Der Liebe Leben ist schnell vollbracht,
Es keimet, es reift in einer Nacht;
Frühmorgens erwacht,
Noch eh du's gedacht,
Hüpfts Kindlein frisch
Durch Blütengebüsch,
Und regt die Glieder
Mit Macht, mit Macht.
Kommts Abendroth,
Ists Kindlein todt,
Es legt sich nieder,
Ersteht nicht wieder,
Ist nimmer erwacht,
Gute Nacht, gute Nacht!
Dein Lauf ist vollbracht,
Dein Grab ist gemacht,
Gute Nacht, gute Nacht!
Erwach, o Licht des Gesanges,
O Licht der Erinnerung!
Rings am Himmel ist banges
Gewölk der Trauer genung.
Es soll in meinem Herzen
Nicht auch noch finster seyn.
Dazu in der Nacht hat man Kerzen,
Wenn aus ist Sonnenschein.
Den Schein der Sonn' ersetzen,
O Kerze, kannst du nicht;
Doch kann das Auge sich letzen
An keinem anderen Licht.
Ich zag' ums Herz, wie lang es
Ist ohne Freudenschwung;
Erwach, o Licht des Gesanges,
O Licht der Beseligung!
Wach, holden Überschwanges,
O Licht der Erinnerung,
Bis ich beschwichtigten Dranges
Schlaf ein in Dämmerung!
In meine häuslichen Lieder,
Das Tagebuch meiner Lust,
Schrieb ich mit Freuden bewußt
Nur Freudengewinnste nieder,
Nie schrieb ich einen Verlust
In meine häuslichen Lieder.
In meine häuslichen Lieder
Schreib' ich nun euern Verlust.
So hat sich schließen gemußt
Die Rechnung! und wohl nicht wieder
Schreib' ich sobald eine Lust
In meine häuslichen Lieder.
Meine Klagen sollen lieblich wallen,
Den Kristallen gleich im Frühlingsbache,
Die mit Ache hüpfen auf am Strande,
Wo vom Rande sich zwei Blumen neigen
Und mit Schweigen sich im heiterblauen
Spiegel schauen, aber, eingeladen
Sich zu baden, scheu zurück sich biegen,
Und sich schmiegen, alsob sie sich schämen;
Doch mit Grämen trüben ihren hellen
Blick die Wellen, die vorüber müßen,
Schmerzlich grüßen sie im Weitereilen,
Möchten weilen, müßen doch entjagen.
Meine Klagen sollen lieblich wanken,
Wie die Ranken sich am Boden dehnen,
Auf sich sehnen nach der Lebensflamme,
Nach dem Stamme, der zum Himmel steiget,
Der sich neiget, wenn ihn rühren linde
Frühlingswinde, doch die stolzen Glieder
Hebt er wieder, ohne sich der armen
Zu erbarmen, die umsonst sich mühen
Aufzublühen, jede Luft benützen,
Falsche Stützen, die sie nur erheben,
Um mit Beben fallen sie zu lassen
Auf den nassen Grund, wo sie verzagen.
Meine Klagen sollen lieblich stöhnen
Gleich den Tönen holder Nachtigallen,
Die vor allen, Rose, dich zu lieben
Sind getrieben, und die Blumenschaaren
Nicht gewahren, die zu den Gesängen
Rings sich drängen, doch nur dir zum Preise
Tönt die Weise: Ros' im Brautgemache
Wach', erwache! Tritt vom Duft der Träume
In die Räume, daß die rauhe Erde
Lieblich werde, daß des Todes Bleiche
Schamroth weiche, wenn mit Brautgesange
Dir die Wange röthet unser Schlagen.
Was an dir des Tods Unbilden
Frevelten, hat mit dem milden
Zauberstab gerochen
Poesie, die soviel Leben
Dir bemüht ist zuzugeben,
Als das Schicksal dir hat abgebrochen.
Armer Stab! ihm, der so wichtig
Sich geberdend, ist so nichtig,
Sei der Stab gebrochen!
Frommen dir die Zauberweisen,
Die dich in den Himmel preisen,
Da der Tod dich hat ins Grab gesprochen?
Doch sie sollen dir nicht frommen,
Sondern uns zu Gute kommen,
Übers Grab gesprochen;
Dir nicht sollen sie dein Leben,
Sondern uns zurück es geben,
Denn nur uns, nicht dir wards abgebrochen.
Hab' ich jetzt erst eingesehn,
Was mir Schönstes lebte,
Seit es mir gestorben ist?
Nein, ich wußt' es lange.
Wollt' es nur nicht eingestehn,
Weil vor dir ich bebte,
Schicksal, das du neidisch bist
Allem Überschwange.
Nun das Unglück ist geschehn,
Und die Zierd' entschwebte,
Nicht mehr deine Hinterlist
Fürcht' ich nun, o Schlange.
Und im Liede soll es stehn,
Daß ein Schönstes lebte
Und mir leben jeder Frist
Soll es im Gesange.
So kurz war euer Beider Leben,
Von euch ist wenig zu berichten
In Staats- und Zeit- und Weltgeschichten;
Es muß, euch irgend zu erheben,
Der Leichenstein so wie daneben
Der Leichenprediger verzichten;
Und nur der Liebe könnt ihr geben
Stoff zu unendlichen Gedichten.
Ich fürcht', es war Entweihung
Der stillen Häuslichkeit,
Daß ich sie der Beschreiung
Liebloser Welt geweiht;
In manchem Lied, gedichtet
Aus meiner Kinderwelt,
Die wie ein Traum vernichtet
Jetzt auseinander fällt.
Und recht als wie zum Hohne,
Da sie zusammenbrach,
Kommt an mit Sündenlohne
Der neuste Almanach.
Das Honorar, das reiche,
Das man dem Vater gab,
Reicht, um der liebsten Leiche
Zu kaufen grad ein Grab.
Und hab' ich mich versündigt,
Daß statt des Herzens Schlag
Der Harfe Schlag verkündigt,
Was mir am Herzen lag?
Nicht hab' ich mich gerühmet,
Doch hab' ich mich gefreut,
Und mir den Pfad beblümet,
Der mir nun Dornen beut.
Die allgemeine Sünde
Der Dichtkunst war es nur,
Zu decken auf die Gründe
Der innersten Natur.
Und wie die Lust erklungen
Aus meiner Siedelei,
Sei nun das Leid gesungen,
Und ob es Sünde sei.
Im Verluste zu gewinnen,
Ist ein schwieriges Beginnen,
Und gelinget andern nie
Als der Lieb' und Poesie.
Liebe läßt sich nichts entrinnen,
Hat nicht außen, sondern innen;
Und das Nichts, sie weiß nicht wie,
Macht zum Etwas Poesie.
Nicht dahin ist, was von hinnen,
Bleibt im Sinn, nicht in den Sinnen;
Fest auf ewig haltens die
Beiden, Lieb' und Poesie.
Manches ist mir doch beschieden,
Daß ich wohl zufrieden
Dürfte sein, so viele Gaben,
Die nicht viele haben,
Unerschöpflich reiche Flüsse
Eigenster Genüsse,
Und nicht minder solche Leiden,
Die mir würde neiden
Wer, wie sie herzlieblich brennen,
Könnte recht erkennen,
Und wie sanft, wers könnte fühlen,
Sie sich selber kühlen;
Wie der Speer die Wunde heilet,
Die er hat ertheilet,
Wie die Aerzt' aus Bitterkeiten
Arzeneyn bereiten,
Und zur süßen Kost der Bienen
Gräberblumen dienen.
Musen, meine Freundinnen,
Oft schon in betrübten Lagen
Brachtet ihr mir Trost ins Haus,
Nie doch wie in diesen Tagen,
Als die lieben Kinder mir
An der Seuche niederlagen,
Deren Todesfunken so
Leicht ansteckend weiter schlagen,
Freunde viel und Freundinnen
Zählt' ich sonst mit Wohlbehagen
In der Stadt, die gegen mich
Jeder zarten Sorgfalt pflagen;
Doch für eigne Kinder jetzt
Hatten Sorge sie zu tragen,
Keiner durfte einen Schritt
In mein Haus zu setzen wagen,
Aus gerechter Furcht, das Gift
In sein eignes Haus zu tragen.
Keiner kam, um meinem Tod
Oder Leben nachzufragen,
Keiner, um aus Freundes Mund
Mir ein Trostwort anzufragen,
Und mit mir zu klagen, als
Lag mein Liebstes auf dem Schragen.
Ihr nur, meine Freundinnen,
Ließet nicht in Furcht euch jagen;
Denn ihr wisset, Himmlische,
In die Flucht die Furcht zu schlagen,
Und Ansteckung droht euch nicht;
Darum dürft ihr mit mir klagen,
Krankenwärterinnen seyn,
Und die Küchenschürze tragen.
Und solang' ihr bei mir seid,
Wird mein Herz nicht ganz verzagen;
Und solang' ihr tragen helft,
Trag' ich muthig alle Plagen.
Drum vor allen Freundinnen,
Ohne eine zu verklagen,
Weil sie sterblich, hab' ich Dank
Euch, Unsterbliche, zu sagen.
Also sei ich selbst, und also mein Gedicht,
Wie die Stechpalm' unten rauh von Blättern sticht,
Wo das Vieh sie wollte nagen;
Aber oben stechen ihre Blätter nicht,
Um mit Schaukeln Himmelslüfte, Frühlingslicht,
Oder Vogelsang zu tragen.
Immer that ich ihren Willen
Meiner Dichtung, und sie meinen;
Herzbedürfnisse zu stillen,
Seh ich immer sie erscheinen.
Und so kommt sie nun, zu weinen
Mit mir um zwei theure Schatten;
Sollten wir's uns nicht gestatten?
Die von mir das Leben hatten,
Haben es zu früh verloren;
Soll die Mutter ihrem Gatten
Haben sie umsonst geboren?
Nein, ich hab' es mir geschworen,
Euer Leben fort zu dichten,
Daß mir nichts es kann vernichten.
Pflegte stets die Poesie
Mir den Zustand zu begleiten,
Doch im Anfang pflegte sie
Zu begleiten ihn vom weiten.
Immer näher ist gerückt
Dann dem Zustand sein Erkennen,
Und nun ist es so geglückt,
Daß nicht beide sind zu trennen.
Freilich bist du selber krank,
Wenn du singst, wo Kinder sterben;
Doch der Krankheit sage Dank,
Die dir bricht des Todes Herben.
1.
In Gesichten und Gedichten
Was mir Schönstes je erschienen,
Habt ihr alles überschönet;
Und ich staunte, daß ich lebend
Sollt' in euch vor Augen sehen,
Was ich nur geglaubt, es lebe
In Gedichten und Gesichten.
Aus Gedichten und Gesichten
Daß wie Bilder aus dem Rahmen
Ihr heraus ins Leben tratet,
Hat mich immer so gewundert,
Daß es nun mich wundert minder,
Wie ich sehn muß, daß den Augen
Schwindend ihr zurück euch wandelt
Zu Gesichten und Gedichten.
2.
In mildem lauem Klima,
Wie eines waltet unter
Italiens Sonne, oder
Auf Raphaels Gemälden,
Gedeihn nur solche Knospen
Von Schönheit, wie ihr waret,
Zu völliger Entwicklung,
Ohn' Abbruch und Verkrüpplung.
Wie werdet ihr gedeihen,
Dacht' ich hier voll Besorgniß,
In wildem rauhem Klima?
In wildem rauhem Klima,
Wie wird der reine Spiegel
Der Anmuth bald sich trüben,
Der Blüthendrang der Knospen
Sich im Aufbrechen stumpfen,
Verschrumpfen und versumpfen!
Darum seid ihr, o Weh mir,
Heil euch, ihr seid gegangen,
Und blühet nun im Himmel,
Und blüht in meinem Liede;
Ihr blühet hier und dorten
In mildem lauem Klima.
Von Freuden floß um mich vorzeiten
Ein Überfluß;
Und wie ich schöpfte, blieb beizeiten
Ein Überschuß.
Wie dacht' ich, daß versiegen könnte
Der Überschwang?
Ergossen war nach allen Weiten
Der Überguß.
Wohin verlaufen hat das Wasser
Sich über Nacht?
Es eilt wohl, um mir zu bereiten
Nicht Überdruß!
Vorüber eilt des Glückes Fülle,
Und rauscht von fern
Mir einen noch, und keinen zweiten
Vorübergruß.
Ihr Augen, wollt Ersatz ihr weinen?
So weinet nur!
Und mich durchs Leben soll begleiten
Ein trüber Fluß.
Wo ich am Strom der Wehmuth lausche
Im Hauch der Nacht,
Weht her von jenseit goldner Saiten
Herübergruß.
Am Ufer pflanz' ich dunkle Lieder,
Ihr Duft weht hin,
Bis ich geflügelt selber schreiten
Hinüber muß.
Ein leichenbalsamirender
Aegypter ist mein Herzensdrang,
Ein nach der Kunst verzierender,
Was er dem Tod von dir entrang;
Das alles, was uns peiniget,
Gereiniget,
Soll werden ein Gesang.
Ein Todtenasche-sammelnder
Hellene sei mein Grabgesang,
Auflesend, was hold stammelnder
Süßmundigkeit von dir entsprang,
Das alles, hier vereiniget,
Bescheiniget
Des Vaterherzens Drang.
Du bist ein Schatten am Tage,
Und in der Nacht ein Licht;
Du lebst in meiner Klage,
Und stirbst im Herzen nicht.
Wo ich mein Zelt aufschlage,
Da wohnst du bei mir dicht;
Du bist mein Schatten am Tage,
Und in der Nacht mein Licht.
Wo ich auch nach dir frage,
Find' ich von dir Bericht,
Du lebst in meiner Klage,
Und stirbst im Herzen nicht.
Du bist ein Schatten am Tage,
Doch in der Nacht ein Licht;
Du lebst in meiner Klage,
Und stirbst im Herzen nicht.
Wenn ihr solltet gehn einmal,
War es gut, ihr gingt zusammen,
Nicht, daß ging' in Eins die Qual,
Sondern daß als Doppelflammen
Ihr im Tod auch ungetrennet
Auf dem Hausaltar uns brennet.
Was verloren, ist dahin,
Und kein Wunsch kann es regieren,
Doch Gefahr läuft schwacher Sinn,
Noch einmal es zu verlieren;
Denn erst ganz, wenn wir's vergessen,
Ist verloren, was besessen.
Darum brennt euch so ins Herz,
Ewige Geschwisterflammen,
Daß nie der lebend'ge Schmerz
Sink' in Aschentod zusammen,
Sondern glühe fort in milder
Farbenglut wie eure Bilder!
Sie haben ganz, o Kind, um das wir trauern,
Mit Blumen dich und Kränzen überdecket;
Die werden tief nun, wo du liegst gestrecket,
Mitmodernd, deinen Leib nicht überdauern.
Und wann des Frühlings Lüfte wieder schauern,
Sind neue Blumen deiner Gruft erwecket;
Die werden blühn, von keinem Aug' entdecket,
Und welken hinter freudelosen Mauern.
Dein Vater aber, der sich nennt ein Dichter,
Er möchte dich, und dauerhafter, krönen;
Sein ganzes Leid für dich in Kränze flicht er.
O bliebe nur ein Ton von diesen Tönen
Durch Göttergunst entzogen dem Vernichter,
Ein ew'ges Denkmal früh verblichnem Schönen!
Du warest klein, und kleine Blumen schling' ich
Zum Kranze dir, und kleine Lieder sing' ich,
So kleine Gaben großer Liebe bring' ich.
An Blumen hast du wol wie sonst Gefallen,
Und Lieder, die hier nicht verstand dein Lallen,
Die lernst du singen nun in jenen Hallen.
Auf meine Blumen blickst du lächelnd nieder,
Und singt auf Erden Niemand meine Lieder,
So tönen sie vom Himmel schöner wieder.
Wie du mir von lustdurchpochter
Brust die Tochter
Reichtest einst, ein süßes Glück;
Hier aus schmerzenslustdurchkochter
Brust die Tochter
Geb' ich dir als Lied zurück.
Armer Vater! Hoffend flocht er
Für die Tochter,
Hoffend einen andern Kranz;
Armer Vater! nichts vermocht' er,
Als die Tochter
Nahm der Tod an seinen Tanz.
Zwar der Tod, den Sieg erfocht er,
Der die Tochter
Nahm, von Klagen ungerührt;
Doch hat mein ununterjochter
Muth die Tochter
Dem Entführer nun entführt.