cover
Sabine Herzig

Waffenschein für Hefeteig

und andere Kurzgeschichten





BookRix GmbH & Co. KG
80331 München

Inhalt

Sabine Herzig

 

 

Waffenschein für

Hefeteig

Kurzgeschichten

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Inhaltsverzeichnis

 

 

Waffenschein für Hefeteig

Knubbel

Geistig spitzig

Der Wassereimer

Damengürtel

Urlaub mit der Family

Wahre Liebe

„Das Geschenk“

Croydon

Das Paket

 

 

 

Waffenschein für Hefeteig

 

„Na, da zeigen Sie mal her“, fordert mich der Arzt in der Notfall Aufnahme auf, während ich den provisorischen Verband vom rechten Daumen löse. Auf der Oberseite meines mittleren Daumenglieds kläfft eine unansehnliche Schnittwunde, deren Blutung ich zu Hause notdürftig stoppen konnte. „Ja, das ist ein ziemlich tiefer Schnitt, den müssen wir mit ein paar Stichen nähen“ informiert mich der Arzt. „Sagen Sie, sind sie Linkshänderin?“ „Nein“, muss ich ihn enttäuschen. „Wieso?“ Aber ich weiss schon, was ihm durch den Kopf geht. Schnittwunde am rechten Daumen deutet auf einen Linkshänder hin. Gleich fragt er weiter, ich sehe es ihm an. Mir sollte besser schnell eine glaubwürdige Erklärung einfallen, wie ich mir diesen Schnitt zugefügt habe. Die Wahrheit glaubt mir nämlich kein Mensch. Und da kommt sie schon, die Frage, der ich versuche aus dem Weg zu gehen. „Wie ist denn das passiert? Die meisten Schnittwunden, die ich behandeln darf, liegen in den Innenseiten der Hände. Sagten Sie nicht etwas von einem Haushaltsunfall in der Küche?“ „Ganz recht“, nicke ich zustimmend. Können wir es nicht dabei belassen? Ist doch wirklich egal, wie der Schnitt da hinkommt. Er ist jedenfalls da, sonst wäre ich nicht hier! Während der Arzt mir eine Spritze verpasst und sich mit Nadel und Faden bewaffnet, bohrt er weiter? „Wirklich, eine ungewöhnliche Stelle für einen Schnitt. War wohl ein scharfes Messer, hm?“ „Nein.“ Ich habe mal gehört, dass Einsilbigkeit den Gesprächspartner stoppen soll, da er das Interesse am Gesprächsgegenstand verliert. Dieser Arzt gehört offensichtlich nicht zu diesen Menschen. „Kein Messer? Dafür ist der Schnitt aber sehr sauber und tief.“ Nachdem ich noch immer schweige, fügt er ungeduldig hinzu: „Was war es denn nun? Womit haben sie sich denn geschnitten? Etwas muss doch für diesen Schnitt verantwortlich sein?“ Ich bin es Leid und antworte ihm erneut einsilbig: „Teig!“ „Wie bitte?“ Der Arzt hat mich schon richtig verstanden, aber ich wiederhole es etwas ausführlicher: „Hefeteig!“ Jetzt macht er einen Schritt auf mich zu und schnüffelt nach Restalkohol. Da muss ich ihn enttäuschen, ich bin absolut nüchtern. Morgens um acht Uhr gibt es bei mir noch keinen Alkohol.

 

Mein Schnitt wird mit drei Stichen genäht. Mein Plan mit der Einsilbigkeit funktioniert, er hat aufgegeben zu fragen und schweigt so beharrlich wie ich. Ob er mich jetzt schlechter behandelt, weil der denkt, dass ich ihm etwas verschweige, oder weil er mich für eine unfreundliche Zicke hält? Ich bin hin und hergerissen, ob er nicht doch ein Recht auf Auskunft hat und beschliesse, ihm den Tathergang nun doch zu beschreiben. Vielleicht ist somit in der Lage, andere Patienten vor ähnlichen Verletzungen zu warnen. Ich räuspere mich und beginne langsam meinen Bericht: „Ich wollte heute Morgen für meinen Mann schnell noch einen Käsekuchen backen und damit dieser auch rechtzeitig fertig ist, bevor mein Mann zur Arbeit aufbricht, habe ich den Kuchen etwas vereinfacht. Normalerweise bereite ich einen Mürbeteig mit Streuseln zu, aber das hätte heute Morgen zu lange gedauert. Im Kühlschrank lagerte noch Fertighefeteig, das geht prima schnell. Einfach die Tüte aufreißen und schon ist der Teig auf dem Blech. Er ist etwas größer als die Kuchenform, so musste ich die Ränder außen abscheiden. Offensichtlich war ich nicht gründlich genug, denn als ich den Kuchen nach halber Stunde Backzeit aus dem Ofen genommen habe, bin ich beim Abstellen auf dem Küchentisch, so unglücklich mit dem Daumen, an dem über die Form hinausquellenden Hefeteigrand entlang geschrammt, dass es augenblicklich geblutet hat wie sau. Ich war selbst ganz erschrocken, welch gefährliche Waffe aus einem so weichen Genussmittel werden kann.“ Der Arzt sagt nicht. Er sieht mich nur verständnislos an und schüttelt dabei leicht den Kopf. Hätte ich mal bloß meine Klappe gehalten. Ich wusste ja, das mir die Wahrheit Niemand glauben würde.