Inhaltsverzeichnis

Erstes Buch
1. [Laß aus dem Königsbuch der Perser dir berichten]
2. [Als Rostem lag und schlief, und an sein Ross nicht dachte]
3. [Doch Rostem, wie er dort von seinem Schlaf erwachte]
4. [Er sprach: Das ist die Stadt, in der ein König sitzt]
5. [Der König trat zu Fuß hervor aus dem Palast]
6. [Der Löwenmutige ward dieser Rede froh]
7. [Um Mitternacht, wenn sich des Poles Wagen drehn]
8. [So endet' ihren Gruß das Mondglanzangesicht]
9. [Nach kurzer Freudennacht als an der Morgen brach]
Zweites Buch
10. [Neun Monde waren schon Tehminen hingegangen]
11. [Zu seiner Mutter kam der Knabe, sie zu fragen]
12. [Doch Suhrab sprach: Wer birgt die Sonn im Weltenring?]
13. [Zu seiner Mutter sprach Suhrab, der junge Held]
14. [Da stellte sich zuletzt ein alter Recke dar]
15. [Er sprachs, und stieg vom Ross, und gieng ins Haus zurück]
16. [Dem Schah Afrasiab in Turan ward gesagt]
17. [Afrasiab, der Schah, nachdem er den Bericht]
18. [Da schrieb Afrasiab an Suhrab einen Brief]
19. [Da hörte vom Gerücht Suhrab, daß Baruman]
Drittes Buch
20. [Da war ein Schloß, das hieß das Weiße Schloß im Land]
21. [Mit scharfem Ritte kam der kühne Reck herbei]
22. [Zur Antwort gab Hedschir: Verwegner, schweige still!]
23. [Doch von der Zinn hinweg und von der Jungfrau warf]
24. [Er schwieg, und harrte stumm auf Tod nun oder Leben]
25. [Von Siegesfreude war das Türkenlager voll]
26. [Sie kam alswie ein Mann den Berg herab vom Schloß]
27. [Auf einen Bogenschuß ritt er zu ihr hinan]
28. [Doch Gurdafrid besann sich auch, als sie den Mann]
29. [Er riefs, und übern Arm warf sie des Bogens Sennen]
30. [Von ihrem Haupte quoll die Fülle dunkler Locken]
31. [So sprach die Schmeichlerin, als sei sie seine Schwester]
Viertes Buch
32. [Im Schloßwall hinterm Tor, mit Sorgen und mit Trauer]
33. [Da neigte Gurdafrid sich von der Zinne droben]
34. [Sie sprachs, und schwieg, und stieg hinab vom Mauerkranz]
35. [Zum heimgekehrten trat Baruman in der Nacht]
36. [Weil dieß der weißen Burg im Lager ward gedroht]
37. [Er schriebs und siegelte, und gab geschwind den Brief]
38. [Wie sich ein Knabe müht, daß er den Baum ersteige]
39. [Da rief er seiner Schaar: Geschwind, und holet mir]
40. [Doch Suhrab gieng nunmehr im weiten Schloß umher]
41. [Zu dem in Liebeslust gefangnen jungen Mann]
42. [So mahnte Baruman, und als darauf kein Wort]
Fünftes Buch
43. [Doch zu Keikawus kam nach Istachar der Brief]
44. [Da saß der Schah und schrieb an Rostem einen Brief]
45. [Er schrieb und siegelte den Brief mit buntem Wachse]
46. [Ich denk an alte Zeit, vergeßen manches Jahr]
47. [So sprach der alte Held in tiefbewegtem Sinn]
48. [So rief der alte Held aus aufgeregter Seele]
49. [Am andern Morgen trat der Eidam reisefertig]
50. [Des andern Morgens trat der Bote reisefertig]
51. [Die Kunde kam zur Stadt, Rostem sei auf den Wegen]
52. [So schnaubt' er, und vor Leid dem Tus das Herz zerbrach]
53. [Die Fürsten drängten aus dem Saal ihm hinterdrein]
Sechstes Buch
54. [Die Fürsten sahn ihm nach, verstöreter Geberde]
55. [Er sah ihn auf dem Thron in düsterm Unmut sitzen]
56. [So sprach der edle Greis und schwieg, doch Kawus nam]
57. [Zu Rosse stiegen sie, und ritten bei der Nacht]
58. [Doch Rostem sprach: Er mag nach mir nur lange blicken!]
59. [Doch Guders sprach: Ist das, Rostem, dein letztes Wort?]
60. [Zu Hofe führten sie im Zug den Pehlewan]
61. [Zu Rostem wieder sprach der Schah: O Pehlewan!]
62. [So saßen sie im Haus des Königs nun beim Schmaus]
63. [Sie aber saßen noch beim frohen Maal und tranken]
Siebentes Buch
64. [Dem Suhrab sagtens an Wachtposten, daß nun kam]
65. [Darauf sprach Baruman: Ich sehe mehr als einen]
66. [In Irans Lager war inzwischen Zelt an Zelt]
67. [Um seine Schultern nam ein Kleid nach Türkenart]
68. [Da saß beim frohen Fest, in Mitte Fackelscheins]
69. [So sprachen von dem Stern des Festes dort die Sterne]
70. [Von Suhrabs Mutter ward inzwischen so geträumt]
71. [Send aber sendete den Blick umher des Luchses]
72. [Doch Suhrab rief: O weh! gebrochen ist ins Rund]
73. [Doch Rostem kam, als er vom weißen Schloß entrann]
Achtes Buch
74. [Doch als vom Morgen ward der Himmel aufgetan]
75. [Da hob zu fragen an Suhrab: Dort in der Mitte]
76. [Zu fragen fuhr er fort: Dort aber rechter Hand]
77. [Wes ist das grüne Zelt, aus Duft und Glanz gewebt]
78. [Was fragt der Türke nach des Reiches Pehlewan?]
79. [Doch ungeduldig fuhr Suhrab zu fragen fort]
80. [Hedschir sprach: Ei, was forscht so deine Ungeduld]
81. [Doch Suhrab rief voll Zorn: So willst du mich verhöhnen?]
82. [Er stieg, von Zorn bewegt, hinab vom hohen Turm]
83. [Suhrab vom Walle rief hinab ins Lager tief]
84. [Zu Rostem, wo er saß im Zelte, kam der Bot]
Neuntes Buch
85. [Er ritt hinaus, wo ihn der gleichgeartete]
86. [Doch näher kamen an die beiden Helden licht]
87. [Da schwenkte sich im Zorn zur Linken ab Suhrab]
88. [Sie schieden sich, voll Weh der Vater, und das Kind]
89. [Nunmehr begannen sie, wie um sich zu erholen]
90. [Sie ritten nah sich auf den Leib, und legten Hand]
91. [Da stürzt' er sich, wie sich ein Wolf stürzt auf die Herde]
92. [Sie giengen; finster ward das Angesicht der Luft]
93. [Indess im Lager lag schon Rostem beim Gelag]
94. [So sprach er, und sein Wort macht' alle Gäste staunen]
Zehntes Buch
95. [Wie nun des Tages Pfau sein farbiges Gefieder]
96. [Zu ihm sprach Baruman, nachdem er still bedacht]
97. [Als beide Kämpfer nun erschienen auf dem Plan]
98. [So sprach das Kind; ihm hatt aus Waßer, Luft und Flur]
99. [Da rief Suhrab erzürnt: Wolan denn, alter Mann]
100. [Sie gürteten sich fest die Mitte, stülpten dicht]
101. [Rostem, aufblickend, sah das nahe Ungemach]
102. [Doch Rostem, als er war entbunden seiner Qual]
Elftes Buch
103. [Zu Suhrab aber, der froh seiner Jagd nachgieng]
104. [Auf einem Felsenthron saß dort der Geist und sah]
105. [So unterhandelten sie dort um Rostems Kraft]
106. [Suhrab sprach todeswund: O ungetreuer Mann!]
107. [Dumpf einen Augenblick in seines Jammers Füllen]
108. [Dort das Zuschauerheer, nichts schauend in der Hülle]
109. [O Vater! eh mir fort das Leben rinnt, und dort]
110. [Er sprachs, und Rostem schwieg; er öffnete den Mund]
Zwölftes Buch
111. [Hilfeile flügelte des greisen Boten Fuß]
112. [Tehemten gieng zurück zu seinem toten Sohn]
113. [So klagt' er in der Nacht, und um ihn klagend saßen]
114. [So klagt' er in der Nacht, da stieg der Tag empor]
115. [Er sprachs, und rührete der Totendecke Rand]
116. [Ins Lager zog das Heer, und ab ward Zelt um Zelt]
117. [So sprach er, und Sewar gieng an die Sendung schnell]
118. [Und als vom Schlaf der Nacht war neu das Heer erwacht]

Erstes Buch

Inhaltsverzeichnis

1

Inhaltsverzeichnis

Laß aus dem Königsbuch der Perser dir berichten
Von Rostem und Suhrab die schönste der Geschichten,
Von Heldenruhm, wie leicht er Frauenlieb erwarb,
Und wie der eigne Sohn, erlegt vom Vater, starb!
Held Rostem sprach, als er am Morgen war erwacht:
Auch heute hab ich nicht zu reiten in die Schlacht.
Afrasiab, der Fürst von Turan, läßet ruhn
Die Waffen, friedlich blüht das Reich von Iran nun;
Doch in der Friedensruh was soll ich selber thun?
Da rüstet' er sich schnell zur Jagd, er band in Eile
Den Gürtel fest, und hieng den Köcher um voll Pfeile.
Den Bogen prüft' er, ob er nicht die Kraft verlor;
Dann zog er aus dem Stall den edlen Hengst hervor.
Dem war die Weile dort wie seinem Herren lang;
Er wieherte vor Lust, als er ihn setzt' in Gang.
Er schwang sich auf den Rachs, und sagte nicht ein Wort
Den Seinigen im Haus, in Eile ritt er fort.
Der Mark von Turan zu wandt er sein lockig Haupt,
Alswie ein Löwe, der nach seiner Beute schnaubt.
Wie zu der Turanmark er hingekommen war,
Die Haide nam er da voll wilder Elke war.
Wie eine Rose war erblüht des Helden Wange
Vor Lust, er tummelte den Rachs mit raschem Gange.
Mit Pfeil und Bogen bald, mit Keul und Fangeschnur,
Ein Dutzend Stücke warf er nieder auf die Flur.
Aus Dornen und Gesträuch und manchem Baumesast
Entzündet' er darauf ein Feur von starkem Glast.
Und als zu Kolenglut war eingebrant die Flamm,
Erkor der Recke sich zum Bratspieß einen Stamm.
Der Elke feistesten steckt' er an diesen Baum,
Der wog in seiner Hand nicht eines Vogels Flaum.
Er drehte wohl den Spieß, daß fein der Braten briete
Auf allen Seiten gleich, und nirgend ihm misriete.
Und als er gaar nun war, nam er ihn vor, und saß
Am grünen Boden hin mit guter Lust und aß,
Wobei er auch das Mark im Knochen nicht vergaß.
Gesättigt, schritt er nun hin wo ein Waßer lief,
Zur Gnüge trank er auch, dann legt' er sich und schlief.
Am Rand des Baches lag der Held, den heißen Tag
Ausschlafend, und sein Ross gieng weidend frei im Hag.

2

Inhaltsverzeichnis

Als Rostem lag und schlief, und an sein Ross nicht dachte,
Da kamen Türken her, ein sieben oder achte.
Die sahn ein edles Ross frei weiden in dem Bann
Von Turan, und zu sehn zum Rosse war kein Mann.
Worauf sie sich alsbald das Ross zu fangen schickten:
Sie hättens nicht gewagt, wo sie den Mann erblickten!
Da kamen sie dem Rachs mit ihrer Fangschnur nah;
Aufschnaubt' er wie ein Leu, da er die Fangschnur sah.
Nicht wollte sich der Rachs geduldig laßen fangen,
Es wäre schlimm zuvor erst einigen ergangen.
Den Kopf vom Rumpfe riß dem einen sein Gebiß;
Derweil ein Hufschlag zwei zu Boden hinten schmiß.
Der kühnen Türken so getödtet lagen drei,
Das kriegerische Ross war noch von Banden frei.
Doch unverdroßen stürmt herbei der andre Tross,
Und warfen übers Haupt mit Müh die Schnur dem Ross.
Gebändigt führen sies zur nahen Stadt in Eil,
Es wär um vieles Gold ihr Fang nicht ihnen feil.
Es sei von hoher Art, ersahn sie an den Zeichen;
Jedweder wollte Teil am edlen Hengst erreichen.
Sie fürchteten, der Raub werd ihnen bald entführt,
Nicht lange bliebe solch ein Schatz unaufgespürt.
Da brachten sie geschwind ihn zu der Stuterei,
Daß seines Samens doch teilhaftig jeder sei.
Ich hörte, daß er dort auf zwanzig Stuten sprang,
Die alle seiner Wucht erlagen beim Empfang.
Und nur von einer ward getragen Leibesfrucht;
Zu Großem war bestimmt das Folen edler Zucht.

3

Inhaltsverzeichnis

Doch Rostem, wie er dort von seinem Schlaf erwachte,
Das erste war sein Ross, an das er wieder dachte.
Er blickt' umher, und sah sein Ross nichtmer im Hag;
Verlaufen hatt es ihm sich nie vor diesem Tag.
Laut rief er ihm; sonst kams auf leisen Ruf herbei;
Nun kam es nicht; da sprang er auf mit lautem Schrei.
Er suchte rings im Hag, er spähte durch die Flur,
Von seinem Rosse fand er hier und dort die Spur,
Es selber fand er nicht, und rief: O weh! verloren
Hab ich, derweil ich schlief, mein Ross gleich einem Toren.
Was soll ich ohne Ross mit dieser Rüstung thun?
Des Rittes lang gewohnt, geh ich zu Fuße nun?
Was werden Türken, wenn sie mir begegnen, sagen,
Daß ich den Sattel muß, statt mich der Sattel, tragen?
Verlaufen hat sichs nicht, das ist nicht seine Art;
Nun desto schlimmer, wenn es mir gestolen ward!
Doch lang bleibt nicht der Rachs des Rostem unbekant;
Auffinden werd ich ihn, der mir den Rachs entwandt!
Kam wol, derweil ich schlief, ein ganzes Türkenheer?
Denn einem einzgen ist der Rachs zu fangen schwer.
Doch den Gedanken ist vergebens nachzuhangen;
Auf, rüste dich zum Gang, weil dir dein Ross entgangen!
So sprach er unmutsvoll, und schwieg, und schaute stumm
Noch eine Weile sich nach seinem Rösslein um;
Denn immer dacht er noch, es müßte wieder kommen:
Wer auf der Welt sollt ihm haben den Rachs genommen?
Als aber doch der Rachs nicht wiederkommen wollte,
Macht' er sich endlich an den sauren Gang, und grollte.
Mit Waffen und Geschirr belud er sich, und sprach
Noch viel mit sich, indem er gieng den Spuren nach.
Die Spuren leiteten zur Stadt Semengan ihn,
Die dort im Abendstral zu ihm herüber schien.

4

Inhaltsverzeichnis

Er sprach: Das ist die Stadt, in der ein König sitzt,
Der es mit Turan jetzt und hält mit Iran itzt,
Der wie die Wage schwank sich nach der Seite neigt,
Wo sich ein Perser hier und dort ein Türke zeigt.
Den Rostem kennen sie, wenn er zu Pferde steigt!
Doch fehlt mir ja der Rachs, daß ich zu Pferde steige!
Ob ich zu Fuße denn mich in Semengan zeige?
Ich geh in ihre Stadt zu Fuß mit meinen Waffen,
Und seh, ob meinen Rachs sie dort mir wieder schaffen!
Ich sag es ihnen gleich, daß sie ihn schaffen sollen,
Und denke nicht, daß sie ihn vorenthalten wollen!
Ich werb um Gastherberg in dieser Stadt der Grenzen,
Und sehe, was beim Schmaus dem Rostem sie kredenzen!
So sprach er unterm Gehn, doch aus den Augen ließ
Er nie dabei die Spur, die sich am Boden wies;
Bis die in Schilf und Rohr am Fluße sich verlor;
Da ließ er sie, und gieng grad auf Semengans Tor.
Nun in Semengan ward dem König angesagt:
Held Rostem kommt, er hat im Türkenforst gejagt.
Zu Fuße geht einher die lichte Kronenzier,
Weil ihm entlaufen ist der Rachs im Jagdrevier.
Der König, wie er dieß vernam, war er geschürzt,
Daßnicht ein solcher Gast an Ehren sei verkürzt.
Da zogen aufs Gebot des Königs alle Degen,
Die Edlen all des Hofs, dem Edelsten entgegen.
Entgegen zog ihm, wer aufs Haupt nur einen Helm
Zu setzen hatt, und wer zurückblieb, war ein Schelm.
Sie reihten feierlich sich um den Heldenglanz,
Wie um der Sonne Haupt der Abendwolke Kranz.
So führten sie zur Stadt das Licht der Ehren ein,
Als eben über ihr erlosch des Tages Schein.

5

Inhaltsverzeichnis

Der König trat zu Fuß hervor aus dem Palast,
Der Hofstaat um ihn her, entgegen seinem Gast.
Er grüßt' und neigte sich: Woher durch Wald und Feld,
Und kein Begleiter ist mit dir, o Kampfesheld?
Hast du den Tag vollbracht mit Jagd im Jagdrevier,
Und suchest nun zur Nacht bei Freunden Nachtquartier?
Wir alle sind hier nur auf deinen Wunsch bedacht,
Und zu Befehle steht Semengan deiner Macht.
Die Leben stehen dir und Güter zu Befehle;
Die Edeln, Edelster, sind dein mit Leib und Seele.
Was wünschest du? es soll geschehen, o Pehlewan!
Gebeut, was wir dir thun, und denk, es sei gethan!
Held Rostem hörte gern die Rede sanft und zahm,
Wol merkt' er, ihnen sei die Hand zum Bösen lahm.
Er sprach: Abhanden kam der Rachs mir auf der Flur,
Und hier bis an die Stadt geht seiner Tritte Spur.
Wenn du mir diese Nacht ihn wieder schaffen kannst,
So wiße, daß du Dank von mir und Preis gewannst.
Doch wenn ihr mir den Rachs nicht werdet wieder schaffen,
So sollen durch mein Schwert hier breite Wunden klaffen.
Der König sprach erschreckt: Held ohne Furcht und Zagen,
Wer dürfte wol den Rachs dir zu entwenden wagen?
Sei du mein Gast, laß dir den Ehrenbecher spenden
In Frieden, und nach Wunsch wird sich die Sache wenden.
Von Rostems Rosse bleibt die Fährte nicht verborgen;
Wir schaffen dir den Rachs; gedulde dich bis morgen!
Mit ungestümer Hast gelangt man nicht zum Fange;
Mit sanften Worten lockt man aus dem Loch die Schlange.
Drum sänfte deinen Zorn, kehr ein, und laß beim Wein
Mit Herzen sorgenfrei die Nacht uns fröhlich sein!
Wir bringen dir den Rachs, o tapfrer Kampfgesell,
Wir bringen ihn, bevor der Morgen tagt, zur Stell;
Uns sei die Hall indes vom Licht des Weines hell!

6

Inhaltsverzeichnis

Der Löwenmutige ward dieser Rede froh,
Davon aus seiner Brust so Groll als Unmut floh.
Es dünkt' ihm gut, daß er zum Königshause gienge,
Als wolgemuter Gast zu Fest und Schmause gienge.
Ihm gab den Ehrensitz der König im Palast,
Auf Füßen dienstbereit stand er vor seinem Gast.
Die Häupter aus der Stadt, die Häupter aus dem Heer,
Berief und pflanzt' er beim Gelag um Rostem her.
Den Köchen er befal, von allen guten Dingen
Gerichte zu der Wal des Helden herzubringen.
Da ward hereingebracht ein ausgesuchtes Mal,
Der Silberschüßeln Pracht und goldner Schaalen Zal;
Aus China war beim Fest chinesischer Pokal.
In diesem ward kredenzt Wein unter Lautentönen
Von rosenwangigen gasellenaugigen Schönen.
Sie mengten Saitenspiel und Wein mit Schmeichelei,
Damit nicht ungemut der Hochgemute sei.
Er hörte seine Lust, und schaute sein Vergnügen,
Und trank den frohen Mut dazu in langen Zügen.
Mit allen Sinnen so schöpft' er des Festes Wonne,
Ihm stralte sein Gesicht bei Nacht wie eine Sonne.
Und allen, welche da das helle Angesicht
Des Helden leuchten sahn, wards in der Seele licht.
Die Becher ließ er nicht die ungetrunknen säumen;
Und als er trunken war, dacht er den Sitz zu räumen.
Da war bereit für ihn, gewölbet kühl und luftig,
Ein Schlafgemach, von Musk und Rosenwaßer duftig.
Im kühlen Schlafgemach verschlief auf seidnen Decken
So Müdigkeit als Rausch Rostem, der Feinde Schrecken.

7

Inhaltsverzeichnis

Um Mitternacht, wenn sich des Poles Wagen drehn,
Ward leises Wort gesagt bei leiser Tritte Gehn.
Geräuschlos aufgetan ward Rostems Ruhgemach,
Mit Staunen ward der Held beim Glanz von Fackeln wach.
Tehmina stand vor ihm, bestralt von Stein und Gold,
Die Königstochter von Semengan wunderhold.
Ihr standen beiderseits mit Fackeln Dienerinnen;
Sie stralte hell vom Glanz der Fackeln und der Minnen.
Der Reiz der Jugend war in den der Scham getaucht,
Der Wangen Lilien von Rosen überhaucht.
Doch im Rubinenschloß des Mundes lag bewart
Geheimnis liebliches, für diese Nacht gespart.
Er richtete sich auf, und staunte lang und tief,
Indem er Preis ob ihr und ihrem Schöpfer rief.
Er fragte sie und sprach: Wie, Holde, nennst du dich?
Und was in finstrer Nacht zu suchen kommst du, sprich!
Zur Antwort gab sie ihm: Tehmina ist mein Name,
Gespalten ist mein Herz von einem tiefen Grame.
Ich bin des Schahes von Semengan einzig Kind,
Von Kindheit auf, im Lauf, der Neid von Hirsch und Hind;
Sie holen mich nicht ein, mich holt nicht ein der Wind.
Allein die Sehnsucht kam mich heimlich einzuholen,
Die führt mit diesem Gram mich her zu dir verstolen.
Wie eine Wundersag hab ich aus jedem Munde
Gehört zu jeder Stund, an jedem Ort die Kunde,
Wie du so tapfer bist, und trägest keine Scheu
Vor Tiger, Elefant und Krokodil und Leu.
Du schirmest ganz allein Iran mit deiner Kraft,
Und Turan zittert, wenn sich rührt dein Lanzenschaft.
Du reitest ganz allein bei Nacht in Turan ein,
Und streifest dort umher, und schläfest dort allein.
Dergleichen Kunde ward mir vom Gerücht vertraut;
Lang wünscht ich dich zu sehn, heut hab ich dich geschaut.
Wenn du zu Weibe mich begehrst, bin ich dein Weib;
Nie Mond- noch Sonnestral berührte diesen Leib.
Vom Schleier meiner Zucht erwuchs ich tief umfangen;
Den Zügel der Vernunft entzog mir dieß Verlangen:
Ich bitte Gott, von dir zu tragen einen Sproß,
Der einst, an Kraft dir gleich, beherrsche dieses Schloß.
Zur Mitgift will ich jetzt, o Held, dieß Schloß dir bringen,
Zur Morgengab alsdann, Rostem, dein Ross dir bringen!

8

Inhaltsverzeichnis

So endet' ihren Gruß das Mondglanzangesicht;
Der Löwenkühne hört' aufmerksam den Bericht.
Wie sie der Held so schön, so perlgleich sie sah,
An Sinn so hoch und an Verstand so reich sie sah,
Und daß sie noch dazu vom Rachs ihm gab die Kunde;
Von lauter Frölichkeit sah er erfüllt die Stunde.
Er rief die wandelnde Zipress' an sich heran;
Hold tauschte Blick und Wort mit ihr der Pehlewan.
Er rief ins Vorgemach, daß einen der Mobeden
Sie brächten ihm herbei, der wüßte wol zu reden.
Den sendet' er alsbald, den Weisen tugendvoll,
Daß er die Tochter ihm vom Vater fordern soll.
Der Wolverständige, dahin zum Schahe schritt er,