der Superintelligenzen-Werkstätten.

Niemand antwortete. Rhodans Stimme hallte, als wäre er allein in einer riesigen Kuppel. Sein Körper schien in die Länge gezogen zu werden, doch das Terminal blieb für ihn unerreichbar. Er wusste nicht einmal, ob es überhaupt noch existierte.

Vielleicht war er allein in dieser Dunkelheit. Vielleicht hatte das Miniaturuniversum auf das Weltenschiff übergegriffen, ihn hinübergezogen, vereinnahmt.

»Gucky? Kannst du meine Gedanken lesen?«

Wieder keine Antwort.

Der Druck auf seine Brust wurde größer, war kaum noch zu ertragen.

Was geschah mit ihm? Hatten MIKRU-JON und die Lichtzelle den letzten Rest Energie verloren? Würden sie einfach in ihr angestammtes Universum zurückstürzen – oder in dem gefangen bleiben, das das Multiversum-Okular simuliert hatte?

Rhodan konnte nicht mehr atmen.

Bildete er es sich nur ein, oder traf in diesem Augenblick ein gewaltiger Schlag MIKRU-JON?

Er taumelte, hatte plötzlich wieder einen Körper und prallte mit dem Kopf gegen die Kante des Terminals – so heftig, dass vor seinen Augen Sterne flimmerten. Aber er sah wenigstens wieder in ganz schwachem Licht einzelne Umrisse, Sessel, Terminals, dann Gestalten. Gucky lag auf dem Boden, Mondra ebenso. Beide schienen bewusstlos zu sein. Nemo Partijan und Ennerhahl konnte Rhodan nicht entdecken.

Das Licht wurde kräftiger, ein vereinzeltes, völlig verschwommenes Holo bildete sich. Wahrscheinlich hatten die Hyperzapfer und die integrierten Trafitronwandler ihre Arbeit wieder aufgenommen und speisten die Systeme nun mit Energie.

Aber warum hatten die Schiffsrechner ein einzelnes Holo aufgebaut? Hatte Mikru erkannt, dass diese allumfassende Dunkelheit bedrohlich für die Psychen der Besatzung war? Versuchte sie, ihnen ein Mindestmaß Informationen zukommen zu lassen?

Das Holo wurde schärfer, und Rhodan konnte endlich die beiden BASIS-Einheiten mit sämtlichen angekoppelten Schiffen erkennen.

Rhodan wusste nicht genau, was geschehen war, und schon gar nicht, wie. Er musste davon ausgehen, dass Nemo Partijans Vermutung zutreffend und irgendwann zu wenig Energie vorhanden gewesen war, um das Feld aufrechtzuerhalten.

Sie waren offensichtlich aus der Anomalie zurückgestürzt.

Aber in welches Universum?, fragte sich Rhodan. Und wann?

Es wäre nicht das erste Mal gewesen, dass er aus der Zeit herausgenommen worden und viele Jahre später wieder entlassen worden war – mit Schrecken dachte er an die völlig veränderte Milchstraße, die er einst vorgefunden hatte, nachdem er durch den DORIFER-Schock in ein Stasisfeld geraten und Jahrhunderte übersprungen hatte ...

Ein zweites Holo bildete sich und zeigte eine kleinere Darstellung der Schiffseinheiten.

Rhodan sah, dass sich der transparente bläuliche Schutzschirm um die Schiffe aufgelöst hatte. Offenbar waren nur noch Restmengen von Energie vorhanden, die ihn nicht mehr aufrechterhalten konnten.

Dann blendete die Ortung um – und lieferte erschreckende Bilder.

MIKRU-JON und die anderen Schiffe waren am Ort einer gewaltigen Raumschlacht materialisiert. Wohin die Ortung auch blickte: Raumschifftrümmer. Selbst als Sofortumschalter konnte Rhodan nur ansatzweise erfassen, was hier geschehen war.

Zapfenraumer aus Chanda hatten offensichtlich gegen Walzenraumer gekämpft. Die escalianischen Schiffe schienen die Schlacht verloren zu haben, es fanden nur noch letzte Scharmützel statt, an denen aber immer noch Hunderte Schiffe beteiligt waren.

Einige dieser Schiffe hatten die Neuankömmlinge entdeckt und wandten sich ihnen zu. Es waren Zapfenraumer aus QIN SHIS Flotte ...

Rhodans Gedanken rasten. Sie verfügten über keine Energie mehr, weder für die Waffensysteme noch für die Schutzschirme. Sie konnten nicht beschleunigen und fliehen.

Sie hingen im Raum wie auf dem Präsentierteller.

Und die Schiffe von QIN SHIS Flotte schossen für gewöhnlich erst, ehe sie Fragen stellten.

Falls sie überhaupt Fragen stellten ...

2.

Drei Schiffe

 

Nun wusste Alaska Saedelaere wirklich, was es hieß, Abschied zu nehmen.

Das Gefühl des Abschieds war zwar der ständige Begleiter eines Unsterblichen, doch diesmal war es intensiver als jemals zuvor.

Der Aufbruch kam für ihn völlig unvorbereitet, wie ein Schlag, der ihn taumeln ließ. Eine schreckliche Leere breitete sich in ihm aus. Es war ein Gefühl, wie er es nie zuvor erlebt hatte, allumfassend, unmenschlich.

Für einen Moment war er wie gelähmt, dann setzte der Schmerz ein. Ihm war, als stürbe ein Teil von ihm, würde ihm aus dem Körper gerissen. Und gleichzeitig auch aus seinem Geist, seiner Seele. Das Gefühl war überall. Ob es ein ähnliches Gefühl für Perry Rhodan gewesen war, als er sich seine Ritteraura rauben ließ?

Er schwankte, konnte sich kaum noch aufrecht halten, streckte die Hand nach Eroin Blitzer aus, der ihm gegenüber in der Zentrale des Weltenschiffs saß. Der kleine Androide beschäftigte sich mit seinem Terminal, behielt die Nahortung im Auge, deren Holos die ungleiche Schlacht zeigten, die vor ihnen tobte. Dann hörte er offenbar etwas und blickte hoch.

Blitzer riss die Augen auf und sprang mit beeindruckender Gewandtheit aus seinem Sessel.