So werden bedeut die vier element
durch die vier tiere,
durch die der mensch ist zamgesetzt,
nemen sein leben im zuletzt.
die hel bedeutet uns der ginent drach,
die sel zu verschlinden, die offen stet almal.
Der hönigseim wirt uns alhie benent
reichtum und ziere,
gwalt, er und wolust; darnach strebt
der mensch, weil er auf erden lebt
und denkt seiner geferlikeit nit nach,
die in doch hat umfangen genzlich überal,
Bis entlich got in durch den tot
leßt fallen in die letzten not.
so ganz und gar ist der mensch hie verblent
durch sein begiere;
wo got nicht durch sein milte güt
im lenket sel, herz und gemüt
zu reu und buß, so tet er ein ewigen fal.

Hans Sachs
anno salutis 1542

Wer soll noch in Furcht erbeben,
Wenn der Leib in Staub zerfällt,
Da man doch für dieses Leben
Grenzenlose Lust erhält?
Süßes Dürsten, süße Pflicht,
Dich zu lieben, schönstes Licht!
Nur um eines will ich fleh ’n:
Sterben möcht’ ich, dich zu seh’n.

Aus „Seufzer einer verbannten Seele“
Theresia von Avila (*1515 +1582)

PROLOG

Florenz
Freitag nach St. Martinus
12. November Anno Domini 1494

„Ihr seid zu spät“, ärgerte sich Sebastiano.

Der Mann zog die Kapuze seines Umhangs zurück und strich sich durch die pechschwarzen Haare. Wasser lief ihm in dünnen Rinnsalen ins Gesicht und folgte seinen kantigen Zügen. Er machte dem Wirt ein Zeichen und zeigte wortlos auf Sebastianos Wein.

„Aber jetzt bin ich da“, entgegnete er ruhig. „Es ist ein Sauwetter da draußen und außerdem wollt Ihr nicht gerade nur einen Sack Getreide kaufen. Da sollte man etwas vorsichtiger sein, oder?“

Sebastiano zuckte zusammen, doch niemand in der überfüllten Schänke schien auf das Gesagte aufmerksam geworden zu sein. Unzählige Männerstimmen und die vereinzelten, lüsternen Schreie der Dirnen vermengten sich mit dem Stoßen der Tonkrüge und dem dichten Qualm der Kienspanleuchten, Kerzen und Kräuterpfeifen zu einem Brei, durch den kein klares Wort seinen Weg finden konnte. Niemand würde je auf den Gedanken kommen, dass in dieser heruntergekommenen Schänke wertvolles Wissen gehandelt werden sollte. Wissen, das so mächtig war, dass die Schätze aller Fürsten des Abendlandes womöglich nicht ausreichen würden, um es aufzuwiegen.

Ein betrunkener Tagelöhner stürzte unter dem Gejohle seiner Saufkumpane von der Bank und polterte vor die Füße einiger Huren mit grell geschminkten Gesichtern, die kreischend die Röcke hoben. Ein anderer Gast übergab sich quer über den Tisch und erntete dafür wüste Beschimpfungen seiner Nachbarn. Hier war alles versammelt, was Florenz an Armut und Abschaum zu bieten hatte, nur niemand von Rang und Namen. Sebastiano wurde aus seinen Gedanken gerissen, als der Wirt wortlos einen Krug mit Wein und einen Becher auf den Tisch donnerte und Sebastianos Gegenüber auffordernd ansah. Der Wein schwappte über den Rand des abgestoßenen Kruges und Sebastiano wollte besser gar nicht erst wissen, wann dieses Gefäß das letzte Mal klares Wasser aus der Nähe gesehen hatte. Den Mann schien das aber nicht weiter zu stören. Er zog eine Münze aus seiner Geldkatze und warf sie vor den Wirt auf den Tisch. Der prüfte sie kurz auf ihre Echtheit und verschwand schnell wieder im Gewühl seiner Gäste.

„Habt Ihr es?“, flüsterte Sebastiano aufgeregt.

Der Mann sah ihn an, schenkte sich Wein in den Becher, nahm seelenruhig einen tiefen Zug und wischte sich den Mund mit dem Handrücken sauber. Dann beugte er sich nach vorne. „Gewiss. Wie verabredet. Habt Ihr das Geld?“

Sebastiano klopfte sich auf die Brust. Es klimperte gedämpft durch den Stoff.

„Gut“, sagte der Mann, „ich vertraue Euch. Aber Gnade Euch Gott, wenn Ihr versuchen solltet, mich hinters Licht zu führen, dann ...“ Er führte den Daumen in einer unmissverständlichen Bewegung an seiner Kehle entlang und starrte Sebastiano drohend in die Augen.

„Nein, nein, wo denkt Ihr hin. Alles wie abgesprochen“, beschwichtigte ihn Sebastiano. „Ein Pfund Silber in Münzen und nicht ein Gran weniger.“

Zufrieden lehnte sich der Mann zurück und lächelte.

„Na, dann sind wir uns ja einig.“

„Wo ist es?“, wollte Sebastiano ungeduldig wissen.

Ohne zu antworten, zog der Mann einen länglichen Lederköcher aus dem Umhang hervor und gab ihn an Sebastiano weiter. Hastig nahm dieser den Köcher, entknotete den Riemen, der ihn verschlossen hielt, und zog vorsichtig ein vergilbtes Dokument hervor. Unauffällig entrollte er es zwischen sich und der Tischkante. Das alte Pergament knisterte verheißungsvoll. Mit zittriger Hand nahm Sebastiano die Ölleuchte vom Tisch und besah sich das Schriftstück eingehend. Skizzen, geometrische Figuren, Berechnungen und kleine Zeichen tanzten vor seinen Augen im Schein der Flamme. Schließlich stellte er die Leuchte zurück, rollte das Dokument zusammen und verstaute es wieder sorgsam im Lederköcher.

„Könnt Ihr denn Griechisch lesen?“, fragte der Mann mit einer Mischung aus Hohn und Verwunderung.

„Nein, aber ich erkenne es. Und das hier ist Griechisch. Ein äußerst seltenes Dokument und sehr alt. Vielleicht werdet Ihr Euch über den heutigen Tag noch ärgern, an dem Ihr es mir für so wenig Silber überlassen habt.“

Der Mann lachte. „Wollt Ihr nun selbst den Preis hochtreiben? Es war ein glücklicher Zufall, dass wir uns vor zwei Wochen auf dem Markt begegnet sind. Und wie gut, dass ich darüber erfahren konnte, wie sehr Ihr in alte Schriften vernarrt seid und dafür auch etwas springen lassen wollt. Glück für mich, denn mir ist eine Katze voller Silberstücke in der Hand lieber als der Traum von zehn Kisten Gold. Aber vielleicht werdet Ihr auch diesen Tag einmal verdammen, denn auf diesem Stück bekritzelter Ziegenhaut soll ein Fluch liegen. Das sagte mir zumindest ein gelehrter Geistlicher aus Ravenna, dem ich dieses Schriftstück vor Euch angeboten habe. Das Mönchlein hat nur kurz darauf geschaut und ist dann kreidebleich und Kreuze schlagend davon gelaufen. Das sei wider Gott und ein Werk des Teufels, hatte er gestammelt. Ketzerisch und verflucht sei es. Aber ich glaube nicht an solchen Unfug“, fügte er lächelnd hinzu. „Was wollt Ihr überhaupt damit anstellen?“

Sebastiano antwortete ausweichend: „Ich liebe alte Schriften, das ist alles.“

Der Mann schüttelte ungläubig den Kopf. „Ihr kauft für viel Geld etwas, von dem Ihr nicht wisst, was es wert ist, nur weil Ihr es liebt? Pah, Ihr seid entweder ein Narr, ein Lügner oder gleich beides zusammen!“

„Denkt, was Ihr wollt“, entgegnete Sebastiano knapp.

Der Mann stürzte den restlichen Wein in einem Zug hinunter und schob sich die Kapuze wieder über den Kopf „Das mache ich immer, auch ohne Eure werte Erlaubnis. Nun fehlt mir nur noch eine Kleinigkeit, um mein Glück zu vervollkommnen.“ Mit diesen Worten legte er fordernd seine geöffnete Hand auf den Tisch. Sebastiano nestelte sofort den Geldbeutel unter seinem Umhang hervor und ließ ihn dem Mann in die Hand fallen. Der sah hinein und schätzte das Gewicht prüfend ab. „Und Ihr seid Euch sicher, dass Ihr Euch nicht rein zufällig verzählt habt?“, fragte er drohend.

„Ganz sicher.“

Der Mann nickte zufrieden, steckte den Beutel ein und erhob sich. Grußlos drehte er sich um und schritt zum Ausgang. Doch dann kam er plötzlich unvermittelt zurück. Er stützte sich mit den Armen auf dem Tisch ab und beugte sich tief hinunter, so dass sein Gesicht ganz nah an dem Sebastianos war. Sebastiano konnte den Atem des Mannes spüren, als er ihm die Warnung ins Ohr flüsterte: „Eines sei Euch noch gesagt, mein närrischer Freund, ich hätte es fast vergessen. Wenn Ihr vielleicht vorhaben solltet, das Dokument weiterzuverkaufen, dann tut das meinetwegen. Es ist jetzt Eures und steht Euch daher frei. Aber tut uns beiden einen großen Gefallen und verkauft es nicht hier in Florenz. Niemals! Es gehörte mächtigen Leuten und auch wenn sie nun die Stadt verlassen mussten, so reichen ihre Krallen überall hin. Verkauft es weit, weit weg von hier, am besten jenseits der Alpen. Es haftet Blut an diesem Dokument, was auch immer darin geschrieben stehen mag. Und eine Blutschuld kann immer nur mit Blut wieder getilgt werden.“

Als Sebastiano aufblickte, konnte er nur noch einen schwarzen Umhang aus der Schänkentür hinaus in die verregnete Neumondnacht verschwinden sehen.

TEIL I
DEPREHENSIO CAUDICIS

Die Wiederentdeckung des Dokumentes

1

In der Nähe von Gernsheim
Rund fünfzehn Jahre später
Tag des Apostels Jakobus
Mittwoch, 25. Juli Anno Domini 1509

Der Weidenkorb mit Kräutern und Äpfeln fiel zu Boden. Es waren zwei Männer, die das Mädchen in die Büsche zerrten. Sie schrie verzweifelt und versuchte, sich zu wehren, doch es half nichts. Zu groß war die Gier in den Augen der Wegelagerer, zu fest die Hände, die das Mädchen mit sich fortrissen. Einer der Männer trat den heruntergefallenen Korb achtlos vom Weg. Die Dämmerung kündigte sich bereits an. Niemand würde nun hier noch vorbeikommen. „Na, mein Schatz“, lachte der eine, ein sehniger Kerl mit aufgeplatzten Lippen und nahezu ohne Zähne, „bist du auch so einsam wie ich?“ Speichel troff aus seinem Mundwinkel, dem Mädchen ins Gesicht. Er zerrte sie hinter einen Ginsterbusch, nur zehn Schritte vom rettenden Weg entfernt, und warf sie ins Gras. Der andere Mann war erheblich kräftiger gebaut, aber gleichsam ungepflegt und in zerlumpte Kleidung gehüllt. Er bog dem Mädchen die Arme auseinander und kniete sich mit seinem ganzen Gewicht auf dessen Unterarme, dass es vor Schmerz aufheulte.

„Beeil dich, damit ich auch noch zu meinem Recht komme. Los mach schon.“

„Ja, ja, aber das Miststück zappelt so“, erwiderte der Sehnige.

Der Kräftige besah sich die Situation einen Augenblick, dann schlug er dem vor ihm liegenden Mädchen in den Magen. Augenblicklich presste es ein würgendes Geräusch hervor und krümmte sich vor Schmerz, doch seine Gegenwehr ebbte tatsächlich ab.

„Siehste, so macht man das. Los jetzt.“

Hastig nestelte der andere an seiner Hose herum und versuchte, den Teil seines Leibes daraus zu befreien, welchen er für die Befriedigung seiner Bedürfnisse benötigte. Als er es schließlich geschafft hatte, riss er dem weinenden Mädchen die Röcke nach oben und sah zwischen seine Beine.

„Ah, das lob ich mir. Noch ganz frisch und unbenutzt“, grinste er zufrieden und schob seinen Unterleib dem verheißungsvollen Eingang entgegen.

„He, was treibt ihr da?“

Augenblicklich fuhren die beiden Männer herum. Der Kräftige zog seinen Dolch und sprang auf. Vor ihnen, nur etwa fünf Schritte entfernt, stand ein hochgewachsener Mann von vielleicht dreißig Jahren. Sein Gesicht wurde von einer langen Narbe durchzogen, direkt unter dem rechten Auge. Doch es war vor allem sein entschlossener Blick, und das Kurzschwert, welches er am Gürtel trug, das die beiden Männer zur Vorsicht gemahnte.

Nun ließ auch der andere Mann widerwillig von seinem Opfer ab und erhob sich. Dabei schien es ihn herzlich wenig zu kümmern, dass man sein erigiertes Gemächt deutlich sehen konnte.

„Was kümmert’s dich? Wir haben hier ein wenig Spaß mit einer Metze. Mach, dass du weiter kommst“, pöbelte er den Fremden an.

Der jedoch kam behutsam näher und lugte neugierig um den Sehnigen herum auf das Mädchen, das sich hinter ihm wimmernd im Gras krümmte. „Hm, eine so ein junges Ding wie die da sieht man nicht alle Tage“, bemerkte er. „Frisches Fleisch ist selten und ich liebe es, bei Gott. Was muss ich euch bezahlen, meine Freunde, dass ich auch einmal davon kosten darf?“

Verwundert blickten sich die beiden Männer an. Der Kräftige ließ den Dolch sinken und trat neben seinen Kumpanen.

„Meint ihr, ein Groschen wäre euch die Sache wert?“ Der Fremde hielt das kleine Silberstück zwischen Daumen und Zeigefinger in die Höhe.

Der Sehnige stieß seinem Freund unauffällig den Ellbogen in die Rippen und grinste dreist. „Ja, aber für jeden von uns.“

„Für jeden?“, fragte der Fremde empört. „Das ist der halbe Wochenlohn eines Knechts.“

Sein Gegenüber verschränkte die Arme vor der Brust. „Zwei Groschen oder du kannst zusehen, mit wem du dich vergnügst, aber sicher nicht mit der da. Frag doch mal einen Knecht, vielleicht kann der dir Abhilfe schaffen.“

Beide lachten.

Der Fremde zögerte. Dann fasste er in seine Geldkatze und zog einen weiteren Groschen daraus hervor. Er kam noch zwei Schritte näher.

„Gut. Die Kleine sieht aber auch zu lecker aus. Hier nehmt.“

Mit diesen Worten warf er den Männern die Silberstücke in hohem Bogen zu. Beide sahen auf die wirbelnden Münzen und versuchten sie zu fangen.

Der Hals des Sehnigen war durchtrennt, noch bevor einer der Groschen die Erde erreicht hatte. Der Kräftige jedoch reagierte überraschend schnell und stürzte sich nach einem kurzen Schreckensmoment mit gezogenem Dolch auf seinen Gegner.

Er lief ihm direkt in die Klinge und schrie vor Schmerz gellend auf.

Der Fremde sah dem Angreifer fest in die brechenden Augen. Seine Stimme klang eiskalt. „So fühlt es sich an, wenn man in andere Menschen eindringt. Spürst du, wie es ist? Grüß den Teufel von mir!“

Mit diesen Worten drehte er sein Schwert in den Eingeweiden des Mannes und riss den Stahl heraus. Der Angreifer ließ seinen Dolch fallen, den er nach wie vor verkrampft umschlossen gehalten hatte und brach schließlich mit einem letzten Stöhnen leblos zusammen.

Der Fremde beugte sich hinab, hob die beiden Groschen aus dem Gras auf und ließ sie wieder in den Geldbeutel gleiten. Er atmete tief durch, dann wischte er sein Schwert am Hemd des Vaganten sauber und steckte es in die Scheide zurück. Er kniete sich neben das besinnungslos gewordene Mädchen, fasste es behutsam an den Schultern und drehte es zu sich. Als er ihren zierlichen Körper prüfend betrachtete, konnte er kein Blut, keine Verletzung entdecken. So schien es, als habe er die Schändung im letzten Moment verhindern können. Er hoffte inständig, dass auch die Seele des Kindes dabei ohne Schaden geblieben war. Wenigstens war sie nicht entehrt worden und ihre Familie würde sie nicht verstoßen oder als ehrloses Weib durchfüttern müssen. Er streifte ihr die Röcke zurück und trug sie zu einer Birke, wo er sie absetzte und mit dem Rücken an den Stamm lehnte. Die beiden toten Verbrecher zerrte er tiefer in den Wald hinein und ließ sie im Dreck liegen. Das Mädchen sollte das nicht auch noch sehen, hatte ihr Gott doch anscheinend eine Ohnmacht geschenkt, um dieses Anblicks nicht gewahr werden zu müssen.

Sie stöhnte leise und kam zu sich.

Der Mann eilte zu ihr und drückte sie an den Schultern sanft an die weiße Rinde.

Ais sie die Augen öffnete und zwei, drei Atemzüge getan hatte, weitete sich ihr Blick in panischer Angst. Sie schrie und schlug wie von Sinnen um sich.

Doch der Mann erhöhte nur sanft den Druck an ihren Schultern, fixierte sie fester und sprach gebetsartig und mit ruhiger Stimme auf sie ein. „Es ist vorbei. Es ist vorbei“, sagte er. Fortwährend wiederholte er nur diesen einen Satz, bis das Mädchen endlich zu begreifen schien, dass sie gerettet war, dass von diesem Mann keine Gefahr ausging. Sie begann zu weinen und der Mann hielt ihren kleinen, zitternden Körper so lange, bis sie sich beruhigt hatte.

„Es ist vorbei“, sagte er schließlich noch einmal mit betont fester Stimme und sah sie lächelnd an. „Du hast großes Glück gehabt, dass ich noch zu dieser späten Stunde zufällig hierher gekommen bin. Wie heißt du?“

„Rose“, flüsterte das Mädchen und wischte sich die Tränen aus den Augen.

„Rose?“, fragte der Mann ungläubig. „Das ist ein ungewöhnlicher Name für ein Mädchen, auch wenn er, ich muss es eingestehen, gut zu dir passt.“

„Ja“, entgegnete Rose, „es ist auch nicht mein richtiger Name. Getauft bin ich auf den Namen Anna, Anna Felding, doch alle nennen mich Rose.“

„Gut“, sagte der Mann und erhob sich, „dann will ich dich auch Rose nennen, wenn es denn alle so halten. Anna ist schön, doch Rose ist schöner. Ich will mich auch vorstellen. Mein Name ist Wolf Besigheim.“

Mit einer gespielten Verbeugung schaffte es Wolf sogar, dem Mädchen den Anflug eines Lächelns ins geschundene Gesicht zu zaubern.

„Auch ein schöner Name, Herr Besigheim. Seid Ihr ein Ritter?“

Wolf Besigheim erstarrte. „Ein Ritter? Wie kommst du denn darauf?“, fragte er und wandte seinen Blick der untergehenden Sommersonne zu. Für einen kurzen Moment spiegelte sich der blutrote Punkt am Horizont in seinen Augen wieder. Für einen kurzen Moment hätte das Kind in die Seele seines Retters blicken können, doch es griff stattdessen ins Gras, stützte sich ab und stand vorsichtig auf.

„Ich weiß nicht. Mein Großvater hat mir immer Geschichten von Rittern erzählt, als ich noch klein war und er noch lebte. Ihr seht aus wie einer der Ritter, von denen er mir berichtet hat.“

Die Sonne verschwand.

„Nein, Rose, ich bin kein Ritter. Ich bin nur ein Mann, der sich für andere Männer schlägt und den andere Männer rufen, wenn sie jemanden für etwas brauchen, das sie selbst nicht tun können oder wollen. Mehr nicht.“

Er betrachtete das Mädchen prüfend.

„Meinst du, dass du reiten kannst?“

Rose Felding nickte.

„Gut, dann komm, ich bringe dich nach Hause. Deine Eltern werden sich sicher schon sorgen.“

Wolf Besigheim setzte Rose vor sich auf sein Pferd und trabte an. Sie durchquerten den Wald und erreichten bald den Hauptweg, der aus Richtung Worms kommend nach Norden führte.

„Immer diesen Weg entlang“, wies Rose Wolf an und zeigte nach vorne in die heraufziehende Dunkelheit. „Unser Hof liegt weniger als eine viertel Meile von hier in Richtung Gernsheim.“

Doch nur kurze Zeit später, lange bevor sie den Hof erreicht hatten, kam ihnen ein Reiter entgegen, dem ein mit einem Knüppel bewaffneter Mann vorausschritt. Wolf zügelte augenblicklich seinen Hengst. Die beiden sahen nicht aus wie Kämpfer und stellten bei einer Auseinandersetzung gewiss keine wirkliche Bedrohung für ihn dar. Doch mit einem kleinen Mädchen vor sich im Sattel musste er vorsichtig sein. Diese Gegend hier schien gefährlicher zu sein, als man es ihr ansah.

„Halt, wer da?“, rief Wolf in die Dämmerung hinein.

„Der Bauer Rupert Felding und sein Knecht Christian. Wer seid Ihr?“

Wolf konnte nicht mehr antworten.

„Vater!“, rief Rose und machte Anstalten, aus dem Sattel zu springen.

„Warte“, sagte Wolf und stieg ab. Dann hob er Rose vom Pferd. Sofort lief sie ihrem Vater entgegen.

„Rose, mein Röschen, da bist du ja. Du dummes Kind, wir sind vor Angst fast umgekommen. Mein Gott, wie siehst du den aus, um Gottes Willen. War das dieser Mann da? Wart nur, du Lump, dich an einem kleinen Mädchen zu vergreifen“, rief Rupert Felding nun zu Wolf herüber und Christian der Knecht schickte sich gleichzeitig an, auf Wolf mit erhobenem Knüppel zuzulaufen. Wolfs Hand fuhr an den Schwertknauf, doch es kam zu keinem Schlagabtausch.

„Nein, nein, Vater. Christian, nicht!“, rief Rose, „Dieser Mann ist kein Lump, er war es doch, der mich gerettet hat.“

„Gerettet? Vor wem oder was?“, stutzte Roses Vater. Dann erhellte sich sein Gesicht. „Ach was soll’s, Hauptsache du bist wohlauf. Ihr könnt mir alles erzählen, wenn wir bei uns zu Abend essen und mein selbst gebrautes Bier trinken“, rief er an Wolf gewandt. „Ihr seid selbstverständlich mein Gast, Fremder.“

Der Bauer ging an seinem Knecht vorbei, der mit der Geschwindigkeit, in der sich das Blatt gewendet hatte, sichtlich überfordert war und sich noch immer an seinem Knüppel festhielt. Rupert Felding streckte Wolf die Hand hin.

„Ganz gleich was war, ich danke Euch. Wer seid Ihr?“

„Wolf Besigheim ist mein Name.“

„Gut, Herr Besigheim, dann kommt. Du auch, Christian, oder willst du hier übernachten? Und schmeiß endlich diesen Ast weg.“

Wolf Besigheim war, seit er heute Morgen zwei Meilen südlich von Worms aufgebrochen war, nur schlecht vorangekommen. Zuerst hatte ihn ein mittägliches Sommergewitter zur Rast gezwungen und nun noch dieser Zwischenfall. Eigentlich hätte ihn sein Weg heute noch vor Torschluss nach Gernsheim führen müssen, doch dafür war es jetzt zu spät. Also eine notgedrungene Übernachtung auf Bauer Feldings Hof. Warum nicht? Er hätte es schlechter treffen können.

***

Früh am nächsten Morgen, gleich bei Sonnenaufgang, verabschiedete sich Wolf von Rose, ihren Eltern und Geschwistern. Sie dankten ihm nicht nur noch einmal überschwänglich und gaben ihm Gottes Segen mit auf den Weg, sondern hatten ihm auch ein schönes Bündel mit Käse, gekochten Eiern, Brot und einer Lage fettem Speck geschnürt. Wolf sah noch immer die entsetzten Gesichter von Rupert Felding und dessen Weib vor sich, als er ihnen gestern Abend erzählt hatte, was die beiden Vaganten mit Rose vorgehabt hatten. Noch größer und tränenreicher war jedoch die Erleichterung der Eheleute gewesen, als er ihnen hatte versichern können, dass es nicht zum Schlimmsten gekommen war.

Wolf ritt vom Hof, drehte sich im Sattel noch einmal um und hob die Hand zum Abschied. Dann wandte er seinen Blick nach vorne. Er hatte nun keine Zeit mehr zu verlieren. Seine Eminenz Uriel von Gemmingen, der Erzbischof von Mainz, hatte ihm Nachricht nach Straßburg an den Hof seines vorherigen Auftraggebers, Wilhelm III. von Hohenstein, zukommen lassen. Wolf solle sich bis Ende Juli in der Mainzer Burg des Erzbischofs einfinden, wenn er Interesse hätte, ihm wieder einmal in einer heiklen Angelegenheit für gutes Geld zu Diensten zu sein. Das kam Wolf zupass, denn die beiden Silbergroschen, die er den zwei Gaunern gestern so großzügig entgegengeworfen hatte, stellten, neben ein paar Hellern und Pfennigen, seine letzte Barschaft dar. Es wurde Zeit, wieder etwas zu verdienen. Nach Frankfurt solle Wolf reiten zu einem Kaufmann namens Jakob Heller, dessen Hof westlich von Frankfurt gelegen sei. Er würde Wolf im Namen des Erzbischofs erste Weisungen erteilen und ihm gleichzeitig Unterkunft bieten.

Wolf Besigheim spürte, dass es Zeit war. Zeit für einen guten Auftrag und Zeit, seinen alten Freund Valtin von Kriftel wiederzusehen, der ebenfalls dem Erzbischof von Mainz als Berater zur Seite stand. Er presste seinem Pferd die Schenkel in die Seiten und preschte in Richtung Frankfurt davon.

2

Frankfurt am Main
Sonntag vor Mariä Geburt
2. September Anno Domini 1509

Andreas hielt sich hinter einem Heuballen versteckt. Er zitterte am ganzen Leib und krallte seine Finger in die Halme. Seine Mutter hatte ihn und seine Geschwister panisch aus dem Schlaf gerüttelt, als die Männer kamen, und ihnen befohlen, sich draußen zu verstecken. Warum nur war er noch nicht so groß und stark wie sein Vater? Warum hatte er kein Schwert? Er wollte die Männer töten. Alle. Einen nach dem anderen, doch er konnte nicht. Hilflos musste er mit ansehen, wie vier der Mörder in die Feste stürmten und seine Eltern auf den Hof zerrten. Den Vater warf man in den Staub und trat und schlug auf ihn ein, bis er sich nicht mehr wehrte. Dann holten zwei der Männer ein Seil und hängten ihn am Hals an einem Balken über dem Tor auf. Er zappelte wie ein Fisch am Angelhaken. Seine Zunge trat blau hervor und er nässte sich im Todeskampf ein. Die Männer lachten. Nicht schreien, Andreas! Nicht schreien! Er durfte nicht damit anfangen. Er wusste, er hätte nie wieder aufgehört. Er würde sterben, wenn er schrie, und Andreas wollte leben. Und Andreas wollte laufen, seinen Vater vom Balken schneiden. Andreas wollte rennen und seine Mutter unter den stöhnenden, schwitzenden Männern hervorzerren, die sich nicht einmal die Mühe machten, ihre Schändung hinter einer Ecke zu begehen. Er konnte nicht. Er war nur ein Kind. Andreas sah ihr Gesicht. Starr blickte sie zum Himmel auf. Ihre Lippen bewegten sich leise. Geliebte Lippen. Sie betete. Sie verblutete. Plötzlich johlten die anderen Männer, die die Burg durchkämmt hatten, voller Freude. Andreas’ Geschwister waren ihnen in die Hände gefallen. Seinem Bruder und seinen beiden Schwestern – die noch zu jung waren, um sich an ihnen gütlich zu tun – wurden die Kehlen durchgeschnitten als wäre es nichts. Ein, zwei, drei kurze Schnitte und diese Familie existierte nicht mehr. Weggeworfen in den Staub. Nur Andreas lebte weiter. Gott hatte ihm in verächtlicher Gnade die Wahl überlassen und er wählte das Leben. Andreas duckte sich hinter seinem Versteck und schlich rückwärts zur Scheunenwand. Der Schweiß rann ihm in Strömen den Rücken hinab und sein kleines Herz raste, als wolle es zerspringen. Dort, wo er mit seinen Geschwistern immer gespielt hatte, war das Loch in den morschen Holzbrettern. Er zwängte sich hindurch. Die Angst, die sich an ihn krallte wie ein wildes Tier, ließ ihn nicht bemerken, wie sich ein Nagel tief in sein Fleisch bohrte und ihm das Gesicht direkt unter dem rechten Auge aufriss. Sie trieb ihn voran. Fort, nur fort. Er bekam keine Luft mehr und ihm war schwindelig. Nur nicht schreien, nur nicht schreien. Schweig Andreas, wenn du leben willst! Er brach sich die Fingernägel ab, als er in Panik die hohe Bruchsteinmauer erklomm, wo auf der anderen Seite die alte Eiche stand. Er schlug sich Knie und Arme blutig, als er sich beim Herunterklettern viel zu früh fallen ließ. Sein Fuß schmerzte und die Angst biss und zwickte ihn mit glühenden Zangen. Doch sie half ihm auch, seine Schmerzen zu vergessen. Ja, er spürte nichts mehr. Gar nichts. Nicht einmal Trauer oder Wut. Alles war verschwunden, nur die reine Angst war geblieben. Andreas rannte, wie er noch nie gerannt war, so schnell, wie ein sechsjähriger Junge laufen konnte. Der Wald. Er musste ihn erreichen. Sein Fuß gab nach. Weiter. Die Bäume waren so nah. Seine Lungen brannten wie Feuer. Andreas ritt auf der Angst wie auf einem ungezähmten Wildpferd. Doch der Reiter, der plötzlich aus dem Nichts der Dunkelheit hinter ihm auftauchte, ritt noch schneller. Er erreichte ihn. Er packte zu. Mit eisernem Griff und mit einem höhnischen Lachen zog er den Jungen vor sich aufs Pferd. Der Reiter war ein roter Ziegenbock. Er war weiß und rot. Wie verlogene Unschuld und Blut. Nicht schreien, Andreas!

„Na, wen haben wir denn da? Den jüngsten Herrn höchstselbst! Welch freudige Überraschung. Wollt Ihr Euch denn nicht lieber zu Eurer Familie in der Hölle gesellen und einfach sterben, als vor mir zu fliehen?“ Dem Bock spritzte der Geifer aus dem Maul. Sein Atem stank nach Bier und Tod. Es zog seinen Dolch und setzte ihn zum Schnitt an Andreas’ Kehle. Jetzt schrei, Andreas. Jetzt darfst du schreien! Nichts mehr, wofür es zu schweigen lohnt. Und Andreas schrie endlich.

Wolf Besigheim fuhr aus dem Schlaf. Sein Puls raste. Hektisch holte er Luft und fasste sich an den Hals. Nur ein Traum, Wolf, nur der Traum. Wieder einmal. Er setzte sich auf die Kante seiner Bettstatt und atmete schwer. Er erhob sich und ging zur Waschschüssel, die auf der anderen Seite des Raumes auf einem Tischchen stand. Er schlug sich zwei Hände nachtkalten Wassers ins Gesicht und spürte, wie es seine Angst fortspülte. Wolf Besigheim fuhr sich durch die tropfenden Haare. Lange stand er einfach nur da und atmete. Schließlich zog er sein Schwert aus der Scheide, das er in der Ecke der Kammer an die Wand gelehnt hatte, und umfasste es fest. Er hob es hoch und betrachtete die kalte Klinge. Es hatte ihm immer geholfen und schon viele Feinde gefällt, aber gegen diese Gegner schien es nutzlos zu sein. Sie waren nicht mit dem Schwert zu besiegen. Oder vielleicht doch? Aber nicht hier und jetzt. Er ging zum Fenster und öffnete es weit. Die kühle Herbstluft zog feucht wie durch ihn hindurch, durch seinen Schädel, hinein in die Kammer, und verwirbelte die bösen Träume langsam zu flüchtigen Gedanken. Die Angst löste sich auf. Für den Moment wenigstens. Er atmete in tiefen Zügen. Der Regen hatte aufgehört und den Sternen nach zu urteilen, musste es kurz nach Mitternacht sein. Noch Zeit zum Schlafen. Ja, er musste schlafen. Er musste erholt sein. Übermorgen schon stand der Ritt nach Mainz bevor. Doch morgen wollte Wolf zuerst noch einmal in die Frankfurter Judengasse, um zu schauen, ob sich wieder zwielichtiges Volk dort herumtrieb. Er hatte dem Erzbischof jedenfalls Wichtiges zu berichten, wichtig genug, dass er seine Sinne beieinander haben musste. Wolf ließ seinen Blick noch kurz über die Silhouette Frankfurts schweifen, die sich unweit des Hellerhofes düster am Horizont abzeichnete. Dann schloss er das Fenster und begab sich wieder auf sein Lager. Er war nicht Andreas, war es nie gewesen. Warum aber sah er ihn dann immer wieder in seinen Träumen? Er war Wolf Besigheim, ein Mann, und zwischen dem Schicksal dieser Traumgestalt und seinem eigenen Leben klaffte ein dunkles Loch. Wolf zog sich die Decke bis unters Kinn. Das Schwert aber legte er neben sich.

3

Montag vor Mariä Geburt
3. September Anno Domini 1509

Grütze, Pastinaken und Kohl, immer nur Grütze, Pastinaken und Kohl. Greger hatte es satt. Er konnte sich nicht erinnern, wann er zu Hause das letzte Mal, außer an einem hohen Feiertag, ein richtiges Stück Fleisch auf dem Tisch gesehen hatte.

Wenn sein Vater die Schulden nicht bald würde bezahlen können, verlören sie vielleicht das Kontor. Aber wie sollte er das anstellen? Sein Vater war Kaufmann der Gilde und konnte auch nicht mehr als Waren einkaufen, etwas Gewinn aufschlagen und wieder verkaufen. Die Geschäfte liefen nur mäßig und schon immer hatte er den Verdacht, dass sein Vater – obschon Greger selbst das eigentlich nicht so schwierig erschien – etwas falsch machte. Er zahlte einfach zu viel beim Einkauf und handelte schlecht beim Verkauf. Aber auf Greger wollte er nicht hören. Mit siebzehn Jahren habe er noch keine Ahnung vom Geschäftemachen, sagte sein Vater immer. Doch er hatte schon nicht auf Gregers Großvater gehört, als dieser noch lebte. Der hatte immer gepredigt, dass der Erfolg eines Kaufmanns beim Einkauf der Waren liege, nicht bei deren Verkauf. Doch Gregers Vater Jokoff vermochte beides nicht so recht zu gelingen. Als er nach dem Tod des Großvaters sein Erbe schließlich angetreten hatte, war das Kontor der Familie Cramer noch ein – wenn auch nicht mächtiges – so doch recht erfolgreiches Geschäft gewesen. Man hatte sich über mehrere Generationen einen guten Namen und etwas Wohlstand hart erarbeitet. Und nun könnte das alles bald schon für immer vorbei sein.

Der kalte Herbstwind pfiff um die Häuser und blies Greger einstweilen die düsteren Gedanken aus dem Kopf. Er durchschritt das kleine, westlich gelegene Seitentor, das die Frankfurter nur das Judenbrückchen nannten, und bog dann nach rechts in die Judengasse ein. Diese zog sich am östlichen Stadtrand entlang, vom großen Bornheimer Stadttor im Norden bis hinunter an den Frankfurter Stadtgraben im Süden. Die Judengasse war durchgängig von einer Mauer umgeben, der Staufenmauer, die den ganz alten Stadtbereich von der Neustadt abteilte. Auf diese Weise trennte man auch die Juden von den anderen Bürgern Frankfurts, ganz so, als befürchtete man, der falsche Glaube könne überspringen und sich verbreiten wie die Pest.

Obwohl Greger nun bereits seit über fünf Jahren regelmäßig Waren im Auftrag seines Vaters bei Abraham Siebenthal abholte, überraschte ihn das Leben hier jedes Mal aufs Neue. Diese seltsam gekleideten Menschen mit ihren eigentümlichen Hüten und Tüchern, den kleinen Löckchen, die den Männern seitlich über die Schläfen hingen, ihren Bärten und den langen Gewändern. Die fremden, fast orientalischen Gerüche, die Greger nur von den hier ansässigen jüdischen Spezereien her kannte. Und dann diese eigentümliche Sprache mit ihren kehligen Lauten, mit der sich die Juden unterhielten, wenn sie unter sich waren. Die Judengasse glich einer kleinen Stadt in einem fernen Land. Und doch lag sie mitten in Frankfurt und nur wenige Hundert Schritte von Gregers Elternhaus entfernt.

In der schier endlosen Reihe von Fachwerkhäusern und Geschäften, die sich eng aneinander schmiegten wie alte Gefährten, tauchte schließlich das Haus mit der Werkstatt von Abraham Siebenthal auf. Es lag etwa in der Mitte der Judengasse auf der Bornheimer Seite. Abraham stand davor und wechselte ein paar letzte Worte mit einem fahrenden Händler, der bereits wieder auf seinem Fuhrwerk Platz genommen hatte. Dann verabschiedeten sich die beiden Männer. Der Händler schnalzte vom Kutschbock herab mit der Zunge und ließ die Peitsche knallen. Wenig beeindruckt davon setzte sich der Lastgaul nur langsam in Bewegung und zog den schweren Planwagen an. Jetzt erst erblickte ihn Abraham.

„Greger Cramer, ich grüße dich.“

„Guten Tag, Herr Siebenthal.“

„Komm mit, wir gehen hinein, dann können wir schauen, was ich für dich tun kann.“ Aufgeregt fügte er leise hinzu: „Es ist gut, dass du heute noch kommst, denn ich habe eine wichtige Nachricht, die ich dir für deinen Vater mit auf den Weg geben muss.“

Sie betraten Abrahams Ladengeschäft. Ein bis zur Decke reichendes Regal aus dunklem Holz voller Fächer und kleiner Schubladen trennte den Verkaufsraum von der dahinter liegenden Werkstatt ab. In diese konnte man nur durch einen schmalen Durchgang gelangen, der in der Mitte des Regals eingelassen war, gerade so breit, dass ein erwachsener Mann geduckt hindurchpasste. Der Blick hinein wurde allerdings von einem schweren, dunkelroten Stoffvorhang verwehrt, der von der Oberkante des Durchgangs träge herabhing. An der linken Seite des Raumes erklommen ein paar steile, ausgetretene Stiegen den Weg hinauf zu Abrahams Dachboden.

Gleich neben diesen Stiegen führte eine Tür in Abrahams Kammer. Es war nur ein einzelner, kleiner Raum, in dem er kochte, aß und schlief. Mehr brauche ein alter Mann nicht, hatte er Greger einmal gesagt und dabei lachend die braunen Zähne gebleckt. Und Greger war sich sicher, dass Abraham wirklich nicht mehr brauchte. Er hauste auf der Fläche eines Hühnerstalls und hätte gewiss gut und gerne einen ganzen Monat ohne Brot leben können, aber nicht einen einzigen Tag ohne seine Werkstatt oder Basteleien.

Vor dem Holzregal fußte eine sperrige Verkaufstheke aus demselben dunklen Holz, aus dem das Wandregal gefertigt war. Überall im Laden standen Kisten, Truhen und eigentümliche Gegenstände herum. Sogar von der Decke hingen unterschiedlich große Körbe an Seilen und Ketten herab, die noch lange behäbig schwangen, wenn man sie versehentlich anstieß. An die Theke zu gelangen, glich einem Hindernislauf.

„Einen kleinen Moment noch“, sagte Abraham und huschte um die Theke herum. Er begann hastig, einen Stapel Kupfer-, Zinn- und Eisenplättchen in kleine Holzkisten zu sortieren. Gerade so, als würden genau diese wenigen Metallstücke für das heillose Durcheinander auf der Theke verantwortlich sein. Greger betrachtete amüsiert den alten Juden bei der Arbeit. Wie seine verworrenen Haare in weißgrauen Locken unter dem schwarzen Hut hervorquollen und sich sein langer Bart dazu rhythmisch bewegte, erinnerte er ihn tatsächlich ein wenig an einen alten Hexer. Schließlich verstaute Abraham die letzten Plättchen in einer der Kisten, schob sie beiseite und sah erwartungsvoll zu Greger auf. „So, nun. Was darf ich dir zusammenpacken?“

„Die zwei Dutzend Broschenspangen, die mein Vater letzte Woche bestellt hatte, würde ich gerne abholen.“

Abraham schlug sich an die Stirn. „Ach, ja, die Spangen, natürlich. Ich gehe nur rasch in die Werkstatt und hole sie. Ich habe sie bereits in ein geöltes Tuch eingeschlagen und verschnürt, ganz wie es deinem Vater beliebt.“ Schon verschwand Abraham hinter dem roten Vorhang und kam bereits nach wenigen Augenblicken mit den Spangen wieder zurück. Er legte das Päckchen auf den Tresen. „Soll ich anschreiben oder zahlst du gleich?“

„Nein, schreiben Sie es bitte an. Ich habe kein Geld bei mir“, entgegnete Greger kleinlaut.

Abraham Siebenthal zog zielsicher ein kleines Büchlein und das Tintenfass aus der Unordnung des Tresens hervor und notierte den offenen Posten mit einem Gänsekiel. Dann schüttete er etwas Löschsand auf die frische Tinte, blies ihn nach kurzem Warten fort und schlug das Buch zu.

„Ich danke Euch“, sagte Greger und klemmte sich das Bündel unter den Arm.

„Es ist nicht sonderlich gut um das Geschäft deines Vaters bestellt, nicht wahr?“

Greger stutzte zuerst, doch dann antwortete er ehrlich: „Ich könnte Ihnen nun eine schöne Lügengeschichte erzählen, aber Sie wissen es ja doch. Nein, es ist wahrlich nicht gut um unser Kontor bestellt.“

„Was ist denn los? Schulden?“, wollte Abraham wissen und spielte an einem Hornknopf seines Hemdes.

Greger nickte.

„Bei wem?“

„Benisch Stoltzer.“

Abraham verzog das Gesicht. „Nicht gerade der verständnisvollste Gläubiger, den sich ein Mann wünschen kann. Aber nun gut. Es ist so, wie es ist. Umso interessanter wird deinem Vater das Geschäft erscheinen, das ich ihm vorschlagen will“, freute er sich.

Greger legte das Päckchen mit den Spangen auf die Theke zurück. „Ein Geschäft?“

Abraham nickte. „Ja, Greger, ein Geschäft. Es ist gewiss ein klein wenig riskant, aber dafür umso ertragreicher, falls es funktionieren sollte, wovon ich ausgehe. Ach, was heißt schon ertragreicher. Dein Vater wird sich nie wieder Sorgen machen müssen. Ja selbst du und noch deine Kinder und Kindeskinder werden nie wieder arbeiten müssen.“

Ungläubig sah Greger Abraham an. „Mein Großvater, Gott hab’ ihn selig, sagte immer: ,Pass gut auf, wenn dir einer ein einmaliges Geschäft vorschlägt, denn dann will er nur dein Geld.’“

Abraham lachte verlegen. „Ein schlauer Mann, dein Großvater. Ja, er hat recht. Ich brauche ein wenig Kapital. Wie du weißt, bin auch ich nicht gerade ein begnadeter Geschäftsmann und lebe mehr schlecht als recht von dem, was mein Laden abwirft. Aber für einen einsamen, alten Juden, der mit wenig zufrieden ist, hat es noch immer gelangt. Nur jetzt“, Abraham senkte die Stimme und sah Greger tief in die Augen, „jetzt ist es an der Zeit, auf meine alten Tage und noch bevor ich heimgehe ins ewige Reich Gottes, zu meiner geliebten Frau Tikvah und den Engeln, die über sie wachen, ein wenig mehr Lamm zu essen und nicht mehr so viele Matzen. Ein neuer Hut und ein schöner Mantel für den Winter kämen mir auch gerade recht.“

Greger kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. „Was soll das für ein Geschäft sein?“

Abraham stellte sich aufrecht hin wie ein beleidigtes Kind und verschränkte die Arme vor der Brust. „Nein, Greger. Das will ich nur deinem Vater persönlich sagen.“ Dann beugte er sich wieder zu Greger hinunter und flüsterte verschwörerisch: „Es ist, na, sagen wir einmal, ein Geheimnis, dass nur ich kenne. Ein Apparatus, eine machina, eine wundervolle Maschine.“

Plötzlich prustete Greger laut los. „Aber es ist nicht wieder so ein Wunderding, wie Ihr es schon einmal angepriesen habt als die beste Errungenschaft der Menschheit seit der Erfindung des Rades? So ein Stab, mit dem der Kutscher die Zügel halten und sich gleichzeitig verteidigen kann? Davon hatte mein Vater seinerzeit nämlich nur einen einzigen verkauft. Doch der Kunde, dem er ihn aufgeschwatzt hatte, war gleich am nächsten Tag wütend zurückgekommen. Der Stab hatte ihm beim Ausprobieren fast den Kiefer zerschmettert und ihm war daraufhin auch noch der Gaul durchgegangen. Er schrie nach den Bütteln und hätte meinen Vater gewiss erwürgt, wenn er ihm nicht rasch das ganze Geld zurückgegeben hätte und noch einen Groschen Entschädigung. Oder ist es vielleicht wieder eine Schere, mit der man auch Nägel ins Holz einschlagen kann? Erinnert Ihr Euch noch? Entweder hat man sich die Finger abgeschnitten an dem unpraktischen Ding oder sich den Daumen zu Brei gehauen.“ Greger konnte sich kaum beruhigen und schlug sich auf die Schenkel.

Stoisch nahm Abraham den Spott hin. Ja, es stimmte. Den Zügelstab und die Hammerschere hatte er erfunden. Ja und es stimmte auch, dass beides nicht sonderlich gut funktioniert hatte. Aber diesmal war es etwas anderes. Es gab wahrhaft keinen Grund zu lachen. Als Greger wieder besser Luft bekam und sich die Tränen aus den Augen gewischt hatte, sagte Abraham zu ihm: „Ja, lache nur und verspotte mich. Du hast recht damit. Aber das, von dem ich heute spreche, das ist etwas gänzlich anderes. Etwas Großes. Ein lange vergessenes Geheimnis vom anderen Ende der Welt.“

Greger musste noch mit dem Lachen kämpfen, das immer wieder versuchte, seine gespielt ernste Miene niederzuringen. Doch er beherrschte sich schließlich, auch wenn er diesem merkwürdigen Alten kein Wort glaubte. „Vom anderen Ende der Welt? Eine vergessene Maschine? Was ist das für ein Ding und woher habt Ihr dieses angebliche Geheimnis?“

„Wenn ich dir das erzählen würde, dann wäre es ja kein Geheimnis mehr, nicht wahr? Richte deinem Vater nur aus, dass ich ihn unbedingt schon morgen Abend zu sprechen wünsche und ihn bitte, zu mir zu kommen. Allein. Es könnte euer aller Glück und das Wohl des Kontors bedeuten. Ich werde ihm sagen, was er wissen muss, um sich zu entscheiden. Je weniger Leute davon Kenntnis bekommen, desto besser. Von mir erfährst du nichts weiter. Und noch etwas: kein Sterbenswörtchen zu irgendjemandem, außer zu deinem Vater selbst.“

Nun war Greger doch neugierig geworden. Vielleicht steckte diesmal ja doch etwas Handfestes hinter Abrahams Erfindung? Ach, Unsinn! Was sollte das schon sein? Sein Vater würde ihm sicher sofort von der neuesten Verrücktheit dieses Mannes erzählen, gleich, nachdem er von ihm zurückgekommen wäre. Wenn er denn überhaupt erst hinginge. Greger nahm das Päckchen mit den Broschenspangen von der Theke. „Aber eines müsst Ihr mir doch noch erklären“, sagte Greger fordernd. „Wenn Euch bereits bekannt ist, dass mein Vater kaum Geld übrig hat, warum fragt Ihr ihn und nicht einen reichen Frankfurter wie Benisch Stoltzer oder Jakob Heller um Geld? Oder noch besser gleich einen Eurer jüdischen Geldverleiher und Glaubensbrüder?“

„Das ist doch ganz einfach, Greger. Wenn ich zu euren Kaufleuten gehe, dann habe ich nichts in der Hand. Wir wären niemals Partner auf gleicher Augenhöhe. Sie würden mir meine Maschine einfach abkaufen oder gar stehlen und mich nicht am Ertrag beteiligen. Sie würden noch mehr Reichtum anhäufen und ich ginge leer aus. Und meine Leute hier? Nun, denen traue ich zwar mehr, aber sie sind mir zu schwatzhaft. Es würde sich in Windeseile hinter vorgehaltener Hand verbreiten. Dein Vater ist zwar kein Jude, aber ich kenne ihn nun seit bald fünfzehn Jahren und weiß, woran ich bin. Deshalb.“

Greger nickte wenig überzeugt. „Gut, Herr Siebenthal, dann mache ich mich jetzt wieder auf den Weg. Ich werde meinem Vater Ihre Nachricht überbringen.“

„Und denk daran. Zu niemandem ein Wort. Versprich es mir!“, sagte Abraham nachdrücklich.

Greger wandte sich um. „Ja, meinetwegen. Ich verspreche es. Meine Lippen sind versiegelt und werden schweigen wie ein Grab. Auf Wiedersehen, Herr Siebenthal.“

Greger verließ Abrahams Laden und trat auf die menschenleere Judengasse. Es hatte es leise zu regnen begonnen. Dunkle Wolken schoben sich von Westen heran und verdrängten das letzte Licht vom grauen Septemberhimmel. Die Erfindungen dieses Juden, von denen noch nicht eine wirklich funktioniert, geschweige denn einen Pfennig Gewinn eingebracht hatte, dachte Greger bei sich, lächerlich. Abraham Siebenthal mochte noch so gebildet und intelligent sein, er konnte Greger nicht täuschen. Er war und blieb einfach ein harmloser, liebenswerter Irrer, der in seiner verrückten Welt voller kleiner, mechanischer Wunderdinge lebte, die keine waren. Abrahams Werkstatt war sein eigener Narrenturm. Aber jetzt musste er sich wirklich sputen. Die Zeit bei Abraham war schnell vergangen und bald schon würden die Tore der Judengasse für die Nacht geschlossen werden. Zügig stiefelte Greger mit dem Bündel in der Hand davon.

Niemand war zu sehen und doch verfolgte ein Paar aufmerksamer Augen konzentriert jeden von Gregers Schritten, bis er durch das Judenbrückchen in der Mitte der Gasse verschwunden war. Der Mann zog sich den Hut tief ins Gesicht und verdeckte so die lange Narbe, die sich direkt unter seinem rechten Auge eine Handbreit durch sein Gesicht zog. Unter seinem Umhang verbarg er ein Schwert und sein Hals wurde von einem Lederriemchen geschmückt, an dem der Reißzahn eines Wolfes befestigt war. Erst jetzt löste er sich aus dem Schatten des Hauses gegenüber von Abraham Siebenthals Geschäft. Dann wandte er sich in Richtung Untertor und verschwand mit ausladenden Schritten in der Dämmerung, bis sich seine Umrisse in dem immer dichter werdenden Regen auflösten wie eine Traumgestalt. Die großen Fußabdrücke, die er auf dem aufgeweichten Boden hinterließ, füllten sich mit kaltem Wasser. Langsam wurde es dunkel.

Wolf Besigheim hatte genug gesehen. Er schritt aus und erreichte das Untertor der Judengasse nur wenige Augenblicke später. Greger, der Sohn des Kaufmanns Cramer, war von oben gekommen. Er würde Wolf hier nicht begegnen. Dass sich in Frankfurt etwas gegen die Juden zusammenbraute, war Wolf seit langem klar, aber es würde bald geschehen, es lag in der Luft, er konnte es förmlich riechen. Wolf hatte Jakob Heller nach Greger und dessen Vater Jokoff befragt, doch sie schienen nichts mit der Verschwörung gegen die Juden zu tun zu haben. Anders dieser Pfeffersack Benisch Stoltzer, der, so hatte es den Anschein, die Umtriebe aus Eigennutz heimlich unterstützte. Doch seine Motive lagen im Dunkeln. Jokoff Cramer hingegen hatte zwar finanzielle Probleme, das war allen im Rat bekannt, aber er schien ein aufrichtiger Mann mit verhältnismäßig wenig Talent zum Kaufmann zu sein. Nicht mehr.

Dass Greger Cramer beim Verlassen des Ladens dieses eigentümlichen jüdischen Metallhändlers ein blasses und nachdenkliches Gesicht machte, konnte alle möglichen Gründe haben.

Wolf schnickte gedankenverloren einen Stein mit dem Stiefel fort und tippte sich an die Hutkrempe. Die beiden Wachen, die sich wegen des Regens unter das Vordach des Untertors zur Judengasse zurückgezogen hatten, grüßten zurück und Wolf passierte ungehindert den Bogen aus rotem Bruchstein. Er hatte seinen Hengst am Kornmarkt in den der dortigen Marktschänke angeschlossenen Stallungen zurückgelassen. Ein Pferd würde nur auffallen in der engen Judengasse.

Heute hatte er nicht viel Neues in Erfahrung bringen können. Doch oft, wenn er seine Kontrollgänge durch die Gasse der Juden gelaufen war, waren ihm einige Männer aufgefallen. Sie hatten nichts gekauft, nur beobachtet. Dieses Verhalten war seltsam für Christenmenschen. Was sonst außer Geld oder Waren wollte ein im Namen des Herrn getaufter Bürger Frankfurts im Judenviertel? Dies alles und die Informationen, die Wolf von Jakob Heller zugespielt worden waren, bestärkten ihn nur in seiner Überzeugung, dass der Übergriff kurz bevorstand. Nur wann genau, das galt es noch herauszufinden.

Wolf hatte den Kornmarkt erreicht und schritt zielstrebig zu den Stallungen hinüber. Dort ertappte er den Knecht, wie er ein Nickerchen auf einem Strohhaufen machte. Er stieß ihn mit dem Fuß an und sah zu, wie der verschlafene Mann erschrocken aufsprang und ihm das Pferd sattelte. Wolf gab ihm zwei Pfennige und ritt aus Frankfurt hinaus in Richtung des Hellerhofes. Von dort aus würde er morgen nach Mainz aufbrechen, um Uriel von Gemmingen, dem Erzbischof von Mainz, über die Lage zu unterrichten.

4

Wurde aber auch Zeit“, sagte Jokoff Cramer ungehalten zu seinem Sohn, als dieser mit dem Bündel unter dem Arm das Kontor betrat. „Was hat denn so lange gedauert?“ Gregers Vater hatte bereits fünfundvierzig Jahre durchgestanden, aber dieses war gewiss eines der härtesten in seinem Leben. Sein heller Schnurrbart, der ihm fast bis ans Kinn hinabreichte, unterstrich das sorgenzerfurchte Gesicht. Die vollen blonden Haare, die Greger von ihm geerbt hatte und auf die er immer ganz besonders stolz gewesen war, hingen ungepflegt und strähnig halblang auf seinen Nacken herab. Die einstmals stolze Kaufmannskleidung war fadenscheinig und mehr als einmal von seiner Frau Agnes ausgebessert worden.

Greger legte Abrahams Waren vor seinen Vater auf den Tisch. „Ach, du kennst doch Abraham Siebenthal. Er hat immer etwas zu erzählen und schwatzt viel dummes Zeug. Außerdem soll ich dir eine wichtige Nachricht überbringen.“

„Eine wichtige Nachricht, so, so“, bemerkte Jokoff Cramer desinteressiert und wickelte die Spangen aus dem Tuch. Er betrachtete sie prüfend. Sie waren sauber gearbeitet. Er würde sie an seine Kunden weiterverkaufen oder für Reparaturen verwenden. Einige würde seine Frau zu Schmuckstücken aufarbeiten. In jedem Fall aber versprachen sie wenigstens ein klein wenig Gewinn.

„Konntest du bei Abraham anschreiben?“

„Ja, Vater, sonst hättest du die Spangen wohl kaum vor dir liegen, denn Geld habe ich keines, wie du weißt“, antwortete Greger spitzer, als er es beabsichtigt hatte.