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Titelseite

 

 

 

Besonderen Dank an Elisabeth Faith

 

 

 

Die Ausstellung

„Hiermit erkläre ich die Ausstellung Es war einmal für eröffnet!“, verkündete Mr Stevens, der Bürgermeister von Willow Springs. Er schnitt das rote Band entzwei, das vor einer großen Doppeltür gespannt war.

Lena grinste ihre Freundinnen an. Gemeinsam hatten sie die wertvollen Stücke für die Ausstellung des Museums entdeckt. Das Tagebuch eines Mädchens, das vor über hundert Jahren im Herrenhaus lebte, hatte sie und ihre Ponys zu einem Haufen alter Bücher geführt. Tief versteckt im Keller eines eingestürzten Hauses mitten im Wald. Bei den Büchern handelte es sich jedoch nicht um gewöhnliche Bücher, sondern um seltene Erstausgaben der Märchen des berühmten dänischen Schriftstellers Hans Christian Andersen.

Julis Eltern, denen das Herrenhaus und der Wald heute gehörten, hatten beschlossen, die Bücher dem Heimatmuseum zu überlassen. Diese Neuigkeit hatte sich schnell im Ort verbreitet. Schon bald waren Leute von der Zeitung im Schlosshof aufgetaucht, die alles über das Abenteuer der Mädchen wissen wollten und Fotos von den Ponys machten. Lena und ihre Freundinnen hatten sich wie berühmte Filmstars gefühlt.

Lena folgte Juli und ihren Eltern in den Ausstellungsraum. Große Texttafeln waren an den Wänden befestigt. Die Besucher konnten sich über Hans Christian Andersen informieren. In der Mitte des Raums standen mehrere Glasvitrinen, in denen die Bücher lagen.

Lenas Mutter drückte die Hand ihrer Tochter. „Ich bin so stolz auf dich“, wisperte Mrs Kennet.

„Lena, komm her!“ Juli winkte Lena zu. Sie deutete auf eine Pinnwand mit Zeitungsausschnitten, die berichteten, wie die Mädchen die Bücher gefunden hatten. Auch ein Foto war zu sehen, auf dem die Mädchen neben der Schatztruhe mit den Büchern standen.

„Oh nein, seht nur, wie schrecklich ich aussehe“, seufzte Mia und betrachtete sich auf dem Foto.

„Du siehst toll aus“, beruhigte Lena sie.

„Komm!“ Hannah hakte Lena unter und zog sanft an ihr. „Lasst uns die Bücher ansehen.“

Die Mädchen drängten sich um die Glasvitrinen. Die Bücher lagen aufgeschlagen auf goldenen Buchständern. Der erste Buchstabe jeder Seite war größer als die anderen und goldfarben. Die Seitenränder waren mit bunten Zeichnungen von Prinzessinnen mit goldenem Haar, leuchtend grünen Fröschen, Meerjungfrauen und herrlichen Blumen verziert.

Eine Bibliothekarin trat zu ihnen. „Wir werden jeden Tag eine Seite umblättern“, erklärte sie. „Leider dürfen wir die Bücher den Besuchern nicht in die Hand geben, weil sie zu kostbar sind.“

„Nur eine Seite pro Tag?“ Mia hob erstaunt die Augenbrauen. „Da wird es aber lange dauern, sie ganz zu lesen.“

Hannah seufzte glücklich. „Wir können so froh sein, dass wir sie anfassen und selbst umblättern durften.“

Lena verstand, was Hannah meinte. Es war ein ganz besonderes Gefühl gewesen.

Hinter den Vitrinen stand Julis Vater und unterhielt sich mit einem älteren Paar. Mr Marle erzählte ihnen von Andersens Verbindung zu Willow Springs. „Es ist möglich, dass er einen Teil des Märchens Die kleine Meerjungfrau bei einem Besuch im Herrenhaus geschrieben hat“, sagte er.

Das ältere Ehepaar drehte sich um und betrachtete die Bücher genauer. Lena erkannte sie. Es waren Jack und Susie, die Großeltern von Mark, der auf einem Bauernhof im Tal lebte. Sein Pony Pinto hatte eine Weile auf dem Ponyhof Apfelblüte gewohnt, während Mark verreist war.

Lena winkte Jack und Susie zu und sie lächelten strahlend zurück. Ihr Enkel Mark betrachtete eines der Bücher. Sein dunkles Haar hing ihm in die Augen.

Lena ging zu ihm, um ihn zu begrüßen. „Hallo, Mark“, sagte sie. „Ich wusste gar nicht, dass du auch zur Eröffnung kommst.“

Mark lächelte sie schüchtern an. „Ich wollte mir die Bücher ansehen“, antwortete er. „Stimmt es, dass du sie gefunden hast?“

„Nicht ich allein“, erwiderte Lena. „Eigentlich hat Juli sie entdeckt, als sie in den eingestürzten Keller gefallen ist.“

Mark machte große Augen. „Aber du hattest die Idee, Juli und die Bücherkiste mit dem Pony rauszuziehen.“

„Du hast also die Zeitung gelesen“, sagte Lena lachend. „Wie geht es Pinto?“

„Es geht ihm super“, erzählte Mark. Er schob seine Brille zurück auf die Nasenwurzel. „Und Dolly auch. Letzte Woche ist sie geschoren worden. Als sie zurück auf die Weide kam, hat Pinto sie zuerst nicht erkannt.“ Pinto und Dolly waren beste Freunde, obwohl das eine ein Pony und das andere ein Schaf war.

Juli kam zu ihnen herüber. Ihre grünen Augen leuchteten vor Aufregung. „Eine Reporterin ist da.“ Sie deutete auf eine rothaarige junge Frau, die sich mit Mia, Hannah, Paulina und Lotte unterhielt. „Sie will ein Foto von uns vor den Vitrinen machen.“

„Mark ist hergekommen, um sich die Bücher anzuschauen“, sagte Lena. „Toll, oder?“

Juli lächelte Mark an. „Hallo, Mark. Vielleicht können wir demnächst mal zu euch geritten kommen und nach Pinto sehen. Es gibt ein paar richtig gute Reitwege auf eurem Land, die ich gerne ausprobieren würde.“

Auf Marks Gesicht breitete sich ein Strahlen aus. „Das wäre super“, sagte er. „Ich würde total gern auf Pinto mitreiten.“

Juli zögerte. Lena vermutete, dass ihre Freundin Mark eigentlich nicht zu ihrem Ausritt hatte einladen wollen. Sie legte den Arm um Juli und drückte sie warnend. Sie wollte nicht, dass Mark enttäuscht wurde. „Klingt fantastisch“, sagte Lena. „Die Ponys werden sich freuen, wenn Pinto mitkommt.“

Mark ging zu seinen Großeltern und fragte sie, ob sie einverstanden wären, wenn er mit den Mädchen auf einen Ausritt ging.

„Das ist eine schöne Idee“, erwiderte Oma Susie. „Welch nette Einladung.“

„Was ist eine nette Einladung?“, fragte Mrs Marle, als sie mit Lenas Mutter herantrat.

„Ich habe vorgeschlagen, dass wir zum Bauernhof reiten und Pinto besuchen.“ Juli klang nicht mehr so begeistert.

Mrs Marle machte ein nachdenkliches Gesicht. „Gute Idee. Wie wäre es übermorgen?“

„Ich werde euch ein Picknick einpacken“, bot Mrs Kennet an. „Das wird bestimmt ein schöner Ausflug. Ich wünschte, ich könnte mitkommen.“

Lena musste beim Gedanken an ihre Mutter auf einem der Ponys schmunzeln. Mrs Kennet behauptete manchmal, sie hätte vor ihrem Umzug nach Willow Springs das Vorderteil eines Ponys nicht vom Hinterteil unterscheiden können. Sie bevorzugte es, Ponys zu malen, statt auf ihnen zu reiten. „Ein Picknick wäre toll“, sagte Lena. Sie freute sich schon auf den langen Ausritt.

Juli zog an Lenas Arm. „Komm, wir müssen uns für das Foto aufstellen.“

„Alles klar bei dir?“, wisperte Lena, als sie sich durch den vollen Raum drängelten. „Willst du nicht, dass Mark mitkommt?“