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Sabine Herzig

Auf den Hund gekommen





BookRix GmbH & Co. KG
80331 München

Titel

Sabine Herzig

 

 

 

 

 

Auf den Hund gekommen

 

 

 

Kurzgeschichten

Band 3

 

 

 

Covergestaltung: Dotte Norkauers

 

Inhaltsverzeichnis

Auf den Hund gekommen

Das Begräbnis

Mädchenfußball

Parallelstraße

Die Fritteuse

Kreiselverkehr in England

Himbeerkonfitüre fürs Klassenfrühstück

Der schöne Westerwald

Tagesrhythmus eines Ehepaars

Die Fahrprüfung

Ratgeber zum Abnehmen

 

Auf den Hund gekommen

 

Mein Opa hat Geburtstag, so wie jedes Jahr. Ein wahres Fest für die ganze Familie, welches sich alljährlich, nahezu gleich, wiederholt. An die letzten zwanzig mal kann ich mich noch gut erinnern. Ich bin mit meinen 28 Jahren auch die Älteste von sechs Enkelkindern meiner betagten Großeltern. Früher musste ich mir, bei Desinteresse an dieser alljährlichen Veranstaltung, stets anhören: „Sei froh, dass ihr sie noch habt. Wer weiss, wie lange noch.“ Nun, das weiss ich auch nicht. Aber seit Jahren hinterfrage ich dieses nicht mehr. Meine Großeltern gehen auf die 90 zu, und ich wünsche ihnen von Herzen, dass sie gemeinsam noch ein paar Altersjahre im eigenen Heim verbringen mögen, denn sie sind für ihr Alter gut drauf, mal abgesehen von altersbedingten Kleinigkeiten. Mein Opa ist sehr beleibt und deswegen nicht sonderlich bewegungsfreundlich, was meine kleine Oma wiederum durch geringe Masse, etwa zwei Drittel meines Opas weniger, gut ausgleicht. „Grete, bring mir mal ...“ und „Grete, hol doch mal...“ und „Grete...“ was auch immer, sie ist stets zur Stelle und führt freudig die Anordnungen ihres Ehemanns aus. Ich nenne sie die „Springoma“, denn sie ist klein, flink und wendig. Sie bringt kaum 49 Kilo auf die Wage, was kein Wunder ist, bei dem täglichen, häuslichen Trainingsprogramm unter meinem Opa. Wenn ich später einmal heirate und mit meinem Mann so lange zusammen bleiben darf, dann wäre das ein großer Segen. Aber wer weiss das schon, wie es in seiner eigenen Zukunft ausschaut. Kommen wir zurück zur Gegenwart. Der Geburtstag meines Großvaters, der in dieser Kleinstadt eine höhere berufliche Position inne hatte, ist vor Ort eine bekannte Persönlichkeit in seiner Altersklasse, der man gratuliert. So gibt es jedes Jahr einen Vormittagsempfang für spontane sowie erwartete Gäste. Die Leute kennen den Termin nach so vielen Jahren auswendig und brauchen keine schriftlichen Einladungen, denn sie sind ebenfalls im Ruhestand und da spielt der Wochentag keine Rolle. Für den Rest der Familie ist der Termin Ende Juli garantiert immer in Ferienzeit. Für uns und die Familie meines Onkels, gibt es keinerlei Ausrede, diesem jährlichen Ereignis fernzubleiben.

 

Mein Onkel mit Familie hat es in diesem Fall viel einfacher. Sie bewohnen die obere Etage des schnuckeligen 2-Famlienhauses in Walllage. Unsere Familie muss aus der näheren Großstadt erst anreisen. Eine Stunde hin und später eine Stunde zurück. Fahrer ist immer mein Vater. Wir anderen haben wenigsten das Vergnügen, uns den Tag mit Sekt zu versüssen. Inzwischen sind auch meine kleinen Cousinen fast alle volljährig, da macht der Geburtstag mit Sekt richtig Spass.

 

Die ersten Gäste kommen gegen elf. Die Familie soll immer schon um zehn Uhr da sein, falls noch was zu erledigen ist. In der Regel brauchen wir nicht länger als fünf Minuten, um einen Stapel Teller, Bestecke und diverse Gläser auf dem Tisch zu stellen.. Die Schnittchenplatten werden vom Metzgerfreund geliefert, leider gegen Bares nicht als Geschenk. Aber mein Opa ist sehr spendabel und die Schnittchen sind wirklich appetitlich. Ab elf Uhr habe ich mich zum Türöffner ernannt und gehe in meiner Rolle gut auf. Ein Flotter Spruch zur Begrüßung, dann leite ich sie weiter zur Garderobe und da stehen schon meine Oma und meine Mutter zum entgegennehmen irgendwelcher Jäckchen oder Stolen. Es ist Hochsommer, da haben die Gäste nicht viel an Jacken dabei. Ich jedenfalls, bin die „Alten“ erst mal los. Später laufe ich ihnen noch oft genug über den Weg, damit sie mich mit den Fragen vom Vorjahr quälen können. Entweder sind die so vergesslich oder es ist die pure Verlegenheit, dass sie nichts anderes als Gesprächsthema finden. Werde ich auch mal so? Oh weih! Eine gute halbe Stunde später ist das Klingeln an der Haustüre verebbt und das Wohnzimmer voll. Ich nehme den Seitenweg über Opas Arbeitszimmer, um nicht gleich in Sichtweite aufzutauchen. Im Esszimmer stoße ich dann auf diejenigen, die der Gesellschaft im Wohnzimmer Platz gelassen haben, denn die Sessel und Sofas im Wohnzimmer sind begrenzt. Wer da „festsitzt“, kommt so schnell nicht mehr raus, dass haben wir Enkel schnell gelernt. Hier im Esszimmer ist es auf Stühlen oder auf dem Fussboden viel entspannter. Wir holen uns eine gemischte Platte mit Schnittchen und trinken großzügig Opas Sekt. Der einzige, der mir bei dieser Veranstaltung wirklich leid tut, ist mein Vater, der ist der Fahrer! Er muss alles nüchtern über sich ergehen lassen und trotzdem so tun, als ob er alles super toll findet und sich in jenem Moment nichts besseres vorstellen könnte. Schicksal, ich merke mir für meine Zukunft schon einmal vor: Der Ehemann ist immer der Fahrer, dann klappt´s auch mit den Schwiegereltern!

 

Seppel, Maxel