Christian Lunzer - Peter Hiess

Der Fall Martha Marek

Der blonde Engel von Wien

 

Image

 

© 2016 cc-live

Kreittmayrstr. 26, 80335 München

Cover: cc-live

Alle Rechte vorbehalten

ISBN 978-3-95616-571-9

www.cc-live.net

 

Inhalt

Der blonde Engel von Wien

Quellen

Lust auf mehr?

Mütter, Töchter, Ehefrauen

Gift & Galle

Auf Messers Schneide

Weibliche Tugenden

Mörderische Arbeitsmarktverwaltung

Mord am Arbeitsplatz

Arbeitsplatz und Ausbildung

Die Autoren

Der Verlag

Impressum

 

Der blonde Engel von Wien

Thallium, das erst nach der vorletzten Jahrhundertwende als Schädlingsbekämpfungsmittel populär wurde – also nicht auf die lange Tradition des Arseniks zurückblicken kann –, kommt in Mordfällen häufig vor. Das Gift war in jeder Drogerie oder Gemischtwarenhandlung in zwei Handelsformen erhältlich: unter dem Firmennamen Zelio als Paste, die zudem mit dem ebenfalls giftigen Schweinfurter Grün, einem Arsenfarbstoff, gefärbt war; und als Zelio- oder Surux-Körner – mit Thallium versetzte, blau gekennzeichnete Weizenkörner. Eine Tube Zeliopaste enthielt bei einem Gesamtgewicht von 55 g ungefähr 1,6 g Thalliumsulfat, das Doppelte der für einen Menschen tödlichen Dosis.

Die Symptome einer Thalliumvergiftung beginnen schleichend. Zuerst tritt Verstopfung ein, die sich mit herkömmlichen Abführmitteln nicht beseitigen lässt. Nach einer Woche kommt es zu neuralgieähnlichen Schmerzen in den Extremitäten. Selbst sanfte Berührungen erzeugen in diesem Stadium unerträgliche Qualen. Später treten die diagnostisch charakteristischen Schmerzen unter dem Brustbein und im Bauch auf, die auf Druck aber aufhören. Dazu stellen sich Schlaflosigkeit und starkes Durstgefühl ein. Die Vergifteten fühlen sich besonders unwohl, erwecken aber einen oft hysterischen oder hypochondrischen Eindruck. In der zweiten Woche kommen zu den neuralgischen Schmerzen Herzjagen und Pulssteigerungen. Die Reflexe verschwinden bis zur totalen Reflexlosigkeit der unteren Extremitäten, die anfängliche Überempfindlichkeit wird durch völlige Unempfindlichkeit abgelöst. Die Haare fallen aus. Besonders kennzeichnend ist die so genannte »Spitzfußstellung« als Folge der Lähmungserscheinungen.

Die eigentliche Todesursache ist nach etwa zwei Wochen eine Lähmung des Nervus vagus. Auch bei einer überstandenen Thalliumvergiftung – erst nach vier bis fünf Wochen kann der Patient als gerettet angesehen werden – bleiben Symptome wie Lähmungserscheinungen in den Füßen oder Sehstörungen zurück.

In einem der bekanntesten österreichischen Kriminalfälle der Zwischenkriegszeit spielte Zeliopaste eine wichtige Rolle.

Martha Marek ist ohne Zweifel Österreichs prominenteste Mörderin; kaum eine Sammlung von Kriminalfällen, die nicht ihre Geschichte erzählt. Als einzige Österreicherin fand sie in der »Encyclopaedia of Murder« von Colin Wilson und Patricia Pitman Aufnahme. Dabei sind es eigentlich zwei Fälle, die sie berühmt gemacht haben – zuerst die Geschichte mit dem abgehackten Bein, später dann die Giftmordserie.