HORST PUKALLUS

 

 

T.N.T. Smith, Band 2:

Die Stadt unter den Bergen

 

 

 

Roman

 

 

 

 

Apex-Verlag

Inhaltsverzeichnis

Das Buch 

Der Autor 

DIE STADT UNTER DEN BERGEN 

Das Abenteuer geht weiter! 

 

Das Buch

 

1937: Die Suche nach dem Geheimnis der unsterblichen Legionäre führt den Journalisten T.N.T. Smith nach Nepal, doch er ahnt nicht, dass ihm ein Sonderkommando der gefürchteten SS unter der Leitung von Sturmbannführer Van Thal auf den Fersen ist.

Smiths Recherchen in Katmandu ergeben, dass der mutmaßliche Unsterbliche Alexander Baranow Jahre zuvor mit unbekanntem Ziel eine Expedition in den Himalaya unternommen hat. Als Smith schließlich in die Bergwelt aufbricht, wird er von der schönen und undurchsichtigen Abenteurerin Stephanie Rousseau umgarnt. Mit Hilfe einheimischer Führer stößt er in einer alten, von Mumien verseuchten unterirdischen Stadt auf weitere Spuren der Unsterblichen. Und er findet Drabek, den „Kaiser der Galaxis“, der sich mit Welteroberungsplänen trägt.

 

T.N.T. SMITH. Die beinharte Science-Fiction-Serie spielt vor der atemberaubenden Kulisse des Zweiten Weltkriegs und führt den Leser in rasanten Abenteuern um die ganze Welt.

 

Der Autor

 

 

Horst Pukallus, Jahrgang 1949.

Schriftsteller, Herausgeber und Übersetzer.

Seit den späten 1960er Jahren veröffentlichte er Kritiken zur SF-Literatur, vor allem in der Zeitschrift Science Fiction-Times. 1974 erschien seine erste Erzählung Interludium. Es folgten u.a. die Story-Sammlungen Die Wellenlänge der Wirklichkeit (1983) und Songs aus der Konverter-Kammer (1985), die Pukallus als einen der vielseitigsten und intellektuell versiertesten deutschsprachigen Genre-Autoren seiner Generation etablierten. Neben seiner Meisterschaft im Metier der Kurzgeschichten/Erzählungen sind auch seine Romane Krisenzentrum Dschinnistan (1985) und Hinter den Mauern der Zeit (1989, zusammen mit Michael Iwoleit) von überragender inhaltlicher und stilistischer Qualität. Zu Recht wird Horst Pukallus mit dem großen amerikanischen SF-Schriftsteller Philip K. Dick verglichen.

Zu seinen herausragenden Übersetzungen aus dem Englischen/Amerikanischen gehören u.a.: Iain Banks: Vor einem dunklen Hintergrund (1998), John Brunner: Morgenwelt (1980), John Brunner: Schafe blicken auf (1978), John Brunner: Der Schockwellenreiter (1979), Philip K. Dick: Kinder des Holocaust (1984), Jack Womack: Heidern (1993) sowie die Deryni-Romane von Katherine Kurtz (1978 – 2000).

In den Jahren 1980, 1981, 1984, 1985 und 2001 erhielt er den Kurd-Laßwitz-Preis für die beste Übersetzung; 1991 erhielt er diese Ehrung für seine Erzählung Das Blei der Zeit.

Horst Pukallus lebt und arbeitet in Wuppertal.

 

Horst Pukallus

DIE STADT UNTER DEN BERGEN

 

1. Kapitel 

 

An Bord der Meng Jiangnü, Juni 1937

 

Schweiß und Alkoholdunst stehen Smith im Gesicht, während er die Leiche unter den Armen packt, vom Fußboden hochhebt und unterm Bullauge an die Wand lehnt. Das Schiff vollführt ein Manöver und krängt merklich, und als Smith gegen den Toten taumelt, hört er einen neuen Kanonenschuss und das Heranpfeifen einer Granate. Unwillkürlich fragt er sich, was passieren könnte, wenn das Geschoss in den Kohlenbunker einschlägt, in dem schon seit Tagen ein Schwelbrand glost. 

Grundgütiger Himmel, denkt er, wie bin ich denn nur wieder in diese Bredouille geraten? Er keucht und schnauft, ihm zittern die Muskeln, er spürt, dass er in den letzten Wochen körperlich abgeschlafft ist. Ich habe einfach nicht aufgepasst. Nicht mehr so ganz mitgekriegt, was rings um mich vorgeht. Daran ist nur Grace schuld, das verdammte Weib. 

Die Granate jault lauter, immer lauter. Angespannt lauscht Smith, um den richtigen Augenblick nicht zu versäumen. Suff und Weiber, überlegt er, sind noch mein Untergang. Deshalb stecke ich jetzt in diesem Schlamassel. 

 

Prosit, Yang Wen. Auf Ihr Wohl.“ Da sind ja schon wieder diese beiden fiesen Figuren, stellt Smith bei sich fest, indem er das schmierige Whiskyglas auf dem verschmuddelten Korbtisch absetzt und getrübten Blicks in Richtung Heck zwinkert. Dauernd lungern sie in der Nähe der Kabine herum. Das wird doch wohl etwas zu bedeuten haben. 

Wenn Smith je auf einem wahrhaftigen, ganz üblen Seelenverkäufer fahren musste, dann ist es bestimmt das 18 000-BRT-Fahrgastschiff Meng Jiangnü. Der Dampfer hat einen eleganten Klipperbug, ein wunderbares Promenadendeck und zwei rotgestrichene Schlote, ist ansonsten aber ein längst zum Abwracken überfälliger Kahn. Nur dank der Verantwortungslosigkeit der Hongkonger Reederei, die von den berüchtigten Gebrüdern Zhong als Abschreibungsunternehmen betrieben wird, verkehrt er noch jeden Monat zwischen Kanton und Kalkutta und setzt dabei jedes mal das Leben mehrerer Hundert Passagiere aufs Spiel. 

Ursprünglich hieß das Schiff Amphitrite, hat einem holländischen, auf Java ansässigen Bankier gehört und zwischen Manukau Harbour in Neuseeland und der chinesischen Hafenstadt Shanghai verkehrt. Eines schönen Tages im Jahre 1934 jedoch waren Kapitän und Steuermann dermaßen betrunken, dass sie die Amphitrite irrtümlich nach Nordosten schipperten, ins Gelbe Meer. Daraufhin hatten die Japaner, die seit 1931 die Mandschurei besetzt haben und dort das Marionettenkaiserreich Mandschukuo stützen, in ihrer humorlosen Art das Schiff aufgebracht und beschlagnahmt. Nach jahrelangem Verschleiß als Truppentransporter – unter dem Namen Hayate – diente es eine Zeitlang als Lagerhulk und ist zu guter Letzt in völlig heruntergewirtschaftetem Zustand an die Gebrüder Zhong verhökert worden, eine Familie südchinesischer Plutokraten, von der in Asien jeder weiß, dass sie mit den Japanern kollaboriert. 

Diese Geschichte kennt Smith von Yang Wen, einem älteren, rüstigen Chinesen, mit dem er die Zweierkabine teilt. Zweierkabinen sind der höchste Luxusstandard an Bord der Meng Jiangnü und zumeist von Weißen oder betuchten Philippinos bewohnt. Alle ärmeren Passagiere, überwiegend chinesische, burmesische und indische Kleinhändler, müssen mit den Massenquartieren der Unterdecks vorlieb nehmen. 

Yang Wen spricht besseres Englisch als die syphilitische neuseeländische Bardame, die Smith sich im Kantoner Mermaid Inn nur mit Müh und Not vom Hals halten konnte, und hat zum Zeitvertreib vorgeschlagen, ihm ein wenig Chinesisch beizubringen. Dazu benutzt er ein Chinesisch-Englisch-Lehrbuch der Kommunistischen Partei Chinas, das irgendjemand im von Schimmel zerfressenen Wandschrank der Kabine vergessen hat. 

„Ich lese Ihnen erst vor nächste Lektion“, sagt Yang Wen mit freundlichem Lächeln. „Dongtian, guazhe beifeng, xiàzhe dàxue. Winter, wehen Nordwind, fallen groß Schnee. Lièníng hái chuanzhe yíjiàn jiù dàji. Lenin noch tragen ein alt Mantel. Zhèjiàn dàyi chuanle hao xieh niàn le, hao jige dìfang yijing buguo le. Dieser Mantel tragen gut einige Jahr, gut einige Stelle schon geflickt. Tóngzhìmen pà Lièníng dònghuài, dhou quàn yíjiàn yin de. Genossen fürchten Lenin frieren kaputt, alle raten er wechseln ein neu.“ 

Gegenwärtig durchquert das Passagierschiff die Straße von Sumatra, und Smiths müde Augen streifen, während er eine Senior Service raucht, die Westküste Malakkas, der malaiischen Halbinsel. Kurz nach Umrunden der Landspitze ist im Kohlenbunker der Meng Jiangnü ein Schwelbrand festgestellt worden. Aber nur wenige Leute auf dem Schiff wissen darüber Bescheid, und anscheinend machen sie sich deswegen keine Sorgen. Infolgedessen hat Smith beschlossen, sich auch nicht den Kopf zu zerbrechen. Der Schrottkahn beschränkt sich auf Küstenschiffahrt, und als ausgezeichneter Schwimmer hat Smith jederzeit eine Chance, sich an Land zu retten. 

Der ältliche Chinese streicht sich um den schütteren, ergrauten Bart und liest weiter vor. „Lièníng xiàozhe shuo: ‘Bú yào, bú yào. Dàjia dou yíyàng leng, youde rén lián jiú dàyi dou méo you.’ Lenin schmunzelnd sagen: ‘Nicht brauchen, nicht brauchen. Alle alle gleich kalt, manche Leute sogar alt Mantel nicht haben.’ Hòulái, gémìng shènglì le. Youde tóngzhì kai wánxiào shuoh: ‘Lièníng tóngzhì de dàyi keyi jìn gémìng bówùguan le.’ Später Revolution siegen. Einige Genossen machen Spaß, sagen: ‘Lenin, Genosse, Mantel können in Revolutionsmuseum.’ Keshi Lièníng háishì chuanzhe nàjiàn jiù dàji. Aber Lenin noch tragen jener alte Mantel.“ 

„Darauf wollen wir trinken“, bemerkt Smith zerstreut und langt wieder nach dem Glas. Er hat zwei Schwächen, Alkohol und Weiber, und weil es gerade an kumpablen Frauenzimmern fehlt, tröstet er sich um so mehr mit hochprozentigem Trinkbarem. Außerdem wären sonst die Verhältnisse auf der Meng Jiangnü unerträglich, derartig stinkt es nach Öl, Rauch, fettem Essen, Fusel und Opium. 

Die beiden verdächtigen Gestalten, die ihm zum wiederholten Mal auffallen, sind eindeutig Europäer, denn ganz offenkundig geht Ihnen jede Kenntnis fernöstlicher Sprachen und Umgangsformen ab. Im Gegensatz zu in Asien eingewöhnten Weißen vermeiden sie nahezu krampfhaft jede Berührung mit den Passagieren aus hiesigen Ländern. Nicht zum erstenmal sieht er, dass sie ihn belauern, allerdings geschieht es immer aus gehörigem Abstand. Und schon mehrmals hat er das Gefühl gehabt, dass seine und Yang Wens Kabine mit regelrecht fachmännischer Sorgfalt durchsucht worden ist. 

Mit vornehmer Zurückhaltung schlürft Yang Wen ein Schlückchen Tee, ehe er die Lektion fortsetzt. „Yìtian, yíge tóngzhì kànkan Lièníng shenshàng de jiù dàyi, yòu duì Lièníng shuo: ‘Lièníng tóngzhì, qing nín mashàng huàn jiàn xin dàji ba, buran, nín huì dònghuài de.’ Ein Tag, ein Genosse sehen an Lenin alt Mantel, auch zu Lenin sagen: ‘Lenin, Genosse, bitte Sie sofort wechseln ein neu Mantel, sonst Sie können frieren kaputt.’„ 

Aufgrund der Umstände beobachtet Smith – so diskret, wie er es als Journalist gelernt hat – die zwei Männer, die am anderen Ende des Promenadendecks an der Reling lehnen, voller misstrauen. Die Kerle haben helle Sakkoanzüge aus Leinen an, wie geschniegelte Europäer sie in den Tropen bevorzugen, und Strohhüte mit breiten Hutbändern auf dem Kopf. 

Herrschte nicht eine so feuchte Schwüle, die den Willen lähmt, hätte er nicht soviel Whisky getrunken und nicht den ganzen Tag lang die hitzigsten Weiberphantasien, Smith wäre längst aufgestanden und hätte sich die beiden Schnüffler vorgeknöpft. 

„Lièníng jin wòzhe nàge tóngzhì de shou shuo: ‘Ni yiwéi gémìng shènglì le, women jiù yingghai chuan de hao yidianr ma? Búcuò, women quèshí qudé le shènglì, keshì hái yào jiànshè. Qián yào yòng zài jiànshè fangmiàn. Yifu chuan de jiú yìdianr, méi you guanxi.’ Lenin fest drücken jener Genosse Hand, sagen: ‘Du denken, Revolution siegen, wir dann sollen anziehen gut ein bißchen? Nicht falsch, wir wirklich erringen Sieg, aber noch müssen aufbauen. Geld müssen verwenden in Aufbaubereich. Kleidung tragen alt ein bisschen, nicht haben Belang.’“ 

Smith muss sich selbst eingestehen – und vielleicht bald auch Yang Wen -, dass er ein schlechter Schüler ist. Suff und Einsamkeit geben kaum die besten Voraussetzungen zum Lernen ab, und er hat jede der schon durchgenommenen Lektionen über Nacht vergessen. Aber zum Glück ist er bisher von Yang Wen nie nachträglich abgefragt worden. Chinesische Höflichkeit. Trotzdem (oder vielleicht eben deswegen) verspürt er das verschwommene Bedürfnis, einen Beitrag zum Unterricht beizusteuern. „Warum heißt dieses Schiff Meng Jiangnü?“, erkundigt er sich, obwohl ihm die Zusammenhanglosigkeit der Frage klar ist. „Ich meine, was bedeutet der Name?“ 

Yang Wen hebt einen langen Zeigefinger, als ob er darauf Wert legt, dass Smith nun besonders gut die Ohren aufsperrt. 

„Vor zweitausend Jahr Kaiser Qin Shihuang war furchtbar Tyrann, ließ ausheben viel Fronarbeiter und bauen Groß Mauer. War auch wahnsinnig und suchte Elixier für Unsterblichkeit.“ 

Da war er nicht der erste und nicht der letzte Wahnsinnige dieser Sorte, denkt Smith. Man schaue sich nur einmal an, was ich zur Zeit so erlebe. 

„Ließ aber bauen groß Mausoleum und backen viel Soldaten aus Lehm und graben ein. Bei Bau von Groß Mauer viel Menschen groß Erschöpfung, gehen kaputt. Schriften erzählen, bald viel Gerippe sein in viel Gruben, Seite an Seite stehen, nicht fallen um. Wan Xiliang war Bräutigam von Meng Jiangnü, nach Hochzeit musste sofort gehen arbeiten an Groß Mauer. Meng Jiangnü hatte Haarspange aus weiß Jade, brach entzwei Spange und gab Wan Xiliang Hälfte, sagen: ‘Wenn du haben diese Teil, du immer denken an mich.’ Zwei Jahr vergehen, nicht kommen Nachricht von Wan Xiliang. Meng Jiangnü in groß Sorge, wandern nach Norden. An Groß Mauer sie kriegen Schreck, Fronarbeiter alle klapperdürr, groß Elend, groß Elend. Sie nicht finden Wan Xiliang. Dann treffen Arbeiter aus Heimatgegend, sagen zu Meng Jiangnü: ‘Wan Xiliang drei Monat kaputt, liegen unter Groß Mauer.’ Meng Jiangnü drei Tag und Nächte viel weinen, viel weinen. Erste Nacht durch Weinen Sturm toben, zweite Nacht Himmel und Erde sein schwarz wie Tinte, dritte Nacht Berge beben, achthundert Meilen Groß Mauer stürzen ein, schmettern viel grausam Beamte kaputt, decken auf viel kaputt Fronarbeiter. Da Meng Jiangnü hat erkannt Wan Xiliang, Gerippe haben Hälfte von Haarspange aus weiß Jade. Kaiser Qin Shihuang kriegen groß Wut über Einsturz, aber als sehen, wie schön Meng Jiangnü, er wollen haben sie als Konkubine. Aber Meng Jiangnü lieber springen in Meer und gehen kaputt.“ 

Ach Grace, Grace, Grace, denkt Smith, wärst du doch auch ein so treue Seele. Er denkt es, obwohl er weiß, dass er selbst keine treue Seele ist. Trotzdem trauert er ihr nach, es verhält sich einfach so, dass keine andere Frau ihn in einen derartigen Strudel der Lust zu ziehen verstand. 

Seit fast einem Jahr hat er sie nicht gesehen, aber die Trennung grämt ihn noch immer Tag für Tag. Seit Anfang 1937 ist er viel unterwegs gewesen, so wie sie wohl auch, doch haben ihre Wege sich nicht gekreuzt. 

2. Kapitel 

 

An Bord der Meng Jiangnü, Juni 1937

 

Auf der Welt hat sich seit dem vergangenen Jahr mancherlei ereignet. In Spanien ist der Bürgerkrieg mit voller Heftigkeit entbrannt, und Bomber der deutschen Legion Condor, die auf der Seite der Franco-Faschisten kämpft, haben im April die baskische Stadt Guernica in Schutt und Asche gelegt. Italien vollendet die militärische Unterwerfung Äthiopiens. In Indien haben mehrere Volksstämme unter Führung des Fakirs von Ipi einen „Heiligen Krieg“ gegen die britische Kolonialmacht ausgerufen. Im Mai hat man in London im Rahmen aufwendiger Feierlichkeiten Georg VI. gekrönt und explodierte das deutsche Großluftschiff LZ 129 Hindenburg am Ankermast in Lakehurst, New Jersey. Das letzte besondere Ereignis, von dem Smith in den Zeitungen las, bevor er sich in Lissabon nach Suez, in Suez nach Aden und in Aden nach Australien einschiffte, war die Eröffnung der Pariser Weltausstellung. 

Natürlich wäre Smith am liebsten schon im vergangenen Dezember sofort von Nordafrika nach Nepal gereist, um dort nach „Alex“ zu suchen, der vielleicht der mutmaßlich Unsterbliche Alexander Baranow ist, Ex-Legionär wie Gilbert, Cedric Grosvenor und andere möglicherweise unsterbliche Beteiligte der Schlacht um Constantine im Oktober 1837. Aber ein Journalist hat noch anderes zu tun, vor allem Brötchen zu verdienen.  

Folglich hat Smith ein neues Feature über die IRA und ihre geschichtlichen Ursprünge geschrieben, um in der englischsprachigen Weltpresse ein wenig zur Versachlichung der Diskussion beizutragen, sich damit in England aber nichts als Anfeindungen und Schmähungen eingehandelt. Im Februar war er in den Vereinigten Staaten, um einen Pressebericht über die Hochwasserkatastrophe in Missouri zu verfassen. Während des März machte er bei der spanischen Provinzhauptstadt Guadalajara einen Frontbesuch und berichtete über die verheerende Schlappe der italienischen Intervenierten. Eine Grippe hinderte ihn im April weitgehend am Arbeiten, insbesondere am Aufsuchen der Ruinen Guernicas; er musste sich mit kleineren Zeitungsbeiträgen finanziell über Wasser halten. 

Eigentlich war es Smith Absicht, zum Zweck der Berichterstattung noch die Weltausstellung zu besuchen, ehe er nach Asien reist – natürlich mit dem Hintergedanken an all die vielen Empfänge, Cocktailpartys und Bankette, auf denen man Frauen über Frauen kennen lernen kann. Doch Mr. Castle, der Verleger der World, mochte von dem Vorschlag nichts wissen. Vielmehr fand er Geschmack an der Vorstellung, Smith lieber endlich, wenn auch auf Umwegen, nach Nepal zu schicken. In letzter Zeit altert Castle zusehends, und allmählich überwiegt das Interesse an etwaiger Unsterblichkeit wohl doch seine Knauserigkeit. 

„Nepal ist eines der letzten Länder, die sich der Welt fast völlig verschließen, Smith“, hat er erhobenen Füllfederhalters gerufen, die buschigen Brauen bis unter die Stirnglatze gewölbt. „Ausländer gelangen nur mit Billigung der Königsfamilie hinein. Wenn Ihre Recherchen in Sachen des angeblichen Jungbrunnens Sie dort hinführen, schreiben Sie mir bei der Gelegenheit gefälligst einen Reisebericht. Seien Sie ruhig gründlich. Wir drucken ihn in Fortsetzungen.“