Nicole Henser, Anett Steiner, Laura Anders,

Michèl Cutter und Karsten Beuchert

 

 

Eine runde Sache

 

Sinnlich-erotische Geschichten
für Liebhaber von Rubensfrauen

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Twilight-Line Medien GbR
Redaktion: Sinnliche Seiten
Obertor 4
D-98634 Wasungen
 

www.twilightline.com

www.buch-wasungen.de

 

4. Auflage, September 2015

eBook-Edition

 

© 2015 Twilight-Line Medien GbR

Alle Rechte vorbehalten.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Inhalt

 

 

 

 

Vorwort

 

Die Träumerin

 

Rubensfrau und Pleitegeier

 

Das Geburtstagsgeschenk      

 

Tangente

 

Ein Dildo aus Obsidian

 

Die Muse

 

Ein süßes Geheimnis

 

 

 

Vorwort

 

 

Liebe Leserinnen und Leser,

 

dieses kleine Büchlein mit erotischen Geschichten greift ein Thema auf, das in der Öffentlichkeit, Hochglanzmagazinen, der Werbung und diversen Filmen kaum bis gar nicht behandelt wird. Doch seien wir einmal ehrlich, haben nur schlanke Menschen die Erotik für sich gepachtet? Sind es nicht gerade die prallen weiblichen Attribute, die eine unheimliche Erotik und Sinnlichkeit ausstrahlen, die dünne Menschen überhaupt nicht besitzen?

 

Schon unsere steinzeitlichen Vorfahren wussten dies zu schätzen, wie z.B. die berühmte Venus von Willendorf sehr anschaulich beweist. Und gehört nicht auch zur Fleischeslust das dazugehörige Fleisch?

 

Aus diesem Grunde haben wir Mitte des Jahres 2008 eine Ausschreibung für dieses Anthologieprojekt gestartet, auf die wir eine Fülle an Einsendungen erhielten. In diesem Buch finden Sie die herausragendsten Einsendungen dieser Ausschreibung.

 

Wir wünschen viel Spaß beim Lesen!

 

 

 

 

 

 

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Die Träumerin

 

Anett Steiner

 

 

Hundert Kaffee, siebzig belegte Brötchen - und es war noch nicht zehn Uhr am Morgen. Schon taten Lisa Füße und Knie weh, doch deshalb würde sie nicht aufhören freundlich zu sein und zu lächeln. Und sie würde erst recht nicht aufhören zu warten.

Niemals. Dabei wartete sie bereits eine ganze Weile. Aber sie wartete geduldig. Und während sie wartete, bediente sie im Rasthof an der Autobahn. Zwei Jahre schon? Oder waren es drei? Vier? Es war nicht wichtig. Es gab keinen Anfang ihres Wartens, nur ein Ende. Irgendwann...

 

„Dabei hättest du es zu etwas bringen können!“ klangen ihr noch die enttäuschten Worte ihres Vaters in den Ohren, als er ihr für immer den Rücken gekehrt hatte, weil sie nicht Ärztin geworden war, nicht Anwältin, nicht irgendeine studierte emanzipierte Besserwisserin...

Weil eigentlich nichts aus ihr und ihren hervorragenden Möglichkeiten geworden war, jedenfalls nicht viel, eine ungelernte Bedienung mit Abitur. Lisa konnte die Entrüstung ihres Vaters sogar verstehen, „stattdessen kann dir hier jeder Dahergelaufene an den Hintern fassen!“

Als ob das jemand gewollt hätte – ihr an den Hintern fassen – keiner war je auf die Idee gekommen und dass dies eines Tages einer täte, war reines Wunschdenken. Ihr Vater hatte mit der Faust auf den Tisch geschlagen, dabei den Stiel des Kaffeelöffels erwischt, der klirrend zu Boden gefallen war. Die Gäste hatten sich nach ihnen umgeschaut, Lisa nur eine Weile auf ein Brandloch in der rotweißkarierten Tischdecke gestarrt und gedacht ‚muss ich bei Gelegenheit austauschen...’

„Papa, nicht so laut!“

Ohne Antwort, ohne Grußwort war er aufgestanden, hatte eine viel zu große Summe für seinen Kaffee achtlos auf den Tisch geworfen und sich von seiner Tochter abgewandt.

„Worauf wartest du eigentlich, Kind? Das dir hier dein Lebensglück über den Weg läuft? Dass ich nicht lache!“

Während sie mal wieder über diese lange zurückliegende Sache nachdachte, band Lisa die Schürze auf und informierte ihre Kollegin im Vorübergehen: „Ich mach kurz Pause!“

 

Lisa setzte sich an einen Tisch ganz hinten im Rasthof, wischte sich den Schweiß von der Stirn und massierte beiläufig ihre schmerzenden Waden. Damit hatte sie eine Menge zu tun. Der Stuhl knarrte. Sie war müde, ihre Gesichtszüge abgespannt, aber sie lächelte – wie immer wenn sie hier war. Auf dem Rasthof bei der Arbeit fühlte sie sich wohl. Nirgends und niemals sonst tat sie das, sich wohlfühlen. Niemals sonst. Nicht, wenn sie allein war, nicht, wenn sie in den Spiegel sah, nicht, wenn sie versuchte, sich Kleider von der Stange zu kaufen. Meist blieb dies ein hoffnungsloses Unterfangen.

 

Es verlangte ihr nach einer Zigarette, aber die Schachtel steckte noch in ihrer Schürzentasche – und die hing vorn hinter dem Tresen über der Lehne eines alten Stuhls, auf den sie sich niemals setzen würde...

Lisa wollte nicht aufstehen, sie wollte einfach fünf Minuten träumen. Sie war schon immer eine Träumerin gewesen. Schon als Kind ein verträumtes kleines pummeliges Mädchen mit Luftschlössern im Kopf und Schmetterlingen im Bauch, bei der Vorstellung von der großen weiten Welt.

 

„Zigarette?“ fragte eine Stimme, nicht leise, nicht laut, nicht derb, nicht weich – eine Stimme mild wie die Sonne im Herbst – eine Stimme in ihren Träumereien?

Lisa sah auf. Keine Träumerei. Ein Mann aus Fleisch und Blut stand vor ihrem Tisch und hielt ihr eine Zigarette entgegen. Ein Lächeln spielte auf seinen Lippen. Sie waren rau, die Unterlippe von der trockenen Kälte, die seit Tagen herrschte, an einer Stelle aufgesprungen. Lisa starrte auf den kleinen, blutigen Riss. Balsam, dachte sie. Wer war der fremde Mann? Sie hatte ihn hier noch nie gesehen, aber sein Anblick trieb ihr die Röte ins pausbäckige Gesicht.

 

Er war nicht alt, nicht jung, nicht klein, nicht groß und auch nicht hässlich. Nein, das war er nicht – er war auch nicht dick, leider, und seine Gesichtszüge so wohlabgestimmt wie die dazugehörende Stimme. Sein Hemd war ein wenig schmutzig, er selbst schien müde von der Arbeit – ein LKW-Fahrer auf der Durchreise, irgendwo zwischen Start und Ziel und Start und Ziel und Start und Ziel...

 

Lisa nickte und nahm die Zigarette, entzündete sie am Feuerzeug in seiner Hand. Er kommt spät, dachte Lisa plötzlich.

„Entschuldige, dass ich nicht früher kommen konnte“, sagte er im gleichen Atemzug.

Lisa hustete – nicht der Zigarette wegen, nein, davon hatte sie schon genug geraucht in ihrem Leben, um sich nicht mehr am Rauch zu verschlucken – sie hustete vor Überraschung.

„Wie meinen Sie das?“ fragte sie ihn förmlich und ahnte es doch längst.

Er hatte sich gegenüber an ihren Tisch gesetzt, sah ihr direkt in die Augen. Lisa spürte, wie Ruhe und Unruhe zugleich in ihr aufstiegen, ihr Geist wach wurde, so wach wie lange nicht mehr in den vergangenen Monaten. War er ES? War er der Mann, von dem sie träumte? Oder war Lisa einfach noch nicht richtig wach an diesem Morgen, obwohl sie schon seit drei Stunden im Dienst war, 100 Kaffee und 70 belegte Brötchen verkauft hatte? Nein, er konnte es nicht sein. Er war ein gutaussehender Mann, schlank. Er würde sich von ihr abwenden, sobald sie aufstand. Lisa war sehr viel Frau, viel mehr, als die meisten ertragen konnten, viel mehr, als sie selbst ertragen konnte. Dabei mochte sie ihren üppigen Körper und fühlte sich nur dann immer wieder schlecht, wenn kein anderer es tat – dabei hätte sie so gerne geliebt, so gerne. Das konnte sie, da war sie sicher. Ihre Weiblichkeit bot alles, was ein Mann sich wünschen konnte, doch er würde sie nicht wollen. So prall und voll, wie sie war...so viel Frau...

 

„Bist du bereit?“ fragte er.

Lisa erkannte ihn. Genau in diesem Moment erkannte sie ihn. Sie hatte ihn schon tausendmal gesehen – den Mann ohne Namen und ohne Gesicht – den Mann aus ihren Träumen. Doch dies war kein Traum.

„Ich bin Paul“, sagte er und hatte nun einen Namen und seit wenigen Augenblicken auch ein Gesicht. Mehr sagte er nicht – doch allein die Art, wie er sie ansah, ließ Lisa die Hitze ins Gesicht steigen. Ihr Herz klopfte. Er war es.

„Ich bin bereit.“ antwortete sie auf die lange erhoffte Frage.

Sie rauchte die Zigarette zuende, nahm sich dafür Zeit, hatte jetzt alle Zeit der Welt.

„Ich bring dir was zum Frühstück, Du bist viel zu mager“, meinte sie schmunzelnd und jede Faser ihres Körpers fieberte ihm entgegen, fieberte, mit ihm allein zu sein – „und dann gib mir eine Stunde“, fügte sie hinzu.

Sie nahm die Schürze vom Stuhl, gab ihrer Kollegin das Namensschild. Dann fuhr sie in ihrem alten Auto in die kalte Einzimmerwohnung und packte ihre Tasche. Die wichtigsten Sachen.

 

Genau eine Stunde später war sie zurück. Paul wartete auf sie, als wäre es das Selbstverständlichste auf der Welt. Während sie zu Paul in den LKW stieg, erinnerte sie sich an ihres Vaters Wort: „Meinst Du, eines Tages kommt einer hier rein und sagt: Komm mit, ich zeig dir die Welt?“

„Wenn Du magst, zeig ich Dir die ganze Welt“, flüsterte Paul.

Und mehr noch als die Worte ihres Vaters: „Und wenn Du magst, mach ich Dich glücklich. Du bist wunderschön!“

Lisa wusste, dass die Zeit gekommen war, ihre Träume zu leben.

„Ich hab auf dich gewartet“ sagte sie.

„Ich weiß“, antwortete er.


Rubensfrau & Pleitegeier

 

Nicole Henser

 

Frank spielte gedankenverloren an den Knöpfen seiner Gegensprechanlage. Wie oft hatte er seine Befehle dort hineingebellt? Das würde ihm fehlen. Es hatte ihm so richtig das Gefühl gegeben, der Chef in seiner Firma zu sein. Ein klein wenig Macht, wenn er auch nur Frau Jellinek damit zum Springen gebracht hatte. Besser als Viagra oder eine Schwanzverlängerung, dachte er süffisant. Plötzlich hörte er ein Schluchzen aus dem Lautsprecher. Das konnte nur seine Sekretärin sein, die mit ihm die letzten Formalitäten vor der Geschäftsaufgabe regelte. Ansonsten war schon seit einer ganzen Woche niemand mehr im Büro gewesen, denn ab morgen würde sogar sein eigener Stuhl Teil der Konkursmasse sein.

„Ähm, Frau Jellinek?“, fragte er vorsichtig durch die Anlage, doch es war nichts mehr zu hören. Neugierig öffnete er die Bürotür; sie musste noch da sein, immerhin wäre sie nicht gegangen, ohne sich von ihm zu verabschieden. Endgültig. Ihr Arbeitsplatz war verwaist, der Computer abmarschbereit in einem Karton verpackt. Aber Halt! Da lag ein Zettel auf dem Schreibtisch. „Ich wünsche Ihnen alles Gute“, las er kopfschüttelnd. Die Schrift wirkte irgendwie unsicher, normalerweise schlängelten sich die Buchstaben selbstbewusst über das Papier – immerhin kannte er ihre Handschrift von unzähligen Notizen.

 

Das kann sie doch nicht machen.