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Über dieses Buch:

In fünfzehn einfühlsamen, spannenden und lustigen Geschichten erzählt Natascha Becker aus der Sicht von Ponys, Pferden und ihren kleinen Reiterinnen. Es geht um Freundschaft, Mut, spannende Erlebnisse und kleine Helden, um große Träume, erste Reitstunden und freche Ausreißer.

Das perfekte (Vor-)Lesebuch für kleine und große Pferdefreunde!

Über die Autorin:

Natascha Becker, Jahrgang 1971, war langjährige Chefredakteurin eines Gesundheitsmagazins. Sie arbeitet heute als Redakteurin, Buchautorin und Verlegerin in Hanau und ist Mutter einer erwachsenen Tochter.

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eBook-Neuausgabe April 2016

Copyright © der Originalausgabe dotbooks GmbH, München

Copyright © 2016  jumpbooks Verlag. jumpbooks ist ein Imprint der dotbooks GmbH, München.

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Redaktion: Philipp Bobrowski

Titelbildgestaltung: Nicola Bernhart Feines Grafikdesign, München

Titelbildabbildung: Anke Reimann

ISBN 978-3-96053-007-7

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Natascha Becker

Spring, kleine Lulu

Die schönsten Pferdegeschichten

jumpbooks

Vom kleinen Ausreißer

Flöckchen stand auf der Weide, und die Strahlen der Mittagssonne wärmten ihm das helle Fell. Seine Mutter, eine wunderschöne weiße Stute, döste neben ihm. Flöckchen langweilte sich. Er war das einzige Fohlen der Herde, und niemand wollte heute mit ihm spielen. Die großen Pferde hatten keine Lust, sich von ihm fangen zu lassen. Und die übermütigen Junghengste blieben lieber unter sich.

Wenn ich doch jemanden zum Spielen hätte, dachte Flöckchen und sah sich um. Mit den anderen Pferden teilte er sich eine schöne, große Weide, auf der viele alte Apfelbäume standen. Hinter den Büschen hoppelten morgens und abends Häschen herum, und dann und wann schlichen die beiden Katzen Moritz und Mona über die Wiese. Ganz nah bei dem größten Baum der Koppel schlängelte sich ein kleiner Bach durch das saftige Gras. Dort stand Flöckchen manchmal und betrachtete sein Spiegelbild.

Langsam schlenderte er über die Weide. Alles war ruhig. Nicht einmal die Katzen ließen sich blicken. Flöckchen ging zum Zaun, der die Koppel von der angrenzenden Wiese trennte. Er schob seinen Kopf unter einer Holzlatte hindurch, denn auf der anderen Seite wuchs der leckere Löwenzahn. Das meiste hatten die Pferde schon weggefressen, deshalb machte Flöckchen seinen Hals ganz lang. Plötzlich erschrak er. Mit einem lauten Poltern landete die Holzlatte im Gras. Im unteren Teil des Zaunes klaffte nun ein Loch. Schuldbewusst sah sich Flöckchen um: Die anderen würden bestimmt mit ihm schimpfen, wenn sie sahen, dass er den Zaun kaputt gemacht hatte. Doch er hatte offenbar Glück gehabt. Alle dösten weiter vor sich hin.

Vorsichtig sah sich Flöckchen den Zaun genauer an.

»Vielleicht kann ich da ja durchkriechen. Dann könnte ich einen Spaziergang machen. Das wäre bestimmt aufregend!« Vorsichtig knickte Flöckchen die Vorderbeine ein und versuchte, sich unter der oberen Latte hindurchzuzwängen. Aber dafür war er leider zu groß. Er passte nicht durch die Öffnung. Flöckchen ging einen Schritt rückwärts, um seinen Kopf wieder zu befreien, da stieß er mit dem Hinterbein an etwas Weiches.

»Was hast du denn nun schon wieder angestellt? Kann man dich denn keine fünf Minuten aus den Augen lassen?«

Oje! Seine Mutter war also doch aufgewacht. Nun hatte sie ihn erwischt!

»Du machst noch den ganzen Zaun kaputt!«, schimpfte sie und stupste ihn sanft, aber bestimmt wieder zu den anderen. Flöckchen gehorchte kleinlaut.

Doch kaum war seine Mutter wieder eingedöst, drehte Flöckchen sich um und betrachtete das beschädigte Zaunstück. Die obere Latte hatte ziemlich gewackelt, als er seinen Kopf herausgezogen hatte. Vielleicht würde sie ja nachgeben, wenn man ihr einen kräftigen Tritt verpasste. Dann wäre der Weg frei und er könnte die Welt erkunden! Flöckchen beschloss, es in der Nacht einmal zu versuchen. Ich warte, bis alle im Unterstand schlafen. Der ist weit genug weg. Bestimmt hört mich keiner. Bis Mama morgen früh aufwacht, bin ich längst wieder da.

Den ganzen Nachmittag malte er sich aus, was er dort draußen Aufregendes erleben würde. Als es Abend wurde, kam der Bauer – gefolgt von den beiden Katzen – und fütterte die Pferde. Es gab leckeres, duftendes Heu, knackige Möhren und sogar etwas Hafer. Flöckchen trank wie jeden Abend vor dem Schlafen noch etwas Milch bei seiner Mutter und schmiegte sich dann an sie.

Schließlich spürte er, wie der Atem seiner Mutter im Schlaf langsam und gleichmäßig wurde, und auch die anderen Pferde waren bald im Land der Träume. Flöckchen wartete noch eine Weile, dann schlich er sich langsam und leise aus dem Unterstand. Er musste vorsichtig sein, denn die Pferde standen sehr dicht beieinander, um sich in der Nacht gegenseitig zu wärmen. Endlich draußen trabte Flöckchen zu der Stelle des Zaunes mit dem Loch. Er drehte sich um und versetzte der oberen Latte einen kräftigen Tritt mit den Hinterhufen. Das Holz krachte. Erschrocken lauschte Flöckchen in die Nacht. Hatte er jemanden mit seinem Lärm geweckt? Nein, alles blieb still. Er betrachtete sein Werk: Die Holzlatte war gesplittert und zwei Bretter hingen lose in den Seitenpfeilern. Geschafft – der Weg war frei!

Vorsichtig und mit klopfendem Herzen zwängte sich Flöckchen durch die Öffnung, sah sich noch einmal um und rannte los. Mit wilden Bocksprüngen galoppierte er über die Wiese in die Nacht hinein. Der Mond und unzählige Sterne erhellten die Landschaft, so dass Flöckchen genug sah, um kleinen Büschen ausweichen und flink über einen Bach springen zu können. Dann blieb er stehen und sah sich um. Stille lag über den Feldern und Weiden. Doch als er genauer hinsah und -hörte, bemerkte er, dass er nicht als Einziger um diese Zeit unterwegs war. Überall raschelte es in den Büschen und im Gras, aus dem Wald kamen unbekannte Geräusche.

Hier ist ganz schön was los, dachte Flöckchen verwundert. Bisher hatte er geglaubt, dass nachts alle Tiere schliefen. Und manche sogar tagsüber, denn die beiden Katzen lagen mittags oft stundenlang eingerollt auf den Strohballen. Flöckchen ging langsam ein paar Schritte weiter und lauschte. Plötzlich erschrak er fürchterlich: Ein lautes Fiepsen kam unter seinem Huf hervor! Ängstlich stieg er auf die Hinterbeine und wieherte.

»Jetzt beruhige dich mal«, hörte Flöckchen eine helle Stimme. Er schaute hinunter. Da saß eine kleine, graue Feldmaus und sah ihn zornig an. »Du bist schließlich mir auf den Schwanz getreten, du Trampel. Wenn hier jemand schreien darf, dann ja wohl ich!«

»Entschuldige«, sagte Flöckchen verwirrt. »Ich habe dich nicht gesehen.«

»Kein Wunder. Du hast ja auch nicht so tolle Augen wie ich. Warum treibst du dich eigentlich hier herum. Und auch noch in der Nacht?«

»Tja, weißt du …«, begann Flöckchen. Er fühlte sich jetzt wieder sicher und hob prahlerisch den Kopf. »Ich bin auf der Suche nach Abenteuern …«

»Tschüss, ich muss los!« Bevor Flöckchen antworten konnte, war die Maus wie ein Blitz auf und davon und in einem kleinen Loch im Boden verschwunden. Im selben Moment sah Flöckchen einen Schatten, der mit einem lautlosen Satz auf das Loch sprang, eine Weile verharrte und rief: »Das nächste Mal krieg ich dich. Verlass dich drauf!«

Helles Lachen aus den Tiefen des Bodens war die Antwort. Mit einem Fauchen löste sich der Schatten von dem Mauseloch und kam auf Flöckchen zu. Da erkannte Flöckchen Mona, die Katze. Bei Tageslicht leuchtete ihr Fell weiß, rot und dunkelgrau – deshalb wurde sie von den Menschen auch Glückskatze genannt. Jetzt aber konnte Flöckchen die Farbe ihres Fells kaum erkennen, dafür leuchteten ihre Augen wie kleine grüne Lämpchen in der Dunkelheit.

»Was machst du denn hier?«, fragte die Katze. »Weiß deine Mutter, dass du hier draußen bist?«

»Sie muss ja nicht alles wissen«, gab Flöckchen großspurig zur Antwort. »Ich kann schon ganz prima auf mich selbst aufpassen!«

Mona sah ihn zweifelnd an. »Na, ich weiß nicht. Du warst ja noch nicht einmal tagsüber hier draußen. Pass auf, dass du dich nicht verläufst.«

»Keine Sorge. Ich weiß schon, was ich tue«, sagte Flöckchen, machte einen kleinen Bocksprung und galoppierte übermütig davon.

Da hörte er über seinem Kopf ein flatterndes Geräusch. Er sah hoch und blickte in zwei große, freundliche Augen.

 »Wer bist denn du?«, rief er nach oben.

»Ich bin Selma, die schönste Fledermaus der Welt. Und du?«

»Ich heiße Flöckchen. Eigentlich Flocke. Aber alle nennen mich nur Flöckchen. Dabei bin ich doch schon fast erwachsen«, antwortete er und folgte der kleinen Fledermaus. Die flatterte munter weiter und schien sich über ihre neue Bekanntschaft zu freuen. Fröhlich plaudernd, jagten die beiden durch die Nacht. Ab und zu musste Flöckchen sich auf den Weg konzentrieren, denn sie waren inzwischen am Rand der Wiese angekommen. Gras und Büsche gingen allmählich in einen großen Wald über.

»Wie schaffst du es, den Bäumen so geschickt auszuweichen, ohne dass du überhaupt richtig hinsiehst?«, fragte Flöckchen seine neue Freundin bewundernd.

»Das ist ein Spezialtrick von uns Fledermäusen! Ich höre, wenn ein Hindernis im Weg ist, und fliege dann blitzschnell drumherum. Ich sende einfach ganz hohe Töne aus, und die kommen dann wie ein Echo wieder zurück und warnen mich. Die Menschen nennen das Ultraschall.«

»Aha«. Flöckchen war so beeindruckt, dass er für einen Moment nicht auf den Weg achtete und über eine Wurzel stolperte. Erschöpft blieb er stehen und sah sich um. Ringsherum war es nun stockfinster, denn das Laub der Bäume spannte sich wie ein Dach über ihnen und schirmte das Licht von Mond und Sternen ab. Leises Knacken, Zirpen und Fiepsen zeigte Flöckchen, dass auch im Wald nachts allerhand los war.

„Du, ich muss weiter. War schön, dich kennengelernt zu haben! Meine Familie wartet sicher schon auf mich. Vielleicht sieht man sich ja mal wieder!“, sagte die Fledermaus und huschte zum Abschied noch eine Runde um Flöckchens Kopf.

„Ach schade! Bleib doch noch ein bisschen bei mir!“, rief Flöckchen, doch Selma war schon verschwunden. Er sah sich um. Wie lange war er schon unterwegs? Er wusste es nicht, so sehr hatte er sich in die Plauderei mit seiner neuen Freundin vertieft. Außerdem machte ihm jetzt, da er ganz allein war, der dunkle Wald Angst.

Besser, ich kehre um und gehe nach Hause, dachte Flöckchen. Ich gehe einfach den gleichen Weg zurück, den ich gekommen bin.

Doch das war leichter gesagt als getan. Vor Aufregung hatte er nicht auf den Weg geachtet. Und nun war er sich nicht sicher, in welche Richtung er gehen musste. Flöckchen überlegte eine Weile und ging schließlich einfach drauflos. So groß kann der Wald ja nicht sein, dachte er. Neben ihm knackten Äste in einem Gebüsch.

„Na, wen haben wir denn da?“ Vier grüne Augen funkelten ihn aus dem Gestrüpp an. Jetzt bekam es Flöckchen wirklich mit der Angst zu tun und galoppierte los.

„He, bleib doch stehen! Wir wollten dich nicht erschrecken!“, rief eine andere Stimme. Doch Flöckchen hörte sie schon gar nicht mehr. Er rannte wie wild davon und war kurz darauf im Dunkeln verschwunden.

Als Flöckchen endlich stehen blieb, klopfte sein Herz so laut, dass er dachte, jeder im Wald könne es hören. Er sah sich um und musste sich eingestehen: Ich habe mich verlaufen! Flöckchen zitterte – vor Angst und vor Kälte. Zuhause standen alle Pferde dicht beieinander und wärmten sich – hier war er ganz allein. Und Hunger hatte er auch – wie gern hätte er jetzt ein wenig Milch bei seiner Mutter getrunken! Traurig stand Flöckchen unter den Bäumen und sehnte sich nach seiner Familie, seiner Weide und nach dem gemütlichen Unterstand.

„Warum rennst du denn vor uns weg?“, fragte plötzlich jemand hinter ihm. Flöckchen drehte sich um. Da standen Moritz und Mona, die beiden Katzen. Jetzt erkannte Flöckchen auch die Stimme wieder, die ihn eben noch so sehr erschreckt hatte.

»Wo kommt ihr denn her?«, fragte er verblüfft. Gleichzeitig war er unendlich erleichtert, jemanden zu sehen, den er kannte.

»Wir dachten uns schon, dass du bloß Unsinn anstellst, wenn du so allein hier herumrennst. Deshalb sind wir dir hinterhergelaufen. Und wie’s aussieht, könntest du jetzt Hilfe brauchen, oder?«, antwortete Mona und legte den Kopf schief. Machte sie sich etwa über Flöckchen lustig?

Er war viel zu froh, um darüber nachzudenken: »Ja, ich fürchte, ich habe Mist gebaut. Könnt ihr mir den Weg nach Hause zeigen? Ich werde auch nie wieder von der Weide abhauen!«

»Komm mit!« Mit diesen Worten drehte sich Moritz um und lief lautlos davon. Flöckchen und Mona folgten ihm. Tatsächlich! Es dauerte nicht lange, und die drei kamen an den Rand des Waldes. Vor ihnen lagen wieder die Wiesen, und dahinter konnte man in der Morgendämmerung den Zaun der Pferdekoppel erkennen.

»Den Rest schaffst du ja wohl allein. Wir müssen sehen, dass wir noch ein paar Mäuse fangen, bevor es hell wird. Machs gut!«, sagte Mona und strich Flöckchen um die Vorderbeine.

»Vielen, vielen Dank! Ohne euch hätte ich bestimmt nicht zurückgefunden!« Flöckchen wieherte erleichtert und stürmte davon. Leise schlüpfte er durch das Loch im Zaun, trabte zum Unterstand und schlich zu seiner Mutter. Die schnaubte leise im Schlaf, als sich Flöckchen glücklich an sie schmiegte.

Sophies erste Reitstunde

An diesem Morgen war Sophie schon wach, bevor ihre Mutter kam, um sie zu wecken. Gleich, nachdem sie die Augen aufgeschlagen hatte und die ersten Sonnenstrahlen durch die Vorhänge am Fenster blinzeln sah, machte ihr Herz vor Freude einen Sprung. Heute war er da, ihr großer Tag. Endlich! Seit Wochen schon fieberte sie ihm entgegen. Heute Nachmittag würde sie zu ihrer ersten Reitstunde gehen.

Sophie wusste auch schon, welches Pferd sie reiten durfte. Comet, den lieben Braun-weiß-Gescheckten mit den sanften dunklen Augen. Fast jeden Tag hatte sie ihn in den vergangenen Wochen besucht und ihm eine Möhre oder ein Leckerli zugesteckt. Sie lächelte, als sie an sein warmes, glänzendes Fell dachte.

»Guten Morgen, mein Schatz. Du bist ja schon wach.«

Sophie hatte gar nicht bemerkt, dass ihre Mutter ins Zimmer gekommen war, die jetzt die orangefarbenen Vorhänge aufzog.

»Guten Morgen, Mama. Ich freu mich schon so auf meine Reitstunde nachher!«

Mit einem Satz sprang Sophie aus dem Bett und gab ihrer Mutter einen Kuss. Dann rannte sie ins Badezimmer und wusch sich – heute natürlich besonders gründlich, denn sie wollte sich Comet von ihrer besten Seite zeigen.

In der Schule konnte sie sich kaum auf den Unterricht konzentrieren. Zum Glück musste sie heute keine Arbeit schreiben, denn immer wieder verfingen sich ihre Gedanken bei Comet. Sie sah sich bereits auf seinem Rücken dahinschweben, spürte seine braune Mähne in ihren Fingern.

»Sophie, könntest du bitte den nächsten Abschnitt vorlesen?«

Sophie erschrak. Sie hatte in den letzten Minuten überhaupt nicht zugehört. Was sollte sie vorlesen? Glücklicherweise kam ihr Moni, ihre beste Freundin, rasch zu Hilfe. Sie legte ihren Zeigefinger auf den richtigen Absatz, damit Sophie wusste, wo sie anfangen musste. Das entging der Lehrerin nicht – schließlich kannte sie die Tricks der Zweitklässler. Doch Sophie war eine gute Schülerin und normalerweise sehr aufmerksam, deshalb drückte Frau Kleinschmidt ein Auge zu und tat so, als hätte sie nichts gesehen. Nach der Stunde aber, als alle Schüler lautstark ihre Sachen zusammenpackten, hielt sie Sophie zurück. »Warte mal ganz kurz.«

Sophie drehte sich um. Sie wusste sehr wohl, dass sie sich heute so gut wie gar nicht am Unterricht beteiligt hatte. Dabei machte ihr die Schule sonst eigentlich sehr viel Spaß.

»Ja, Frau Kleinschmidt?«, fragte sie deshalb etwas kleinlaut.

»Was war denn heute los mit dir? Irgendwie hatte ich den Eindruck, du warst nicht ganz bei der Sache.«

»Tut mir leid. Wirklich. Aber ich musste die ganze Zeit an heute Nachmittag denken. Da habe ich nämlich meine erste Reitstunde«, erklärte Sophie.

»Aha. Dachte ich es mir doch, dass dich irgendetwas beschäftigt!« Frau Kleinschmidt lächelte. »Ich kann mich noch gut an meine erste Reitstunde erinnern. Damals war ich auch ganz schön aufgeregt.«

»Oh, Sie können reiten?«, fragte Sophie erstaunt.

»Ja, ich habe sogar ein eigenes Pferd, eine weiße Stute. Sie heißt Sterntaler und steht auf dem Sonnenhof.«

Sophie riss die Augen weit auf. Natürlich kannte sie Sterntaler – ein wunderschönes Pferd mit seidig glänzendem Fell! »Wahnsinn!«, rief sie aus. »Auf dem Sonnenhof nehme ich auch meine Reitstunden. Ich reite auf Comet!«

»Das ist schön. Vielleicht sehen wir uns ja mal. Jetzt musst du aber los, deine Mutter wartet bestimmt schon mit dem Essen auf dich. Tschüss, Sophie!«

»Tschüss, Frau Kleinschmidt!« Strahlend schnappte sich Sophie ihren Ranzen und stürmte davon.

»Viel Spaß heute Nachmittag!«, rief ihr die Lehrerin noch nach, aber Sophie war schon auf den Gang geflitzt.

Selten hatte Sophie ihre Hausaufgaben so schnell erledigt wie an diesem Tag. Dabei sah sie immer wieder auf ihre rote Armbanduhr. Endlich war es Zeit zum Umziehen. Ihr Herz hüpfte vor Freude, als sie in die nagelneue, helle Reithose schlüpfte, die ihr Papa vor einer Woche gekauft hatte. Dann stieg sie in die schwarzen Reitstiefel, schnappte sich den Reithelm, der seit Weihnachten auf seinen ersten Einsatz wartete, und radelte den kurzen Weg zum Sonnenhof hinüber. Auf dem Hof und in den Ställen hörte sie schon von weitem fröhliche Stimmen und dazwischen aufgeregtes Wiehern und zufriedenes Schnauben der Pferde.